Ich-Bericht
(erstellt: Dezember 2011)
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1. Definition
In einer Fülle Gattungen findet sich ein Ich-Stil: außer in Gottesreden vor allem in → Gebeten
2. Alter Orient und Altes Ägypten
2.1. Altorientalische Königsinschriften
Zahlreiche Inschriften altorientalischer, vor allem assyrischer Herrscher seit Schamschi-Adad I. weisen Passagen auf, die in der ersten grammatischen Person Singular abgefasst sind und die das eigene Handeln beschreiben und zuweilen reflektieren.
Vgl. zu nichtassyrischen Ich-Berichten von Königen unter anderem den Prolog des Codex → Hammurabi
In diesen Inschriften geht es neben der eigenen Verewigung auf einem dauerhaften Schriftträger sowie einer vorbildhaften Selbstdarstellung für nachfolgende Könige auch um die aktuelle Legitimation und Untermauerung des eigenen Herrschaftsanspruchs oder auch derjenigen des potentiellen Thronfolgers. Neben der Schilderung der Thronakzession wird vor allem ein Tatenbericht (res gestae) vorgelegt. Manche Inschriften tragen dabei deutlich apologetische Züge. So z.B. bei den neuassyrischen Königen → Asarhaddon
2.2. Altägyptische Grabinschriften und andere Zeugnisse
Ich-Berichte begegnen in der altägyptischen Kultur seit der frühesten Zeit und in unterschiedlicher Weise. So weist A. Gnirs (1996, 200ff) darauf hin, dass die altägyptische Autobiographie als Genre im Alten Reich (Ende 4.-5. Dynastie) im Kontext von Begräbnis und Grabbau entstanden sei. N. Kloth (2002, 229) unterscheidet dabei zwischen der „Idealbiographie“ (eines → Maat
3. Die Achikar-Erzählung
Die gegenüber den Achikar-Sprüchen jüngere Achikar-Erzählung (→ Achikar
4. Altes Testament
4.1. Die Jesaja-Denkschrift
Die nach K. Budde sog. → Denkschrift Jesajas
4.2. Die Nehemia-Denkschrift
In Neh 1,1-7,5
4.3. Der Bericht Esras
Esr 8,1-9,5
4.4. Das Buch Tobit
Das Buch Tobit ist durch die Verwendung des Ich-Berichts in Tob 1,3-3,6
4.5. Zusammenfassung Altes Testament
Den alttestamentlichen Ich-Berichten eignet ein apologetischer Zug, der diese Texte in die Nähe anderer autobiographischer Zeugnisse aus dem Alten Orient und dem Alten Ägypten rückt, in denen die (guten) Taten des jeweiligen Protagonisten dargestellt und zuweilen reflektiert werden. Die Form des Selbstberichts insinuiert dabei sowohl die Identität von Autor und Erzähler als auch die Richtigkeit der Darstellung, doch hält beides einer historisch-kritischen Prüfung nicht unbedingt stand.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
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- Thornton, C.-J., 1991, Der Zeuge des Zeugen. Lukas als Historiker der Paulusreisen (WUNT 56), Tübingen
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