Götterrat
(erstellt: Januar 2007)
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1. Terminologie
Unter dem Götterrat (Götterversammlung, himmlischer Hofstaat) versteht man die Vorstellung von göttlichen Wesen in der unmittelbaren Umgebung Jahwes. Terminologisch zeigt sich dabei eine große Vielfalt an Benennungen und Umschreibungen dieser „Götterversammlungen“:
- „Gottesversammlung“ (עדת אל Ps 82,1
); - „Versammlung der Heiligen“ (קהל קדושׁם Ps 89,6
); - „Kreis der Heiligen“ סוד קדושׁם Ps 89,8
); - „Rat des Herrn“ (סוד יהוה Jer 23,18
); - „Rat Gottes“ (סוד אלוה Hi 15,8
); - „Heer des Himmels“ (צבא השׁמים Neh 9,6
); - „Götter“ (אלהים Ps 82,1
.6 ); - „Gottessöhne“ (בני האלהים Ps 82,6
); - „Söhne des Höchsten“ (בני עליון Ps 82,6
) - „Gottessöhne“ (בני אלים Ps 89,7
); - „Himmel“ (השׁמים Ps 89,6
); - „Morgensterne“ (כוכבי בקר Hi 38,7
); - „Seraphim“ (שׂרפים Jes 6,2
); - „Kerubim“ (הכרובים Ez 10,1ff
); - „Gestalten“ (חיות Ez 1,5
); - (ohne Benennung: Jes 6,8
; Jes 40,1-8 ).
2. Altes Testament
Gut greifbar ist die Vorstellung von einem Götterrat etwa in Ps 82,1-8
Geht es in Ps 82 um die Darstellung Gottes als höchstem Richter über die Götter der Gottesversammlung, so wird in Ps 89,7-9
In der prophetischen Überlieferung ist die Vorstellung vom himmlischen Thronrat in Jes 6 und 1Kön 22 erkennbar. → Jesaja
Inhaltlich macht das Alte Testament folgende Aussagen über diese „Götterversammlungen“:
a) Diese göttlichen Wesen gehören alle in die unmittelbare Umgebung Gottes (Ps 82,6
b) Gott steht ohne Zweifel über diesen Göttern (Ps 89,8
c) Eine wichtige Funktion der Götter besteht in dem Lobpreis der Wunder und Werke Gottes (Ps 89,6
d) Die himmlischen Wesen haben zudem die Aufgabe, Gott zu dienen (Jes 6,2
e) Zu dieser dienenden Aufgabe tritt noch eine soziale hinzu, insofern sie Richter für den Geringen, den Waisen, den Elenden und Dürftigen sein sollen (Ps 82,3f
f) In 1Kön 22,19-20
g) Mit der Aufgabe dieser Wesen als Berater Gottes hängt eng diejenige als Mittler für die Menschen zusammen (Jer 23,18
3. Umwelt
In der kanaanäisch-syrischen Umwelt des Alten Testaments lässt sich die Vorstellung von Götterversammlungen an Hand der Texte und Inschriften nachweisen.
a) Als Bezeichnungen für Götterversammlungen begegnen in den Texten aus Ugarit (→ Ugarit
Das Oberhaupt der Götterversammlung ist → El
b) In der phönizischen Religion ist in der Jechimilk-Inschrift (ca. 950 v. Chr.; KAI Nr. 4), der Jechaumilk-Inschrift (5./4. Jh. v. Chr.; KAI Nr. 10), in den Karatepe-Inschriften (ca. 720 v. Chr.; KAI Nr. 26), in der Beschwörung von Arslan Tasch (7. Jh. v. Chr.; KAI Nr. 27) und der Eschmunazar-Inschrift (5.Jh. v. Chr.; KAI Nr. 51) von einer „Versammlung von heiligen Göttern“, „der Versammlung der Götter von Byblos“ bzw. vom „Kreis der Göttersöhne“ die Rede.
Diesen Belegen für eine Götterversammlung kann man jedoch wenig konkrete Aussagen entnehmen. Das Bild der Götterversammlung bleibt blass und statisch. Die Fragen nach dem Aufbau der Götterversammlung, den Beziehungen der Götter untereinander und den Aufgaben dieser Versammlung bleiben offen. An der Spitze der Götter steht Baal-Schamem.
c) Der älteste Beleg eines Götterpantheons aus dem Bereich der aramäischen Religion ist die ins 10.-8. Jh. v. Chr. zu datierende Statuen-Inschrift von Tell Fekheriye. Hier ist von → Adad
Ebenso wie in der phönizischen Religion kann man den Inschriften wenig konkrete Aussagen entnehmen. Es scheint noch nicht einmal eine besondere Bezeichnung für die Götterversammlung zu geben. Die Götter werden pauschal als ’lhj(n) „Götter“ bezeichnet.
4. Altes Testament und Umwelt im Vergleich
Im Alten Testament und in dessen Umwelt ist die Vorstellung eines himmlischen Thronrates greifbar. Hier wie dort hat der Thronrat die Aufgabe, über das Schicksal von Göttern und Menschen zu entscheiden, Gottes Willen auszuführen und die Gottheit anzubeten. In Ugarit regiert El über den Thronrat wie ein Führer über seinen Stamm. Er ist Garant der kosmischen Ordnung und der ewige König des Pantheons. Die Mitglieder des Thronrates müssen El anbeten. Wie in Ugarit El so hat Jahwe in Israel eine absolute Vormachtstellung inne. Er ist Herr der Mitglieder des Thronrates, die ihn anbeten.
Das Konzept des himmlischen Thronrates im Alten Testament unterscheidet sich jedoch in einigen wesentlichen Punkten von dem der Umwelt. Im Alten Testament haben die Mitglieder des himmlischen Thronrates keine Namen wie diejenigen im ugaritischen Pantheon, wo Baal, Anat, Jam, Aschirat und Mot eine wichtige Rolle spielen. Sie besitzen keinerlei Macht, sie kämpfen nicht wie die ugaritische Kriegsgöttin Anat, die auf Grund der Bedrohung der Rechte Baals mit aller Härte für ihren Bruder streitet. Besonderheiten werden von den Mitgliedern des himmlischen Thronrates nicht berichtet. Die Vorstellung eines Baumeisters für die Götter, wie er in → Ugarit
Einen radikalen Bruch mit den Thronratstraditionen der Umwelt vollzieht das Alten Testament damit, dass sich der himmlische Thronrat öffnet, um Menschen, seien es nun Propheten oder Fromme, Zugang zu sich zu gewähren. Wem dieser Zugang offen steht, der ist gesandt zur Verkündigung und kann Gericht und Heil ansagen. In diesen Punkt liegt die Einzigartigkeit der alttestamentlichen Thronratsvorstellung.
Gottes himmlischer Thronrat wird vor allem in nachexilischer Zeit nach Analogie einer idealen menschlichen Gesellschaft vorgestellt. Dies lässt sich gut an dem hebr. Begriff sôd verdeutlichen. Sein Sitz im Leben ist der profane Bereich, wo er dazu dient, freie und lose menschliche Gemeinschaften zu beschreiben. Darüber hinaus beschreibt er die Beratung unter Stämmen und Menschen. Schließlich wird mit der Bedeutung „Geheimnis“ die ideale Gemeinschaft beschrieben, in der der rechte Gebrauch des Wortes gehandhabt wird, in der Menschen glaubwürdig, zuverlässig und loyal sind und die gesetzte Ordnung respektieren. Dies wird nun auf die Vorstellung des himmlischen Thronrates übertragen. Er ist die Gemeinschaft himmlischer Wesen, die Gott loben und preisen, die ihm beratend zur Seite stehen und seine Ratschläge an die Menschen weiter geben. Gerade weil sie in unmittelbarer Nähe zu Gottes Geheimnis stehen, kommt ihnen eine große Verantwortung zu: sie sollen dieses Geheimnis wahren und den Menschen vermitteln. Es ist von daher verständlich, dass die Wendung sôd JHWH zur Bezeichnung für die Gemeinde werden kann.
5. Neues Testament
Anklänge an die Vorstellung von dem im Himmel thronenden und von himmlischen Wesen umgebenen Gott finden sich im Neuen Tesament im Kolosser- (Kol 1,12
In sehr anschaulicher Weise findet sich die Vorstellung von Gott im Himmel und den ihn umgebenden Wesen in Apk 4,1-11
So ist auch im Neuen Testament die Vorstellung vom himmlischen Hofstaat greifbar. Der geöffnete Himmel, die unmittelbare Nähe zu Gott, die gleiche Rangordnung der himmlischen Wesen, ihr Lob und Preis Gottes, ihre Deutung des Visionsgeschehens sowie ihre Gleichsetzung mit den Seraphen aus Jes 6 sind die mit der alttestamentlichen Vorstellung vom himmlischen Thronrat identischen Elemente. Der wesentlichste Unterschied besteht darin, dass in der Offenbarung des Johannes gesagt wird, dass Gott seinen himmlischen Thron verlassen wird, um bei den Menschen zu wohnen.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff (sôd)
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 3. Aufl., München / Zürich 1978-1979 (sôd)
2. Weitere Literatur
- Cooke, G., 1964, The Sons of (the) God(s), ZAW 76, 22-47
- Fabry, H.-J., 1977, swd. Der himmlische Thronrat als ekklesiologisches Modell, in: H.-J. Fabry (Hg.), Bausteine biblischer Theologie (FS G.J. Botterweck; BBB 50), Bonn, 99-126
- Fabry, H.-J., 1979, Studien zur Ekklesiologie des Alten Testaments und der Qumrangemeinde. Analyse und Semantik der ekklesiologischen Terminologie, masch. Habilitationsschrift Bonn
- Herrmann, W., 1982, Die Frage nach Göttergruppen in der religiösen Vorstellungswelt der Kanaanäer, UF 14, 93-104
- Hertzberg, H.W., 1950, Werdende Kirche im Alten Testament (TEH N.F. 20), München
- Hofius, O., 1992, Gemeinschaft mit den Engeln im Gottesdienst der Kirche, ZThK 89, 172-196
- Loretz, O., 1974, Die Sprecher der Götterversammlung in Is 40,1-8, UF 6, 489-491
- Neef, H.-D., 1994, Gottes himmlischer Thronrat. Hintergrund und Bedeutung von sôd JHWH im Alten Testament (Ath 79), Stuttgart
- Schlisske, W., 1973, Gottessöhne und Gottessohn im Alten Testament (BWANT 97), Stuttgart u.a.
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