Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Huldah (engl.)

(erstellt: Juni 2008)

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1. Der Name

Der Name Hulda, hebräisch חֻלְדָּה chuldāh, wird meist von חלד cholæd abgeleitet. Damit ist nach Lev 11,29 ein unreines Kleintier gemeint, vermutlich eine Maulwurfart (vgl. חלד ch-l-d „graben“; → Maulwurf). Eine Alternative bietet die Ableitung von חֶלֶד chælæd „Lebensdauer“.

2. Die Prophetin

Eine Frau mit Namen Hulda wird nur in 2Kön 22,14-20 und 2Chr 34,22-28 erwähnt. An beiden Stellen trägt sie den Titel „Prophetin“ (נַבִיאָה nabî’āh), wie ansonsten → Mirjam (Ex 15,20), → Debora (Ri 4,4), die Frau des → Jesaja (Jes 8,3) und → Noadja (Neh 6,14). Die Angaben zu ihrer Person sind minimal: Sie ist die Frau des → Schallum, des Kleiderverwalters des Königs, und wohnt im zweiten Stadtteil, der Neustadt Jerusalems. Eine zentrale Rolle spielt sie in der Erzählung von der Auffindung einer Schriftrolle im Rahmen der Restaurierung des Tempels unter König → Josia und den Konsequenzen, die sich aus dieser Schrift ergeben.

2.1. Die Biblische Überlieferung

2.1.1. 2Kön 22

Die sieben Verse der Hulda-Erzählung (2Kön 22,14-20) gehören zur Darstellung der Regierungszeit des Königs Josia (2Kön 22,1-23,30). Er herrschte in Jerusalem 641-609 v. Chr. und gab in seinem 18. Regierungsjahr den Auftrag zur Renovierung des Tempels (624 v. Chr.). Im Rahmen dieser Arbeiten wird ein Buch bzw. eine Schriftrolle gefunden, die der Hohepriester → Hilkija an den Schreiber → Schafan weitergibt. Dieser bringt sie dem König und liest ihm den Inhalt vor. Die Reaktion des Königs ist erstaunlich: Er zerreißt seine Kleider. Dann beauftragt er den Hohenpriester Hilkija, den Schreiber Schafan und drei weitere Männer, JHWH wegen der Worte des Buches zu befragen. Er befürchtet nämlich Gottes Zorn, weil die Worte des Gesetzes in dem Buch seit langem nicht beachtet worden sind. Damit begründet er indirekt, warum er seine Kleider als Trauer- bzw. Bußritus zerrissen hat.

Die ernannte Delegation wendet sich an die Prophetin Hulda, wohl ohne ihr die Schriftrolle vorzulegen. Auch dem Leser wird nichts über den Inhalt der Schriftrolle mitgeteilt. In prophetischer Sprachtradition, ausgewiesen durch die dreimalige → Botenformel, verkündet Hulda in einem zweiteiligen Orakel den Zorn JWHWs über die Stadt und ein friedliches Begräbnis für Josia, weil er sich vor JHWH demütig verhalten habe. Ihre Antwort wird dem König überbracht, der daraufhin den Ältestenrat, die Priesterschaft, die Propheten und die Bewohner Jerusalems zusammenruft und ihnen das gefundene Werk vorlesen lässt. Die weiterreichende Konsequenz ist eine Kultreform, mit der König Josia auf die Durchsetzung des Ersten Gebots vor allem im kultischen Bereich zielt.

2.1.2. 2Chr 34

Die Parallele in 2Chr 34,22-28 zeigt gegenüber der Erzählung in 2Kön 22,14-20 nur kleinere Veränderungen, vor allem wird das gefundene Buch als „das Buch des Gesetzes JHWHs, das durch Mose verkündet worden war“ bezeichnet (2Chr 34,14). Nach Ansicht der → Chronik ist dieses Buch also die → Tora. Ferner ist die Hulda-Geschichte innerhalb der Erzählung von der Kultreform anders platziert. Nach der Darstellung von 2Kön 22-23 führt Josia die Reform erst nach der Auffindung des Buches, dem Orakel Huldas sowie der öffentlichen Verlesung des Buchs durch (2Kön 22,3-23,3 Bucherzählung; 2Kön 23,4ff Reformbericht), nach der Darstellung von 2Chr 34 dagegen schon vor diesen Ereignissen (2Chr 34,3-7 Reformbericht; 2Chr 34,8ff Bucherzählung). Die Reform erscheint hier also nicht als Folge der Worte Huldas, sondern diese bilden quasi das Zentrum der Erzählungen um Josia (Fischer, 177).

2.2. Die Frage der Historizität

In der Tradition wurde diskutiert, warum sich die Delegation des Königs für die Autorisierung des gefundenen Buches an eine Frau wendet und nicht an den nach der biblischen Chronologie zur selben Zeit wirkenden Propheten Jeremia. Im Talmud findet sich die Antwort, dass man von ihr eine mildere Antwort erwartete (Babylonischer Talmud, Traktat Megilla 14b; Text Talmud). Die Erzählung hält die Befragung einer Prophetin jedoch für so selbstverständlich, dass sich die Frage nach einer Begründung nicht stellt.

In der Forschung wird die historische Einordnung der Erzählung diskutiert, wobei die Debatte um die Historizität der Kultreform Josias den weiteren Kontext bildet. Die Prophetin kündigt Josia nicht an, dass er in Frieden sterben, sondern nur dass er in Frieden begraben werde (2Kön 22,20). Diese sachlich sehr eingeschränkte Verheißung setzt den gewaltsamen Tod Josias schon voraus, der 609 v. Chr. von Pharao → Necho bei Megiddo getötet und dann in Jerusalem begraben worden war (2Kön 23,29f). Angesichts der Ankündigung des Untergangs Jerusalems sind die Huldaworte jedoch noch später, nämlich frühestens in die Exilszeit zu datieren. Dieser Ansetzung entspricht die deuteronomistische Sprache der Huldaworte (→ Deuteronomismus).

2.3. Die literarische Funktion

Die eigentlich interessanten Gesichtspunkte in der Hulda-Erzählung gehen über das rein Historische hinaus. Es stellt sich nämlich die Frage nach dem theologischen Konzept, das hinter der Hulda-Figur stehen könnte.

2.3.1. Königtum – Prophetie

In der kurzen Schilderung der Geschehnisse treffen die drei zentralen Ämter der Königszeit zusammen: König, Hoherpriester und Prophet(in). Das Verhältnis der Vertreter dieser Ämter ist von gutem Einvernehmen und Achtung geprägt. So wird Josia als ein König dargestellt, der zwar weisungsbefugt ist, sich aber trotzdem beraten lässt, der in Priesterschaft und Beamtenschaft die Spitzen seines Staates in Entscheidungen einbezieht und auch weiß, dass Königtum und Prophetie aufeinander hingeordnet sind. Die Befragung JHWHs geschieht mit größter Selbstverständlichkeit durch eine Prophetin, ohne Zweifel werden ihr Orakel und ihre Autorisierung des gefundenen Schrifttextes akzeptiert. So liegt hier eine Beispielerzählung vor, wie Königtum und Prophetie zum Wohl des Landes zusammen wirken sollen und der König dem im Ämtergesetz in Dtn 17,14-20 gezeichneten Idealbild eines Königs entspricht.

2.3.2. In der Nachfolge des Mose

Umstritten ist in der Literatur, welcher Schrifttext während der Tempelrenovierung gefunden wurde. Seit → de Wette wird er mit dem → Deuteronomium bzw. einer seiner Vorstufen identifiziert; so setzt ihn z.B. Moenikes mit dem so genannten „Ur-Deuteronomium“ gleich.

Die Chronikerzählung qualifiziert das gefundene Buch als eine Schrift, die sich auf Mose als Geber des Gesetzes zurückführen lässt. So wird Hulda durch die Schrift und ihr prophetisches Handeln mit Mose verknüpft: Der aufgefundene Teil des Gesetzes legitimiert sie als Prophetin, und umgekehrt legitimiert sie das Buch, indem sie wie Mose bezeugt, dass die Worte eintreffen werden, weil sie Worte JHWHs sind (Fischer, 181).

Interessant ist es auch, eine Verbindung zum Prophetengesetz (Dtn 18,9-22) zu ziehen. Wie dort befohlen, soll man sich in einer Notlage an den Propheten wenden, den Gott aus der Mitte des Volkes erstehen lassen wird. Genau dieses Gesetz erfüllt Josia, indem er JHWH durch Hulda befragt. Sie wird damit wie Mose zum Mittler zwischen JHWH und Volk, zur Prophetin, die durch die Bestätigung des Schrifttextes in seiner Tradition steht und das Gesetz des Mose aufnimmt und aktualisiert. So ist sie, ohne dass viel über ihre historische Person bekannt ist, ein deutliches Zeichen dafür, dass Frauen das prophetische Amt inne hatten und es in der Tradition des Mose vollzogen.

2.4. Grabtraditionen

Nach rabbinischer Tradition hatte Hulda ein Grab innerhalb der Stadtmauern, das mit den Königsgräbern dort bleiben durfte. Eine seit dem 14. Jh. bekannte Tradition hält eine Höhle auf dem Ölberg in der Nähe der Himmelfahrtsmoschee für das Grab der Prophetin (Küchler, 875).

3. Die Huldatore in Jerusalem

Bis heute trägt ein zweiteiliges, im von außen sichtbaren Teil zugemauertes Tor in der herodianischen Südmauer der Tempelumfassung den Namen Huldator. Er wird zuweilen auf das 80 m weiter östlich gelegene ganz zugemauerte Dreiertor ausgeweitet. Im Gefolge jüdischer Tradition wird der Name mit der Prophetin Hulda in Verbindung gebracht.

Hulda 3

Nach Küchler ist der Name der erst 600 Jahre nach der Prophetin erbauten Tore jedoch im Sinne von „Maulwurftore“ zu verstehen und damit zu erklären, dass die Toren Eingänge von 80 m langen Gängen bildeten, die unterirdisch durch die herodianische Süderweiterung der Tempelanlage zum Tempelplatz führten (Küchler, 307).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Fischer, I., 2002, Gotteskünderinnen. Zur geschlechterfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der Hebräischen Bibel, Stuttgart
  • Küchler, M., 2007, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt (Orte und Landschaften der Bibel 4,2), Göttingen
  • Moenikes, A., 2004, Tora ohne Mose. Zur Vorgeschichte der Mose-Tora (BBB 149), Berlin / Wien
  • Rüterswörden, U., 1995, Die Prophetin Hulda, in: M. Weippert (Hg.), Meilenstein (FS H. Donner; ÄAT 30), Wiesbaden, 234-242
  • Spieckermann, H., 1982, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit (FRLANT 129), Göttingen
  • Wacker, M.-T., 1988, 2 Könige 22,8.9a.10b.11-20: Hulda - eine Prophetin vor dem Ende, in: E. Schmidt (Hg.), Feministisch gelesen. Bd. 1. 32 ausgewählte Bibeltexte für Gruppen, Gemeinden und Gottesdienste, Stuttgart, 91-99
  • Weems, R.J., 2003, Huldah, the Prophet: Reading a (Deuteronomistic) Woman’s Identity, in: B.A. Strawn (Hg.), A God so near (FS P.D. Miller), Winona Lake, Ind., 321-339

Abbildungsverzeichnis

  • Die Prophetin Hulda (2Kön 22,11ff; Israelische Briefmarke; 1984).
  • Die herodianische Mauer des Tempelbezirks und die El-Aksa-Moschee. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Die zugemauerten Huldatore: das zweiteilige westliche und das dreiteilige östliche. © public domain (Foto: Thomas Hieke, 2010)

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