Gottesbegegnung (AT)
(erstellt: Februar 2017)
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→ Epiphanie
1. Vorbemerkung
Der Begriff „Gottesbegegnung“ ist weder ein genuin alttestamentlicher noch ein Fachterminus der systematischen Theologie. Er entstammt der Frömmigkeit und Glaubenspraxis und findet erst von dort kommend auch in reflektierend-theologischer Rede Verwendung. Mit ihm ist zusammengefasst, was sich sonst auf unterschiedliche Begriffe und Bereiche verteilt (siehe 2.); gegenüber dem Begriff „Offenbarung“ wirkt er weniger hierarchisch. Alttestamentlich lassen sich zahlreiche Aspekte der Interaktion von Gottheit und Mensch mit ihm verbinden, die entweder auf die Gottesbegegnung schon abzielen oder gedeutet als solche erkennbar werden. Fasst man den Begriff „Gottesbegegnung“ im weitesten Sinne – Gott und Mensch treten zueinander in Kontakt –, rückt der Großteil des Alten Testaments in den Blick: als Sammlung von Geschichten über die Interaktion und Kommunikation zwischen Gott und Mensch verstanden. Gottesbegegnung ist ein Teil dessen, was in diesem Sinne der größere Begriff „Offenbarung“ umfasst. Wo, wem und wie Gott erscheint, will dieser Artikel in Gestalt eines materialen Längsschnitts durch alttestamentliche Vorstellungen von Gottesbegegnung in den verschiedenen Literaturbereichen des Alten Testaments nachzeichnen.
2. Konturen der Gottesbegegnung im Alten Testament
Das Alte Testament kennt den Begriff „Gottesbegegnung“ selbst nicht (ebensowenig wie den umfassenderen Begriff → Offenbarung
Von der Gegenwart Gottes, wie sie sich in der Verheißung des Mitseins Gottes an die → Erzeltern
Vermittelte oder indirekte Gottesbegegnungen finden sich alttestamentlich ebenso wie direkte (→ Mittler
Die Gottesbegegnung bleibt im Alten Testament unverfügbar und bedrohlich. Alttestamentliche Texte wenden sich gegen eine bildhafte Verehrung Jhwhs und unterstreichen in diesem Zusammenhang, dass man Jhwh weder ansehen kann noch darf. Wer Gott sieht, rechnet damit, sterben zu müssen (Ex 19,21
3. Ur- und Vätergeschichte (Gen 1-11.12-50)
In der Ur- und Vätergeschichte begegnet Gott zahlreichen Hauptfiguren sehr unvermittelt in ihrem erzählten Alltag. Für priesterliche Texte (→ Priesterschrift
Plastischer schildern nichtpriesterliche Texte Gottesbegegnungen. Hier tritt zu Anrede und Zwiegespräch anthropomorphe Redeweise über Gott (→ Anthropomorphismus
Die in der Abfolge der Genesis erste Gottesbegegnung, die über die anthropomorphe Redeweise hinaus erzählerisch als solche ausgeführt und benannt wird, widerfährt nicht den Erzvätern, sondern → Hagar
4. Exodus – Deuteronomium
Das den Vätern verheißene Mitsein Gottes konkretisiert sich in der Zeit der Wüstenwanderung auf unterschiedliche Weise in Feuer- und Wolkensäule, der → Bundeslade
4.1. Die Berufung Moses in Ex 3
Die literarisch nicht einheitliche Berufungserzählung in Ex 3 beginnt damit, dass Mose sich an einen heiligen Ort, den Berg Horeb begibt. Dort erscheint ihm der Engel Jhwhs, der Substitut Gottes ist (Ex 3,1-5
Die Erzählung setzt also die Sichtbarkeit Gottes voraus (Ex 3,6
Die traditionell als jahwistisch bestimmte (so u.a. Kaiser 1998, 91) Retrospektive greift das Wohnen Gottes „oben“, in himmlischen Gefilden auf und bedient sich anthropomorpher Rede: Gott steigt herab (ירד jrd) um sein Volk zu retten und herauszuführen (Ex 3,8
Das „wie“ der Gottesbegegnung hebt Mose generell unter allen anderen Anführern und Propheten heraus. Gott redet nur mit Mose von Angesicht zu Angesicht (Ex 33,11
4.2. Die Sinaioffenbarung als Theophanie und als Kultstiftung
4.2.1. Mose am Sinai
Die Sinaierzählung Ex 19-Num 10 wird durch die Begegnung zwischen Gott und Volk eröffnet. Während Mose, wiederum in direkter Anrede (Ex 19,3ff
Auf die Bekanntgabe der Gebote folgt in Ex 24 der Bundesschluss am Sinai (→ Bund
Dort soll er die Gesetzestafeln empfangen (Ex 24,13-18
4.2.2. Gottesbegegnung im Kult
Die Sinaioffenbarung ist priesterschriftlich zugleich Erzählung der Kultstiftung; die → Priesterschrift
Die Vorgaben, die Mose aus der Gottesbegegnung mitbringt, werden umgesetzt (Ex 25-31; Ex 35-40 Priesterschrift): Fortan lässt sich Gott im oder am Zelt der Begegnung finden; Wolke und כָּבוֹד kāvôd bedecken bzw. erfüllen es (Ex 40,34f
Jenseits der priesterschriftlichen Texte wird die Gegenwart Jhwhs im Tempel zurückhaltender beschrieben: Traditionell als elohistisch eingeordnete Texte (→ Elohist
4.3. Gott begegnen in der Tora
In der Prophetie und in deuteronomisch-deuteronomistischer Theologie wird das Wort zum Medium der Gottesbegegnung. Es genügt, dass Gott redet – schon ihn zu hören und nicht zu sterben, gilt als Wunder (vgl. Kaiser 1998, 94 – Ex 20,19
In diese Traditionslinie lassen sich auch die Torapsalmen einordnen: Die → Tora
Schließlich befragte man die Tora wie ein Orakel: „Sie breiteten die Gesetzesrolle aus, um eine Entscheidung zu erhalten, so wie die fremden Völker ihre Götterbilder befragen.“ (1Makk 3,48
5. Vordere Propheten (Josua – 2Könige)
5.1. Geschichte als Ort der Gottesbegegnung
Das → Deuteronomistische Geschichtswerk
5.2. Gottesbegegnung im Rahmen von Berufung und Beauftragung
In besonderer Weise schildern die Bücher der vorderen und hinteren Propheten die Gottesbegegnung im Rahmen von → Berufungserzählungen
5.2.1. Gideon
Die Erzählung von der Berufung → Gideons
5.2.2. Simson
Dass es sich bei → Simson
5.2.3. Samuel
Die Berufung → Samuels
5.2.4. Elia
Während sich in 1Kön 18,38
6. Prophetenbücher
6.1. Prophetenwort und Gottesbegegnung
In Belangen der Geschichtsdeutung zeigen sich in den prophetischen Büchern Parallelen zum DtrG: Ereignisse erschließen sich durch das Prophetenwort (neu) als Handeln Gottes, zumeist als Gericht, aber auch als Möglichkeit zum Neuanfang. Der Prophet wird dabei zum Mittler für die Gottesbegegnung des Königs (1Kön 22
6.2. Gottesbegegnungen der Propheten
6.2.1. Ekstase und Trance
Altorientalisch ebenso wie biblisch können sich Gottesbegegnungen im Zustand der → Ekstase
6.2.2. Die Berufungen der Propheten (s.o.)
Jes 6
7. Gebet und Unterredung mit Gott
7.1. Psalter
Im → Psalter
7.2. Hiob
Im → Hiobbuch
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff. (Art. Gottesschau).
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979 (Art. Offenbarung).
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992 (Art. Offenbarung).
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. u.a. 1993-2001 (Art. Offenbarung).
- Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006 (Offenbarung / Inspiration).
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995 (Art. ראה r’h).
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015 (Art. ראה r’h).
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004 (Art. Offenbarung II. Altes Testament).
2. Weitere Literatur
- Kaiser, O., Der Gott des Alten Testaments. Wesen und Wirken. Theologie des Alten Testaments II. Jahwe, der Gott Israels, Schöpfer der Welt und des Menschen, Göttingen 1998.
- Kaiser, O., Art. Offenbarung III. Altes Testament, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Bd. 6, Tübingen 2003, 467-470.
- Lang, B., Art. Offenbarung (I) AT, in: Neues Bibel-Lexikon, Bd. III, Zürich u.a. 2001, 10-16.
- Rendtorff, R., Offenbarung und Geschichte. Partikularismus und Universalismus im Offenbarungsverständnis Israels, in: R. Rendtorff (Hg.), Kanon und Theologie. Vorarbeiten zu einer Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1991, 113-122.
- Schmid, K., Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung, Darmstadt 2008.
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