Andere Schreibweise: Gešur, Gessur, Geshur (engl.)
(erstellt: Juni 2017)
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1. Name und Etymologie
Herkunft und Bedeutung des Namens „Geschur“ (hebr. גְּשׁוּר gəšûr) sowie des zugehörigen Gentiliziums „Geschuriter“ (hebr. גְּשׁוּרי gəšûrî) sind unsicher. Einige sehen darin eine Variante zu Geter (Sohn Arams, Gen 10,23
Die Wiedergabe in der → Septuaginta
2. Biblische Überlieferung
In der Hebräischen Bibel findet sich „Geschur“ / „Geschuriter“ in drei Kontexten. Einmal als Bezeichnung eines Gebietes bzw. seiner Bewohner im Zusammenhang mit der Landnahme und einmal als Königtum, zu dem Davids Sohn → Absalom
Nach den Belegen im → Deuteronomium
Die zweite Gruppe von Belegen bezieht sich auf die Abstammung von Davids Sohn Absalom (2Sam 3,3
3. Lage und Identifizierung
Die einzige Quelle für die Existenz Geschurs ist die Hebräische Bibel. Der Großteil ihrer Belege für die Gebietsbezeichnung und das Gentilizium verweisen in die Gegend nordöstlich vom See Genezareth, nämlich auf Aram (2Sam 15,8
Von einer Reihe von Forschern wird heute et-Tell, das antike → Bethsaida
Schließlich gibt es auch den Versuch, die beiden häufig parallel genannten Königtümer Geschur und (Bet-)Maacha (→ Abel-Bet-Maacha
4. Geschichte
Die Rekonstruktion der Geschichte Geschurs und der Geschuriter ist abhängig von den Quellen, aus denen sie sich speist.
Namentlich finden sich die Gebietsbezeichnung und das Gentilizium nur in der Hebräischen Bibel. Hält man das, was sich aus ihr extrahieren lässt, für historisch zuverlässig, war Geschur in der frühen Eisenzeit (→ Eisenzeit I
Gelegentlich werden zwei akkadische Quellen als „external evidence“ wenigstens für die Existenz Geschurs herangezogen, einer der → Amarnabriefe
Die genannte assyrische Inschrift ist teilweise sehr schlecht erhalten. Das betrifft auch die Zeile 160, in der – wie N. Na’aman vorschlägt – eine Referenz auf Geschur (G[i-šu(r)-r]a-a-a) zu lesen sein könnte (Na’aman 2006, 43-46). Da darüber hinaus hinsichtlich der Identifizierung der umstehenden, besser lesbaren Ortsnamen Unsicherheit besteht, ist auch dieser Hinweis auf Geschur alles andere als sicher (Na’aman 2012, 94; Pakkala 2010, 167-170; Pakkala 2013, 229-234). So erhellen diese beiden assyrischen Zeugnisse die Geschichte Geschurs ebenfalls nicht.
Folgt man schließlich der Identifizierung von Bethsaida (et-Tell) mit Geschur bzw. dessen Hauptstadt, bieten die archäologischen Erkenntnisse zu der Ortslage weitere Anhaltspunkte für eine Rekonstruktion der Geschichte Geschurs (Arav 2004; Na’aman 2012, 97). Es war demnach in der Eisenzeit IIA ein gut ausgebautes, wohl aramäisch geprägtes Stadtkönigtum mit einigem Umland am nordöstlichen Rand vom See Genezareth und auf dem südlichen Golan, dessen Anfänge möglicherweise ins 10. oder sogar 11. Jh. v. Chr. zurückreichen. In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s v. Chr. wurde es dann durch den Aramäerkönig → Hasaël
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
- Archaeological Encyclopedia of the Holy Land, New York / London 2001
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
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- Arav, R. u.a., 2017, Report on the 2016 Excavation Season, https://www.unomaha.edu/international-studies-and-programs/bethsaida/_files/docs/bethsaida-reports-2016.pdf
(Stand: 12.04.2017) - Arav, R., 2004, Toward a Comprehensive History of Geshur, in: ders., R.A. Freund (Hg.), Bethsaida. A City by the North Shore of the Sea of Galilee III (Bethsaida Excavations Project. Reports & Contextual Studies), Kirksville, MO, 1-48
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- Younger Jr., K.L., 2016, A Political History of the Arameans. From their Origins to the End of their Polities (ABSt 13), Atlanta
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Bethsaida. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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