Hunger / Hungersnot (AT)
(erstellt: März 2010)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/21634/
1. Terminologie
Hunger (hebr. רָעָב rā‘āv) ist im eigentlichen Sinne ein grundsätzlicher Mangel an und ein Bedürfnis nach Nahrung, wird aber im übertragenen Sinne auch als religiöse Sehnsucht verstanden (Spr 9,4ff
Hebräisch werden Hunger und Hungersnot unter den gleichen Oberbegriff gefasst (רעב r‘b), der 134-mal belegt ist (101-mal nominal, 13-mal verbal, 20-mal adjektivisch). Weitaus seltener sind andere Lemmata: כָּפָן kāfān (Nomen: 2-mal) und כפן kfn (Verb: 1-mal) und רָעֳבוֹן rā’ǎvôn (Nomen: 3-mal; aramaisierend zu רָעָב rā‘āv). Oppositionsterminus zu „hungern“ ist neben anderen vor allem „essen“, zu „hungrig“ „satt sein“.
2. Gründe von Hunger
Hunger im eigentlichen Sinne kann durch körperliche Arbeit, durch Anstrengung und Marsch hervorgerufen werden (Jes 44,12
2.1. Hunger als Folge von menschlicher Gewalt und Krieg
Krieg und menschliche Gewalt sind zentrale Gründe für Hunger und Hungersnöte im Alten Testament. Städte im Belagerungszustand sind von der Rohstoffversorgung abgeschnitten, sodass Nahrungsmittel teuer werden und die Bevölkerung hungert, so etwa in → Samaria
2.2. Hunger als Folge des Gerichtshandelns JHWHs
Die Frage nach der Ursache des Hungers im Kontext von Krieg und Belagerung wird an vielen Stellen als Ergebnis des Gerichtshandeln Gottes theozentrisch beantwortet und grundsätzlich für das gesamte Kollektiv, nicht für den Einzelnen formuliert. Sie kann gleichwohl in der Verfehlung eines Einzelnen, dann aber des Königs als Repräsentanten, begründet sein (2Sam 21,1
Neben den Aussagen post factum wird das Erleiden von Hunger in prophetischen Texten oder in Flüchen auch als Drohung ausgesprochen, etwa denen, die anderen Göttern dienen (Jes 65,19
3. Überwindung des Hungers
Allgemein stehen das Verhängen von Hungersnöten und das Stillen des Hungers für die Macht Gottes (1Sam 2,5
In der Bildwelt der Hiobklagen geht der Klagende zwar hungrig und nackt einher, wenn er in der Steppe nach Nahrung sucht (Hi 24,10f
Das Stillen des Hungers ist eine Verpflichtung des Einzelnen gegenüber seinem Mitmenschen. In den Anklagen des → Elifas
4. Hungersnöte in alttestamentlichen Erzählungen
Hungersnöte sind an prominenten Stellen Auslöser für Migrationsbewegungen und markieren somit auch den Beginn von Erzählungen.
Tatsächlich haben wir über Hungersnöte insbesondere in der für die sehr frühe Geschichte Israels relevanten Spätbronzezeit verschiedentlich Informationen, sie bilden das mögliche historische Setting für die alttestamentlichen Erzählungen, die freilich keine detaillierten Erinnerungen an diese Frühzeit beinhalten. Die Stele des → Merenptah
In den nichtpriesterschriftlichen → Erzelternerzählungen
Innerhalb der → Josefsgeschichte
Hungersnotstele: Am Südende der südlich von Assuan gelegenen Nilinsel Sehel hat man Felsinschriften gefunden, unter anderem die sog. → Hungersnotstele
In der Darstellung der Murrerzählungen (→ Murren
Auch in den Elia-Elisaerzählungen (→ Elia
5. Hunger im übertragenen Sinn
Hunger kann bildhaft für die religiöse Sehnsucht des Menschen stehen. Dem Mangel an Nahrung entspricht auf dieser Ebene der Mangel an Gottes Wort, denn Gott kann dieses dem Menschen auch entziehen (Am 8,11
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Ebach, Jürgen, Genesis 37-50 (Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament), Freiburg / Basel / Wien 2007
- Michel, Andreas, Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament (Forschungen zur Bibel 37), Tübingen 2003
- Zwickel, Wolfgang, Regen, Dürre, Hungersnöte. Das Klima Palästinas in biblischer Zeit, WUB 46 (2007), 2-7
Abbildungsverzeichnis
- Ausgemergelte Nomaden (Detail des Hungersnotreliefs; Aufgang zur Pyramide des Unas in Sakkara; um 2500 v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 17.4.2010
- Hungersnotstele (Sehel; 1. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; © Morburre, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 17.4.2010
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)