(erstellt: Dezember 2011)
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1. Terminologie
Für „Heer“ wird im Alten Testament meist חַיִל ḥajil (71-mal) verwendet, selten מַחֲנֶה maḥǎnæh (Gen 50,9
Keiner der genannten Heeres-Begriffe wird ausschließlich militärisch verwendet. So zieht die Königin von Saba mit בְּחַיִל כָּבֵד bəḥajil kāved „mit großem Tross“ nach Jerusalem (1Kön 10,2
2. Fehlende Angaben
Berichte von militärischen Konflikten beschränken sich in der Hebräischen Bibel auf die Nennung von Sieg oder Niederlage. Auch wenn gelegentlich etwas über die Taktik des Kampfes gesagt wird – z.B. die akustische und visuelle Täuschung des Gegners über die eigene Truppenstärke (Ri 7,15-22
3. Truppenstärke
Die Schlagkraft einer Armee richtete sich außer nach ihrer zahlenmäßigen Stärke und Faktoren wie Disziplin, Ausrüstung, Kampferfahrung und Entschlossenheit auch nach dem Verhältnis der verschiedenen Waffengattungen. Einen nicht unerheblichen Faktor bilden Streitwaagen und für den Kampf ausgebildete Reitpferde. In der → Schlacht bei Qarqar
Realistische Zahlenangaben zur Truppenstärke Israels bzw. Judas lassen sich nur zwischen den Zeilen herauslesen. Keiner der Erzähltexte, die die assyrische bzw. neubabylonische Westexpansion thematisieren, erwähnt auch nur andeutungsweise einen offenen Feldkampf. → Hoschea
„Als das Heer des Pharao ausgezogen war aus Ägypten, und die Babylonier, die Jerusalem belagerten, die Nachricht von ihnen gehört hatten, zogen sie von Jerusalem ab.“ (Jer 37,5
Offensichtlich verfügten die Babylonier über genügend Truppen, um neben der gleichzeitigen Belagerung von mehreren Städten auch dem ägyptischen Heer die Stirn bieten zu können. Bezeichnenderweise spricht das Jeremiabuch immer nur vom babylonischen bzw. vom ägyptischen Heer (חַיִל ḥajil; Jer 32,2
Möglicherweise liefern die Angaben über die Zahl der von den Neubabyloniern Deportierten halbwegs verlässliche Angaben: Wenn unter den „oberen Zehntausend“ die גִּבּוֹרֵי הַחַיִל gibbôrê haḥajil aufgeführt sind (2Kön 24,14
Eine wohl realistische Angabe über die Stärke der Truppe dürfte die Mescha-Stele enthalten. Diese notiert, dass → Mescha
4. Ausbildung von Offizieren
Aus der Hebräischen Bibel geht nichts über die Ausbildung von Offizieren hervor. Aufschlussreicher ist dagegen ein ägyptischer Brief, in dem sich ein Lehrer vor einem Kollegen mit dem Inhalt und der Qualität seines Unterrichts brüstet: Der Schüler müsse wissen, welche Rationsmenge eine bestimmte Anzahl von Soldaten benötigt, welche Besonderheiten die Städte → Byblos
Dass ein Heerführer in der Lage sein musste, Berechnungen über den Bedarf seiner Truppe anstellen zu können, geht für Ägypten aus dem satirischen Brief des Hori hervor. Dieser verspottet seinen Adressaten damit, dass er zwar die Position eines Befehlshabers über eine 5.000 Mann starke Truppe, die nach Palästina entsandt wurde, innehabe, diese Truppenstärke ihn entweder insgesamt überfordere oder aber für ihn bei den Rationsberechnungen zu zahlreich sei (pAnastasi I; 120,1-6).
Möglicherweise deutet auch 1Chr 5,18
In den Erzählungen, die sich sonst mit dem Aufstieg einer Person zum militärischen Anführer beschäftigen, ist gelegentlich von einem Karrieresprung des außergewöhnlich begabten Helden die Rede: Ein Schwerthieb macht aus dem jugendlichen → David
Eine bemerkenswert negative Darstellung der militärischen Ausbildung bietet eine ägyptische Schrift aus der 19.-20. Dynastie, in der die Nachteile der militärischen Ausbildung gegenüber der eines Schreibers aufgelistet werden: Schon als kleines Kind von weniger als einem Meter Größe wird der Junge in die Kaserne gebracht, die er nicht verlassen darf. Ständig wird er geschlagen und misshandelt, mit offenen Wunden muss er den ganzen Tag mit seinen Waffen auf dem Platz stehen, seine Rationen sind spärlich, er wird zu schweren Arbeiten herangezogen (pChesterBeatty IV, 5,6-6,2).
5. Marschgeschwindigkeit und Reichweite
Größere Truppenverbände weisen durch die Notwendigkeit, Ausrüstung und Verpflegung mit sich zu führen bzw. diese zu requirieren, eine geringe Marschgeschwindigkeit auf. Allerdings zeigen die alttestamentlichen Erzähler kein Interesse an der Schilderung entsprechender Details. In 2Kön 25,1f
Die Notiz in 2Sam 11,1
Es ist bemerkenswert, dass die biblischen Autoren als selbstverständlich voraussetzen, dass Kampfhandlungen über große Entfernungen hinweg geführt werden konnten. So stellt der historisch verbürgte assyrische Vorstoß bis ins ägyptische Kernland (Jes 20,4
Welche physischen Belastungen Soldaten auf dem Marsch ausgesetzt waren, machen die (für den Vergleich hilfreichen) Angaben römischer Autoren deutlich. Die Mitführung von Proviant für 17 Tage, wobei das zu transportierende Gepäck zwischen 30 bis 50 kg pro Soldat betragen konnte, zeigt deutlich, dass schon der Weg in den Kampf eine erhebliche Herausforderung dargestellt hat.
6. Einsatzgebiete des Heeres
Der Alte Orient kannte zwei wesentliche Einsatzgebiete militärischer Kräfte: die offene Schlacht unter dem Einsatz verschiedener Waffengattungen und die Belagerung von Städten, wobei eine Kombination beider Techniken natürlich vorkommen konnte.
Die oben unter 3. erwähnte Häufung der Angaben einer judäischen Strategie, die in erster Linie auf Verteidigung zielte, lässt vermuten, dass die strategischen Potenziale Judas bescheiden ausfielen. Als Haupteinsatzort des Heeres dürfte daher die Defensive anzusehen sein. Dass diese Strategie nicht immer erfolgreich war, belegen die Hinweise auf die Einnahme bzw. Kapitulation Jerusalems infolge der Kriegszüge Scheschonqs und Nebukadnezars. Auch dürfte der assyrische Bericht über die Tributleistung Hiskias an den assyrischen König Sanherib, der de facto eine Kapitulation beinhaltet, der Realität eher entsprechen als die in 2Kön 18f
Für Israel war die Situation möglicherweise komplexer. Wenn Ahab in der Mitte des 9. Jh.s über eine imposante Streitmacht, bestehend aus Infanteristen und Streitwagen, aufstellen konnte und er somit zu einer offensiven Handlung insbesondere gegen die Aramäer in der Lage gewesen ist, ist die Strategie gegenüber der späteren assyrischen Westexpansion rein defensiv.
7. Propaganda und psychologische Kriegsführung
7.1. Kampfmoral. Die Angst vor der gegnerischen Übermacht begegnet in der Hebräischen Bibel relativ häufig. Das „Schmelzen des Herzens“ (מסס לֵב mss lev) erscheint besonders dort, wo ein scheinbar aussichtsloser Kampf droht (Dtn 1,28
Nennenswert ist auch die Rede des assyrischen Oberbefehlshabers an die Verteidiger Jerusalems in 2Kön 18
Wohl nicht zufällig beklagt sich der Verfasser des Ostrakon Lachisch 1,6 (→ Epigrafik
7.2. Psychologische Kriegsführung. In den Zusammenhang der psychologischen Kriegsführung dürfte auch das Phänomen intensiver Darstellungen von Grausamkeiten gehören, die dem Kriegsgegner angedroht werden. So zeigt ein assyrisches Relief im Zusammenhang mit der Eroberung der Stadt Lachisch, Soldaten, die Gefangene foltern (wahrscheinlich häuten), während Kinder der Szene beiwohnen müssen.
Grausamkeiten gegenüber Frauen und Kindern wurden im Zusammenhang mit kriegerischen Handlungen des Öfteren praktiziert. Auf → Elisas
Zur psychologischen Kriegsführung gehört auch die geschickte Verhandlung bzw. Argumentation, mit der der Gegner zur Aufgabe gebracht werden soll. Die weise Frau in → Abel Bet Maacha
„Wenn du dich einer Stadt näherst, um gegen sie zu kämpfen, dann sollst du ihr zunächst Frieden anbieten. Und es soll geschehen, wenn sie dir friedlich antwortet und dir öffnet, dann soll alles Volk, das sich darin befindet, dir zur Zwangsarbeit unterworfen werden und dir dienen. Und wenn sie mit dir nicht Frieden schließt, sondern Krieg mit dir führt, dann sollst du sie belagern.“ (Dtn 12,10-12
E. Otto (1999, 100) sieht in dieser Forderung einen anti-assyrischen Akzent. Entgegen der assyrischen Praxis, die Verhandlungen zusammen mit dem Ausüben militärischer Gewalt zu führen, soll hier zunächst ohne Druck verhandelt werden.
Die Rede des Rabschake in 2Kön 18,19-35
„Haben etwa die Götter der Nationen – einer wie der andere – sein Land gerettet aus der Hand des Königs von Assur? Wo ist der Gott von Hamat, von Arpad, wo ist der Gott von Seferwajim, von Hena und Iwa? Haben Sie Samaria aus meiner Hand gerettet.“ (2Kön 18,33f
Historischer Hauptmotor für das assyrische Engagement in Juda dürften weniger ideologische Gründe, als vielmehr der einfache Umstand gewesen sein, dass sich Hiskia zu einer Tributverweigerung entschlossen hatte. Ebenso dürfte die Wiederaufnahme der Zahlungen den Abzug der Assyrer veranlasst und Jerusalem die Einnahme erspart haben. Es ist gut möglich, dass die Bewohner einer belagerten Stadt versuchsweise auch mit theologischen Argumenten – natürlich in assyrischer Perspektive – zur Aufgabe überredet werden sollten.
8. Waffengattungen
8.1. Belagerungstechniken
8.1.1. Literarische Quellen
In der Erzählung von der Belagerung der Stadt Rabbat Ammon durch den General → Joab
Etwas anders wird die versuchte Eroberung der Stadt → Abel Bet Maacha
Detailliert berichtet der griechische Historiker Thukydes über die poliorketische Vorgehensweise bei der Eroberung der Stadt Plataia. Die Angreifer begannen, nachdem sie zur Verhinderung eventueller Fluchtversuche die Stadt vollständig mit einem Palisadenzaun umgeben hatten, eine Belagerungsrampe zu bauen, deren Höhe den Wehrgang auf der Verteidigungsmauer erreichte. Die Seitenwände der Rampe wurden mit einem Geflecht aus Holz abgesichert, um ein Abrutschen der Böschung zu verhindern. Als Gegenmaßnahme begannen die Verteidiger der Stadt, die Mauer gegenüber der Rampe zu erhöhen. Zudem öffneten sie ihre Mauer an der gefährdeten Stelle und trugen das Material der gegenerischen Aufschüttung wieder ab. Dagegen setzten die Angreifer mit Lehm ausgefüllte Schiffskörbe, die nicht einfach weggeschaufelt werden konnten. Dieser Technik wiederum begegneten die Verteidiger mit der Unterminierung der Rampe, die aufgrund des entstehenden unsichtbaren unterirdischen Hohlraumes immer wieder absackte. In Erwartung, dass die Mauer doch durchbrochen werden wird, bauten sie eine sichelförmige zweite Mauer um die gefährdete Stelle herum, um so die Angreifer wirkungsvoll beschießen zu können. Gegen den Einsatz von Rammen wehrten sich die Verteidiger, indem sie den Rammsporn entweder mit Schlingen „fingen“ und nach oben zogen oder diesen durch gezielte Abwürfe von schweren Balken „köpften“. Bezwingen konnten die Belagerer die Stadt auf diese Weise nicht. Nachdem sich die Gegenmaßnahmen zum Schutz der Mauer als erfolgreich erwiesen hatten, musste sich die Stadt schließlich doch dem Mittel des Aushungerns beugen (vgl. Thukydes, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, 2,75-77; 3,52; Text gr. und lat. Autoren
Im Zusammenhang mit der Erwähnung von ballistischer Waffentechnik steht auch die Notiz in 2Kön 3,25
Auffallend wenig wird über die Art und Weise der Stadtbelagerung und Stadteroberung in den Darstellungen der Landnahme erzählt. Stereotyp wird festgehalten, dass die jeweilige Stadt eingenommen wurde (לָכַד עִיר lākhad ‘îr; Dtn 2,34
Einiges deutet darauf hin, dass im Fall der Belagerung einer Stadt nahezu die gesamte Bevölkerung zu deren Verteidigung mobilisiert wurde. Nach der Eroberung der Stadt → Tebez
Ähnlich wie in 2Sam 20 dürfte es sich bei der Erwähnung der kunstvollen Maschinen (חִשְּׁבֺנוֹת מַחֲשֶׁבֶת חוֹשֵׁב ḥiššəvonôt maḥǎšævæt ḥôšev), die → Usija
Über die dramatischen Ereignisse während der Belagerung der Stadt Razama durch Truppen berichtet ein Brief aus → Mari
Dass das regelrechte Aushungern auch als alleinige Methode zur Anwendung kam, um den Widerstand einer befestigten Stadt zu brechen, geht aus einer Inschrift → Thutmosis’ III.
8.1.2. Bildliche Quellen
Aufschluss über die differenzierten Methoden der Städtbelagerung bietet ein assyrisches Palastrelief aus Nimrud (Nordwest-Palast, 865-860 v. Chr.): Die Bildkomposition beginnt auf der linken Seite mit der für assyrische Belagerungssdarstellungen typischen Deportationsszene. Aufgrund der synchronen Erzähltechnik, die die einzelnen Phasen der Belagerung zeitgleich erfasst, werden Belagerungskampf, Kapitulation, Tötung bzw. Folterung der besiegten Feinde und Deportation zeitgleich dargestellt. Als Deportierte werden grundsätzlich nur kleine Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, und Frauen aufgeführt.
Die rechte Seite der Abbildung und deren Fortsetzung auf dem Relief zur Rechten zeigen den Belagerungskampf. Bogenschützen, gedeckt durch aus Holzleisten oder Weidengeflecht gefertigte Langschilde, feuern gegen die Stadtverteidiger. Mit kleineren Schilden und einer Lanze ausgestatte Krieger versuchen mit Hilfe einer Leiter, die den oberen Mauerrand, nicht aber die höher gelegenen Türme erreicht, die Stadt direkt zu erstürmen. Im unteren Bildteil erscheint ein Soldat, bewaffnet mit einem Messer bzw. Kurzschwert, der sich in einem gegrabenen Tunnel in Richtung Stadt bewegt. Zugleich versucht ein Soldat, mit Hilfe eines Brechinstruments Steine aus der Befestigungsmauer herauszulösen.
Die Fortsetzung der Komposition zur Rechten zeigt wiederum einen Soldaten beim Versuch, die Mauer aufzubrechen. Wiederum wird das Untertunneln der Stadtmauer dargestellt. Möglicherweise handelt es sich hierbei um das Pendant zur Tunneldarstellung auf dem vorherigen Bild. Hier scheint allerdings der Ausbau des Tunnels selbst das Thema zu sein. Das abgebildete Weiterreichen eines Gesteinsbrockens o.ä. soll möglicherweise den Abtransport des ausgehauenen Materials darstellen. Auf einem Turm, in der Gesamtkomposition auf dem höchsten Punkt, erscheint eine Frau mit Klagegestus.
Die weitere Fortsetzung der Bildkomposition präsentiert einen Belagerungsturm, der von einer Gruppe von Bogenschützen gedeckt wird. Bemerkenswert ist, dass die oben erwähnte Notiz bei Thukydes, nach der die Belagerten versuchten, die Ramme nach oben zu reißend, während die Belagerer dem Gegenmaßnahmen entgegensetzen, hier seine bildliche Entsprechung findet. Zwei assyrische Soldaten hängen sich mit ihrem Körpergewicht an die Ramme, um deren Hochreißen mittels Ketten zu verhindern. Ebenfalls zu erkennen ist, dass die Verteidiger etwas auf die Ramme fallen lassen. Sollte es sich dabei um Brandsätze handelt, wären die aus dem Belagerungsturm heraus mündenden länglichen Gebilde als Vorrichtungen zu deuten, aus denen Wasser auf die Ramme gegossen wird. Der Belagerungsturm selbst scheint aus massiven Steinen gefertigt zu sein. Im Unterschied zur folgenden Darstellung fehlen Räder, die auf die Mobilität der Anlage hindeuten würden.
Ein Relief aus dem assyrischen Palast in → Ninive
Bezeichnenderweise taucht in der Darstellung der Eroberung von Lachisch die Technik des Unterminierens nicht auf. Auch die einschlägigen biblischen Beschreibungen von Einnahmen judäischer Städte gehen von einem einfachen „Einbrechen“ in die Stadt aus (2Kön 25,4
Zusammenfassend lässt sich für die auf Belagerung spezialisierten Truppen ein sehr hohes ingenieurtechnisches und handwerkliches Niveau voraussetzen. Nicht zuletzt die Fähigkeit, belagerte Städte nicht nur durch einfaches Aushungern oder ein verlustreiches Erstürmen der Mauern, sondern durch einen gezielten Einsatz zur Zerstörung des Mauerwerks bezwingen zu können, dürfte wesentlich zum Erfolg der assyrischen Expansion beigetragen haben.
8.2. Streitwagen
Der Streitwagen ist von der Eisenzeit bis zum Hellenismus ein einachsiger Karren, der von zwei oder vier Pferden gezogen wird. Seine Besatzung besteht aus zwei oder drei Mann, dem Lenker, einem Bogenschützen oder Speerwerfer und (bei dreifacher Besatzung) einem für den Nahkampf ausgerüsteten Kämpfer. Die wichtigsten Einsatzgebiete des Streitwagens waren die offene Feldschlacht und die Repräsentierung von Personen in hervorgehobener Stellung. Dass Streitwagen vor allem in der Ebene ihre größte Wirksamkeit entfalten konnten, unterstreichen Bemerkungen wie die in Ri 1,19, dass die Bewohner der Ebene aufgrund ihrer „eisernen Wagen“ nicht zu besiegen waren (vgl. Jos 17,16
1Kön 22,31ff
Im Zusammenhang einer Art Duell zwischen einzelnen Wagen steht auch der Tod des Königs → Joram
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass trotz des relativ häufigen Vorkommens von Streitwagen in der Hebräischen Bibel über deren Einsatzgebiete wenig gesagt wird. Angesichts der hohen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten sowie der intensiven Ausbildung der Besatzung ist zu vermuten, dass der Einsatz dieser Waffe auf Erkundungen, gezielte Angriffe gegen hohe Befehlshaber und auf Repräsentierung hochgestellter Personen beschränkt blieb. Jedenfalls weist ihm die klassische griechische Literatur eine ausschließlich repräsentative Bedeutung zu (vgl. Homer, Ilias, 19,392-424; Text gr. und lat. Autoren
8.3. Reiterei
Die spätvorexilische Prophetie hat in den Reitverbänden im Dienst der Neubabylonier eine offensichtlich neue und besonders gefährliche gegnerische Waffengattung gesehen:
„So spricht JHWH: Siehe, ein Volk kommt aus dem Land im Norden, ein großes Volk erhebt sich von den Enden der Erde, Bogen und Lanze haben sie ergriffen, grausam und ohne Erbarmen, ihr Geschrei ist wie tosendes Meer, auf Pferden reiten sie, gerüstet sind sie wie ein Kriegsmann gegen dich, Tochter Zion.“ (Jer 6,23
Die syntaktische Struktur an dieser Stelle lässt vermuten, dass hier nicht an die oben genannte Praxis einer aus Bogenschützen und Lenker bestehenden „Pferdebesatzung“ zu denken ist. Vielmehr scheinen hier Kämpfer in den Blick genommen zu sein, die ihre Reittiere auch freihändig beherrschen und die mit einem Bogen als Fernwaffe ausgerüstet sind. Ob mit dem anschließend genannten כִּידוֹן kîdôn eine Wurfwaffe oder eine Stoßlanze gemeint ist, kann zwar nicht endgültig entschieden werden, allerdings lässt das Aufkommen des direkten Reiterangriffs als taktischem Mittel erst in hellenistischer Zeit eher an die erste Möglichkeit denken.
Einen gänzlich anderen Eindruck von der Kampftechnik der Reiterei vermittelt der in hellenistischer Zeit entstandene zweite Teil des Sacharjabuches. Im endzeitlichen Kampf stellt JHWH seine Getreuen auf:
„Sie werden sein wie Helden, die (die Feinde) in den Gassendreck niedertrampeln, einen Kampf werden sie kämpfen, denn JHWH ist mit ihnen; zuschanden werden die Pferdereiter.“ (Sach 10,3
Wenn JHWH seine Getreuen dazu befähigt, ihre berittenen Feinde niederzutreten, dann scheint an den Einsatz von Reiterverbänden gedacht zu sein, die ausreichend gepanzert waren, um direkt gegen feindliche Verbände eingesetzt zu werden. Militärhistorisch ist hier eine Entwicklung vorausgesetzt, die erst mit dem Siegeszug → Alexanders d.Gr.
8.4. Infanterie
Zweifelsohne verfügten die Fußkämpfer des Alten Orients über Fertigkeiten zur Beherrschung mehrerer Waffen. Der Übersichtlichkeit halber sollen die einzelnen Waffen und Waffengattungen hier getrennt behandelt werden.
8.4.1. Bogen
Es überrascht, dass der Bogen in den zahlreichen Darstellungen von kriegerischen Handlungen im Kontext des Exodus, der Landnahme und der Richterzeit mit der Ausnahme von Jos 24,12
„Ruft herbei gegen Babel Bogenschützen, belagert sie ringsum, dass keiner von ihr entrinne.“ (Jer 50,29
Jer 50,29
Über die Durchschlagskraft der Bogenwaffe lassen sich der Hebräischen Bibel leicht divergierende Angaben entnehmen. Während es → Jehu
8.4.2. Steinschleuder und ballistische Artillerie
8.4.2.1. Steinschleuder. Gegenüber dem Bogen weist die Steinschleuder den Vorteil einer ständigen Verfügbarkeit von Geschossen auf. Allerdings setzt ihre Beherrschung ein hohes Geschick voraus. Ri 20,16
Die Schleuder scheint nicht immer und überall in Gebrauch gewesen zu sein. Das Ägypten des Alten und Mittleren Reiches hat wahrscheinlich auf ausländische Söldner, die die Waffe beherrschten, zurückgreifen müssen. (Bonnets, 1926, 115f., Deutung des schon mittelägyptisch belegten Wortes rwč als Schleuder lässt sich nicht aufrechterhalten; gemeint ist vielmehr die Bogensehne; vgl. Wb 2,410). Als Geschosse scheinen im biblischen Israel nur Steine verwendet worden zu sein. Über die Verwendung von Blei als Munition, das gegenüber dem Stein eine höhere Reichweite und Durchschlagskraft hat, wie es aus römischer Zeit belegt ist (Sextus Aurelius Propertius IV,3,65), sagen die altorientalischen und ägyptischen Quellen nichts.
Wohl nicht zufällig nennt Sach 9,15
8.4.2.2. Katapult. Bei den in hellenistischer Zeit in Palästina bekannt gewordenen Katapulten dürfte es sich um eine Technik gehandelt haben, die vornehmlich bei der Belagerung von Städten zum Einsatz kam. Ausführlich berichtet Diodor (14,42), dass Dionysius um das Jahr 400 v. Chr. beim Kampf gegen Karthago auf die neue Technik setzte, wobei er auserlesene und bestbezahlte Handwerker mit der Konstruktion der Maschinen beauftragte. Dass die Katapulte, wie später in römischer Zeit belegt (Tacitus, Historien 3,23; Text gr. und lat. Autoren
Eine assyrische Darstellung aus Ninive zeigt eine reguläre Abteilung von Schleudersoldaten. Die mit einem Helm und einem verstärktem oder leicht gepanzertem Obergewand geschützten Soldaten handhaben die Schleuder mittels zwei ungleich langer Seilenden. Nach der Darstellung feuern die Schützen gleichzeitig während des Vormarsches. In der Realität des Kampfes, insbesondere unter den Bedingungen einer Belagerung, dürfte der Einsatz allerdings weniger schematisch erfolgt sein.
8.4.3. Speer und Spieß
Im Kampf wurden auch Speer (חֲנִית ḥǎnît) und Spieß (רֺמַח romaḥ) verwendet. Vom רֺמַח romaḥ „Spieß“ wird nirgends gesagt, dass er als Schleuderwaffe eingesetzt wurde. Er gehört nach Neh 4,10
8.4.4. Schwert
Mit ca. 400 Belegen stellt das Nomen חֶרֶב ḥæræv „Schwert“ die am häufigsten begegnende Waffe dar. Allerdings kommt dieses fast ausschließlich im Zusammenhang mit formelhaften Wendungen wie „mit der Schärfe des Schwertes (לְפִי חֶרֶב ləfî ḥæræv) schlagen / erschlagen“ vor. Ob damit die Spitze oder die Schneide der Waffe gemeint ist, kann nicht festgestellt werden. Es muss somit offen bleiben, ob das Schwert als Hieb- oder als Stichwaffe bzw. als beides seinen Einsatz fand. Auf den assyrischen Reliefs fällt auf, dass zwar fast alle Soldaten mit Schwertern gegürtet sind, ein Schwert aber nirgends direkt im Kampf eingesetzt wird. Möglicherweise diente das Schwert in Assur in erster Linie als Ausdruck kriegerischer Würde. Allerdings ist in den assyrischen Inschriften, wie in der Hebräischen Bibel, häufig vom Erschlagen der Feinde mit dem Schwert die Rede (vgl. die Textbeispiele bei Kuan, 1995, 30f.52). Wie unterschiedlich Größe und Verwendung von Schwertern sein können, zeigen die beiden Episoden in 1Sam 17 und 2Sam 20. Nachdem David den Goliat mit dem Schleuderschuss getötet hat, nimmt er dessen Schwert und schneidet (כרת krt) dessen Kopf ab (1Sam 17,51
9. Versorgung der Truppe, Kriegsbeute und Gefangene
Auch wenn es erzählpragmatische Gründe dafür gibt, dass der für den Kampf noch zu junge David ja aus irgendeinem Grund auf den Kampfplatz kommen muss, hat der Erzählzug, dass David seinen älteren Brüdern Nahrungsmittel bringt, sicher einen realen Hintergrund. Die drei Brüder erhalten einen Efa, also etwas mehr als 20 Liter Röstgetreide und zehn Brote. Die Getreidemenge entspricht ca. 7-8 kg und weist somit (bezogen auf heutige Sorten) einen Nähwert von 21.000-24.000 kcal auf. Geht man von einer durchschnittlichen Getreideration von ca. 2 Liter pro erwachsenen Mann im Alten Orient aus, würde dies der Kalorienmenge von zehn Tagesrationen entsprechen. Hinzu kommen noch die zehn Brote unbestimmbarer Größe.
Um Davids Zorn zu beschwichtigen, bringt → Abigail
Gegenüber den sehr spärlichen Hinweisen auf die Requirierung von Nahrungsmitteln durch die siegreichen Eroberer (vgl. Klgl 1,11
Dass Kriegsgefangene bei Bauprojekten eingesetzt worden sind, wird nur gelegentlich erwähnt (2Sam 12,31
10. Ein vorstaatlicher Heerbann?
In der älteren Literatur wird die mehrfach erwähnte Existenz eines Heerbanns in vorstaatlicher Zeit als historische Realität angesehen. Die Literatur Israels beschreibt die Aufstellung des Heerbanns als einen aus mehreren Elementen bestehenden Vorgang: Eingeleitet wird dieser durch das Blasen des Schofar-Horns (→ Musikinstrumente
Die Idee vom Heerbann Israels in vorstaatlicher Zeit dürfte gleich zwei Idealvorstellungen entspringen. Einerseits entspricht es dem idealisierten Geschichtsbild der deuteronomistischen Literatur und ihrer Quellen, dass Israel sich auch ohne einen König und freiwillig zu einer großen Streitmacht gegen seine benachbarten Feinde zusammenschließen konnte. Zugleich scheint der Gedanke eines Heerbanns, der in der Hebräischen Bibel terminologisch nicht einmal belegt ist, entsprechenden mittelalterlichen europäischen Gepflogenheiten (bzw. ihrer nachträglichen Idealisierung zu entstammen), der dann auf Israel projiziert worden ist. In erster Linie wird dabei übersehen, dass die Institution eines Heerbanns ökonomische und soziale Vorbedingungen hat. Diese betreffen unter anderem die Wehrpflicht von Grundbesitzern, die Notwendigkeit, für Waffen, Ausrüstung und Ausbildung selbst aufzukommen, sowie die Gepflogenheit, dass sozial höher gestellte Personen automatisch militärische Führungspositionen innehaben.
Aufgrund der neueren archäologischen Erkenntnisse, die die Besiedlung des judäischen Berglandes in der frühen Eisenzeit als recht dünn gesät betrachten, wird man mit der Annahme eines personenintensiven Instrumentariums wie des Heerbanns in vorstaatlicher Zeit vorsichtig sein müssen.
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Assyrische Soldaten foltern Judäer nach der Eroberung von Lachisch; zwei Kinder sehen den Tortouren zu (Palastrelief aus Ninive; 700-692 v. Chr.). Zeichnung Theresa Steckel; © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124906)
- Der Belagerungskampf um eine Stadt I: Die Bevölkerung wird nach der Eroberung deportiert (Nimrud, Nordwest-Palast; 865-860 v. Chr.). Zeichnung Theresa Steckel; © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124554)
- Der Belagerungskampf um eine Stadt II (Nimrud, Nordwest-Palast; 865-860 v. Chr.). Zeichnung Theresa Steckel; © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124554)
- Der Belagerungskampf um eine Stadt III (Nimrud, Nordwest-Palast; 865-860 v. Chr.). Zeichnung Theresa Steckel; © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124554)
- Der Belagerungskampf um eine Stadt IV (Nimrud, Nordwest-Palast; 865-860 v. Chr.). Zeichnung Theresa Steckel; © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124554)
- Die Belagerung von Lachisch (Palastrelief aus Ninive; 700-692 v. Chr.). Zeichnung Hendrik Alexander Walz, © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124906)
- Streitwagen gaben ägyptischen Truppen in der Zeit des Neuen Reichs eine neue Reichweite (Ramses II.; Ramesseum in Theben, 13. Jh.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
- Dreispännige assyrische Streitwagen, auf denen jeweils ein Lenker und ein Bogenschütze stehen (Relief aus Nimrud, Nord-West-Palast Assurnasirpals II.; 883-859 v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Ein Reiter mit Lanze auf einem Pferd jagt einen Kamelreiter (mesopotamisches Rollsiegel; 6.-5. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Bogenschütze (Tell Halaf, Außenwand des Westpalastes; 1. Hälfte 9. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Krieger mit Steinschleuder (Tell Ḥalāf in Nordsyrien; 9. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Soldaten mit Steinschleuder (Ninive; 700-692 v. Chr.). Zeichnung Hendrik Alexander Walz, © Andreas Kunz-Lübcke (British Museum, WA 124775)
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