Horon
Andere Schreibweise: Hauron
(erstellt: Dezember 2021)
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1. Die Gottheit
1.1. Etymologie
Die Herkunft des Namens ist nicht gesichert; vorgeschlagen wurde die Bedeutung „Grund“ oder „Tiefe“, was als Hinweis auf eine chthonische Gottheit interpretiert werden kann. Sein Wohnort, der nach KTU (= Keilschrifttexte aus Ugarit; → Ugarit
Da im Umfeld des Gottes immer wieder → Schlangen
1.2. Ugarit
Der Gott wird in KTU 1.100 und 1.107 erwähnt, wobei sich die Texte in verschiedener Hinsicht ähneln: Beide gehören, auch wenn ihre genaue Einordnung (magisch-rituell, mythisch oder eine Mischform) umstritten ist, in den Kontext von Beschwörungen; ferner spielen Horon und die Sonnengöttin Šapšu (→ Sonne
KTU 1.100 lässt sich in drei Abschnitte einteilen: Die Mutter von männlichem und weiblichem Zuchttier (um . pḥl . pḥlt) fordert ihre Mutter (Šapšu) auf, den Gottheiten des Pantheons die Bitte um Schutz vor Schlangenbissen durch die Ermächtigung zur Beschwörung zu übermitteln (Zeile 1-60). Elf Mal geschieht dies erfolglos, einzig Horon, Adressat der zwölften Bitte, vermag zu helfen (Zeile 61-69): Er begibt sich zum Wohnsitz von Šapšus Tochter nach aršḫ, um auf rituellem Weg die Gefahr abzuwenden. Der letzte Abschnitt umfasst eine „Türszene“ (Dietrich / Loretz, 2002, 345), in welcher die Tochter Šapšus Schlangen und Schlangenjunge (nḥšm, bn bṯn) als Gabe verlangt, was Horon ihr zugesteht (Zeile 70-76). Schlangen gehören damit in seinen Verfügungsbereich, so dass er sie als eine Art Brautpreis verschenkt und damit seiner Braut Anteil an der Macht über Schlangen gibt. Zugleich werden so sowohl die Tiere als auch der Gott selbst mit Aspekten von Ehe und → Fruchtbarkeit
Ausgangspunkt in KTU 1.107 scheint ein Schlangenbiss zu sein, dessen Gift Šapšu mit Hilfe anderer Gottheiten, die wie in einer Litanei paarweise genannt werden, einsammeln soll. In Zeile 38 bilden Ilu und Horon ein Paar, was die besondere Bedeutung des Gottes unterstreicht.
Im Jahr 2014 haben M.C.A. Korpel und J.C. de Moor eine Neuinterpretation von KTU 1.107 vorgelegt, in der sie den Text als eine Art Paradieserzählung (→ Paradies / Paradieserzählung
KTU 1.100 und KTU 1.107 werfen die Frage auf, ob Horon ursprünglich zum ugaritischen Pantheon gehörte oder erst später in dieses eingefügt wurde; womöglich sollten die beiden Texte seine Bedeutung für die Götterwelt herausstellen.
Auch andere Beschwörungstexte kennen Horon, wobei er bzw. seine Geschöpfe (bnt) und sein/e Diener (ʻbd) mit der Totenwelt sowie mit Aufruhr, Krankheit und Gefahr assoziiert werden (KTU 1.82). Ob mit den Geschöpfen Schlangen gemeint sind, ist nicht zwingend, aber durchaus möglich. KTU 1.124 beschreibt eine nekromantische Handlung, in deren Verlauf der Kultexperte aufgefordert wird, für die Heilung eines Jungen im Tempel von Horon und → Baal
Neben Beschwörungen findet Horon auch im Baal-Zyklus und im Epos über König Keret Erwähnung. In beiden Fällen ist die Gottheit im Rahmen eines Fluches erwähnt: So will → Jammu
1.3. Ägypten
Wie andere syrische Gottheiten (z.B. Baal oder → Reschef
2. Ortsname
Der Gott selbst ist biblisch nicht belegt, allerdings der vermutlich nach ihm benannte Ort Bet-Horon (Koordinaten: N 31° 52' 48'', E 35° 07' 27''
Der Ort findet sich auch außerbiblisch in den → Amarnabriefen
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden u.a. 1999
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2. Weitere Literatur
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- Tazawa, K., 2009, Syro-Palestinian Deities in New Kingdom Egypt. The Hermeneutics of Their Existence, BAR IntSer. 1965, Oxford
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