Freudenbote / Freudenbotschaft
(erstellt: August 2017)
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1. Freudenboten/innen im Alten Testament
1.1. Der Begriff „Freudenbote/in“
Für Freude kennt die hebräische Sprache viele unterschiedliche Begriffe, die im Deutschen als sich freuen, froh sein, frohlocken, jubeln, jauchzen u.ä. wiedergegeben werden können (→ Freude
Die hebräische Wortwurzel für das Auftreten von Freudenboten/innen (בשׂר bśr) kommt im Alten Testament insgesamt 30-mal vor, 6-mal als Nomen (2Sam 4,10
Während der vergleichbare akkadische Wortstamm sowohl eine gute Botschaft als auch eine Unglücksbotschaft meinen kann – wobei die positiven Beispiele überwiegen –, steht der Begriff im Ugaritischen sowie in den arabischen, äthiopischen und jüdisch-aramäischen Sprachen nahezu durchgängig für erfreuliche Aussagen. Eine Verbindung zum Wort „Fleisch“ (בָּשָׂר bāśār) ist weder im Hebräischen noch in seiner Umwelt belegt.
Sowohl Frauen als auch Männer treten als Freudenboten/innen auf. Drei feminine Partizipien (Ps 68,12
Die → Septuaginta
Im Folgenden werden zunächst die Freudenboten/innen in profanen alttestamentlichen Zusammenhängen vorgestellt (18 Belege: 12 Verben, 6 Nomina), anschließend geht es um die von Gott gesandten Freudenboten/innen im Alten Testament (12 Belege / Verben). Der letzte Teil gilt der Fortführung des Weitersagens göttlicher Freudenbotschaften im Neuen Testament.
1.2. In profanen Zusammenhängen
Im Kriegsfall werden die Boten, die aus der Schlacht zurückkehren, hoffnungsvoll als Freudenboten erwartet. Von den zuhause Gebliebenen sind es vor allem Frauen, die Siegesnachrichten verbreiten und den siegreich aus dem Kampf heimkehrenden Kriegern zujubeln. Ein deutliches Beispiel dafür sind die für → Saul
Die gute Nachricht der Freudenboten/innen vom errungenen Sieg kann sowohl Israel als auch den Feinden gelten. So wird der Tod Sauls den → Philistern
In 2Sam 1,19-27
Ambivalent ist auch die Freudenbotschaft vom Sieg über die Feinde Davids im eigenen Volk, angeführt von seinem Sohn → Absalom
Vergleichbar mit David hofft sein Sohn → Adonija
In 2Kön 7,9
Ein anderer Zusammenhang zeigt sich in Jer 20,15
Ein einziges Mal, in 1Sam 4,17
1.3. Mit göttlichem Auftrag
1.3.1. In prophetischer Literatur
Um Gottes Wort und / oder Wirken kundzutun, treten in Jes 40,9
In Jes 40,1-11
Grammatikalisch lassen die beiden Partizipien, als Constructus-Formen verstanden, die erstgenannte Übersetzung zu. Die Septuaginta schreibt die beiden Partizipien in maskuliner Form. Die griechische Übersetzung nimmt dem Text dadurch seine weibliche Komponente. Eine Gleichsetzung Jerusalems (weibliche Form) mit der Freudenbotin ist laut dieser Variante aber gänzlich unmöglich. Inhaltlich gesehen gilt mit Blick auf den gesamten Vers Jes 40,9
Die Freudenbotin Jerusalems steht in einer Reihe von Tröstern/innen für die Stadt und für ganz Juda. Gemäß der Tradition der Siegesbotinnen hat die Freudenbotin den Auftrag, den Sieg, hier die angebrochene Gottesherrschaft, zu verkünden. Sie soll auf einen hohen Berg steigen, ihre Stimme mit Macht erheben, sich nicht fürchten und den Städten in Juda zurufen, dass Gott immer für sein Volk zugegen ist (הִנֵּה אֱלֹהֵיכֶם hinneh ’älohêkhæm; Nominalsatz; Jes 40,9
In Jes 52,7
In Nah 2,1
In Jes 41,27
In Jes 61,1
Nach Lk 4,17-21
In Jes 60,6
In allen genannten Texten geht es darum, dass die in Gottes Namen agierenden Freudenboten/innen mit ihren Reden und / oder Zeichen das geknechtete Gottesvolk ermutigen. An manchen Stellen sind direkt Gebeugte (עָנִי ’ānî, Jes 61,1
1.3.2. In den Psalmen
Im → Psalter
In Ps 40,2
In Ps 68,12
In Ps 96,2
Wie in der prophetischen Literatur gilt die Rede der Freudenboten/innen auch im Psalter besonders den Notleidenden, explizit den Gebeugten (עָנִי ‘ānî, Ps 40,18
1.4. Ziel der freudigen Botschaft
Fasst man die Ergebnisse aller zwölf Textstellen der in göttlichem Auftrag auftretenden Freudenboten/innen zusammen, ist es ihre vornehmste Aufgabe, auf Gott als künftigen Regenten und als Retter seines Volkes zu verweisen.
In fünf Textstellen kommt der Wortstamm ישׁע jš‘ „retten“ insgesamt 9-mal vor (Ps 40,11.14.17
Adressaten/innen der Freudenbotschaft sind Zion und Jerusalem (Jes 40,9
Gott beruft Frauen (Ps 68,12
Das Auftreten der Freudenboten/innen auf Bergen, weithin sichtbar und hörbar (Jes 40,9
2. Rezeption im Neuen Testament: „Evangelium“
Die Septuaginta verwendet für das Verb בשׂר bśr „eine Freudenbotschaft verkünden“ εὐαγγελίζεσθαι euangelizesthai. Das griechische Verb kommt im Neuen Testament insgesamt 54-mal vor. Während das Wort im außerbiblischen Sprachgebrauch der hellenistisch-römischen Zeit ähnlich wie in profanen alttestamentlichen Zusammenhängen gerne für das Überbringen einer Siegesnachricht und weiterer politischer oder privater freudiger Nachrichten verwendet wird, gelten im Neuen Testament Jesus und diejenigen, die in seinem Namen auftreten, als Freudenboten/innen. In Mt 11,5
Für alle, die das Evangelium verkünden, gilt, wie es schon in Jes 52,7
Vergleichbar den alttestamentlichen Textstellen kommt das griechische Wort mehrfach mit der Ankündigung von Rettung (σωτηρία sōtēria) durch Gott vor (Lk 2,10f
Die Erwartung von Freudenboten/innen war offenbar zur Abfassungszeit des Neuen Testaments lebendig. Entsprechend kommt sie auch in rabbinischen Texten dieser Zeit vor. Mit dem Verb מְבַשֵּׂר məvaśśer erwarten die Rabbinen den Freudenboten, der das Heil und die nahe gekommene himmlische Königsherrschaft verkündet. Dieser Freudenbote kann der Messias sein, aber auch Elias oder ein Ungenannter. Bedeutend ist seine Botschaft der Erlösung. Die Nähe solcher rabbinischer Aussagen zum Neuen Testament ist deutlich. Das Substantiv „Evangelium“ findet sich in diesen rabbinischen Schriften allerdings nicht. Die eschatologische Freudenbotschaft wird nicht mit dem Substantiv בְּשֹׂרָה bəśorāh bezeichnet, weil man keine neue Botschaft erwartete. Was verkündet wird, ist seit Deuterojesaja bekannt, wichtig ist, dass es verkündet wird. Daher sind die Freudenboten/innen und der Akt der Verkündigung wichtiger als die Freudenbotschaft selbst. Auf die Handlung, das Verkündigen an sich, kommt es an. Die Botschaft schafft das Neue, das Wort führt die neue Zeit herauf (vgl. Friedrich). In der christlichen Exegese herrscht aber aufgrund des fehlenden Nomens bei den Rabbinen verschiedentlich Zurückhaltung, das Substantiv Evangelium (εὐαγγέλιον euangelion) mit dem alttestamentlichen Begriff des Freudenbote-Seins in Verbindung zu bringen. Frankemölle findet für das Wort „Evangelium“ in seiner neutestamentlichen Bedeutung traditionsgeschichtlich keine wirkliche Analogie.
In profanen Zusammenhängen ist von unterschiedlichen mit dem Nomen bezeichneten frohen Botschaften die Rede. In den ältesten Belegen bei Homer benennt es den Lohn für die gute Botschaft. Wer rasch eine gute Nachricht bringt, wird selbst dafür gebührend entlohnt. Seit Cicero ist ebenso die Bedeutung des Wortes als frohe Botschaft selbst nachweisbar. Als solches spielt das Wort „Evangelium“ im Kaiserkult eine wichtige Rolle. Der Kaiser galt als Gottheit in Menschengestalt. Er erschien als Heiland der Welt und als Erretter (σωτήρ sōtēr) Einzelner in ihrer Not. Durch sein Erscheinen verkündete er Gutes (εὐαγγελία euangelia). Die Nachricht von seiner Geburt war das erste Evangelium, als weitere folgten seine Mündigkeitserklärung und vor allem seine Thronbesteigung (vgl. Friedrich; Inschrift von Priene zu Ehren des Augustus: Leipoldt / Grundmann). Außerdem ist das Substantiv εὐαγγέλιον euangelion „Freudenbotschaft“ in der griechischen Literatur, vergleichbar den genannten alttestamentlichen Teststellen, terminus technicus für eine Siegesbotschaft. Der Bote erscheint, erhebt die Rechte zum Gruß und ruft mit lauter Stimme seine freudige Siegesbotschaft aus. Sein strahlendes Gesicht, die mit Lorbeer geschmückte Lanzenspitze und das bekränzte Haupt bekräftigen die gute Nachricht. Die Opfer während der folgenden Feste werden ebenso εὐαγγελία euangelia genannt. (vgl. Friedrich).
Neutestamentliche Autoren propagieren das Evangelium vom Reich Gottes (βασιλεία τοῦ θεοῦ basileia tou theou). Den Begriff Evangelium (εὐαγγέλιον euangelion) verwenden sie allerdings nur im Singular. In jesuanischer wie auch alttestamentlicher Tradition gibt es nur eine frohe Botschaft: Gott regiert als König (vgl. Jes 52,7
Literaturverzeichnis
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