Halsstarrigkeit
(erstellt: Februar 2016)
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1. Zu Begriff und Vorkommen
Das Wort „halsstarrig“, das im Deutschen „(abwertend:) [gegen bessere Einsicht] auf seinem Willen, seiner Meinung beharrend, eigensinnig, starrköpfig“ (Duden 3, 2. Aufl. 1993, 1449) bedeutet, gibt in den deutschen Bibelübersetzungen meistens Wendungen mit dem Nomen עֹרֶף ‘oræf „Nacken / Genick / der hintere Teil des Halses“ wieder.
Die geprägte Wendung קְשֵׁה־עֹרֶף qəšeh ‘oræf „harten Nackens“ kommt im Alten Testament sechs Mal vor, und zwar immer in Verbindung mit עַם „Volk“ und ausschließlich im Kontext der Episode vom → Goldenen Kalb
Eine weitere mehrfach gebrauchte Wendung ist die Verbindung von עֹרֶף ‘oræf „Nacken / Genick“ mit dem Verb קשׁה qšh Hif. „hart machen“: „den Nacken hart machen“. Diese verbale Wendung hebt die Eigenverantwortlichkeit hervor und kommt entsprechend in Imperativen vor, „den Nacken nicht hart zu machen“ (Dtn 10,16
Gerade in der Lutherübersetzung finden sich einige Stellen, die ohne ein Vorkommen von עֹרֶף ‘oræf „Nacken / Genick“ oder einer Form der Wurzel קשׁה qšh „hart sein / machen“ mit „halsstarrig“ übersetzt werden:
In Lev 26,19
Ähnlich geht es in Hi 15,26
In Ps 75,6
In Hab 2,4
2. Zur Herleitung des „harten Nackens“
Man hat die Wendung „den Nacken hart machen“ bzw. vom „harten Nacken“ unter Verweis auf Hos 4,16
Einige haben den Gegenbegriff zur Wendung „den Nacken hart machen“ in Formulierungen wie „das Ohr neigen“ bzw. „hören“ gesehen und interpretieren die Wendung als Weigerung, das Ohr zu neigen (vgl. Zipor, 395). Das legt sich von Stellen wie 2Kön 17,14
Schließlich wurde erwogen, einen allgemeineren Kontrast zum Neigen des Hauptes als Gestus der Unterwerfung bzw. Demut zu sehen (Hermisson, 229), wofür es jedoch keine terminologischen Berührungen gibt.
Sieht man sich weitere Wendungen und Vorkommen von עֹרֶף ‘oræf „Nacken / Genick“ an, so fällt auf, dass es ein regelrechter Gegenbegriff zu פָּנִים pānîm „Angesicht“ ist. Nach 2Chr 29,6
3. Halsstarrigkeit als Wesenszug
Die geprägte Wendung קְשֵׁה־עֹרֶף qəšeh ‘oræf „harten Nackens“ in Verbindung mit עַם ‘am „Volk“ bezeichnet in der Episode vom Goldenen Kalb die Haltung der beharrlichen Abwendung als ein Wesensmerkmal des Volkes. Sowohl in Ex 32-34 als auch in Dtn 9,1-10,11
In Ex 32-34 wird geradezu paradox anhand der Wendung vom „Volk mit hartem (abgekehrtem) Nacken“ die Wandlung JHWHs in seinem Verhältnis zum Volk und der dabei zentralen fürbittenden Rolle des → Mose
Dtn 9,1-10,11
Zwei abgewandelte Formulierungen für „Halsstarrigkeit“ liegen in Dtn 31,27
4. Halsstarrigkeit als eigenverantwortliches Handeln
In der Verbindung des Nomens עֹרֶף ‘oræf „Nacken“ mit dem Verb קשׁה qšh Hif. „hart machen“ (=> „den Nacken hart machen“) wird Halsstarrigkeit als eigenes Tun thematisiert.
Sieht man den Zusammenhang von Spr 29,1
Sodann nehmen alle Rückblicke auf die Zeit der Väter bzw. auf die Zeit seit den Vätern die Halsstarrigkeit als eigenes Tun in den Blick, das sich meistens im „Nicht Hören“ konkretisierte (2Kön 17,14
Insofern Halsstarrigkeit in der Verantwortung des Einzelnen gesehen wird, die man auch lassen kann, ist auch die Aufforderung möglich, den Nacken nicht hart zu machen, wie dies in 2Chr 30,8
Eine besondere Stellung nimmt in diesem Zusammenhang Dtn 10,16
Abschließend sind zwei Formulierungen in den Blick zu nehmen, die von der gewöhnlichen Wendung עֹרֶף ‘oræf + Verb קשׁה qšh Hif. abweichen, aber dennoch Halsstarrigkeit als eigenverantwortliches Tun wiedergeben:
In Ri 2,19
In Hi 9,4
5. Zum Verhältnis von Halsstarrigkeit und Verstockung
In vielen Abhandlungen wird das Motiv der Halsstarrigkeit unter das übergeordnete Motiv der Verstockung subsumiert (Hesse; Kellenberger). Berührungspunkte zwischen beiden Motiven zeigen sich allein schon im terminologischen Gebrauch: So wird das Verb קשׁה qšh Hif. „hart machen“ in demselben Textbereich (Exodusbuch) einerseits in Verbindung mit לֵב lev / לֵבָב levāv „Herz“ für Verstockung verwendet, andererseits in Verbindung mit עֹרֶף ‘oræf „Nacken“ für Halsstarrigkeit. Sowohl der Halsstarrigkeit als auch der Verstockung ist das Moment der Beharrung eigen. Für eine Reihe von Auslegern ist damit „Halsstarrigkeit“ lediglich eine andere Ausdrucksform für Verstockung als Akt der Verhärtung (Hesse, 14).
Doch wird man mit dieser Identifizierung weder dem Phänomen der Verstockung noch den Textpassagen zur Halsstarrigkeit gerecht, wie ein genauerer Blick auf den bei allen Gemeinsamkeiten differierenden Sprachgebrauch zeigt: Wo vom „hart Machen des Herzens“ (Verstockung) die Rede ist, geht es um die Beeinflussung des Sitzes des menschlichen Planens und Wollens, um die Intention, mithin um das Innere des Menschen das nicht sichtbar ist, aber sichtbare Auswirkungen hat. Dieses kann der Mensch selbst zu einer beharrlichen Unveränderlichkeit verhärten (Ps 95,8
Der עֹרֶף ‘oræf „Nacken“ hingegen ist ein äußerlich sichtbares Körperteil. Auch wenn in der Wendung vom „harten Nacken“ metaphorischer Sprachgebrauch vorliegt, so ist der Unterschied zwischen dem „Herz“ als innerem Zentrum der menschlichen Intention und dem „Nacken“ als äußerlich sichtbarem Körperteil zu beachten. Demnach beschreibt der „harte Nacken“ (Halsstarrigkeit) die äußerlich wahrnehmbare Haltung der beharrlichen Abkehr, während „das harte Herz“ (Verstockung) den inneren Zustand menschlicher Intention in Worte fasst.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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