Generation
(erstellt: April 2009)
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→ Eltern
1. Verschiedene Generationenbegriffe
Der Terminus „Generation“ wird in der deutschen Sprache unterschiedlich verwendet. Im familiär-biologischen Bereich bezeichnet „Generation“ den Personenkreis, der von einem gemeinsamen Vorfahren gleich weit entfernt ist. Dies muss nicht zwangsläufig Altersgleichheit bedeuten. So können ein Onkel und ein Neffe gleich alt sein. Von der Abstammung her gehören sie jedoch zwei verschiedenen Generationen (Kinder / Enkel) an. Im soziologisch-geschichtlichen Bereich hingegen wird zumeist ein Personenkreis als Generation bezeichnet, der in etwa gleich alt ist und durch dieselben geschichtlichen Ereignisse geprägt wird (Nachkriegsgeneration, 68er-Generation). Aus soziologischer Sicht ist zudem das Altersstatuskonzept zu beachten. In diesem umschreibt „Generation“ eine Lebensphase (jüngere Generation, mittlere Generation, ältere Generation). Nach diesem Konzept gehört ein Individuum nicht bleibend einer Generation an, sondern durchläuft mehrere Generationen bzw. Lebensphasen. (Näheres zu den verschiedenen Generationenbegriffen bei Biberger, 19-39.)
Analog zu diesen verschiedenen Generationsmodellen ist auch im Alten Testament zwischen den verschiedenen Generationenbegriffen zu unterscheiden. Hier kommen vor allem das familiär-biologische und das soziologisch-geschichtliche Verständnis in den Blick.
2. Das Lexem דּוֹר
Das hebräische Lexem דּוֹר dôr, in der → Septuaginta
Über die Dauer eines dôr gibt es im Alten Testament keine übereinstimmenden Aussagen. Nach Gen 15,13
In der juristischen Sprache wird das Lexem verwendet, um die immerwährende Gültigkeit von Regeln und Gesetzen, auch im kultischen Bereich, zu betonen. Vor allem in der poetischen Sprache dient dôr als Synonym von עוֹלָם ‘ôlām „ewig“. Besonders in den Psalmen drückt die Wortverbindung דּוֹר וָדוֹר dôr wādôr eine endlose Dauer aus („von Generation zu Generation“), die dem lateinischen „in saecula saeculorum“ entspricht.
So wie sich in einer Familie eine Generation an die andere reiht, so gilt dies auch für das Volk (vgl. Pred 1,4
Immer wieder werden mittels dôr konkrete Generationen in den Blick genommen. Sie werden durch wesentliche Ereignisse, durch bestimmte Verhaltensmuster oder durch die Folgen ihres Verhaltens näher eingegrenzt (vgl. Num 32,13
3. Generation im familiär-biologischen Sinn
Der Generationenbegriff im familiär-biologischen Sinn ist vor allem in den → Genealogien
Die Zuordnung zu verschiedenen Generationen bestimmt das Verhältnis der Personen zueinander. Entsprechend stehen die drei Patriarchen → Abraham
Im familiären Bereich geht die ältere Generation der jüngeren nicht nur zeitlich voran, sondern die jüngeren Generationen sind den älteren untergeordnet. Die ältere Generation hat über die jüngere Generation Verfügungsgewalt und trägt Verantwortung für deren Erziehung, die jüngere Generation schuldet der älteren Ehre und Achtung (vgl. → Familie
4. Generation im soziologisch-historischen Sinn
4.1. Die Differenzierung zwischen Personenkreisen
Zahlreiche Texte differenzieren in ihrer Darstellung zwischen Vorfahren und Nachkommen. Diese Aufgliederung wird zumeist mit den Termini Väter / Eltern (אֳבוֹת ’ǎvôt) und / oder Söhne / Kinder (בָּנִים bānîm) angezeigt, gelegentlich auch mit dem Lexem dôr. Einige der dabei entstehenden Personenkreise können als Generation verstanden werden. Die darin zusammengefassten Personen zeichnen sich durch Gleichaltrigkeit sowie durch die Prägung durch dasselbe Ereignis oder durch ein gemeinsames Verhalten aus. Doch nicht alle Personenkreise erfüllen diese Kriterien. Immer wieder ergeben sich auch Personenkreise, die zwar eine gemeinsame Prägung oder eine gemeinsame Verhaltensweise aufweisen, denen jedoch das Element der Gleichaltrigkeit fehlt, da die Zeitspanne, die dieser Personenkreis umfasst, mehrere Jahrhunderte andauert. Diese Personenkreise sind nicht als Generationen im eigentlichen Sinn anzusehen, sondern als „Langzeit-Subjekte“ (Groß, 114), die nicht weiter differenziert werden.
Mittels dieser Differenzierung werden entweder zwei Generationen einander gegenüber gestellt (z.B. in den Kundschaftererzählungen in Num 13,1-14,45
Die Ereignisse, die einen Personenkreis prägen können, sind vielfältig: der Exodus (Jos 24,6-7
Auch die Verhaltensweisen, die ein Personenkreis aufweist oder aufweisen soll, sind mannigfaltig: die Ablehnung der Landgabe (Num 14,1-4
4.2. Die Unterteilung von Geschichtsdarstellungen
Diese Differenzierung in Personenkreise spielt in einigen Geschichtsüberblicken eine besondere Rolle. Manche Texte stellen die Geschichte als Abfolge von Ereignissen dar, die dem nicht weiter differenzierten „Langzeit-Subjekt“ Israel widerfahren sind, d.h. dasselbe Subjekt hat z.B. sowohl den Exodus als auch das Exil erlebt. Andere Texte hingegen untergliedern in der bereits dargelegten Weise ihre Darstellung und weisen so die Ereignisse verschiedenen Personenkreisen zu:
Ez 20,5-26
Neh 9,6-37
1Sam 12,6-15
Die Geschichtsdarstellung in Psalm Ps 78
Auch in Jos 24
Ri 2,6-3,6
Diese Darstellungen umfassen jedoch nie mehr als drei Personenkreise. Bei der Unterteilung in drei Personenkreise ist ein grundlegendes Prinzip erkennbar: Der erste Personenkreis ist in den meisten Fällen die Exodusgeneration, repräsentiert also die Ursprungstradition. Der dritte Personenkreis sind die Adressaten des Textes, an die sich die Botschaft richtet. Beide sind als Generationen zu verstehen. Der zweite Personenkreis hingegen ist häufig ein nicht weiter differenziertes Langzeit-Subjekt, das den ersten und den dritten Personenkreis verbindet. Die Differenzierungslinie zwischen dem zweiten und dem dritten Personenkreis schreitet mit der Geschichte fort.
Dieses Prinzip weist Ähnlichkeiten mit Beobachtungen auf, die Jan Vansina bei der Untersuchung von mündlichen Traditionen gemacht hat: Die jüngste Zeit umfasst die Erlebnisse, an die sich Personen selbst noch erinnern können, die älteste Zeit bezieht sich auf die Ursprungstraditionen, zu denen es eine Fülle von Informationen gibt. Für die Zeit dazwischen sind die Informationen hingegen eher spärlich. Ihre Funktion besteht darin, die Gegenwart mit der Ursprungstradition zu verbinden. Diese Zwischenzeit verändert sich mit dem Fortschreiten der Zeit, weshalb Vansina von einer „floating gap“ (Vansina, 23) spricht.
5. Das Verhältnis der Generationen
In der Auseinandersetzung um das Verhältnis der Generationen nimmt das Thema Schuld einen breiten Raum ein. Das Alte Testament vertritt sowohl die Ansicht, dass die Nachkommen unter der Schuld der Vorfahren zu leiden haben (Ex 20,5
Zwischen den Generationen besteht aber in gleicher Weise auch ein Heilskontinuum (Ex 20,6
Nicht zuletzt stehen die nachwachsenden Generationen in der Tradition, in die die älteren Generationen sie einführen sollen (Ex 10,1-2
(Ausführlicher und mit weiteren Belegen vgl. → Nachkommen
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
2. Weitere Literatur
- Biberger, B., 2003, Unsere Väter und wir. Unterteilung von Geschichtsdarstellungen in Generationen und das Verhältnis der Generationen im Alten Testament (BBB 145), Berlin / Wien
- Conrad, J., 1970, Die junge Generation im Alten Testament. Möglichkeiten und Grundzüge einer Beurteilung (AzTh 42), Stuttgart
- Groß, W., 1998, Zukunft für Israel. Alttestamentliche Bundeskonzepte und die aktuelle Debatte um den Neuen Bund (SBS 176), Stuttgart, 104-125
- Vansina, J., 1985, Oral Tradition as History, London / Nairobi
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