Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: November 2008)

Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/45618/

1. Felskunst in Europa

In Europa ist Felskunst in der Regel in der Höhlenmalerei präsent. Insgesamt gibt es 150 Orte mit Felskunst in Frankreich, 128 in Spanien und 21 in Italien, in anderen Ländern weniger. Die Felskunst stellt die ältesten Zeugnisse menschlicher Malereien mit Pigmenten und Bindemitteln dar. Die frühesten Belege stammen aus der Zeit vor ca. 35.000 Jahren. Wichtigste Motive sind Tiere und Menschen; damit ist die Höhlenmalerei ein Zeugnis einer Jagdkultur.

2. Felskunst im Vorderen Orient

Statt Malereien mit Farbauftrag werden im Vorderen Orient Darstellungen in patinierte Kalk- oder Sandsteinfelsen geritzt. Da die Oberfläche der Felsen durch die Oxidation dunkel ist, hebt sich die hellere, weil noch nicht oxidierte Ritzung farblich ab.

Solche Felskunst ist ein typisches Zeugnis der nomadischen und beduinischen Kultur. Sie unterscheidet sich stark von der städtischen Kultur bzw. Hochkultur, bildet aber meist das einzige ikonographische Zeugnis für die nichtstädtische Gesellschaft im Nahen Osten.

Außer in Afrika finden sich Felsbilder im Sinai, im Negev, in Jordanien, in Saudiarabien, in der syrischen Wüste und in Kleinasien. Zahlreiche Ortslagen im Negev und auf dem Sinai wurden bisher erfasst und können mit der nichtsesshaften Gesellschaft dort in Verbindung gebracht werden.

Die Erforschung der Felsbilder wurde stark von E. Anati vorangetrieben, dessen kultische Interpretationen jedoch nicht unumstritten sind (z.B. sollen die Felsbilder in Har Karkom ein Hinweis darauf sein, dass hier der Sinai zu suchen ist). Ansonsten wurden die Felsbilder in den letzten Jahrzehnten stark vernachlässigt. Ledigleich die häufig mit den Felsbildern gemeinsam anzutreffenden Inschriften wurden intensiver erfasst. Es handelt sich dabei häufig um nabatäische, thamudische und safaitische Inschriften, gelegentlich auch um hebräische, griechische und lateinische.

3. Datierungsmöglichkeiten

Ein besonderes Problem stellt die Datierung der Zeichnungen dar. Folgende methodische Zugänge bieten sich an:

Felskunst

● Eine relative Chronologie entsteht, wenn ältere Felsbilder durch jüngere überzeichnet wurden.

● Keramikfunde etc. aus der unmittelbaren Umgebung können, müssen aber nicht eine Datierungshilfe sein; die Keramik kann z.B. von Besuchern herrühren, die die Stätte viel später besucht haben.

● Reste von temporärer Siedlungstätigkeit in der Region, wie sie bei Surveys gefunden werden, können wenigstens einen Anhaltspunkt bieten, in welcher Epoche eine Region von Nomaden besucht wurde.

● Gelegentlich finden sich Inschriften in unmittelbarem Kontext der Felszeichnungen, die gleichfalls einen Hinweis auf die Datierung geben können.

● Die abgebildeten Gegenstände (z.B. Streitwagen) können einen Hinweis darauf geben, aus welcher Zeit die Felsbilder frühestens stammen.

● Stilistische Vergleiche mit anderen, besser datierten Zeichnungen können einen Hinweis auf die Datierung geben.

● Die Patina wird im Laufe der Zeit durch erneute Oxidation dunkler, was ein Datierungshinweis sein kann; allerdings muss die gleiche Patina an unterschiedlichen Orten nicht unbedingt ein Hinweis auf das gleiche Alter sein, da die Patina von Umwelteinflüssen (Sonneneinstrahlung, Wind etc.) abhängig ist.

Anati hat die Gravuren im Sinai und Negev in verschiedene Epochen eingeteilt:

Zum Vergleich dazu kann man auf Grund von Surveys im Sinai und Negev die Perioden ermitteln, in denen menschliche Präsenz in diesen Gebieten nachgewiesen ist. Ein Vergleich der Tabelle und der Grafik macht deutlich, dass das 2. Jahrtausend zwar nach Anati bei den Felsbildern präsent ist, aber aus dieser Zeit kaum Siedlungsnachweise existieren. Die Chronologie von Anati bedarf dringend einer aktuellen wissenschaftlichen Überprüfung, bei der alle bestehenden Festbilder der Levante unter stilistischen Gesichtspunkten mit einbezogen werden müssen. Leider fehlt derzeit noch ein umfassender – grenzüberschreitend Israel, Jordanien und Ägypten einbeziehender – Katalog aller Funde mit einer genauen Bestimmung der Patina, der Stilrichtung und der archäologischen Reste der Umgebung.

Durch Klimaveränderungen sind die Felsbilder des Vorderen Orients stark gefährdet.

4. Biblischer Bezug

Felskunst wird in der Bibel nicht erwähnt. Trotzdem haben die Felsbilder eine große Bedeutung für die Erhebung der beduinischen und nomadischen Kultur, aus der nach Ansicht vieler Forscher der Jahweglaube stammt. Allerdings ist dieser Bereich bislang völlig vernachlässigt worden und bedarf dringend einer eingehenden Bearbeitung.

Literaturverzeichnis

  • Anati, E., 1968, Rock-Art in Central Arabia, Leuven
  • Anati, E., 1981, Felskunst im Negev und auf Sinai, Bergisch-Gladbach
  • Rhotert, H., 1938, Transjordanien. Vorgeschichtliche Forschungen, Stuttgart
  • www.stonewatch.de (CD über Timna)
  • Journal of Epigraphy and Rock Drawings (Amman seit 2007)

Abbildungsverzeichnis

  • Felskunst im Sinai (Wādi Mokattib). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 1994)
  • Perioden menschlicher Präsenz im Sinai und Negev. © Wolfgang Zwickel

PDF-Archiv

Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:

Abbildungen

Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz) und ihrem Präsidenten Othmar Keel.

VG Wort Zählmarke
Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.3
Folgen Sie uns auf: