Himmelskönigin
(erstellt: Dezember 2010)
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1. Bezeichnung
„Himmelskönigin“ (→ Königin
Einen dem Titel „Königin des Himmels“ vergleichbaren Beinamen tragen viele → Göttinnen
Auch Inannas akkadisches Äquivalent → Ischtar
In Ägypten wird der Himmel durch ein feminines Wort bezeichnet und durchgängig durch weibliche Gottheiten personifiziert. Seit dem Alten Reich trägt die Göttin Hathor den Beinamen nb.t p.t „Herrin des Himmels“, der jedoch auch für andere Göttinnen verwendet wird (Olyan 1987, 163).
„Herrin (= b‘lt) des (hohen) Himmels“ ist als Beiname für die jugendliche Kriegsgöttin Anat im ugaritischen Pantheon (KTU 1.108,7 = TUAT II, 823) und auf Stelen für Anat aus → Bet-Schean
Astarte begegnet in phönizischen Personennamen und wird in der Sarkophag-Inschrift des sidonischen Königs Eschmunazar aus dem 5. Jh. v. Chr. „Königin“ genannt (KAI 14, Z. 14-15; → Sidon
Der Titel „Himmelskönigin“ hat sich bis heute im Beinamen regina caeli für Maria erhalten, der der Gottesmutter in einer Enzyklika des Papstes Pius XII. (1876-1958) im Jahre 1954 offiziell beigelegt wurde.
2. Art der Verehrung
Im Rahmen der Tempelrede Jeremias, die verschiedene Kultfrevel auflistet, wird die Verehrung der Himmelskönigin durch Opferkuchen (kawwānîm) erwähnt, an deren Herstellung die ganze Familie beteiligt ist: Die Kinder sammeln Holz, die Väter zünden das Feuer an und die Frauen kneten den Teig (Jer 7,18
In Jer 44
Während die Beschreibung in Jer 7,18
2.1. Räucher- und Trankopfer
Bei → Räucheropfern
Im exilischen Texten des Jeremiabuches wie im → Deuteronomistischen Geschichtswerk
2.2. Opferkuchen
Bei dem nur in Jer 7,18
Keel und Uehlinger (2001, 390 und Abb. 332) verweisen auf einen Tonstempel aus → Ramat Rachel
3. Identifikation
Aufgrund der kawwānîm bzw. kamānu-Kuchen erscheint Ischtar naheliegend. Ihre Symbole Venusstern, Strahlen- oder Sternenkranz und Kriegsbewaffnung (Abb.4) verweisen auf die Bereiche „Himmel“ und „Herrschaft“.
Die Beschreibung der geliebten Frau in Hhld 6,10
Für die westsemitische Astarte spricht, dass ihr Name in phönizischen und punischen Personennamen erhalten ist und sie in Texten gelegentlich als „Königin“ tituliert wird (KAI 14, Z. 14-15; KAI 37 A. Z. 7, s.o. 1; vgl. Olyan 1987, 166f) sowie in hellenistischer Zeit mit Ἀφροδίτη Оὐρανίη („Himmlische Aphrodite“) identifiziert wurde. Allerdings wird die These einer Verschmelzung der westsemitischen Astarte mit der ostsemitischen Ischtar gegen Ende des 2. Jt.s v. Chr. (Ackerman 1992, 34; ähnlich Weinfeld 1992, 150) bestritten (Olyan 1987, 172-174; Keel / Uehlinger 2001, 389). Zudem ist Astarte bisher ikonographisch nicht eindeutig belegt (zu einem singulären Siegelfund vgl. Keel / Uehlinger 2001, Abb. 331a).
Aufgrund der Rituale Räuchern und Libieren (Jer 44,19
Mit Blick auf die nach 2Kön 23,5
4. Aspekte jüdischer und christlicher Rezeption
Das Bild der Himmelkönigin im Sternenkranz wird in der in den 90er-Jahren des 1. Jh.s entstandenen Johannes-Apokalypse aufgenommen. In Apk 12,1
In der christlichen Rezeption von Apk 12,1
In der Enzyklika des Papstes Pius XII. wird Maria zwar deutlich ihrem Sohn untergeordnet und nicht als Göttin bezeichnet. Ihr offizieller Titel Regina caeli aber erinnert an die Vorstellung der antiken Göttinnen. Ikonographisch begegnet die Himmelskönigin wieder in der Barockzeit (1575-1770) in Darstellungen Marias mit dem Sternen- oder Strahlenkranz (Keel / Schroer 2004, 266-273 mit Abb.9).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
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- Winter, U., 1983, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt (OBO 53), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
Abbildungsverzeichnis
- Gebäckform mit „nackter Göttin“ auf dem Bett (Mari, Palast Zimrilims, Raum 77; 18. Jh. v. Chr.). Aus: U. Winter, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt (OBO 53), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1983, Abb. 519; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Pressmodel mit nackter Frau und Brot (Taanach; 10. Jh. v. Chr.). Aus: U. Winter, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt (OBO 53), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1983, Abb. 63; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Teigstempel mit Frauengesicht (Ramat Rachel; 8.-7. Jh. v. Chr.). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg 5. Aufl. 2001, Abb. 332; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Die Kriegsgöttin Ischtar steht mit Pfeil und Bogen bewaffnet auf ihrem Symboltier, dem Löwen, davor ein Beter und kämpfende Steinböcke (neuassyrisches Rollsiegel; 8./7. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Räucherszene vor Ischtar mit Strahlenkranz (neuassyrisches Rollsiegel aus Sichem; 8./7. Jh. v. Chr.). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg 5. Aufl. 2001, Abb. 287; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
. - Maria als Regina caeli mit dem Mond zu ihren Füßen – Apk 12,1 (Kölner Dom; 19. Jh.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2011)
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