Habakuk
Andere Schreibweise: Habakkuk (engl.)
(erstellt: April 2015)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/20197/
1. Name
Die griechische Namensform ist Ἀμβακουμ ambakoum, die lateinische Abacuc.
2. Habakukbuch
Der Name Habakuk kommt in der hebräischen Bibel nur in Hab 1,1
Das Buch Habakuk ist das achte Buch des → Zwölfprophetenbuches
3. Person
Vergeblich sucht der Leser im Buch Habakuk nach biographischen Daten zur Person Habakuks. Der Verweis des ersten Kapitels auf den Aufstieg der Chaldäer (= → Babylonier
In den Erweiterungen der griechischen Fassung des → Danielbuchs
4. Aufbau, Komposition, Inhalt
4.1. Aufbau
Das Buch Habakuk besteht aus 3 Kapiteln und kann wie in der nebenstehenden Tabelle gegliedert werden.
4.2. Komposition
Das Habakukbuch umfasst verschiedene Gattungen: die Überschriften, die Klagen, die Weherufe und den abschließenden Psalm.
4.2.1. Hab 1,1 und 3,1: Überschriften. Die Überschriften beinhalten einen Gattungsbegriff (Hab 1,1
4.2.2. Hab 1,2-2,5: Klagen des Propheten und Antworten Gottes. Die Klagen sind als Dialog verfasst (Mathews geht soweit, Habakuk als „Aufführung“ [Engl. performance] zu verstehen), allerdings wird der Sprecher nicht immer klar eingeführt. Beispielsweise wird beim Übergang vom Prophetenwort zu Gottes Antwort in Hab 1,4f
4.2.3. Hab 2,6-20: Weherufe. Die Weherufe (→ Totenklage
4.2.4. Hab 3,1-19: Theophanie-Psalm. Das Schlusskapitel bietet einen Theophanie-Psalm (→ Epiphanie
4.3. Inhalt
Die ersten beiden Kapitel beinhalten Klagen und Weherufe des Propheten mit Gottes Antworten. In der ersten Klage (Hab 1,2-4
Die fünf Weherufe beinhalten eine eher implizite und indirekte Kritik an Babylonien, eingeleitet mit dem Ruf: „wehe!“ (הוי). Die Weherufe finden sich in Hab 2,6.9.12.15
1) das Ausplündern von einzelnen Menschen und ganzen Völkern (Hab 2,6-8
2) das Streben nach bösem Gewinn (Hab 2,9-11
3) Drohung gegen diejenigen, die von Gewalt und Ungerechtigkeit profitieren (Hab 2,12-14
4) die Verführung des Nächsten zu seiner Schande (Hab 2,15-17
5) Götzenpolemik (Hab 2,18-20
Die Weherufe basieren auf dem → Tun-Ergehen-Zusammenhang
Das Buch Habakuk schließt mit einem Gebet, das Gottes Erscheinen und seine heilvollen Rettungstaten schildert. Dabei spielt das Unheil für den Bösen eine Nebenrolle (vgl. Hab 3,12-15
5. Textüberlieferung
Die Textgeschichte des Buches Habakuk ist kompliziert. In den Handschriften gibt es mindestens sechs Textgestalten, drei hebräische und drei griechische.
5.1. Hebräische Überlieferung. Die bekannteste Version des Textes bietet der masoretischen Text, z.B. der Codex Leningradensis, abgedruckt mit kritischem Apparat in der Biblia Hebraica Quinta. Die abweichenden hebräischen Textformen wurden in der judäischen Wüste gefunden: Die erste Textform findet sich im Habakuk-Kommentar (Pescher) aus der 1.Höhle in → Qumran
5.2. Griechische Übersetzungen. In der griechischen Überlieferung gibt es die Hauptüberlieferung, bekannt als → Septuaginta
Zur LXX-Übersetzung des Habakukbuchs gilt das Urteil Fabrys: „Der alexandrinische Übersetzer hatte mit dem Buch Habakuk enorme Schwierigkeiten. Entweder hatte der Prophet resp. Autor oder der Redaktor seines Buches Probleme mit der hebräischen Sprache oder der Text muss schon sehr früh innerhalb der hebräischen Text-Transmission sehr fehlerhaft weitergegeben worden sein, was schon den alexandrinischen Übersetzer zwang, diese Probleme recht oder schlecht aufzunehmen und abzuarbeiten. Entsprechend sieht dann auch die Übersetzung aus, die dem heutigen Leser durchaus Mut und Ausdauer abverlangt.“ (Fabry, 165). Zu den Abweichungen in 8ḤevXIIgr, vgl. Ego u.a., 127-139.
Der Barberini Text bietet eine andere Gestalt des 3. Kapitels des Habakukbuchs, die mit LXX und anderen griechischen Textzeugen (etwa Aquila, Symmachus oder Theodotion) nicht verwandt ist. In vier der fünf Handschriften dieser Textform wird zuerst der Barberini-Text geboten, danach folgt die sonst bekannte LXX-Fassung des 3. Kapitels. Die Barberini-Textform stammt aus Alexandrien, vermutlich aus dem 2. Jh. n. Chr., und wurde eventuell vom Buch Habakuk losgelöst, um einen liturgischen Zweck zu erfüllen (Good; Fabry, 165).
6. Entstehung
Verschiedene Redaktoren haben wohl eine Rolle bei der Entstehung des Habakukbuchs gespielt. Die beste Vorgangsweise in diesem Sinne ist es, von der größten und zugleich jüngsten Einheit auszugehen, und die dahinterstehenden diachronen Entwicklungen nachzuzeichnen. Allerdings sei hier ausdrücklich daran erinnert, dass es zur Entstehung des Buches keinen wissenschaftlichen Konsens gibt. Hier werden die mehr oder minder konsensfähigen Tendenzen der Forschung dargestellt.
6.1. Als Erstes kann man Habakuk als Bestandteil des Zwölfprophetenbuchs betrachten. In den letzten Jahrzehnten haben sich zwei Hauptlinien der Forschung etabliert: Entweder wurde Habakuk alleine (Wöhrle) oder als Teil eines Zweiprophetenbuchs zusammen mit Nahum (Schart, Kessler) in das Zwölfprophetenbuch integriert.
Nach Jakob Wöhrle (289-334) entstand das Habakukbuch als Einheit, die zweimal redaktionell überarbeitet wurde und wenige Nachträge erhielt. Der Grundbestand beschäftigte sich prinzipiell mit der Thematik der Frommen gegenüber den Frevlern und kann in allen Teilen des Habakukbuchs – auch dem Psalm – gefunden werden. Diese erste Fassung kann schwer datiert werden, aber Wöhrle postuliert eine Abfassungszeit im frühen 5. Jh. v. Chr. Eine erste Redaktion erweiterte diesen Grundbestand um die Babylon-kritische Thematik, hauptsächlich – aber nicht ausschließlich – in den Klagen und Weherufen. Datiert wird diese zweite Schicht auf das Ende des 5. Jh.s oder auf den Anfang des 4. Jh.s v. Chr. Sie befasst sich mit der Vorstellung einer fremden Großmacht als Gottes Werkzeug. Die zweite und im Umfang wesentlich kleinere Überarbeitung fand in spätnachexilischer Zeit statt und fügte die liturgischen Elemente in den Psalm ein, um einen Gebrauch im Gottesdienst zu ermöglichen. Im Prinzip wurde dieses abgeschlossene Buch als solches in das entstehende Zwölfprophetenbuch integriert. Darauf folgten nur noch vereinzelte Nachträge, nur einer davon gehört zu einer größeren Schicht im Zwölfprophetenbuch: Hab 2,14
6.2. Aaron Schart (242-251) vermutet dagegen, in Weiterführung der These Nogalskis, dass Nahum und Habakuk etwa zeitgleich in das schon bestehende deuteronomistische Vierprophetenbuch (Hosea, Amos, Micha, Zefanja) integriert wurden (→ Zwölfprophetenbuch
6.3. Eine Vorstufe des Habakukbuchs hatte vor seiner Einbindung in das Zwölfprophetenbuch und seiner möglichen Verbindung mit Nahum sicher ein Eigenleben. Gut möglich ist, dass die Klagen und Weherufe – entweder als eine einheitliche Schrift oder als zwei kleine Schriften – redaktionell bearbeitet wurden, um ein anti-babylonisches Ganzes zu erstellen (so z.B. schon J. Jeremias und E. Otto). Diese Komposition dürfte – entweder gemeinsam mit oder ohne Nahum – um den einleitenden Rahmen und den Psalm ergänzt worden sein, und zwar bevor Habakuk (mit oder ohne Nahum) in das Zwölfprophetenbuch eingesetzt wurde.
7. Geschichtlicher Hintergrund
Genau wie die Datierung des Buches bleibt der historische Hintergrund des Buches im Dunkeln. Allgemein kann man festhalten, dass das Buch – durch die Erwartung des Aufkommens der → Babylonier
Unter Berücksichtigung der oben referierten Schichtung, kann man sich die historischen Hintergründe etwa so vorstellen: Die erste Fassung des Buches, zu der vor allem die älteste Form der Klagen und Weherufe gehört haben dürften, beklagte die sozialen Missstände im Juda des ausgehenden 7. Jh. Eine erste Überarbeitung fügte die Babylon-Thematik hinzu. In diesem Zusammenhang bekam das Werk eine neue Deutung: Die Babylonier sind das Werkzeug Gottes, das die Strafe an Juda vollstreckt. Babylonien wird aber selbst auch bestraft. Diese Neuinterpretation passt eher in eine exilische oder nachexilische Situation, d.h. ab etwa dem zweiten Viertel des 6. Jh.s v. Chr. In der letzten Phase der Entwicklung wurde das Buch um einen hymnischen Abschluss ergänzt, was vermuten lässt, dass das Buch im Gottesdienst verwendet wurde, ohne dass man Genaueres erkennen kann.
8. Theologie
Das Habakukbuch weist in theologischer Hinsicht zwei Hauptthemen auf. Zum einen befasst sich das Buch ausgiebig mit dem Thema, dass die Gerechten unter den Frevlern leiden müssen. Habakuk geht es um die Bestrafung der Ungerechten. Zu ihr kann Jhwh eine Großmacht wie die Babylonier einsetzen. Allerdings werden diese – da auch sie sich als ungerecht erweisen – ebenfalls der göttlichen Bestrafung unterzogen.
Die andere Thematik, die mit der ersten verbunden ist, stellt das Erscheinen Gottes dar. Die Theophanie (→ Epiphanie
9. Rezeption
Die Rezeption des Buches ist nicht besonders breit. Lediglich Hab 2,4
Eine mittelalterliche Tradition verbindet einen Berg mit dem Propheten Habakuk. Eine echte Verbindung zu einem Propheten Habakuk besteht aber nicht (Lissovsky).
Literaturverzeichnis
1. Kommentare
- Andersen, F.I., 2001, Habakkuk (AB 25), New York
- Perlitt, L., 2004, Die Propheten Nahum, Habakuk, Zephanja (ATD 25/1), Göttingen
- Roberts, J.J.M., 1991, Nahum, Habakkuk and Zephaniah (OTL), Louisville
- Rudolph, W., 1975, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja (KAT), Gütersloh
- Seybold, K. 1991, Nahum, Habakuk, Zephanja (ZBK.AT 24/2), Zürich
2. Weitere Literatur
- Dietrich, W., 2014, Das Zwölfprophetenbuch, in: W. Dietrich u.a. (Hgg.), Die Entstehung des Alten Testaments (Theologische Wissenschaft 1), Stuttgart, 382-480
- Ego, B. u.a. (Hgg.), 2005, Biblia Qumranica, vol. 3B: Minor Prophets, Leiden / Boston
- Fabry, H.-J., 2002, Die Nahum- und Habakuk-Rezeption in der LXX und Qumran, in: E. Zenger (Hg.), „Wort Jhwhs, das Geschah …“ (Hos 1,1). Studien zum Zwölfprophetenbuch (HBS 35), Freiburg u.a.
- Floyd, M.H., 1991, Prophetic Complaints about the Fulfilment of Oracles in Habakkuk 1:2-17 and Jeremiah 15:10-18, JBL 110, 397-418
- Floyd, M.H., 1993, Prophecy and Writing in Habakkuk 2,1-5, ZAW 105, 462-481
- Good, E.M., 1959, The Barberini Greek Version of Habakkuk III, VT 9, 11-30
- Gunneweg, A.H.J., 1986, Habakuk und das Problem des leidenden צדיק, ZAW 98, 400-415
- Haak, R.D., 1992, Habakkuk (VT.S 44), Leiden u.a.
- Jeremias, J., 1970, Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit (WMANT 35), Heidelberg
- Jöcken, P., 1977, Das Buch Habakuk (BBB 48), Köln / Bonn
- Kessler, R., 2002, Nahum-Habakuk als Zweiprophetenschrift. Eine Skizze, in: E. Zenger (Hg.), „Wort Jhwhs, das Geschah …“ (Hos 1,1). Studien zum Zwölfprophetenbuch (HBS 35), Freiburg u.a.
- Koch, D.-A., 1985, Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament, ZNW 76, 68-85
- Lissovsky, N., 2008, Hukkok, Yaquq and Habakkuk’s Tomb, PEQ 140, 103-118
- Macchi, J.-D., 2013, Habakuk, in: T. Römer u.a. (Hgg.), Einleitung in das Alte Testament, Zürich
- Mathews, J., 2012, Performing Habakkuk, Eugene
- Nogalski, J.D., 1993a, Literary precursors to the Book of the Twelve (BZAW 217), Berlin / New York
- Nogalski, J.D., 1993b, Redactional processes in the Book of the Twelve (BZAW 218), Berlin / New York
- Otto, E., 1977, Die Stellung der Wehe-Worte in der Verkündigung des Propheten Habakuk, ZAW 89, 73-107
- Otto, E., 1985, Die Theologie des Buches Habakuk, VT 35, 274-295
- Schart, A., 1998, Die Entstehung des Zwölfprophetenbuchs (BZAW 260), Berlin / New York
- Sweeney, M.A., 1991, Structure, Genre and Intent in the Book of Habakkuk, VT 41, 63-83
- Wöhrle, J., 2008, Der Abschluss des Zwölfprophetenbuches (BZAW 389), Berlin / New York
Abbildungsverzeichnis
- Der Prophet Habakuk (Donatello, 1427). Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 21.4.2015
- Habakuk wird von einem Engel nach Babylon versetzt, um Daniel zu versorgen (Gian Lorenzo Bernini, 1655). Aus: Wikimedia Commons; © Peter1936F, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 21.4.2015
- Der Habakuk-Kommentar aus Qumran. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Der Prophet Habakuk mit Hab 2,4 als Spruchband (St. Maria in Bergen auf Rügen, 12. Jh.). Aus: Wikimedia Commons; © Wolfgang Sauber, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 4.0 international; Zugriff 21.4.2015
- Der Prophet Habakuk als Patron der Bergarbeiter (Gotisches Glasfenster in Leogang, 15. Jh.). Aus: Wikimedia Commons; © Wolfgang Sauber, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 21.4.2015.
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)