Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: August 2009; letzte Änderung: August 2024)

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Ibis 1

Die hebräische Bezeichnung ṭuchôt in Hi 38,36, die Luther mit „das Verborgene“ übersetzt, bezieht sich als hebraisierte Wiedergabe des ägyptischen Gottesnamens Thot (ägyptisch dchwtj) vermutlich auf den Ibis (ägyptisch hbj; Threskiornis aethiopica bzw. Ibis religiosa), den heiligen Vogel dieses Gottes der Weisheit und der Schreibkunst, der in der Hieroglyphenschrift häufig durch einen auf einer Standarte stehenden Ibis dargestellt wird. Dieses zu den Stelzvögeln gehörende Tier kam jährlich zum Überschwemmungsbeginn nach Ägypten, um zu brüten. Es wurde wohl als Bringer bzw. Bote der Überschwemmung verstanden, die Ägypten die Fruchtbarkeit brachte. Auch in Hi 38,36 ist der Ibis Träger des göttlichen Vorwissens, denn er zeigt durch sein Kommen den Wechsel der Jahreszeiten an.

Die → Septuaginta erwähnt den Ibis dagegen an drei Stellen: als Übersetzung von hebr. יַנְשׁוּף janšûf in Lev 11,17 (neben νυκτικόρραξ nyktikorrax „Langohreule“ und καταρράκτης katarraktēs „Kormoran“) und Jes 34,11 (neben ὂρνα orna „Vögel“, ἐχῖνοι echinoi „Igel“ und κόρακες korakes „Rabe“) bzw. תִּנְשֶׁמֶת tinšæmæt in Dtn 14,16 (neben ἐρωδιός erōdios „Reiher“ und κύκνος kyknos „Schwan“). Besonders in Lev 11,17 könnte die Septuaginta bewusst den Ibis statt der → Eule eingesetzt haben, „um dem ägyptischen Lokalkolorit eher zu entsprechen. Die Stelle wird gerne herangezogen, um eine Entstehung der LXX in Ägypten anzusetzen“ (Hieke 2014, 411). Gerade weil der Ibis in Ägypten als Symbol des Schreibergottes Thot fungierte, war dies ein Grund mehr, „dass der Vogel einem frommen Juden als unrein gilt“ (Hieke 2014, 411; Rösel, 2022, 222, vgl. HAL, 398; Gesenius, 18. Aufl., 1449) und so in der Liste der unreinen Tiere erscheinen musste.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Fohrer, G., Das Buch Hiob (KAT XVI), Gütersloh 2. Aufl. 1989
  • Hieke, Th., Levitikus. 1. Teilband: 1-15 (HThKAT), Freiburg 2014
  • Hölscher, G., Das Buch Hiob (HAT I / 17), Tübingen 1937
  • Keel, O., Jahwes Entgegnung an Ijob. Eine Deutung von Ijob 38-42 vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Bildkunst (FRLANT 121), Göttingen 1978
  • Keel, O., Zwei Beiträge zum Verständnis der Gottesreden im Buch Ijob (XXXVIII 36f., XL 25), VT 31 (1981) 220-225
  • Keel, O. / Staubli, Th., Im Schatten deiner Flügel. Tiere in der Bibel und im alten Orient, Freiburg (Schweiz) 2001
  • Kessler, D., Die heiligen Tiere und der König, Teil I: Beiträge zu Organisation, Kult und Theologie der spätzeitlichen Tierfriedhöfe (ÄAT 16), Wiesbaden
  • Riede, P., Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel (OBO 187), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 2002
  • Rösel, M., Die Septuaginta, in: H.J. Wendel u.a. (Hg.), Brücke zwischen den Kulturen. „Übersetzung“ als Mittel und Ausdruck kulturellen Austausches (Rostocker Studien zur Kulturwissenschaft 7), Rostock 2022, 217-249
  • Strauss, H., Hiob. Kapitel 19,1-42,17 (BK XVI / 2), Neukirchen-Vluyn 2000

Abbildungsverzeichnis

  • Figur eines schreitenden Ibis (Ägypten, 2. Hälfte des 1. Jt.s). Aus: O. Keel / Th. Staubli, „Im Schatten deiner Flügel“. Tiere in der Bibel und im alten Orient, Freiburg (Schweiz) 2001, 87, Abb. 85; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz

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