Andere Schreibweise: Gasa
(erstellt: April 2022)
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1. Name
Über die o.g. ägyptische Form (Gdt / Qdt) ist wohl die Wiedergabe bei Herodot (Hist. 2,159; 3,5; Text gr. und lat. Autoren
2. Biblische Überlieferung
2.1. Grenzzone Gaza
Häufig wird Gaza im Alten Testament im Kontext seiner geographischen Lage im südwestlichen Randbereich des Landes thematisiert. So schon Gen 10,19
2.2. Philisterstadt Gaza
Die zentrale Bedeutung Gazas als Machtzentrum der Philister wird in den Erzählungen um den Helden → Simson
Als → Hiskia
2.3. Prophezeiungen über Gaza
In der Aufzählung der Länder und Fürsten, über die in Jer 25 der Becher des Zorns ausgegossen wird, folgen auf Jerusalem und Juda, Ägypten und das Land → Uz
Amos kündigt nach Aram-Damaskus sogleich Gaza die Zerstörung durch Feuer an (Am 1,6f
Wie schon Gen 10,19
Im 1. Makkabäerbuch ist vom Versuch des Hasmonäers → Jonatan
2.4. Gaza in der Apostelgeschichte
In neutestamentlicher Zeit lag Gaza außerhalb der Provinz Judäa und wird weder in den Evangelien, noch in den Briefen erwähnt. Lediglich in der Apostelgeschichte findet sich die „Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt“ (Apg 8,26
3. Lage und Lokalisierung
Als einzige Stadt der philistäischen Pentapolis blieb Gaza kontinuierlich besiedelt, so dass die antike Stadt unter der historischen Bebauung der Altstadt zu suchen ist und der archäologischen Erschließung weitgehend entzogen bleibt. Deren ausgedehnte, hügelige Erhebung im Umfang von etwa 750 x 750 m, in der sonst überwiegend flachen Küstenebene, markiert den Tell Ḥarūbe (hebr. Tel ‘Azzah; Koordinaten: 0995.1015;
An der vier Kilometer entfernten Küste wurden Reste der in römischer Zeit blühenden Hafenstadt Gazas, die Maiumas genannt wurde, identifiziert, so eine 1965 von der ägyptischen Altertümerverwaltung entdeckte und 1967-1976 durch die israelische Altertümerverwaltung unter Asher Ovadiah erschlossene Synagoge aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. mit Handwerkerviertel und Wohnhäusern. Eine zweite hellenistisch-römisch-byzantinische Satellitenstadt Gazas, Anthedon / Agrippias, liegt ebenfalls an der Küste drei Kilometer weiter nördlich (al-Blakhiyah [Liblakhiyeh] beim Flüchtlingslager ash-Shati). Dort führte von 1995 bis 2005 die Palästinensische Altertümerverwaltung zusammen mit der französischen École biblique et archéologique von Jerusalem unter Moain Sadeq und Jean-Baptiste Humbert Grabungen durch, die auch eisenzeitliche Befestigungen erfassten.
Sechs Kilometer südlich der Altstadt, nahe dem Wadi Ghazzah (hebr. Nahal ha-Besor), liegen nebeneinander der Tell Sakan und der Tell el-‘Aǧǧûl (→ Tell el-‘Aǧǧūl
Weil griechische und römische Quellen von Alt-Gaza (παλαία Γάζα palaia Gaza) und Neu-Gaza (νέα Γάζα nea Gaza, auch νεάπολις neapolis, „Neustadt“) sprechen, vermutete Petrie am Tell el-‘Aǧǧûl das vorhellenistische Gaza und publizierte die Grabungsberichte unter dem Titel „Ancient Gaza“. Die Differenzierung dürfte aber eher auf die Bedeutungsverschiebung der Stadt hin zur Küste (Maiumas als „neues Gaza“) Bezug nehmen, und die Lage des alten Gaza auf dem Tell Ḥarūbe (heutige Altstadt) gilt inzwischen als gesichert. Für die Identifizierung von Tell el-‘Aǧǧûl (arab. „Kälberhügel“) wurde Bet-‘Aglajim (hebr. „Ort der beiden Kälber“) aus dem Onomastikon des Eusebius (48,19: Βηθαγλαίμ Bēthaglaim; Onomastikon
4. Geschichte
4.1. Ägyptische Herrschaft
Obwohl Gaza das Ende des schon im 3. Jahrtausend für Ägypten bedeutsamen sog. Horuswegs, entlang der Nordküste der Sinaihalbinsel, markiert, ist die Stadt weder archäologisch noch in historischen Quellen vor der Spätbronzezeit bezeugt. Als Thutmose III. 1457 v. Chr. auf dem Weg zur bedeutenden Schlacht bei → Megiddo
Aus der späten 19. Dynastie (um 1200 v. Chr.) ist ein Fest für die einheimische Göttin „Anat von Gaza“ belegt (Ostrakon Michaelides Nr. 85). Wenig später, unter → Ramses III.
4.2. Gaza als Philisterstadt
4.3. Assyrische, babylonische und persische Hegemonie
Für die expandierenden → Assyrer
Das erneute ägyptische Intermezzo war aber nur von kurzer Dauer, denn das Neubabylonische Reich ersetzte nun das Assyrische, und → Nebukadnezar II.
Unter persischer Herrschaft gelangt Gaza zu zunehmender wirtschaftlicher Blüte. Von immer stärkerer Bedeutung wird nun die Weihrauchstraße (→ Weihrauch
4.4. Hellenistische und römische Herrschaft
Wie schon gegen die Perser, so versucht Gaza 332 v. Chr. ähnlich heftig, aber mit verheerenden Folgen, sich gegen Alexander d. Großen zur Wehr zu setzen. Erst nach fünfmonatiger Belagerung gelang ihm die Eroberung der Stadt, an deren Bevölkerung er durch Tötung der Männer und Versklavung von Frauen und Kindern ein Exempel statuierte (Arrian, Anab. 2; Text gr. und lat. Autoren
Die in 1Makk (s. oben) geschilderte vertragliche Einigung in Folge der Belagerung durch den → Hasmonäer
4.5. Christentum
In Maiumas fasste das Christentum zuerst erfolgreich Fuß, weshalb die Stadt im 4. Jh. den Namen Konstantia erhielt. Mehrere Bischöfe von Gaza in dieser Zeit stammen wohl eigentlich von dort. Der Hl. Hilarion (291-371), der in der Nähe von Gaza geboren wurde, führte als Schüler von Antonius d. Gr. aus Ägypten das anachoretische Mönchtum in Palästina ein und gründete ein Kloster südlich von Gaza (Tell Umm al-‘Amr).
Eine berühmte Rhetorenschule, der Äneas von Gaza (gest. 518), Prokopius von Gaza (gest. 528), Johannes von Gaza (gest. 550?) u.a. entsprangen, war neoplatonisch geprägt und konnte noch griechische Philosophie und Literatur vermitteln.
4.6. Arabische und osmanische Herrschaft
Nach einer kurzen Besatzung durch das sassanidische Persien 619-629 n. Chr., erreichten die arabischen Eroberer unter ‘Amr ibn al-‘As 634 Gaza. Auch sie stießen auf erbitterten Widerstand und konnten die Stadt erst drei Jahre später einnehmen. Der Islam fasste allmählich Fuß und begründete eigene Traditionen. So ist die nach der Großen Moschee, die die Eudokia-Kirche ersetzte, bedeutendste Moschee der heutigen Altstadt der Erinnerung an Haschim ibn Abd-Manāf gewidmet. Der Urgroßvater des Propheten Mohammed, nachdem die Familie und Dynastie der Haschemiten (Könige von Jordanien) benannt ist, soll 510 n. Chr. als Händler in Gaza gestorben sein. Auch von Mohammed selbst möchte die Tradition wissen, dass er noch vor seinem Prophetentum im Zuge des Karawanenhandels nach Gaza gelangt sei. Berühmt wurde der 767 in Gaza geborene Imam aš-Šāfiʿī (gest. 820 in Kairo), der zum Begründer einer der vier Rechtsschulen (Schafiiten) wurde. Nach den omaijadischen und abbasidischen Kalifaten in Damaskus und Bagdad kam Gaza im 9. Jh. unter die Herrschaft der Tuluniden und dann der Fatimiden von Ägypten. Das islamische Gaza exportierte weiterhin erstklassigen Wein, der in Europa als Messwein geschätzt wurde, und führte im 10. Jh. erstmals aus Indien Orangenbäume in Palästina ein. Christliche, jüdische und samaritanische Gemeinden bestanden, wie im übrigen Land, bis zu den Verheerungen der Kreuzfahrerzeit.
In den folgenden Jahrhunderten unter ajjubidischer und mamlukischer Herrschaft von Ägypten aus bedeutete der Mongolensturm 1260 eine Zäsur. Gaza war dabei kurzzeitig der westlichste Punkt des Mongolenreichs. Aus der Stadt wurde ein teilweise zerstörter, unbedeutender Ort, der Hafen wurde aufgegeben.
Eine Wende brachte die Eroberung von ganz Syrien und Ägypten durch den osmanischen Sultan Selim I. 1516. Im 17. Jahrhundert erlebte die Stadt eine Blütezeit und war de facto Hauptstadt Palästinas. Napoleon nahm die Stadt 1799 ein, die er als „Außenposten Afrikas und Tor zu Asien“ zugleich bezeichnete. Danach stand Gaza unter Muhammad Ali wieder unter ägyptischer Kontrolle und verfiel wieder zusehends in den letzten Jahrzehnten osmanischer Herrschaft.
4.7. Moderne
Im Verlauf des Ersten Weltkriegs kam Gaza 1917 nach heftigem Bombardement unter britische Kontrolle. Die jüdische Gemeinde wurde 1929 im Zuge der landesweiten Unruhen im britischen Mandat Palästina auch aus Gaza vertrieben. Nach dem Palästinakrieg 1948 wurde der Gazastreifen ägyptisch besetzt. Die weiteren Eckpunkte sind: 1967 Sechstagekrieg und israelische Besatzung; 1987-1993 1. Intifada; 1994 Errichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde mit dem Einzug Jasser Arafats (1929-2004) in Gaza; 2000-2005 2. Intifada; 2005 einseitige Räumung der israelischen Siedlungen; 2007 palästinensischer Bürgerkrieg, „Hamas“ übernimmt die Macht im Gazastreifen; die fortdauernde Blockade des Gazastreifens durch Israel und anhaltender Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet führen 2008/9, 2012, 2014 und 2021 zu verheerenden Zerstörungen und katastrophalen Folgen für die Bevölkerung von Gaza.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff.
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich 1991-2001
- Archaeological Encyclopedia of the Holy Land, New York, London 2001
- The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993-2008
2. Weitere Literatur
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- Haldimann, M.-A. / Humbert, J.-B. / Martiniani-Reber, M. / Sadeq, M. / Taha, H., 2007, Gaza a la croisée des civilisations (Ausstellung Musée d’art et d’histoire de Genève), Neuchâtel
- Humbert, J.-B. (Hg.), 2000, Gaza méditerranéenne. Histoire et archéologie en Palestine, Bd. 1: Contexte archéologique et historique (Ausstellung Institut du monde arabe, Paris), Paris
- Keel, O. / Küchler, M., 1982, Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 2: Der Süden, Zürich u.a.
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- Petrie, W.M.F., 1931, Ancient Gaza, 5 Bde., London
- Pythian-Adams, W.J., 1923a, Reports on Soundings at Gaza etc., PEQ 55, 11-17
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- Uehlinger, C., 1988, Der Amun-Tempel Ramses’ III. in pꜢ-Kn‘n, seine südpalästinischen Tempelgüter und der Übergang von der Ägypter- zur Philisterherrschaft: Ein Hinweis auf einige wenig beachtete Skarabäen, ZDPV 104, 5-25 (= O. Keel et al. [Hgg.], Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina / Israel III, OBO 100, Fribourg / Göttingen 1990, 3-26)
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- Wimmer, S., 1990, Egyptian Temples in Canaan and Sinai, in: S. Israelit-Groll (Hg.), Studies in Egyptology (FS Miriam Lichtheim), Jerusalem, 1065-1106
- Wimmer, S., 1998, (No) More Egyptian Temples in Canaan and Sinai, in: I. Shirun-Grumach (Hg.), Jerusalem Studies in Egyptology, Wiesbaden, 87-123
- Wimmer, S.J., 2015, Gaza – Stolperstein in der Levante. Die lange Vorgeschichte, Blätter Abrahams. Beiträge zu religionsgeschichtlicher Forschung und interreligiösem Dialog 15, 101-113
Abbildungsverzeichnis
- Statue des Pa-di-Isis, Walters Art Museum (Baltimore), mit Detail aus dem Rückenpfeiler: „der Gesandte für / aus Kanaan-Stadt in Philistien“. Wikipedia, Public Domain (Bearbeitung: SJW)
- Simson bringt den Palast und Tempel von Gaza zum Einsturz („Simsons Tod“, Gustave Doré, undatiert). Wikipedia, Public Domain
- Feldzug Sethos’ I. gegen Schasu-Beduinen vor Gaza; Außenrelief am Hypostyl des Amuntempels von Karnak. © Stefan J. Wimmer, 2018.
- Schematische Darstellung Gazas („Kanaan-Stadt“) aus Abb. 3, oben links. © Stefan J. Wimmer, 2018
- Skarabäus mit Darstellung eines Philisterfürsten vor dem widderköpfigen Amun, aus Tell el-Far’a (Süd). Aus: O. Keel et al. (Hgg.), Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina / Israel III, OBO 100, 1990, S. 14, Abb. 4.
- Einnahme einer Stadt (vermutlich Gaza) durch Sargon II. und Gefangennahme ihres Fürsten (vermutlich Ḫânûnu); Relief in der assyrischen Palastanlage Chorsabad. Aus: M.P.E. Botta, Monument de Ninive, Paris 1849, T.II, Pl. 90
- Einnahme einer Stadt (vermutlich Gaza) durch Sargon II. und Gefangennahme ihres Fürsten (vermutlich Ḫânûnu); Relief in der assyrischen Palastanlage Chorsabad (Detail). Aus: M.P.E. Botta, Monument de Ninive, Paris 1849, T.II, Pl. 100
- Marmorstatue des Zeus-Marnas von Gaza; Archäologisches Museum Istanbul. Wikipedia, Public Domain
- Münze Hadrians aus Gaza, mit Darstellung des Marnas-Tempels. Quelle: https://www.wildwinds.com/coins/greece/judaea/gaza/i.html
(bearb. SJW) - König David spielt Psalmen; Bodenmosaik aus der Synagoge von Gaza, rekonstruierte Kopie. Wikipedia, Public Domain (Bearbeitung: SJW)
- Relief mit Menora an einer Säule aus der Synagoge von Gaza, Große Moschee (zerstört). Aus: C. Clermont-Ganneau et al., Archaeological researches in Palestine during the years 1873-1874 (1896), S. 392 (Wikipedia, Public Domain)
- Darstellung von Gaza mit Stadttor und Kathedrale; Bodenmosaik aus der Stephanuskirche von Umm ar-Rasas (Jordanien). © Stefan J. Wimmer
- Große Moschee von Gaza. Wikipedia, Mohammed Alafrangi, 2007, Public Domain
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