Handel / Händler (AT)
(erstellt: Oktober 2010; letzte Änderung: Oktober 2012)
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1. Der altorientalische Handel
1.1. Quellen
Für die Erforschung von Handelsaktivitäten im Alten Israel stehen neben den biblischen Texten zahlreiche archäologische Funde zur Verfügung. Während in der älteren archäologischen Forschung vor allem der typologische Vergleich einzelner Güter (Keramik u.a.) Aufschluss über Handelsaktivitäten lieferte, erlauben mittlerweile naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden auch sehr präzise Erkenntnisse über die konkrete Herkunft einzelner Güter (→ Edelsteine
1.2. Rahmenbedingungen
Handel ist der Austausch von Waren und wird regional auch in subsistenzwirtschaftlichen Milieus sofort nötig, um Warenbedürfnisse und Warenüberschüsse zu regulieren. Schon alte Kulturtechniken wie die Bronzeherstellung sind darauf angewiesen, dass benötigte Rohstoffe über den Fernhandel herbeigeschafft wurden. Vollends gilt dies für Prestige- und Luxusgüter. Handel setzt die Entwicklung von Transportmitteln und Verkehrswegen, von Maß- und Geldsystemen voraus. Auch politische Faktoren bestimmen das Wirtschaftssystem. Zu ihnen gehören vor allem der Ausbau und die Sicherung der Transportwege.
1.3. Der Fern- und Regionalhandel
Der Fernhandel wird in Ägypten und im Vorderen Orient durch staatliche Macht ermöglicht und kontrolliert. Er blüht in Zeiten starker Staaten und verkümmert bei instabilen internationalen Lagen. Dies gilt seit dem 3. Jt. v. Chr. für den Alten Orient wie auch später für die hellenistische und römische Epoche. Da der Fernhandel (besonders zu Land) sehr teuer war, sind typische Produkte des Fernhandels vor allem Luxus- und Prestigegüter. Hierzu zählen Rohstoffe mit einem günstigen Verhältnis von Gewicht und Wert (→ Metall
1.4. Handelswege und Transport
1.4.1. Fernhandel zu Land
Der syrisch-palästinische Raum (Levante) ist als Landbrücke zwischen Ägypten, Kleinasien und Mesopotamien bereits seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. in den überregionalen Austausch mit Gütern (Fernhandel) einbezogen worden. Israels Siedlungsgebiet lag im Einflussgebiet zweier zentraler Fernhandelsrouten in Süd-Nord-Ausrichtung. An der Küste bildete die dem Küstenverlauf folgende via maris die Haupthandelsroute zwischen Ägypten, Phönizien und Damaskus. Im Landesinneren führte die von Südarabien kommende Weihrauch- bzw. Königsstraße durch das Ostjordanland über Bosra (Edom), Dibon (Moab), Rabba (Ammon) weiter nach Damaskus (Num 20,17
Der Landtransport erfolgte im Schritttempo über Karawanen (vor allem bepackte Esel bzw. Maultiere, auf kürzeren Strecken auch Karren ziehende Rinder). Erst ab der Eisenzeit (1200 v. Chr.) standen in den Trockengebieten auch inzwischen domestizierte Dromedare als Lasttiere zur Verfügung. (Beförderte Lasten: → Esel
1.4.2. Fernhandel zur See
Fernhandel zur See, der den Transport größerer Mengen erlaubte, bestand im 2. Jt. im östlichen Mittelmeerraum vor allem in einer eng an der nahen Küstenlinie orientierten Schifffahrt. Ein umfassendes Bild des spätbronzezeitlichen Seehandels und ostmediterranen Wirtschaftssystems bietet das monumentale Werk über das spätbronzezeitliche Schiff von Uluburun (Yalçin 2005). Auf diesem syrischen Handelsschiff fanden sich u.a. 150 kanaanäische Amphoren, gefüllt in der Mehrzahl mit Pistazienharz aus der Gegend westlich des Toten Meeres. Dieser Fund zeigt, dass zumindest agrarische Erzeugnisse des nachmaligen Juda schon in vorisraelitischer Zeit eine Rolle im Fernhandel spielten. Erst während des Zusammenbruch des bronzezeitlichen Staaten- und Wirtschaftssystems im 12. Jh. v. Chr., konnten die → Phönizier
2. Handel im antiken Israel und im Alten Testament
2.1. Terminologie
Eine präzise Terminologie für bestimmte Händlertypen und einzelne Kaufvorgänge hat das Hebräische nicht ausgebildet. Der Begriff סֹחֵר soḥer scheint aber eher den für den Fernhandel zu Land oder zu See zuständigen Händler zu meinen (Gen 37,28
Verschiedene Aspekte des Handelsvorgangs (→ Kauf / Kaufbrief
2.2. Philister und Phönizier
In alttestamentlicher Perspektive gelten die an der Küste wohnenden Philister und besonders die Phönizier als Händler par excellence, sowohl im Seehandel als auch im (küstennahen) Binnenhandel. Die Ebenen von Jesreel und Akko bildeten für die phönizischen Häfen (→ Tyrus
2.3. Israel und Juda
2.3.1. Partizipation am Fernhandel
Als Akteur im internationalen Handel traten Israel und Juda nach den Quellen kaum in Erscheinung. Dennoch profitierten sie wohl von diesem Handel, da die Handelswege ihre staatlich kontrollierten Territorien streiften. Dies gilt weniger für die Küstenlinie der via maris und die Hafenstädte, sondern eher für die profitablen Querpassagen zwischen Megiddo und Hazor, die den Fernhandel aus Syrien / Mesopotamien / Arabien mit den phönizischen Häfen verband (Master 2010). Städte wie → Megiddo
Im Süden verdient besonders die Ost-West-Passage zwischen der Weihrauchstraße und dem Hafen von Gaza Beachtung, die auf verschiedenen Routen das südliche Juda streifte. Die politischen Aktivitäten selbst der Nordreichskönige im südlichen → Moab
2.3.2. Regionalhandel, Export und Import
Die Hauptsiedlungsgebiete der Israeliten lagen im Bergland und ihre wirtschaftlichen Überschüsse konnten vor allem im Lokalhandel mit den Häfen und Marktorten an den großen Fernhandelswegen umgesetzt werden. Als Exportgüter aus Juda und Israel werden ausschließlich agrarische Produkte (→ Ackerbau
2.3.3. Binnenhandel
Der regionale Handel wurde von den Erzeugern selbst oder von professionellen Händlern getragen. Der Kleinhandel mit Waren und Darlehen vollzog sich als Tausch von Naturalien (Hi 2,4
Bevorzugter Marktplatz war der Raum in oder bei den Stadttoren (2Kön 7,1
Eventuell lässt sich der dem äußeren Stadttor vorgelagerte gepflasterte Platz von → Tel Dan
Für das spätvorexilische Jerusalem sind die Gasse der Bäcker (Jer 37,21
2.3.4. Exkurs: Juda im 8.-6. Jh. v. Chr.
Im Unterschied zu Nordisrael wurde das wirtschaftlich deutlich schwächer entwickelte und wohl erst seit dem 9.-8. Jh. v. Chr. als Territorialstaat mit entsprechenden Verwaltungs- und Handelsstrukturen agierende judäische Südreich im Kernland von keiner der Fernhandelsrouten berührt. Der südliche Teil der via maris blieb fest in der Hand der kulturell und wirtschaftlich überlegenen Philister, mit denen Juda während der gesamten Königszeit als philistäisches Hinterland in regen, wenn auch nicht gleichgewichtigen Austauschbeziehungen stand (Niemann 2002).
Im südlichen Juda führten in der Bucht von Beerscheba die letzten Ausläufer der von Südarabien über die Edomitis führenden „Weihrauchstraße“ bis zum Zielhafen Gaza durch (zeitweise) judäisch kontrolliertes Gebiet (s.o. 1.4.1.). Auf der Weihrauchstraße wurden neben den südarabischen Luxusgütern (Weihrauch, Gold u.a.) auch die Erzeugnisse der nahegelegenen Kupferminen in der Araba sowie in umgekehrter Richtung wohl auch Olivenöl gehandelt. Der archäologische Befund, zu dem auch Inschriften (Ostraka) gehören, zeigt jedenfalls, dass der Arabienhandel von der Araba bis nach Beerscheba seit dem 8. Jh. v. Chr. von den edomitischen und judäischen Stammesgruppen im Negev kontrolliert bzw. begleitet wurde, die sich städtische Zentren wie etwa Chorvat ‘Uzzā ([Chorvat Uzza]; Koordinaten: 1658.0686; N 31° 12' 34'', E 35° 09' 56''
In der gleichen Epoche belegt die im philistäischen Ekron (Tel Miqne; Koordinaten: 1358.1318; N 31° 46' 43", E 34° 51' 07"
2.4. Das Image von Handel und Händlern
2.4.1. Das negative Image
Wie andere sesshafte Bauerngesellschaften steht das antike Israel den ortsvariablen Händlern und dem Handel weithin misstrauisch gegenüber. Neben wenigen neutralen oder positiven Bewertungen des Handels (Pred 7,12
Die prophetische → Sozialkritik
2.4.2. Die „tüchtige Haus- und Handelsfrau“ als positives Händlerimage
Eine interessante Ausnahme bildet jedoch das Gedicht von der starken Frau in Spr 31,10-31
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- Als Markt interpretierter gepflasterter Vorplatz vor dem Stadttor von Tel Dan. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Ölpresse in Ekron (8. Jh.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 1984)
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