Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: April 2011)

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1. Name und Etymologie

Der Name „Hinnomtal“ ist in der alttestamentlichen Literatur allein im Codex Leningradensis (bzw. Petropolitanus), der wichtigsten Handschrift der Hebräischen Bibel, einschließlich unterschiedlicher Setzungen des Bindestriches (Maqqef), in sechs Variationen belegt:

Gê Hinnom

Gê Bæn-Hinnom

Gê-Hinnom

Gê Bæn-Hinnom

Die hebr. Flurbezeichnung wird zumeist als „Tal Hinnoms“, als „Tal des Sohnes Hinnoms“ oder als „Tal der Söhne Hinnoms“ übersetzt und auf ein entsprechendes Besitzverhältnis zurückgeführt. Zwar ist eine Sippe namens „Hinnom“ außerhalb dieser Flurbezeichnung alttestamentlich nicht bezeugt, aber ein phönizisches Siegel des 7. / 6. Jh.s bietet die Form „Hanamai“, die als Gentilitium zu diesem Namen interpretiert werden kann.

2. Lage

Auch die Frage nach der Lage des „Hinnomtales“ ist nicht einfach zu beantworten, denn der Name wurde im Laufe der Zeiten nacheinander auf zwei unterschiedliche Täler bezogen:

Seit spätrömischer Zeit bis in die späte osmanische Zeit wurde das Tal östlich der Stadt am Fuß des Ölberges in jüdischen, christlichen und muslimischen Quellen gleichermaßen stets als „Hinnomtal“ bezeichnet. Erst zu Beginn der historisch-kritischen Forschung im 19. Jh. wurde diese Lokalisierung des alttestamentlichen Namens zunehmend in Frage gestellt, nach hartem Ringen aufgegeben und der Name auf das Tal westlich und südlich der Stadt bezogen.

Der entscheidende Schlüssel zu dieser wissenschaftlichen Neuansetzung des biblischen Namens westlich und südlich der Stadt liegt in den beiden Beschreibungen der Grenze zwischen den beiden Stämmen Benjamin (im Norden) und Juda (im Süden) in Jos 15,8 und Jos 18,16. Diesen beiden Zeugnissen zufolge verlief die Grenze zwischen den beiden Stämmen durch das „Hinnomtal“ westlich und südlich an Jerusalem vorbei zur Rogel-Quelle und durch das Kidrontal nach Südosten ans Tote Meer. Demnach muss sich die Bezeichnung „Hinnomtal“ auf das Tal westlich und südlich der antiken Stadt bezogen haben, weshalb dieses seit dem späten 19. Jh. wieder mit seinem biblischen Namen als „Hinnomtal“ bezeichnet wird (zur Forschungsgeschichte Smith, 170-180, und Chaine, 566-568).

Dieses Trockental nimmt seinen Ausgangspunkt nur wenig westlich des erst spätantiken Mamillateiches (arab. Birkat Māmillā, 773 m ü.M.), senkt sich sodann zunächst nach Osten, wendet sich unmittelbar vor der Stadt nach Süden und verläuft unterhalb des von Sultan Barqūq im Jahre 1398-1399 n. Chr. erneuerten Sultansteiches (arab. Birkat as-Sulṭān, 720 m ü. M.) in einem Bogen um den Südwesthügel der Stadt nach Osten, um nur wenig oberhalb der Rogelquelle (arab. Bī’r Ajjūb, 603 m ü. M.) ins Kidrontal (arab. Wādī n-Nār, 615 m ü. M.) zu münden (zur Topographie Dalman, 199-208; zu archäologischen Befunden in diesem Tal Bieberstein / Bloedhorn II, 37-38.65-66; III, 110-112; Küchler, 753-789).

3. Geschichte

Das Tal lag stets außerhalb des Stadtmauerringes und hatte eine theologisch überaus interessante Geschichte, deren Ausgangspunkt von drei Faktoren (siehe 3.1-3) geprägt war.

3.1. Das Hinnomtal als Nekropole

Der Sonnenaufgang im Osten wurde in allen altorientalischen Kulturen stets als ein tägliches Neuerwachen von Leben wahrgenommen und der Sonnenuntergang im Westen entsprechend als Zeichen des Todes und der Westen als Land der Toten interpretiert. Darum wurden in Ägypten alle Gräber – zumindest wohlhabender Kreise – möglichst westlich des → Nil, am Westrand des Kulturlandes am Übergang zur Wüste angelegt, und möglicherweise war diese Ausrichtung am Sonnenlauf auch ein wichtiger Grund, weshalb im Hinnomtal westlich Jerusalems vermutlich mit der Westerweiterung der Stadt unter König Hiskia (725-697 v. Chr.) eine neue Nekropole angelegt wurde, die im folgenden Jahrhundert zur bedeutendsten Nekropole der Stadt avancieren sollte (Einzelnachweise Bieberstein 2001, 511-513).

Die am weitesten im Oberlauf des Tales gelegenen und möglicherweise ältesten Grabinventare wurden bereits 1927 und 1935 nur 200-300 m unterhalb des Mamillateiches südlich der Mamilla-Straße geborgen, aber erst 1956 von Ruth Amiran publiziert und ins 8.-7. Jh. v. Chr. datiert. 1989-1992 legte Ronny Reich etwa 150 m unterhalb der genannten Gräber im Bereich des heutigen Parkhauses vor dem Jaffator ein Gräberfeld mit über vierzig Felskammergräbern frei, von denen mindestens zehn eisenzeitliche Bestattungen enthielten. Drei weitere Felskammergräber waren schon 1976 bei Grabungen von Magen Broshi am Fuß der osmanischen Stadtmauer etwa 60 m südlich der Zitadelle zutage gekommen. Besser erhalten war eine vierte, noch unberaubte Grabanlage, die 1975 etwa 200 m südlich der genannten von David Davis und Amos Kloner freigelegt wurde, in zwei Kammern Reste von 43 Bestattungen enthielt und aufgrund der Keramikbeigaben ins 7. Jh. datiert werden konnte. Das wohl interessanteste Gräberfeld mit sieben Felskammergräbern lag abermals etwa 400 m weiter südlich am gegenüberliegenden, westlichen Abhang des Tales unterhalb der schottischen St. Andreas-Kirche auf dem Gelände des heutigen Menahem-Begin-Zentrums. Es wurde schon 1936 von Kurt Galling kartiert, aber erst seit 1975 von Gabriel Barkay näher untersucht. Grabbeigaben belegen, dass seine wichtigste Grabanlage vom ausgehenden 7. bis zum frühen 5. Jh. v. Chr. mit Nachbestattungen in hasmonäischer Zeit in Benutzung war. Doch auch im Unterlauf des Tales südlich der Stadt scheint es noch einzelne eisenzeitliche Felskammergräber gegeben zu haben.

3.2. Die Ebene jenseits des Hinnomtales

Auf dem Hintergrund dieser Nutzung des Hinnomtales als Hauptnekropole der Stadt seit König Hiskia lag es nahe, dass die Hochebene westlich des Tales, über der, von Jerusalem aus betrachtet, die Sonne untergeht, und die bereits nach Südwesten, zum Mittelmeer hin, entwässert wird und als Kornkammer Jerusalems diente (Jes 17,5), als ’Emæq Rəfā’îm (hebr.; Lutherübersetzung: Ebene Refaïm; Einheitsübersetzung: Rafaïter-Ebene) bezeichnet wurde (Jos 15,8; Jos 18,16). Dabei bezog sich der Begriff Rəfā’îm „Heilende“ auf keine Ethnie, sondern auf die Geister der Toten, die einerseits als fürsorgebedürftig, zugleich aber auch als kundig und heilend galten und in nekromantischen Praktiken um Rat und Hilfe angerufen wurden (vgl. 1Sam 28; Bieberstein 2001, 513-514; → Totenkult).

3.3. Das Hinnomtal als Ort des Molochkultes

Auf dem Hintergrund dieser doppelten chthonischen Konnotierung des Tales und der Hochebene westlich desselben ist schließlich auch der → Molochkult zu sehen, der nach literarischen Zeugnissen im Hinnomtal an einer als Tofæt (hebr.; Lutherübersetzung und Einheitsübersetzung: Tofet) bezeichneten Stätte vollzogen wurde, an der man „Kinder durchs Feuer gehen ließ“ (2Kön 23,10; Jer 32,35; passim).

Die Interpretation dieses nur literarisch bezeugten Kultes war lange Zeit sehr umstritten. Antike und spätantike Autoren berichten von Kinderopfern in Karthago und anderen punischen Koloniegebieten. Daher wurden seit 1921 Brandurnenfelder mit kalzinierten Gebeinen von Kleinkindern, vermischt mit Gebeinen von Ziegen, Schafen und Vögeln, die in Karthago und anderen punischen Gebieten in Nordafrika, Sizilien und Sardinien entdeckt wurden (8.-2. Jh. v. Chr.), als Hinweise auf Kinderopfer interpretiert. Die dort über den Urnen errichteten Stelen weisen in ihren punischen Inschriften häufig den Terminus mlk auf. Dieser kann, der Syntax der Inschriften zufolge, keine Gottheit, sondern nur eine Opferart (wahrscheinlich „Darbringung“) bezeichnen. Daher führte Otto Eißfeldt den im Hinnomtal vollzogenen Kult auf phönizischen Einfluss zurück und interpretierte ihn als Kinderopfer für Jhwh (Eißfeldt).

Diese These wurde zunächst stark rezipiert, kann aber nicht überzeugen. Erstens sind vergleichbare Brandurnenfelder östlich von Malta unbekannt; zweitens fehlen östlich von Malta entsprechende Stelen; und drittens setzt die Formulierung von Lev 20,5 „hinter Moloch herhuren“ voraus, dass „Moloch“ keine Opferart, sondern eine Gottheit war, die nicht mit Jhwh gleichgesetzt werden kann.

Diese Gottheit aber ist in eblaitischen, akkadischen und ugaritischen Texten gut bezeugt. Diese erwähnen wiederholt einen Gott namens Mālik(u) oder Milku (Heider; Day). Dieser wird in akkadischen Götterlisten mit dem babylonischen Unterweltsgott Nergal gleichgesetzt und residierte nach ugaritischen Zeugnissen in der Stadt Aschtarot im nördlichen Ostjordanland (KTU 1.100), die im Alten Testament als Residenz eines sagenhaften Königs namens → Og galt (Dtn 1,4; Jos 9,10; Jos 12,4; Jos 13,12.31), einer ehemaligen Unterweltsgottheit, die im Alten Testament auch als „Relikt der Rəfā’îm“ bezeichnet wird (Dtn 3,11; Jos 12,4; Jos 13,12; die Lutherübersetzung gibt Rəfā’îm an diesen Stellen unpassend mit „Riesen“ wieder).

Demnach war der im Hinnomtal verehrte Moloch (hebr. Molækh; griech. Moloch) eine lokale Spielart des syrischen Unterweltsgottes Mālik(u), und im Bereich der Nekropole des Hinnomtales wurde ein Kult für diesen Unterweltsgott vollzogen (Jes 57,9), der mit Nekromantie assoziiert war (Lev 20,2-6; Dtn 18,10-11; 2Kön 17,17; 2Kön 21,6; 2Chr 33,6). Ob ihm tatsächlich Kinder geopfert wurden (Dtn 12,31; 2Kön 17,31 passim) oder entsprechende Äußerungen nur auf einer polemischen Verzeichnung seines Kultes beruhen, muss offen bleiben (Bieberstein 2001, 514-518).

So war das Tal westlich der Stadt mindestens seit dem späten 8. Jh. v. Chr. in dreifacher Hinsicht massiv mit chthonischen Vorstellungen konnotiert und mit entsprechenden kultischen Praktiken verbunden.

3.4. Vom Ort des Molochkultes zum Ort des Jüngsten Gerichts

Solange Juda – trotz erster Forderungen nach Monolatrie (→ Monotheismus), die schon bei → Hosea (Hos 4,11-14; Hos 5,3-4; Hos 9,1-2) und im → Bundesbuch (Ex 20,23; Ex 22,19; Ex 23,13) greifbar werden – noch weitgehend polytheistisch war, wurde an Kultakten für Moloch sowie an nekromantischen Praktiken, in denen die Geister der Toten als „Gott“ (’älohîm) angerufen wurden, kaum Anstoß genommen (1Sam 28,13 und Jes 8,19-22 bezeugen diese Bezeichnung der Toten, stammen allerdings erst aus einer späteren Zeit, als deren Anrufung inakzeptabel geworden war; vgl. Adam).

Dass diese Kultpraktiken im Horizont einer zunehmenden Forderung nach Monolatrie in Misskredit fielen, liegt auf der Hand. So polemisiert Jer 2,23 gegen das „Treiben im Tal“, und 2Kön 23,10 erwähnt im Zusammenhang mit den Kultreformen des Königs → Josia im Jahre 622 v. Chr. die Profanierung der Kultstätte des Moloch im Hinnomtal. Doch lässt eine noch länger anhaltende Polemik gegen die Verehrung des Moloch (Ez 16,20-21; Ez 20,31; Ez 23,37-39) vermuten, dass Josias Reformmaßnahmen nicht das sofortige Ende des Kultes bedeutet haben.

Schließlich wurde, nachdem König → Nebukadnezzar II. 597 v. Chr. einen Teil der Oberschicht nach Babylon verschleppen und 587 v. Chr. Tempel und Stadt nach einer abermaligen Deportation gehobener Kreise hatte zerstören lassen, die Katastrophe als Strafe interpretiert und (unter anderem) auf das Treiben im Hinnomtal zurückgeführt (Jer 7,31-32; Jer 19,5-6; Jer 32,35). Dadurch wurde das Hinnomtal zur Erinnerungslandschaft jener Vergehen, die Jerusalem 587 v. Chr. in den Untergang geführt hatten.

Dabei erinnern Jer 7,32 und Jer 19,6.10 nicht nur an Vergehen der Vergangenheit, sondern vollziehen in ihren (erst post festum formulierten) Ansagen einer künftigen Umbenennung des Tales vom „Hinnomtal“ zum „Tal des Schlachtens“ und einer künftigen Verwendung des Tofet als Gräberfeld den weichenstellenden Schritt von einer Konnotierung des Tales vom Ort vergangener Vergehen zum Ort kommender Strafen (→ Tal Joschafat).

Schließlich wird das Tal südlich der Stadt im 3. Jh. v. Chr. im apokryphen → Henochbuch, äthHen 27,2-4, als „Gerichtsort für die in Ewigkeit Verfluchten“ bezeichnet (zur Topographie Wacker, 234-257; Übersetzung Uhlig, 562-564; Text Pseudepigraphen):

„Diese verfluchte Schlucht ist (bestimmt) für die bis in Ewigkeit Verfluchten; hier werden alle die versammelt werden, die in ihrem Munde ungehörige Worte führen und die über seine Herrlichkeit Schlimmes hören lassen – hier wird man sie versammeln, und hier (wird) ihr Gerichtsort (sein). In den letzten Tagen wird sich an ihnen das Schauspiel eines Gerichtes in Gerechtigkeit vor den Gerechten vollziehen für alle ewigen Tage; da werden die, die Erbarmen übten, den Herrn der Herrlichkeit, den König der Welt, preisen. Und in den Tagen des Gerichtes über sie werden sie ihn preisen wegen der Barmherzigkeit, die er ihnen erwiesen hat.“

Und in äthHen 90,26 wird im 2. Jh. v. Chr. die Schlucht südlich der Stadt als Ort der endzeitlichen Entsorgung der „verblendeten Schafe“ interpretiert (Übersetzung Uhlig, 702):

„Und ich schaute in jener Zeit, wie sich eine gleiche Tiefe öffnete mitten auf der Erde, die voll von Feuer (war), und man brachte jene verblendeten Schafe, und sie wurden alle gerichtet und als Sünder (befunden), und sie wurden in jene Feuertiefe geworfen, und sie brannten; und diese Tiefe war zur Rechten (d.h. südlich) jenes Hauses (d.h. des Tempels).“

Die genannten Belege vom späten 7. bis zum 2. Jh. v. Chr. bilden eine Kette autorintendierter intertextueller Bezüge, in der der Ort der Vergehen des Molochkultes Schritt für Schritt zu jenem Ort der Strafe im Jüngsten Gericht mutierte, den wir als „Hölle“ bezeichnen (Bieberstein 2001, 518-525).

Nach diesem letzten Zeugnis für die Lokalisierung des Ortes der endzeitlichen Strafe im Jüngsten Gericht im Tal südlich der Stadt zeichnet sich eine doppelte Wandlung ab.

Erstens wird das Tal westlich und südlich der Stadt nicht mehr namentlich genannt; es verliert seinen Namen. Flavius Josephus (Bell V 108. 507) erwähnt es in seiner ausführlichen Beschreibung der Stadt vor ihrer Zerstörung durch Titus im Jahre 70 n. Chr. nur noch der Sache nach, und wir können nicht mehr erheben, wie es von hasmonäischer Zeit an hieß.

Zweitens wird der alte hebräische Name des Tales, Gê Hinnom, vom Tal gelöst, zu Gehinnam aramaisiert, zu Geenna gräzisiert und in der neutestamentlichen Literatur zur wichtigsten Bezeichnung für die Hölle als Ort der Strafen nach dem Jüngsten Gericht, der auf Erden nicht mehr lokalisiert werden kann: Während der Hades die Geister der Toten bis zum Jüngsten Gericht aufnimmt (Lk 16,23; Apg 2,27.31; Apk 20,13), gilt die Geenna als Ort der Strafen nach dem Jüngsten Gericht (Mt 5,22.29-30; Mt 10,28; Mt 18,9; Mt 23,15.33; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; Jak 3,6).

3.5. Die Neulokalisierung des Hinnomtales zwischen Tempelberg und Ölberg

Aber das zur Hölle mutierte „Hinnomtal“ (aram. Gehinnam; griech. Geenna) blieb nicht lange unfixiert, sondern wurde schon in spätrömischer Zeit wieder in einem konkreten Tal in der unmittelbaren Umgebung Jerusalems lokalisiert, nun aber nicht mehr westlich und südlich der Stadt, sondern im bislang als „Kidrontal“ bezeichneten Tal östlich der Stadt am Fuß des Ölbergs (Bieberstein 2001, 530-533; ders. 2007, 14-20.)

Das früheste jüdische Zeugnis für diese Neuansetzung bildet ein Logion (Babylonischer Talmud, Traktat Sukka 32b; Traktat Eruvin 19a; Text Talmud 2), dessen Herkunft von Jochanan ben Zakkai (spätes 1. Jh. n. Chr.) oder Jehoschua ben Levi (frühes 3. Jh. n. Chr.) schon im Talmud umstritten ist. Es setzt die Pforte der Hölle zwischen zwei Dattelpalmen im „Hinnomtal“ an, und ein jüdischer Pilgerführer (Mitte 10. Jh. n. Chr.) aus der Geniza von Kairo lokalisiert sie eindeutig im Bereich von Gethsemane am Fuß des Ölberges (Alobaidi / Goldman / Küchler, 43.49)

Eines der frühesten christlichen Zeugnisse bietet → Eusebius von Caesarea. Er notiert im frühen 4. Jh. n. Chr. in seinem Onomastikon der biblischen Ortsnamen zum Lemma „Hinnomtal“, es sei die Geenna, heiße (nach Jo 4,2) heute „Tal Joschafat“ (Klostermann, 170:8-10), und lokalisiert das genannte „Tal Joschafat“ zwischen der Stadt und dem Ölberg (Klostermann, 118:18-19; Eusebs Onomastikon).

Schließlich übernahmen auch frühislamische Autoren die Tradition und setzten die im Koran als Ǧahannam bezeichnete Hölle (Suren 7,41; 14,50; 35,36; 43,74; 69,31; Text Koran) mit dem Tal am Fuß des Ölberges gleich. Ihnen zufolge werden am Jüngsten Tag alle Toten auferweckt und auf einer Ebene am nördlichen Ölberg versammelt. Dann wird sich vom Ölberg aus eine als Ṣīrāṭ bezeichnete Brücke zum Tempelberg erstrecken, und über diese werden die frommen Toten das am Tempelberg gedachte Paradies erreichen, die Frevler aber von der Brücke in das als „Tal der Hölle“ (arab. Wādī Ǧahannam) oder als „Tal des Feuers“ (arab. Wādī n-Nār) bezeichnete Tal am Fuß des Ölberges stürzen und ihre verdienten Strafen empfangen.

Diese Traditionen sind in jüdischen, christlichen und muslimischen Quellen in ihren Ausläufern noch bis in osmanische Zeit bezeugt und erloschen erst, als der Name „Hinnomtal“, seinen frühesten biblischen Belegen entsprechend, im Zuge der beginnenden historisch-kritischen Forschung im 19. Jh. wieder auf das Tal westlich der Stadt rückübertragen wurde.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979 (γέεννα)
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979 (Hinnom)
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff (Topæ)
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001 (Ge-Ben-Hinnom; Hinnom-Tal)
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Gehenna)
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001 (Hinnomtal)

2. Zitierte außerbiblische Quellen

  • Alobaidi, S.-J. / Goldman, Y. / Küchler, M., 1987, Le plus ancien guide juif de Jérusalem / Der älteste jüdische Jerusalem-Führer, in: M. Küchler / Ch. Uehlinger (Hgg.), Jerusalem. Texte – Bilder – Steine (FS H. und O. Keel-Leu; NTOA 6), Freiburg Schweiz / Göttingen
  • Klostermann, E., 1904, Eusebius Werke, III 1 Onomastikon (GCS 11,1), Berlin
  • Uhlig, S., 1984, Das Äthiopische Henochbuch (JSHRZ V 6), Gütersloh

3. Weitere Literatur

  • Adam, K.-P., 2004, „Wendet sich nicht ein Volk an seine Götter, zugunsten der Lebenden an die Toten?“ (Jes 8,19). Unterwelt und Totenbefragung im Jesajabuch und in 1 Samuel 28, in: F. Hartenstein / J. Krispenz / A. Schart (Hgg.), Schriftprophetie (FS J. Jeremias), Neukirchen-Vluyn, 103-120
  • Bieberstein, K. / Bloedhorn, H., 1994, Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft, 3 Bde. (TAVO Beiheft B 100,1-3), Wiesbaden
  • Bieberstein, K., 2001, Die Pforte der Gehenna. Die Entstehung der eschatologischen Erinnerungslandschaft Jerusalems, in: B. Janowski / B. Ego (Hgg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte (FAT 32), Tübingen, 503-539
  • Bieberstein, K., 2007, „Zum Raum wird hier die Zeit“. Drei Erinnerungslandschaften Jerusalems, JBTh 22, 3-39
  • Chaine, J., 1938, Art. Géhenne, in: Dictionnaire de la bible. Supplément III, Paris, 563-579
  • Dalman, G., 1930, Jerusalem und sein Gelände (Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 4; Beiträge zur Förderung christlicher Theologie, 2. Reihe, 19. Band), Gütersloh
  • Day, J., 1989, Molech. A god of human sacrifice in the Old Testament (University of Cambridge Oriental Publications 41), Cambridge
  • Eißfeldt, O., 1935, Molk als Opferbegriff im Punischen und Hebräischen und das Ende des Gottes Moloch (BRGA 3), Halle
  • Heider, G.C., 1985, The Cult of Molek. A Reassessment (JSOT.S 43), Sheffield
  • Küchler, M., 2007, Orte und Landschaften der Bibel, IV.2 Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, Göttingen
  • Smith, G.A., 1907-1908, Jerusalem. The Topography, Economics and History from the Earliest Times to A.D. 70, 2 Bände, London
  • Wacker, M.-Th., 1982, Weltordnung und Gericht. Studien zu 1 Henoch 22 (FzB 45), Würzburg

Abbildungsverzeichnis

  • Das Hinnomtal westlich und südlich der Stadt in spätvorexilischer Zeit (spätes 8. – frühes 6. Jh. v. Chr.). © Klaus Bieberstein
  • Das Tal westlich der Stadt um 1890-1900, Blick nach Norden.
  • Das Tal westlich der Stadt 2008, Blick nach Norden. © Klaus Bieberstein
  • Das Hinnomtal östlich der Stadt in byzantinisch-frühislamischer Zeit (4.-10. Jh. n. Chr.). © Klaus Bieberstein

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