Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Hannah

(erstellt: Februar 2008)

Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/20509/

1. Name

Der Name Hanna, hebr. חַנָּה, (griech. ’Aννα) kann von der hebr. Wurzel חנן chnn „jemandem gnädig / zugeneigt sein, sich erbarmen“ hergeleitet werden und bedeutet „er [gemeint ist Gott] hat sich erbarmt“. Andere erklären die Bedeutung des Namens mit חֵן chen „Gunst / Anmut / Schönheit“. In der Hebräischen Bibel kommt der Name gemessen an der Länge der Erzählung über Hanna mit 14 Nennungen vergleichsweise häufig vor (Meyers, 120).

2. Vorkommen in der Bibel

2.1. Hanna, die Mutter Samuels

2.1.1. Hanna in 1Sam 1 und 2

Hanna bekommt keine Kinder, „denn JHWH hatte ihren Mutterschoß verschlossen“ (1Sam 1,5) und leidet darunter. Ihr Mann → Elkana liebt sie (1Sam 1,5.8), doch seine andere Frau, Peninna, bekommt Kinder und kränkt Hanna deswegen (1Sam 1,4.6; vgl. Gen 16,4; Gen 29,31). In der antiken israelitischen Gesellschaft war es für Frauen sehr wichtig Kinder zu bekommen, da sie vor allem dadurch ihren Status in Familie und Gesellschaft erhielten. Darüber hinaus bedeuteten Kinder Versorgung und Unterstützung im Alter oder wenn eine Frau Witwe wurde.

Beim jährlichen Besuch der Familie im Heiligtum von → Silo spitzt sich die Notlage für Hanna zu. Elkana versucht, sie zu trösten: „Bin ich nicht besser für dich als zehn Kinder?“ Diese Aussage kann unterschiedlich verstanden werden: als einfühlsame Unterstützung für Hanna, als Ausdruck von Elkanas Hilflosigkeit gegenüber Hannas Unglück (Brueggemann, 35) oder als egozentrische Selbstüberschätzung angesichts der gesellschaftlichen Situation einer kinderlosen Frau (Amit, 75).

Schweigend betet und weint Hanna und legt ein → Gelübde ab: Wenn Gott an sie denkt und ihr einen Sohn gibt, wird sie ihn an Gott zurückgeben (1Sam 1,10f). Num 30,11-16 besagt, dass Hanna als verheiratete Frau ein Gelübde ablegen kann. Elkana als ihr Mann könnte Einspruch erheben und damit das Gelübde aufheben, unterstützt sie aber vielmehr darin (1Sam 1,23).

Auf den Vorwurf des Priesters → Eli, der sie lautlos beten sieht, sie sei ja betrunken, spricht Hanna zum ersten Mal in der Erzählung: „Nicht doch mein Herr! Ich bin eine willensstarke Frau! Wein und Bier habe ich nicht getrunken, sondern ich habe mein Herz vor JHWH ausgeschüttet.“ (1Sam 1,15). Die üblichen Übersetzungen dieser Stelle mit „betrübte / verzweifelte Frau“ sind nicht haltbar, da קָשֶׁה qāšæh sonst „hart / fest / unbeugsam“ bedeutet und kaum nur an dieser Stelle mit Hinweis auf den Kontext anders zu übersetzen ist (Kessler, 42f). Eli versichert ihr, dass Gott ihre Bitte erfüllen wird. Hanna wird schwanger und bekommt einen Sohn, den sie → Samuel nennt, und begründet ihre Namenswahl: „Von JHWH habe ich ihn erbeten“ (שְׁאִלְתִּיו in 1Sam 1,20), was im Hebräischen eher an den Namen → Saul erinnert (שָׁאוּל šā’ûl von שׁאל š’l „erbitten“). Die Ableitung lässt sich entweder als Vermischung verschiedener Traditionen erklären (Schroer, 43) oder als Hinweis auf die weitere Geschichte in den Samuelbüchern schon in diesem ersten Kapitel (Kessler, 49).

Nachdem Hanna ihren Sohn abgestillt hat, d.h. als er etwa drei Jahre alt ist, bringt sie ihn zu Eli ans Heiligtum und erfüllt damit ihr Gelübde. Hanna wird hier kultisch aktiv und initiativ geschildert. Sie (singular) bringt ihren Sohn zusammen mit reichlichen Opfergaben zum Heiligtum (1Sam 1,24), und sie (plural) – d.h. Hanna und Elkana? – opfern und bringen den Jungen zu Eli (1Sam 1,25). Die Erzählung kann als ein Beleg dafür gelesen werden, dass Frauen an kultischen Aktivitäten teilhaben konnten (vgl. Braulik, 230; Meyers, 123; anders McCarter, 56f, der den Text mit LXX und 4QSama dahingehend ändert, dass nur Elkana opfert).

In 1Sam 2,1-10 folgt der Lobgesang der Hanna, ein Psalm, der von der Befreiung der Erniedrigten und Unterdrückten singt und von der Umkehrung der Verhältnisse (vgl. Ps 113,7-9). In 1Sam 2,10 wird der König, der Gesalbte (→ Messias) erwähnt – ein weiterer Hinweis auf die Geschichte, die hier beginnt. Der Psalm als Teil der Geburtsgeschichte eines bedeutenden Kindes (vgl. dazu auch Mose Ex 2,1-10; Simson Ri 13) ist im Neuen Testament im Lobgesang der Maria, dem Magnifikat aufgenommen (Lk 1,46-55).

Jedes Jahr macht Hanna für ihren Sohn ein kleines Oberkleid und bringt es zum Heiligtum (1Sam 2,19). Nachdem sie durch ihr Gelübde riskiert hat, wieder ohne Kinder zu leben, bekommt sie durch Gottes Wirken (wörtlich „Hinsehen / Heimsuchen / Aufsuchen“) noch drei Söhne und zwei Töchter (1Sam 2,21).

2.1.2. Hanna im Kontext der Samuelbücher

Hanna, die Mutter des Propheten Samuel, ist die erste Hauptfigur in den Samuelbüchern. Die Erzählung von Hanna dient nicht als unterhaltsame Einleitung der Samuelgeschichten, sie ist vielmehr als Schlüssel für alles Weitere zu lesen: Am Anfang der Geschichte vom Aufstieg Israels steht eine Geschichte voller „Zerbrechlichkeit, Überraschung und Treue“, von einer Frau, die ihre Stimme findet (Brueggemann, 43, Übers. U.S.), und die dagegen steht, die Geschichte vom Königtum in Israel nur triumphal oder martialisch zu lesen. Das Lied der Hanna in 1Sam 2,1-10 bildet zusammen mit dem Lied → Davids in 2Sam 22 und 2Sam 23,1-7 einen poetischen Rahmen für die → Samuelbücher.

2.2. Hanna, Ehefrau Tobits

Im deuterokanonischen / apokryphen → Tobitbuch trägt die Ehefrau des alten Tobit, die Mutter des Tobias, den Namen Hanna. Sie kommt wie auch Tobit aus dem Stamm Naftali (Tob 1,9). Nachdem Tobit und Hanna allen Besitz verloren haben und Tobit erblindet ist, ernährt sie die Familie durch Weben (Tob 2,11 [Lutherbibel: Tob 2,19]). Als Tobit seinen Sohn wegschickt, um Familienvermögen zurückzufordern, hat Hanna die klassische Mutterrolle: Sie sorgt sich, trauert um den weggegangenen Sohn, der doch „Stütze im Alter, du Trost unseres Lebens, von dem wir uns Nachkommen erhofften!“ sein sollte (Tob 10,5; vgl. Tob 5,18 [Lutherbibel: Tob 5,25]). Sie ist glücklich, als er wohlbehalten zurückkehrt (Tob 11). Die Demonstration von Frömmigkeit, Besonnenheit und Entscheidungsfähigkeit bleibt bei diesem Ehepaar in der Erzählung Tobit vorbehalten.

2.3. Hanna, die Prophetin

Im Neuen Testament tritt in Lk 2,36-38, als Maria und Josef das Kind Jesus in den Tempel bringen, gleich nach Simeon eine Prophetin namens Hanna auf. Sie wird durch ihre jüdische Herkunft, „eine Tochter Pnuëls aus dem Stamm Ascher“, durch ihre Witwenschaft und ihre lange Ehelosigkeit sowie durch ihren ständigen Einsatz am Tempel als besonders glaubwürdige Zeugin dargestellt. Nach Simeon spricht sie und „pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk 2,38). Hanna ist die einzige Frau, die im Neuen Testament als Prophetin bezeichnet wird.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet)

2. Weitere Literatur

  • Amit, Y., 1994, „Am I Not More Devoted To You Than Ten Sons?” (1 Samuel 1.8): Male and Female Interpretations, in: Brenner, A. (Hg.), A Feminist Companion to Samuel and Kings, Sheffield, 68-76
  • Braulik, G., 1998, Durften auch Frauen in Israel opfern? Beobachtungen zur Sinn- und Festgestalt des Opfers im Deuteronomium, LJ 48, 222-248
  • Brueggemann, W., 1990, I Samuel 1: A Sense of a Beginning, ZAW 102, 33-48
  • Janssen, C. / Lamb, R., 1998, Das Evangelium nach Lukas. Die Erniedrigten werden erhöht, in: Schottroff, L. / Wacker, M.-T., Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh, 513-526
  • Kessler, 2008, Samuel. Priester, Richter, Königsmacher und Prophet (Biblische Gestalten), Leipzig
  • McCarter, P.K., 1984, II Samuel (AncB 9), Garden City NY
  • Meyers, C., 1996, The Hannah Narrative in Feminist Perspective, in: Coleson, J. / Matthews, V. (Hgg.), Go to the Land I Will Show You (FS D.W. Young), Winona Lake IN, 117-126
  • Schroer, S., 1992, Die Samuelbücher (NSK.AT 7), Stuttgart
  • Schüngel-Straumann, H., 1998, Das Buch Tobit. Ein Lehrstück zu Ehe und Familie in der Diaspora, in: Schottroff, L. / Wacker, M.-T., Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh, 401-409

Abbildungsverzeichnis

  • Die Geschichte der Hanna (Bible moralisée; um 1410).
  • Hanna bringt Samuel zum Tempel (Rembrandt; 1650).

PDF-Archiv

Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:

Abbildungen

Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz) und ihrem Präsidenten Othmar Keel.

VG Wort Zählmarke
Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.3
Folgen Sie uns auf: