Hethiter im AT
Andere Schreibweise: Hetiter (Lutherbibel, 1984; Zürcher Bibel; Einheitsübersetzung); Hettiter
(erstellt: Oktober 2015)
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Im Alten Testament werden „Hethiter“ (חִתִּים
ḥittîm; auch בְּנֵי חֵת bənê ḥet) als vorisraelitische Bewohner Palästinas, als Kämpfer im Umfeld → Davids
1. Biblische Hethiter-Belege
Die alttestamentlichen Aussagen über Hethiter sind in drei Kategorien einzuteilen: Hethiter werden als Teil der vorisraelitischen Bevölkerung →
Palästinas
1.1. Hethiter als Teil der vorisraelitischen Bevölkerung Palästinas
Die meisten alttestamentlichen Belege für Hethiter finden sich in den Katalogen der Vorbewohner des Landes
Gen 15,19-21
In
Num 13,29
Im Rahmen der →
Völkertafel
Wenn es in
Ez 16,3
In der →
priesterschriftlichen
Dass Jakob nach den priesterschriftlichen Aussagen
Gen 28,1.6.8
1.2. Hethiter im Umfeld Davids
David werden zwei „hethitische“ Gefolgsleute zugeschrieben: →
Ahimelech
1.3. Hethiter außerhalb Palästinas
Einige Stellen erwähnen Hethiter, die außerhalb Palästinas leben. Nach
1Kön 10,28f
Die genannten Aussagen lassen sich von der Vorstellung her verstehen, dass die Hethiter nördlich von Aramäern und Phöniziern leben: Unter dieser Voraussetzung sehen sich die Aramäer in
2Kön 7,6
Nach
Ri 1,22-26
2. Zur historischen Auswertung
Die unter 1.1. besprochenen Belege sind relativ spät zu datieren und damit als unmittelbare Zeugnisse für in Palästina ansässige „Hethiter“ kaum auszuwerten. Sie bezeugen vielmehr die spätere Vorstellung, dass sog. „Hethiter“ zur vorisraelitischen Bevölkerung Palästinas gehörten. Insbesondere die priesterschriftlichen Erzvätertexte zeigen, dass man sich unter den „Hethitern“ keine unbedeutende, sondern eher die wichtigste Bevölkerungsgruppe des vorisraelitischen Palästina vorstellte. Dasselbe gilt wohl auch für die Charakterisierung des Gelobten Landes als „das ganze Land der Hethiter“ in
Jos 1,4
Die unter 1.2. besprochenen Belege könnten auf ältere Traditionen aus der frühen Königszeit zurückgreifen. Dann ließe sich ihnen entnehmen, dass zur Zeit Davids „Hethiter“ in Palästina lebten, die als Elitekrieger galten. Die Figur des Uria dürfte darüber hinaus belegen, dass solche „Hethiter“ zu den vordavidischen Bewohnern Jerusalems, sicher zur dortigen Elite, zählten. Die Vorstellung der unter 1.1. besprochenen Belege, dass „Hethiter“ einen wichtigen Teil der vorisraelitischen Bevölkerung Palästinas bildeten, lässt sich wohl als Reminiszenz an diese hethitische Elite erklären.
Die unter 1.3. besprochenen Belege zeigen, dass man sich in Israel zugleich bewusst war, dass es sich bei den „Hethitern“ um eine Bevölkerung außerhalb Palästinas handelte. Die besprochenen Stellen scheinen vorauszusetzen, dass das Hethiterland im mittleren und nördlichen Syrien sowie angrenzenden Gebieten liegt, also dort, wo sich die sog. „späthethitischen Staaten“ (bzw. „hethitischen Nachfolgestaaten“) befanden, die die Traditionen des um 1200 v. Chr. untergegangenen Hethitischen Reiches fortsetzten (vgl. dazu Hawkins 1982; Collins 2007, 80-90). Möglicherweise sind in den Mitteilungen über den Pferdehandel Salomos mit diesen nordsyrisch-hethitischen Gebieten Erinnerungen an einen Pferdehandel erhalten geblieben, den das Nordreich während seiner letzten Blütezeit unter →
Jerobeam II.
3. Die Hethiter in Palästina und das Hethiterreich
3.1. Zum Problem der Verhältnisbestimmung
In griechischen wie in biblischen Quellen des 1. Jt.s v. Chr. sind keine aussagekräftigen Erinnerungen an das Hethitische Reich erhalten geblieben. Abgesehen von den soeben besprochenen biblischen Zeugnissen für „Hethiter“ beschränken sich mögliche Reminiszenzen in klassischen und biblischen Quellen auf vereinzelte Namen, die mit den Hethitern oder hethitischen Königsnamen in Verbindung gebracht werden.
Was griechische Quellen angeht, so sind die bei Homer nur ein Mal (Odyssee 11,521) erwähnten Keteier (Κήτειοι) als Reminiszenz an die Hethiter interpretiert worden, was möglich, aber keineswegs sicher ist (Rutherford 2011); darüber hinaus könnte sich im Namen des bei Stephanus von Byzanz (6. Jh. n. Chr.) erwähnten karischen Provinzfürsten Motylos (Ϻότυλος) eine Erinnerung an den hethitischen Königsnamen Muwatallis erhalten haben, ohne dass daraus historische Erkenntnisse zu gewinnen wären (Röllig 1992, 194). Im Bereich des Alten Testaments wird im Namen des in
Gen 14,1
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen der biblischen „Hethiter“-Bezeichnung des ersten Jahrtausends v. Chr. und dem Hethiterreich des zweiten Jahrtausends v. Chr. Die Frage ist nicht damit abzuweisen, dass zwei beziehungslos nebeneinander stehende Größen unterstellt werden. Da die biblischen Autoren die Bezeichnung „Hethiter“ sowohl auf Teile einer vorisraelitischen Bevölkerung Palästinas beziehen als auch auf die Bewohner der späthethitischen Staaten, in denen tatsächlich Traditionen des Hethiterreichs fortlebten, ist bis zum Erweis des Gegenteils von einer noch näher zu bestimmenden Beziehung zwischen der biblischen Bezeichnung und dem Hethiterreich auszugehen. Die biblische „Hethiter“-Bezeichnung muss danach als die einzige sichere Reminiszenz an das Hethiterreich in Quellen des 1. Jt.s gelten. Als solche war sie vor der Entzifferung der Keilschrift überhaupt der einzige Hinweis auf die Existenz von Hethitern. Welche Sicht der Hethiter sich für die frühe historische Kritik ergab, die sich allein auf die biblische Grundlage beziehen konnte und von der Existenz des Hethiterreichs und späthethitischer Staaten in Syrien noch nichts ahnte, zeigen die Ausführungen zum Stichwort חֵת
ḥet im „Thesaurus“ der hebräischen Sprache von W. → Gesenius
Grundlegend bestimmt Gesenius 1835, 541 die Hethiter unter Berufung auf
Gen 23,7
Die in der Genesis erwähnte Existenz von Hethitern auf dem westjordanischen Bergland ist Gesenius’ Ausgangspunkt; die Beziehungen der Hethiter zu Gebieten im Norden findet er zwar in biblischen Texten angedeutet, kann sie aber nicht recht einordnen und zu den Aussagen über die Hethiter des Westjordanlandes in Beziehung setzen.
Erst mit der Erschließung von Quellen aus Mesopotamien und Ägypten wurde die Existenz eines im 2. Jt. bestehenden Reiches namens Hatti ( ḫattu) bekannt, dessen Kernland in Anatolien lag und das dann aufgrund der Namensähnlichkeit mit dem aus dem Alten Testament bekannten Volk der Hethiter identifiziert wurde. Seinen Namen hat das Hethiterreich also aus der Bibel (zur Forschungsgeschichte Klengel 1999, 5-10; Collins 2007, 1-20). Nach dieser Identifizierung war es nicht mehr möglich, Gesenius zu folgen und die Hethiter in erster Linie als kanaanäische Volksgruppe des westjordanischen Berglandes zu bestimmen. Stattdessen waren sie nun zunächst mit Kleinasien zu verbinden sowie mit dem nördlichen Syrien, wohin sich das Hethiterreich seit Beginn der Großreichszeit (ab dem 14. Jh. v. Chr.) erstreckte. Damit kehrt sich die Problemlage um: Gesenius konnte vom biblischen Befund ausgehend die nördlichen Verbindungen der Hethiter nicht recht deuten. Nachdem das Hethiterreich wiederentdeckt und klar geworden war, dass sich sein Machtbereich im Süden niemals bis nach Palästina erstreckte, ist die biblische Erwähnung von in Palästina ansässigen „Hethitern“ zum Problem geworden.
Für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen den Reichs-Hethitern und den palästinischen Hethitern der Bibel bieten sich grundsätzlich drei Alternativen an. Erstens könnte eine direkte Beziehung zu den Hethitern des Reiches darin bestehen, dass sich Migranten aus dessen Gebiet in Palästina ansiedelten. Indirekte Beziehungen könnten darin bestehen, dass zweitens die Rede von „Hethitern“ in Palästina durch eine Ausweitung der Landesbezeichnung „Hatti“ / „Hethiterland“ auf ganz Syrien-Palästina angeregt wurde oder dass drittens eine in Palästina ansässige Gruppe, die kulturelle Affinitäten in das Gebiet des Hethiterreiches besaß, als „Hethiter“ bezeichnet wurde. Diese drei Alternativen sind im Folgenden zu besprechen.
3.2. Mögliche Migrationen aus dem Hethiterreich nach Palästina
Vorstellbar sind Migrationsbewegungen, die durch den Untergang des Hethiterreiches um 1200 v. Chr. angeregt waren (vgl. Maisler 1930, 77.81f.; Na’aman 1994, 239-243; auch Collins 2007, 214f.). Demgegenüber suchte E.O. Forrer (1926, 13.21f.; 1937, 104ff.) zu begründen, dass sich hethitische Untertanen noch während der Großreichszeit in Palästina ansiedelten. Er bezieht sich dazu auf die Pestgebete Murschilis II., nach denen Leute aus dem anatolischen Kuruštama in den ägyptischen Machtbereich übergesiedelt waren (Übersetzung der betreffenden Stelle in: Klinger 2013, 118). Da während der Spätbronzezeit auch Palästina zum ägyptischen Machtbereich gehörte, sieht Forrer in dieser Migration aus dem Machtbereich des Hethiterreiches den historischen Hintergrund für die biblisch bezeugte Existenz von „Hethitern“ in Palästina. Forrers Konstruktion muss aber als Spekulation gelten, die aus der Euphorie der Pionierzeit der Hethitologie zu erklären ist (zur Kritik schon Ünal 1980-1983, 373; auch Collins 2007, 213-216). Umfangreichere Migrationen aus dem anatolischen Kerngebiet des Hethiterreiches nach Palästina sind für keine Zeit aus schriftlichen oder archäologischen Quellen zu belegen (zum archäologischen Befund Singer 2006, 754; Collins 2007, 215-218). Damit scheidet die erste Alternative zur Verhältnisbestimmung zwischen biblischen Hethitern und Reichs-Hethitern aus.
3.3. Die Ausweitung des Landesnamens „Hatti“ auf ganz Syrien-Palästina
Indem sich der hethitische Machtbereich seit Suppiluliuma I. (ca. 1350-1324) auf das nördliche Syrien ausweitete (vgl. Klengel 1999, 155-167), wurde auch der Landesname „Hatti“ auf dieses Gebiet ausgedehnt (vgl. zum Folgenden ausführlicher Hawkins 1972-1975). In neuassyrischen Inschriften der Zeit →
Tiglat-pilesers III.
Gegen diese Erklärung der Vorstellung von in Palästina ansässigen Hethitern aus der Ausdehnung des Landesnamens „Hatti“ auf ganz Syrien-Palästina ist jedoch auf die in 1.3. besprochenen Belege zu verweisen. Diese Belege zeigen, dass in Israel nicht vergessen worden war, dass das Hethiterland nur einen begrenzten Bereich Syriens umfasste, der nördlich der Wohngebiete von Aramäern und Phöniziern lag. Die genannten Belege teilen die Vorstellung eines nordsyrischen Hethiterlandes, wie sie auch in den Inschriften Tiglat-pilesers III. zu finden ist.
Unter den alttestamentlichen Belegen könnte allein die Erwähnung des Hethiterlandes in
Jos 1,4
3.4. Die biblischen Hethiter als hurritisch-indoarisch geprägte Kreise
Wenn die ersten beiden Alternativen der Verhältnisbestimmung zwischen biblischen und Reichs-Hethitern entfallen, bleibt die dritte, nach welcher der Realienhintergrund der biblischen Vorstellung von palästinischen „Hethitern“ mit Kreisen zu verbinden ist, die in Palästina ansässig waren und zugleich kulturelle Affinitäten in den Bereich des Hethiterreiches besaßen. Hierzu bieten sich → hurritisch-indoarisch geprägte Kreise an, die seit der Spätbronzezeit in Palästina belegt sind, die aber kulturell mit den führenden Kreisen des → Mitanni-Reiches und einiger syrischer Stadtstaaten verbunden waren. Nachdem das Hethiterreich das Mitanni-Reich in seinen Machtbereich einbezogen hatte, konnten diese Kreise als „Hethiter“ bezeichnet werden (vgl. Lebrun 1998, 162; Gerhards 2009, 172f.). Die Bezeichnung war noch mindestens bis in die frühe Königszeit hinein gebräuchlich, und sie liegt der Vorstellung von „Hethitern“ als vorisraelitischen Bewohnern Palästinas zugrunde, die sich in den Vorbewohnerkatalogen und den priesterschriftlichen Erzvätergeschichten findet.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
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- Donner, H., 4. unveränderte Aufl. 2007, Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen. Teil 1: Von den Anfängen bis zur Staatenbildungszeit (GAT 4 / 1), Göttingen
- Finkelstein, I. / Silberman, N., 2006, David und Salomo. Archäologen entschlüsseln einen Mythos, München
- Forrer, E.O., 1926, Forschungen II / 1, Berlin
- Forrer, E.O., The Hittites in Palestine II, PEQ 69, 100-115
- Fuchs, A., 1993, Die Inschriften Sargons II. aus Khorsabad, Göttingen
- Gerhards, M., 2009, Die biblischen „Hethiter“, WO 39, 145-179
- Gesenius, W., 1835, Thesaurus philologus-criticus linguae Hebraeae et Chaldaeae Veteris Testamenti I / 2 (Tomi primi fasciculus posterior), Editio altera, Leipzig
- Hawkins, J.D., 1972-1975, Art. Ḫatti: the 1st. Millenium B.C., in: RLA 4, Berlin, 152-159
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- Maisler, B. [=B. Mazar], 1930, Untersuchungen zur alten Geschichte und Ethnographie Syriens und Palästinas, Gießen
- Na’aman, N., 1994, The „Conquest of Canaan“ in the Book of Joshua and in History, in: I. Finkelstein / N. Na’aman (Hgg.), From Nomadism to Monarchy, Jerusalem, 218-281
- Röllig, W., 1992, Achäer und Trojaner in hethitischen Quellen?, in: I. Gamer-Wallert (Hg.), Troia. Brücke zwischen Orient und Okzident, Tübingen, 183-200
- Rutherford, I.C., 2011, Art. Kêteioi (Κήτειοι), in: M. Finkelberg (Hg.), The Homer Encyclopedia II, Oxford, 435f.
- Singer, I., 2006, The Hittites and the Bible Revisited, in: A.M. Maeir / P. de Miroschedji (Hgg.), „I Will Speak the Riddles of Ancient Times“ (FS A. Mazar), Bd. II, Winona Lake, 723-756
- Ünal, A., 1980-1983, Art. Kuruštama, in: RLA 6, Berlin, 373-374
- Tadmor, H., 1994, The Inscriptions of Tiglath-Pileser III. King of Assyria, Jerusalem
- Wöhrle, J., 2012, Fremdlinge im eigenen Land. Zur Entstehung und Integration der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte (FRLANT 246), Göttingen
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- Das Hethiterreich (Hatti) im 13. Jh. v. Chr. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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