Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Oktober 2017)

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Halach ist ein Ort in Assyrien, in dem nach 2Kön 17,6 Israeliten im → Exil lebten, die von den Assyrern im Anschluss an die Eroberung → Samarias dorthin verschleppt worden waren.

1. Lage

Halach 1
Halach (חֲלַח ḥǎlaḥ) entspricht akkadisch Ḫalaḫḫu (Belege bei Parpola, 142; Nashef, 114f.) und bezeichnet ein Gebiet sowie eine Stadt nordöstlich von Ninive am Großen Zab. Für diese Lage spricht, dass das Ḫalaḫḫu genannte Stadttor Ninives (Battini, 38.40) an der Nordostecke der Stadt lag und in nordöstliche Richtung führte. Die Stadt ist vielleicht mit Tell el-‘Abbāsīja (in der Nähe des späteren → Dur Scharrukin) zu identifizieren (vgl. Forrer, 112; Nashef, 115).

2. Die Eroberung Samarias

2Kön 17,1-6 (vgl. 2Kön 18,9-10) berichtet, dass sich der letzte König des Nordreichs → Israel, → Hoschea, gegen das assyrische Großreich (→ Assyrer) aufgelehnt habe, der assyrische König → Salmanassar V. (727-722 v. Chr.) daraufhin angerückt sei und die Residenzstadt → Samaria nach dreijähriger Belagerung erobert sowie Israel nach Assyrien deportiert habe. Auch nach der Babylonischen Chronik war es Salmanassar V., der Samaria erobert hat (HTAT, 300f.). Auf der anderen Seite brüstet sich jedoch Sargon II. (722-705 v. Chr.) in seinen Annalen, Samaria erobert und 27.280 Menschen von dort deportiert zu haben (HTAT, 301f. und 297). Dass die Eroberung Samarias verschiedenen Königen zugeschrieben wird, findet in der Forschung unterschiedliche Erklärungen, z.B.: 1) Salmanassar hat Samaria 722 kurz vor seinem Tod erobert, Sargon hat das Werk vollendet und das Gebiet zur assyrischen Provinz Samerina gemacht (Donner, 315). 2) Es gab zwei verschiedene Operationen gegen Samaria (Becking, 39). 3) Der Feldzug Salmanassars wurde wegen dessen Tod unterbrochen, so dass erst Sargon Samaria erobert hat (Frevel, 242). 4) Salmanassar hat Israels aufständischen König Hoschea 722 v. Chr. nur abgesetzt, Sargon hat Samaria, wo sich die Bevölkerung nach Salmanassars Tod wohl erneut erhoben hatte, erobert, jedoch erst auf einem späteren, in einer Königsinschrift bezeugten Feldzug des Jahres 720 v. Chr. (HTAT 302f.). Nicht die Belagerung währte dann drei Jahre – derart lange belagerten die Assyrer keine unbedeutende Provinzstadt –, sondern die antiassyrische Revolte (Gaß, 10-20).

3. Die Deportation nach Halach

Deportiert wurde nach 2Kön 17,6 (// 2Kön 18,11) „Israel“, nach → Josephus „das ganze Volk“ (Antiquitates IX 14,1; Text gr. und lat. Autoren), nach Sargons Annalen lediglich 27.280 Menschen, historisch gesehen waren jedoch wohl nur Teile der Oberschicht Samarias betroffen.

Diese Deportierten wurden laut 2Kön 17,6 (// 2Kön 18,11) nach Assyrien gebracht und „in Halach und am Habor, dem Fluß von Gosan, und in den Städten der Meder“ angesiedelt. 1Chr 5,26 nimmt diese Ortsangaben auf, rückt sie jedoch in einen ganz anderen Kontext: 1Chr 5,1-26 stellt die Genealogien und Siedlungsgebiete der ostjordanischen Stämme Ruben, Gad und Halb-Manasse dar. Der Schlussvers blickt dann auf das Ende dieser Stämme (und in ihnen exemplarisch auf das Ende aller Nordstämme?), auf ihre Deportation durch Tiglat-Pileser III. (745-727 v. Chr.). Nach 2Kön 15,29 hat Tiglat-Pileser III. (im Jahr 733 v. Chr.) große Teile des Nordreichs erobert und die Bevölkerung nach Assyrien deportiert. Diese Deportationsbemerkung nimmt 1Chr 5,26 auf, bezieht sie auf die ostjordanischen Gebiete und verknüpft mit ihr das in 2Kön 17,6 (// 2Kön 18,11) in ganz anderem Kontext angegebene Ziel der Deportation (Willi, 182f.).

Als Ziel der Deportation nach Assyrien wird in 2Kön 17,6 (// 2Kön 18,11) und 1Chr 5,26 an erster Stelle jeweils Halach angegeben. Dafür, dass dort tatsächlich Bewohner Israels angesiedelt worden sind, wird erstens ein assyrischer Text angeführt, in dem es um Landbesitz geht (Fales, F.M. / Postgate 224). Zweimal wird hier Ḫalaḫḫu erwähnt (Z. 2.4) und zugleich werden Namen genannt, die westsemitischer Herkunft sein dürften und damit auf israelitische Ursprünge verweisen können: Aḫi-ia-qa-mu entspricht dem biblischen → Ahikam (אֲחִיקָם ’ǎḥîqām), Ba-ra-[ki] entspricht Berechja (בֶּרֶכְיָה bærækhjāh) und Ḫa-an-ni-i Hanani (חֲנָנִי ḥǎnānî; → Hananja). Zweitens wird eine keilschriftliche Urkunde angeführt, die aus dem besagten Gebiet stammt und eine aramäische Beischrift enthält: krm s‘mtjk „Weinberg des Saamtik“ (Kohler / Ungnad, Nr. 380; Fales, 200; grundsätzlich zur Anwesenheit von Israeliten in Assyrien vgl. Hensel, 99). Es mag sein, dass die nach Halach verschleppten Israeliten dort auf Krongütern zu landwirtschaftlicher Arbeit herangezogen wurden (vgl. Becking, 62-64; Oded 1979, 70f.86; ders. 2000, 94-95).

Ob 19-20 kündigt den Exulanten die Rückkehr an. Am Anfang von V. 20 ist der Text so schwierig, dass er meist geändert wird. Eine Möglichkeit ist die in der Einheitsübersetzung zu findende Rekonstruktion: „Die Verbannten von Halach, Söhne Israels“. In der Kette der Verheißungen würde dann in Aufnahme von 2Kön 17,6 (// 2Kön 18,11) angekündigt, dass die Verschleppung nach Halach rückgängig gemacht werden soll.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
  • Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin / New York / Boston 2009ff

2. Weitere Literatur

  • Battini, L., Reflexions sur les noms des portes urbaines en Mesopotamie, Isimu 2 (FS G. Herrero), 1999, 31-46
  • Becking, B., The Fall of Samaria: An Historical and Archaeological Study (Studies in the History of the Ancient Near East 2), Leiden 1992
  • Donner, H., Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd. 2 (ATD.Erg. 4/2), Göttingen 1986
  • Fales, F.M., Aramaic Epigraphs on Clay Tablets of the Neo-Assyrian Period, Rom 1986
  • Fales, F.M. / Postgate, J.N., Imperial Administrative Records, Part II: Provincial and Military Administration (State Archives of Assyria XI), Helsinki 1995
  • Frevel, C., Geschichte Israels (Studienbücher Theologie), Stuttgart u.a. 2016
  • Forrer, E., Die Provinzeinteilung des assyrischen Reiches, Leipzig 1920
  • Gaß, E., Im Strudel der assyrischen Krise (2. Könige 18-19): Ein Beispiel biblischer Geschichtsdeutung (BThSt 166), Neukirchen-Vluyn 2016
  • Hensel, B., Juda und Samaria: Zum Verhältnis zweier nach-exilischer Jahwismen (FAT 110), Tübingen 2016
  • Kohler, J. / Ungnad, A., Assyrische Rechtsurkunden, Leipzig 1913
  • Nashef, K., Die Orts- und Gewässernamen der mittelbabylonischen und mittelassyrischen Zeit (RGTC 5; TAVO B 7/5), Wiesbaden 1982
  • Oded, B., Mass Deportations and Deportees in the Neo-Assyrian Empire, Wiesbaden 1979
  • Oded, B., The Settlements of the Israelite and Judean Exiles in Mesopotamia in the 8th-6th Centuries BCE, in: G. Galil / M. Weinfeld (Hgg.), Studies in Historical Geography and Biblical Historiography (FS Z. Kallai; VT.S 81), Leiden u.a 2000, 91-103
  • Parpola, S., Neo-Assyrian Toponyms (AOAT 6), Neukirchen-Vluyn 1970
  • Postgate, J.N., Art. Halahhu, in: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Bd. IV, Berlin 1975, 58
  • Simons, J., The Geographical and Topographical Texts of the Old Testament, Leiden 1959
  • Tadmor, H., The Campaigns of Sargon II. of Assur: A Chronological-Historical Study, Journal of Cuneiform Studies 12 (1958), 22-40.77-100
  • Tetley, M.C., The Date of Samaria’s Fall as a Reason for Rejecting the Hypothesis of Two Conquests, CBQ 64 (2002), 59-77
  • Willi, Th., Chronik (BK.AT XXIV/1), Neukirchen-Vluyn 2009

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur den Deportationen nach Assyrien (8. Jh.) und Babylonien (6. Jh.). Halach befindet sich im Nordosten der Karte. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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