Fruchtbarkeit
(erstellt: März 2009)
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1. Begriff
Fruchtbarkeit ist allgemein die Fähigkeit von Organismen, Nachkommenschaft hervorzubringen. Das biblische Hebräisch kennt den abstrakten Begriff Fruchtbarkeit nicht, sondern umschreibt ihn auf vielfältige Weise: In den hebräischen Wurzeln prh „fruchtbar sein“ und zr‘ „säen“ drückt sich der unmittelbare Zusammenhang zwischen menschlicher Fruchtbarkeit und Fruchtbarkeit des Bodens, der Pflanzen und der Tiere aus (Dtn 7,13
2. Fruchtbarkeit und Segen
Fruchtbarkeit ist eine prinzipielle Voraussetzung für Zeugung, Empfängnis, → Schwangerschaft
Neben der allgemein hohen Bedeutung von Fruchtbarkeit und leiblicher Nachkommenschaft im alten Israel und seiner Umwelt finden sich in den alttestamentlichen Texten Spuren davon, dass diese Wichtigkeit nicht absolut gesetzt wird, sondern auch relativiert werden kann. Die Begriffe pərî „Frucht“ und zæra‘ „Same“ sind offen sowohl für eine Deutung als leibliche Nachkommenschaft als auch als Frucht bzw. Same im Sinne der Werke und Taten eines Menschen. Die Bildsprache ermöglicht also eine Weite der Interpretation von der Flora über menschliche Nachkommenschaft bis hin zu den Wirkungen eines Menschen.
3. Unfruchtbarkeit
Aufgrund der hohen Bewertung von Fruchtbarkeit gilt Unfruchtbarkeit von Frauen und auch von Männern in der Hebräischen Bibel als großes Leid (→ Frau
Die Fülle von Begriffen sowie narrativen und bildlichen Umschreibungen für das Phänomen Unfruchtbarkeit bzw. Kinderlosigkeit weist darauf hin, dass es sich im Alten Orient um ein durchaus verbreitetes Phänomen handelt. Die hebräischen Bezeichnungen sind keine rein medizinischen Feststellungen, sondern sie umschreiben das ganze Leben. Als Verursacher der Unfruchtbarkeit gilt im Allgemeinen Gott: JHWH hat die Macht, den Mutterleib zu schließen (1Sam 1,5
4. Fruchtbarkeit und Kult
Fruchtbarkeitskulte waren in Israel, Kanaan und im Alten Orient insgesamt weit verbreitet. In den alttestamentlichen Texten wird die Macht JHWHs über die Fruchtbarkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen in Abgrenzung von Fruchtbarkeitskulten der kanaanäischen Religion und der Volksfrömmigkeit in Israel betont (Ex 32
5. Fruchtbarkeitssymbole
Die altorientalische → Ikonographie
Ein verbreitetes Motiv ist z.B. die Zweiggöttin (→ Göttin
Das Motiv eines säugenden Muttertiers – einer Capride (→ Ziege
Die Funktion und Verwendung einzelner Figurinen, Amulette, Motive auf Rollsiegeln und Idole lässt sich nur ansatzweise rekonstruieren und unterscheidet sich je nach Fundort, Material und Kontext. Zum Teil dürften sie als Opfergaben Bitten im Zusammenhang mit Fruchtbarkeit – um erfolgreiche Schwangerschaft, Geburt, Stillen etc. – unterstützt haben.
Während die ältere Forschung alle Darstellungen dieser Art unter den gemeinsamen Oberbegriff „fertility figurines“ stellte, sind die Deutungen heute zurückhaltender. Fruchtbarkeit, lebensfördernde Kraft und Vitalität sind zentrale Aspekte von Frauen- und Göttinnenidolen. Neben diesen mütterlich-nährenden Seiten drücken sie aber auch Erotik und Macht aus. Letztlich bleibt eine Fülle von möglichen Deutungen, unter denen Fruchtbarkeit ein Element ist.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart 1973ff
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Herders Neues Bibellexikon, Freiburg i.Br. 2008
2. Weitere Literatur
- Bonanno, A. (Hg.), 1986, Archaeology and Fertility Cult in the Ancient Mediterranean, Amsterdam.
- Cohen, J., 1989, “Be Fertile and Increase, Fill the Earth and Master It.” The Ancient and Medieval Career of a Biblical Text, Ithaca / London.
- Frevel, C., 1995, Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs (BBB 94), Bonn.
- Grohmann, M., 2007, Fruchtbarkeit und Geburt in den Psalmen (FAT 53), Tübingen.
- Keel, O., 1980, Das Böcklein in der Milch seiner Mutter und Verwandtes (OBO 33), Freiburg (Schweiz) / Göttingen.
- Keel, O. / Schroer, S., 2002, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Freiburg / Göttingen.
- Keel, O. / Schroer, S., 2004, Eva – Mutter alles Lebendigen. Frauen- und Göttinnensymbole aus dem Alten Orient, Freiburg (Schweiz) / Göttingen.
- Marsman, H.J., 2003, Women in Ugarit and Israel. Their Social and Religious Position in the Context of the Ancient Near East (OTS 49), Leiden / Boston.
- Schroer, S., 1987, Die Zweiggöttin in Palästina/Israel. Von der Mittelbronze II B-Zeit bis zu Jesus Sirach, in: M. Küchler / C. Uehlinger (Hg.), Jerusalem. Texte – Bilder – Steine (NTOA 6), Freiburg (Schweiz) / Göttingen, 201-225.
- Schroer, S., 1989, Die Göttin auf den Stempelsiegeln aus Palästina / Israel, in: O. Keel / H. Keel-Leu / S. Schroer, Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina / Israel II (OBO 88), Freiburg (Schweiz) / Göttingen, 89-207.
- Stol, M., 2000, Birth in Babylonia and the Bible. Its Mediterranean Setting (Cuneiform Monographs 14), Groningen.
- Winter, U., 1983, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt (OBO 53), Freiburg (Schweiz) / Göttingen.
Abbildungsverzeichnis
- Zweiggöttin (anatolisch-syrische Gussform; 1700 v.Chr.). Aus: Schroer 1989, Abb. 10; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Capriden am heiligen Baum (mittanisches Rollsiegel aus Megiddo; späte Bronzezeit). Aus: Schroer 1987, Abb. 16; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Säugende Kuh (Elfenbeinschnitzerei aus Arslan Tasch; 9. Jh. v. Chr.). Aus: Keel 1980, Abb. 115; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Nackte Göttin (fragmentarische Gussform aus Byblos; 1. Hälfte 2. Jt. v. Chr.). Aus: Schroer 1989, Abb. 16; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
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