Heilig / profan / Heiligkeit (AT)
(erstellt: April 2014)
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1. Die Begrifflichkeit
Die einschlägige Wurzel קדשׁ qdš ist im Qal „heilig sein“, Nif. „sich als heilig erweisen“, Pi. „heiligen / weihen“, „als heilig behandeln“, Pu. „geheiligt / geweiht sein“, Hitp. „sich heiligen“, „geheiligt werden“ und Hif. „als geheiligt behandeln“, „darbringen“ belegt. Sie „bezeichnet … einen numinosen Wertbegriff sui generis“ (Müller, 589). Mit dem Begriff des Heiligen können Götter, Menschen, Orte, Zeiten und Dinge bezeichnet werden; dabei kann sich die Heiligkeit göttlicher Sphäre auf ihr zugeordnete Personen und Sachen ausdehnen. Heiligkeit wird auch durch Nominalbildungen der genannten Wurzel ausgedrückt, so z.B.: קָדוֹשׁ qādôš „heilig“ (vgl. aram. קַדִּישׁ qaddîš „heilig“), קֹדֶשׁ qodæš „Heiliges / Heiligkeit“ (oft als suffigiertes nomen rectum einer Cstr.-Verbindung), auch „Heiligtum“, מִקְדָּשׁ miqdāš „Heiligtum“). Die Bildungen der Wurzel werden in der → Septuaginta
Die semantischen Opposita beziehen sich auf den Vorgang der Entweihung oder Profanierung: Personen, Orte, Sachen oder Institutionen, die dem heiligen Bereich angehören, werden diesem Bereich entzogen, d.h. entsakralisiert. Geschehen und Ergebnis der Entweihung werden v.a. mit der Wurzel חלל ḥll benannt (vgl. auch חנף ḥnp und בוס bûs im Polel). Das der ersten Wurzel entsprechende Adjektiv lautet חֹל ḥol „profan“. In der Septuaginta und im Neuen Testament wird Entweihung mit den Begriffen und Derivaten von κοινός koinos „profan“ und βέβηλος bebēlos „profan“ umrissen.
Der Gegensatz zwischen Heilig und Profan wird teils vom Gegensatz zwischen „rein“ (Wurzel טהר ṭhr „rein sein“) und „unrein“ (Wurzel טמא ṭm’ „unrein sein“) überlagert (vgl. Lev 11,43ff
2. Gottes Heiligkeit
Dass Göttinnen und Göttern Heiligkeit zukommt, ist nahezu ein religionsgeschichtlicher Allgemeinplatz. So ist die einschlägige Prädikation für etliche kanaanäische Gottheiten belegt: Ilu (→ El
Im Alten Testament gebührt an erster Stelle JHWH, dem Gott Israels, Heiligkeit, aber es sind noch Reflexe auf das Bestehen eines Pantheons festzustellen, dessen ehemalige Gottheiten nun als heilige Mitglieder (קְדוֹשִׁים qədôšîm) eines himmlischen Hofstaates (→ Götterrat
Im Großjesajabuch wird das Bekenntnis zu JHWHs Heiligkeit in der Berufungsvision mit dem → Trishagion
Eine andere Nuance hat die Idee der Heiligkeit in der Theologie des → Ezechielbuches
In der Psalmentheologie (→ Psalmen
JHWHs Heiligkeit hat verpflichtenden Charakter, daher wird eine dem Gott Israels entsprechende Heiligkeit seines Volkes gefordert (vgl. Ex 22,30
3. Heilige Menschen
Als „heilig“ können Gruppen von Menschen aus der Gemeinschaft herausgehoben sein, etwa Männer im heiligen → Krieg
In erster Linie aber erhalten Priester das Prädikat „heilig“ (Lev 21,6f
4. Heilige Orte und Zeiten
Orte und Zeiten, die dem Bereich der Gottheit zugerechnet werden, sind heilig. Ex 3,5
Heilige Zeiten sind dem profanen Bereich entzogen, daher ist zu ihnen jegliche → Arbeit
5. Heilige Dinge
Die → Lade
Nach Jos 6,19
6. Hochheiliges
Das Prädikat „hochheilig“ oder „besonders heilig“ (קֹדֶשׁ הַקֳּדָשִׁים qodæš haqqådāšîm u.ä.) erhalten z.B. der Debir, das Allerheiligste des Tempels (1Kön 6,16
7. Profanes und Profanierung
Bestimmte Orte, Dinge und Institutionen werden von vorneherein dem Profanen zugerechnet, so etwa das Alltagsbrot oder der Marsch, der nicht im heiligen Krieg erfolgt (vgl. 1Sam 21,5f
Die Gefahr der → Entweihung
Im Gegenzug kann das Heilige als übertragbar angesehen werden: Altar (Ex 29,37
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001
2. Weitere Literatur
- Gammie, J.G., 1989, Holiness in Israel, Minnesota
- Müller, H.-P., 1995, Art. קדשׁ qdš, in: Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, Bd. 2, 5. Aufl., München / Zürich, 589-609
- Mowinckel, S., 1953, Religion und Kultus, Göttingen
- Otto, R., 1991, Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen (BsR 328), Nachdr. München
- Paschen, W., 1970, Rein und Unrein (StANT 24), München
- Rudnig, T.A., 2000, Heilig und Profan. Redaktionskritische Studien zu Ez 40-48 (BZAW 287), Berlin / New York
- Schmidt, W.H., 1966, Königtum Gottes in Ugarit und Israel. Zur Herkunft der Königsprädikationen Jahwes (BZAW 80), 2., neu bearb. Aufl. Berlin
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