Feuer
(erstellt: März 2013)
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Feuer spielt eine elementare Rolle im Alltagsleben des alten Israel. Gleichzeitig wird es auf unterschiedliche Weise mit Gott in Verbindung gebracht, aber – anders als im altorientalischen Umfeld – nicht als eigene Gottheit verehrt: Es begegnet im Opferkult, in Theophanieschilderungen und in metaphorisch-bildlicher Rede.
Die engere Verbindung des Feuers mit Gottheiten in der altorientalischen Umwelt des Alten Testaments drückt sich z.B. darin aus, dass in Mesopotamien die männliche Gottheit Girra neben anderen kosmisch verankerten Göttern das Feuer repräsentiert (vgl. Krebernik, 46.52.68f.). In der ägyptischen Kosmogonie besteht ein enger Zusammenhang zwischen Feuer und Sonne; Re kann als „Flamme“ bezeichnet werden. Ägyptische Wörter für Flamme (nśr.t und nbj.t) bezeichnen gleichzeitig die Göttin Sachmet, die u.a. als feuriger Löwe vorgestellt wird. Ihr wird eine Verbindung zur Uräusschlange zugeschrieben, die auch als „die Feurige“ bezeichnet werden kann. Im altiranischen, zoroastrischen Kult wird das Feuer als Personifizierung von Atar, dem Sohn des Ahura Mazdah, verehrt und in eigenen Feuerheiligtümern gepflegt.
1. Alltag
1.1. Ambivalenz von Feuer
Feuer ist sowohl in seiner positiven Funktion – als Licht- und Wärmequelle, bei der Nahrungszubereitung und im Handwerk – als auch in seiner negativen, zerstörerischen Eigenschaft fester Bestandteil des Alltagslebens im alten Israel. Diese beiden Seiten des Feuers werden z.B. im Rahmen des Völkerspruches (→ prophetische Redeformen
„Siehe, sie sind wie Stroh, die das Feuer verbrannt hat (אֵשׁ שְׂרָפָתַם). Sie retten ihr Leben nicht aus der Gewalt der Flamme. Es gibt keine Kohle, um sie zu wärmen, kein Feuer, um davor zu sitzen“ (Jes 47,14
1.2. Nützliches Feuer
1.2.1. Alltag: Heizen, leuchten, kochen
Zum Heizen werden Kohlebecken verwendet (כִּיּוֹר אֵשׁ; Sach 12,6
„Und das alles dient dem Menschen zur Feuerung (בער), und er nimmt davon und wärmt sich (חמם). Teils heizt er / zündet er es an (נשׂק) und bäckt Brot, teils verarbeitet er es zu einem Gott und wirft sich davor nieder, macht ein Götzenbild daraus und beugt sich vor ihm. Die Hälfte davon verbrennt er im Feuer (שׂרף בְּמוֹ־אֵשׁ). Auf dieser seiner Hälfte brät er Fleisch, isst den Braten und sättigt sich. Auch wärmt er sich (חמם) und sagt: Ha! Mir wird es warm (חמם), ich sehe Feuer (אוּר). Und den Rest davon macht er zu einem Gott, zu seinem Götterbild.“
Dieser Text aus → Deuterojesaja
Ausgrabungen von Häusern in Palästina zeigen Feuerstellen. Gebacken wurde entweder in der Glutasche auf einem vom Feuer erhitzten Stein oder in einem einfachen → Ofen
1.2.2. Handwerk
Neben der lebensnotwendigen Funktion des Feuers im Haushalt findet es im Handwerk Verwendung, z.B. beim Brennen (שׂרף) von Ziegeln (Gen 11,3
1.3. Zerstörerisches Feuer
Im Haushalt führten Feuerstellen leicht zu Verletzungen und auch zu Bränden. Ex 22,5
2. Kult
Im alttestamentlichen Kult spielt Feuer insofern eine zentrale Rolle, als alle alttestamentlichen Opferarten (→ Opfer
Bei Tieropfern werden von den Tieren zumindest die besten Stücke auf dem Altar verbrannt, während andere Stücke von den Priestern oder der versammelten Gemeinde gegessen werden (Lev 4-6
Nach Ex 12,9
Darüber hinaus waren Feuerriten ein Bestandteil der Menschenopferpraxis, einem Sonderfall altorientalischer Kulte. Die Frage, ob es im alten Israel und seinem Umfeld Kinderopfer (→ Menschenopfer
3. Theophanien
Gotteserscheinungen (→ Epiphanie
„Da erschien ihm der Engel JHWHs in einer Feuerflamme (לַבַּת־אֵשׁ) aus der Mitte des Dornbuschs. Er schaute, und siehe, der Dornbusch brannte im Feuer, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt.“
Der brennende Dornbusch, der nicht verbrennt, ein im Letzten unerklärliches Phänomen, symbolisiert göttliche Gegenwart. Gleichzeitig kann JHWH selbst als verzehrendes Feuer bezeichnet werden (אֵשׁ אֹכְלָה Dtn 4,24
Die Gottesoffenbarung an Mose im brennenden Dornbusch setzt sich im Großen in der Theophanie am → Sinai
„Der ganze Berg Sinai rauchte (עשׁן), weil JHWH im Feuer auf ihn herabstieg. Sein Rauch stieg wie der Rauch eines Schmelzofens (כִּבְשָׁן) auf, und der ganze Berg bebte sehr.“ (Ex 19,18
כִּבְשָׁן kivšān „Schmelz- / Brennofen“ kommt sonst noch in Gen 19,28
Die Ambivalenz des Feuers aus dem Alltagsleben in seiner sowohl schöpferischen Kraft als auch zerstörerischen Bedrohung betrifft auch die Gottesbeziehung. JHWH begleitet das Volk Israel beim Exodus und in der Wüste schützend tagsüber in einer Wolkensäule, nachts in einer Feuersäule (עַמּוּד אֵשׁ Ex 13,21-22
„Und als das Volk klagte, da war es in den Ohren JHWHs böse. Und als JHWH es hörte, da erglühte sein Zorn (וַיִּחַר אַפּוֹ), und ein Feuer JHWHs brannte unter ihnen (וַתִּבְעַר־בָּם אֵשׁ יהוה) und fraß am Rand des Lagers. Und das Volk schrie zu Mose; und Mose betete zu JHWH, da legte sich das Feuer (וַתִּשְׁקַע הָאֵשׁ). Und man gab diesem Ort den Namen Tabera (תַּבְעֵרָה), weil ein Feuer JHWHs unter ihnen gebrannt hatte.“
Bei der hebräischen Rede vom → Zorn
4. Feuermetaphorik
In der bildlichen Redeweise über das Feuer spiegelt sich seine Ambivalenz zwischen wärmender, reinigender, positiver und zerstörerischer, vernichtender, negativer Wirkung wieder. Nicht nur der Zorn Gottes, sondern auch das Wort Gottes wird mit Feuer verglichen:
„Ist mein Wort nicht wie Feuer (כָּאֵשׁ), spricht JHWH, und wie ein Hammer, der einen Felsen zerschmettert?“ (Jer 23,29
Die Kraft des Wortes ist so stark, dass selbst die Verbrennung einer Schriftrolle – durch den am Kohlebecken sitzenden König → Jojakim
In weisheitlichen Texten werden Leidenschaften mit Feuer verglichen (z.B. Hi 31,12
In Dtn 29,19-22
Im Kontext der → Apokalyptik
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart 1973ff
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1997-2007
- Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin / New York 2000
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., Gütersloh 2004
- Herders Neues Bibellexikon, Freiburg / Basel / Wien 2008
2. Weitere Literatur
- Albertz, R., Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, Bd. 1 (ATD.E 8/1), Göttingen 1992
- Bauks, M., Menschenopfer in den Mittelmeerkulturen, VF 56 (2011), 33-44
- Dahm, U., Opferkult und Priestertum in Alt-Israel. Ein kultur- und religionswissenschaftlicher Beitrag (BZAW 327), Berlin / New York 2003
- Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. 1/1, Gütersloh 1928; Bd. 4, Gütersloh 1935
- Frevel, C., Moloch und Mischehen, in: U. Dahmen / J. Schnocks (Hgg.), Juda und Jerusalem in der Seleukidenzeit (FS H.-J. Fabry; BBB 159), Göttingen 2010, 161-187
- Jacobson, H., God as Consuming Fire, HThR 98 (2005), 219-222
- Janowski, B., Homo ritualis. Opfer und Kult im alten Israel, BiKi 64 (2009), 134-140
- Krebernik, M., Götter und Mythen des Alten Orients, München 2012
- Michel, A., Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament (FAT 37), Tübingen 2003
- Stavrakopoulou, F., King Manasseh and Child Sacrifice. Biblical Distortions of Historical Realities (BZAW 338), Berlin / New York 2004
- Willi-Plein, I., Ein Blick auf die neuere Forschung zu Opfer und Kult im Alten Testament, VF 56 (2011), 16-33
- Zwickel, W., Die Welt des Alten und Neuen Testaments. Ein Sach- und Arbeitsbuch, Stuttgart 1997
Abbildungsverzeichnis
- Ein Backofen (Tannur) stand auf einer Feuergrube. Beim Brotbacken wurde der feuchte Teig an die Innenwände geklatscht und blieb an ihnen kleben, bis er durchgebacken war. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- In einem Schmelzofen wurde über einem Holzkohlefeuer in Tiegeln Metall erhitzt, bis es flüssig war. Um die Temperatur zu erhöhen, wurde durch einen Kanal mit einem Blasebalg Luft in den Ofen gepumpt (die Zeichnung orientiert sich an einer Installation in Tell Qasile aus dem 11. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Assyrische Soldaten schleppen Beute aus einer eroberten Stadt, zerstören die Stadtmauer und legen Feuer an die Häuser (Relief aus dem Palast Assurbanipals, 669-630 v. Chr., in Ninive). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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