Hermopolis
(erstellt: Mai 2008)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/21061/
1. Namen und Lage
Das oberägyptische Hermopolis (Beiname Magna, „Die Große“), antik in griechischen Inschriften bereits als „Die Große, Alte und Glänzende“ bezeichnet, bedeutet griechisch die „Stadt des Hermes“. Hermes wird gleichgesetzt mit dem altägyptischen Hoch- und Mondgott Thot, dem Hauptgott der Stadt mit dem zentralen Tempel des Thot, Herr von Hermopolis.
Das oberägyptische Hermopolis Magna (Koordinaten: N 27° 46' 54'', E 30° 48' 10''
2. Die Achtheit von Hermopolis
Der Name des heutigen Großdorfes el-Aschmunein im Süden des ausgedehnten Ruinenfeldes lässt sich auf ein koptisches Schmun zurückführen; der Dual im arabischen Ortsnamen geht auf eine spätantike Verwaltungszweiteilung der Stadt zurück. In Schmun steckt wiederum die schon im Alten Reich (um 2500 v. Chr.) nachweisbare Bezeichnung als „Stadt der Acht“, altägyptisch Chemenu. Darin spiegelt sich die uralte, sogenannte hermopolitanische Kosmogonie mit der Urhügelvorstellung wider. Die Materie wird durch die Acht Urgötter (Achtheit) der Schöpfung gebildet, entstanden aus dem chaotischen, feuchten Urozean. Der Tempel in Hermopolis wurde zum Abbild der Urhügelstätte und enthielt auch ein Sanktuar der Achtheit. Zu den frosch- und schlangengestaltigen Göttern der hermopolitanischen Achtheit gehörten → Amun
3. Hermopolis im Alten Reich
Hermopolis / Chemenu war das wichtigste Zentrum eines „Hasengau“, ägyptisch Wenet, genannten Territoriums (der 15. oberägyptische Gau). Hermopolis / Chemenu wurde daher altägyptisch synonym mit Chemenu als die „Hasenstadt (Wenu)“ bezeichnet. Verwaltet wurde der Raum um Hermopolis im Alten Reich zunächst von den „Landleitern des Hasengaus“, königlichen Beamten, die ihre Gräber bei Schech Said im Fels der Ostgebirges nördlich der Ebene von Amarna anlegten. Die Hauptnekropole von Hermopolis mit Flach- und Felsgräbern lag damals gegenüber dem heutigen Mallawi unter und hinter dem heutigen Ort Der el-Berscheh. Sicher war damals schon der Abbau von Alabastervorkommen im Ostgebirge gegenüber Hermopolis bei Schech Said und hinter der Amarnaebene im Fokus des königlichen Interesses, ebenso die dort verkehrstechnisch günstigen Bedingungen für den Abbau von Kalkstein.
4. Hermopolis im Mittleren Reich
Die etwas später als „Großes Oberhaupt des Hasengaues“ bezeichneten Provinzverwalter mit Sitz in Hermopolis, die auch die oberste Sakralgewalt innehatten, erhielten nach dem Alten Reich eine zunehmend wachsende militärische und politische Bedeutung, da sie zunächst eine Art Puffer gegen die nach Norden gerichteten thebanischen Bestrebungen bildeten. Später (in der 11. Dynastie) scheinen sie sich mit den Thebanern geeinigt und den Weg nach Memphis freigemacht zu haben. An den dynastischen Auseinandersetzungen am Ende der 11. Dynastie waren sie offensichtlich militärisch beteiligt. In den Felsgräbern der hermopolitanischen Nomarchen (Gaufürsten) des Mittleren Reiches (ca. 1900 bis 1750 v. Chr.) bei Der el-Berscheh spiegelt sich das Selbstbewusstsein der damaligen Provinzelite wider. Von der Bautätigkeit in Hermopolis zeugen die Reste eines Amun-Tempels des Pharao Amenemhet II.
Die alten Gaugrenzen lösten sich im späteren Mittleren Reich auf. Hermopolis gehörte zu einem großen „Bezirk von Neferusi“ genannten Verwaltungsterritorium, das von einer Südgrenze nördlich Assiut bis Tehna el-Gebel nordöstlich von el-Minia reichte.
In den Auseinandersetzungen der Zweiten Zwischenzeit musste der mächtige Fürst von Neferusi (ein Festungsort nördlich von Hermopolis, immer in enger kultischer Verbindung mit Hermopolis), ein Verbündeter der → Hyksos
5. Hermopolis im Neuen Reich
Im ägyptischen → Neuen Reich
Die Götter des umwallten sakralen Areals des Thot inklusive eines Königspalastes waren zum einen die der lokalen hermopolitanischen Triade. Sie bestand aus „Thot, Herr von Chemenu“, seiner weiblichen Gefährtin Nehemetawai („Die den Bedrängten rettet“) und der (falkenköpfigen) Sohnform Hor-nefer („Der schöne Horus“). Dazu kamen Amun (der Pylon eines ramessidischen Amuntempels aus der Zeit des Pharao Merenptah ist erhalten), → Mut
Feste Dammweg-Verbindungen nach Westen mit einem Karawanenweg nach Baharija und an den Nil zum neuen Hafenplatz bei Schech Abade (dem späteren Antinupolis) mit einem (aus der Ramessidenzeit stammenden, noch erhaltenen königlichen Hafentempel förderten die Wirtschaftskraft der Stadt. Hermopolis wurde Ende des Neuen Reiches zum Zentrum des „Bezirkes von Hermopolis“, der in der Ausdehnung bereits weitgehend dem späteren griechischen Nomos des Hermopolites entsprach.
6. Hermopolis nach 1000 v. Chr.
In der Dritten Zwischenzeit (nach 1000 v. Chr.) wurde Hermopolis zum Sitz einer militärisch geprägten libyschen Oberschicht (Schenkungen von Ländereien sind vermerkt auf einer Stele Osorkons III.). Schließlich übernahmen die Stadtherren von Hermopolis sogar die pharaonische Königstitulatur (u.a. ein Pharao Thotemhab). Gegen einen König Namlot von Hermopolis musste sich in langwierigen Belagerungskämpfen der kuschitische (nubische) Herrscher (der 25. Dynastie) → Pije
Unter den Saitenherrscher aus dem Delta (26. Dynastie, nach 650 v. Chr.) kamen verstärkt ausländische Militärs (Griechen; aramäisch sprechende Gruppen) und Kaufleute nach Hermopolis, das zur Garnisonsstadt wurde. Im Süden der hermopolitanischen Nekropole von Tuna el-Gebel wurde damals der erste staatliche ägyptische Bestattungsplatz für Ibisse, Paviane, Falken und andere heilige Tiere und die zugehörigen Sakralanlagen eingerichtet, gruppiert um den Nekropolentempel (Urhügelstätte) als neuem Zentrum eines letztlich auf den Pharao und die Erneuerung der Machtbasis ausgerichteten Kultes. Die Ausländer waren institutionell an den gemeinägyptischen Festen des Thot und des Osiris beteiligt, die zwischen dem Thottempel in der Metropole und der Urgottstätte in der Nekropole abliefen. Bei den Festen in Hermopolis wurden heilige Ibisse und Paviane vorgeführt. Ein einzelner „unsterblicher heiliger Ibis“ garantierte am königlichen Neujahrsfest in Hermopolis die Erneuerung, zu der die Schutzgottformen Ibis und Pavian als Statuen im Tempelhof und der Ibis und Pavian auf den Standarten gehörten. Die Tiergestalten agierten dort als die die Inthronisation von König und Göttern begleitende schützende Standartengötter. Die personell umfangreiche Ibis-Organisation in Hermopolis betreute die Schutzgötter und ihre heiligen Tiere. Ibis und Pavian erscheinen noch auf den lokalen Münzen des Kaisers Hadrian neben dem Bild des Hochgottes Hermes.
Unter den letzten einheimischen Pharaos (30. Dynastie, nach 380 v. Chr.) wird ein in den Grundmauern der Hypostylhalle noch erhaltener Neubau des Tempels des Thot von Hermopolis initiiert, der erst nach Alexander dem Großen im Namen von Philipp Arrhidaios bzw. Ptolemaios I. vollendet wird. Parallel dazu wurden entsprechende Heiligtümer in der Nekropole eingerichtet.
7. Das griechische Hermopolis
Unter Ptolemaios I. ordneten neue Kultregeln für Griechen und Ägypter das Nebeneinander der Volksgruppen. Zu den bekannten ägyptischen Mittelsmännern, die auch als verantwortliche Bauleiter der neuen Sakralbauten in Stadt und Nekropole fungierten, gehörten die durch ihre aufwendigen Grabbauten in der Nekropole von Hermopolis in Tuna el-Gebel bekannten Brüder Djed-Thotefanch und Petosiris. Die griechische Verwaltung der Ptolemäerzeit richtete nahe des Thottempels mehrere Serapistempel im dynastischen Interesse der Ptolemäer ein, eines am Gymnasion für die Elite der Griechen, und ein großes staatliches Serapeum, das man bei der heute teilweise wiedererrichteten Marktbasilika vermutet hat. Dort lag, mindestens seit Ptolemaios III., das politische Zentrum der Stadt. Das kultische Gegenstück war das „Serapeion auf dem Sand“ in der Nekropole von Hermopolis südlich Tuna el-Gebel.
Die römische Verwaltung setzte die Bautätigkeit für den ägyptischen Kult im Phrourion genannten umwallten Thotareal fort; weiter südlich lag ein ägyptischer Tempel aus der Zeit des Kaisers Nero. Insgesamt wurde Hermopolis aber zu einer griechisch und kosmopolitisch geprägten Stadt, mit langen Säulenkolonnaden, Tetrastyla, Sanktuaren des Zeus, Apollon, der Aphrodite, der Tyche, mit Gymnasien, Bädern, Komasteria, Mithasheiligtum, usw. In der Römerzeit lag in Hermopolis ein hospitium der Minenverwaltung der Ostwüste. Mit der Gründung von Antinoopolis und der Einrichtung der Nomarchie des Antinoopolites durch Hadrian (130 n. Chr.) am alten Hafenplatz von Hermopolis veränderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Hermopolis war Teil der größeren Verwaltungsregion der Thebais.
8. Das spätantike christliche Hermopolis
Mitte des 3. Jahrhunderts erscheint der erste christliche Bischof von Hermopolis. Die Bischöfe nahmen von Anfang an aktiv teil an den theologischen Auseinandersetzungen. Sie unterstützten etwa das Schisma des Melitius gegen Alexandria. Kurzzeitig hielt sich auch Bischof Anasthasius von Alexandria in Hermopolis auf. Hermopolis kennt zahlreiche Märtyrer. Die Christianisierung erreicht ihren äußeren Höhepunkt mit der Umwandlung der zentralen Stadtbasilika in eine große dreischiffige christliche Transept-Basilika in der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts. Um 450 wird die Südkirche von Hermopolis mit einer Grablege errichtet. Insgesamt gab es nach den Texten mehr als 7 Kirchen in Hermopolis. Von Bischof Johannes von Schmun (6. / 7. Jh.) stammen zwei Enkomia auf Markus und den heiligen Antonius. Der koptischen Erzählung nach soll sich die Heilige Familie kurzzeitig in Hermopolis aufgehalten haben (Palladius, Historia Lausiaca, LIII).
9. Hermopolis in arabischer Zeit
Nach der arabischen Eroberung Ägyptens verlor Hermopolis allmählich an Bedeutung, abgelöst wurde es vom benachbarten Ort Mallawi. Der koptische Bischof von Hermopolis (offiziell Bischof von Mallawi, Hermopolis und Antinoopolis) residiert heute in Mallawi. Der Bischof von Hermopolis der 1893 wieder eingerichteten Koptisch-Katholischen Kirche sitzt heute in el-Minia. Heute ist el-Aschmunein wieder ein rasch wachsendes Großdorf mit etwa 15 000 Einwohnern.
10. Archäologische Forschungen in Hermopolis
Die archäologische Forschung im ausgedehnten antiken Areal de Stadt wird durch Grundwasser und an den Rändern durch modernen Siedlungsdruck behindert. Das Interesse an der Ruinenstätte setzte mit der französischen Description de l’Egypte
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- The Coptic Encyclopedia, New York u.a. 1991
- The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001
2. Weitere Literatur
- Bailey, D.M. / Grossmann, P., 2001, Report on the excavation in the South Church at Hermopolis-Ashmunayn (winter 1991), Journal of Coptic Studies 3, 45-61
- Bailey, D.M.,2002, The South Church at el-Ashmunein: Inscribed and Decorated Blocks, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 58, 63-84
- Bailey, D.M. / Snape, S., 1988, The Great Portico at Hermopolis Magtna: Present State and Past Prospects (British Museum Occasional Paper 62), London
- Barański, M.K., 1989 / 1992, Polish-Egyptian Archaeological and Preservation Mission at el-Ashmunein. Reports from el-Ashmunein, 2 Bände, Warschau
- Bernand, E., 1999, Inscriptions grecques d’Hermoupolis Magna et de sa nécropole, Institut Français d’Archéologie Orientale, Kairo
- Cooney, J.D., 1965, Amarna Reliefs from Hermopolis in American Collections, Brooklyn Museum, Mainz
- Drew-Bear, M., 1979, Le Nome Hermopolite; Toponymes et sites, Missoula
- Grohman, A., 1939, Contribution to the Topography of Al-Ashmunein from Arabic Papyri, BIE 21, 211-214
- Hanke, R., 1978, Amarna Reliefs aus Hermopolis (Hildesheimer ägyptologische Beiträge 2), Hildesheim
- Roeder, G., 1951, Ein Jahrzehnt deutsche Ausgrabungen in einer ägyptischen Stadtruine (Deutsche Hermopolis-Expedition 1929-1939; Zeitschrift des Museums zu Hildesheim 3), Hildesheim
- Spencer, A.J. u.a., 1983-1998, Excavations at el-Ashmunein, 5 Bde, London
- Timm, S., Das christlich-koptische Ägypten in arabischer Zeit, Teil I, Wiesbaden 1984
- Wace, A.J.B. / Megaw, A.H.S. / Skeat, T.C., 1959, Hermopolis Magna, El-Ashmunien: The Ptolemaic Sanctuary and the Basilica (Alexandria University Faculty of Arts Publication, No. 8), Alexandria
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Hermopolis. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Hermopolis; Hypostylhalle des Thot-Temples, um 1830 abgerissen. Aus: Description de l’Egypte
Band IV; pl. 51
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)