Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: August 2012)

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1. Name

Die Etymologie des Personennamens Ikabod (אִי־כָבוֹד î-kābôd; vgl. Gesenius, 46) ist umstritten (Nestle, 78). Eißfeldt (158 Anm. 5) und Sarna (703) betrachten den Namen als Kurzform von אֲחִיכָבוֹד ăḥîkābôd („mein Bruder ist Ehre“) oder אׇבׅיכָבוֹד ̓ābîkābôd („mein Vater ist Ehre“). Nach Martin Noth (236) ist das Element אִי־ ̓î- unerklärt (so auch Driver, 49). Es handelt sich bei diesem Namensbestandteil entweder um eine Interjektion („wehe“, Nebenform von אוֹי ̓ôj; vgl. Gesenius, 44), wie sie noch in Pred 4,10 und Pred 10,16 zu finden ist (Prince, 151-154), oder אִי־ ̓î- könnte mit der nur in Hi 22,30 erwähnten Negation אִי ̓î in Verbindung zu bringen sein. Allerdings ist der Text dieser Stelle korrupt und deshalb wenig eindeutig. Nach Gesenius (44) könnte אִי ̓î in Hi 22,30 auch Indefinitpronomen sein. In der Mischna und dem nachbiblischen Hebräisch ist אִי־ ̓î- dagegen häufig als Negation belegt (Driver, 49). Eine dritte Möglichkeit wäre, die Namenskomponente אִי־ ̓î- mit dem Interrogativum אֵי ̓ê oder אַי ̓aj in Verbindung zu bringen (Gesenius, 43-44; Gordon, 356 Nr. 143). Hier ergäbe sich nach Stamm (64) eine Entsprechung zu den akkadischen ali-Namen (vgl. Albright, 225-227). Der zweite Namensbestandteil כׇּבוֹד kābôd ist ein Substantiv mit der Bedeutung „Schwere / Gewicht / Ansehen / Ehre / Herrlichkeit“ (vgl. Gesenius, 524-525). Nach Zadok (58) könnte dieser Namensteil Gottesepitheton sein.

Diese drei erwogenen Ableitungen eröffnen verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten des Namens Ikabod:

a) Ausruf: „wehe, die Herrlichkeit“,

b) Privativ „keine Herrlichkeit“ (so bei Josephus, der in Antiquitates 5, 360 Ikabod mit ἀδοξίᾳ adoxia übersetzt)

c) Frage „Wo ist die Herrlichkeit?“.

Alle drei Deutungen tragen das Element der Klage in sich.

Nach Schicklberger (38 Anm. 91) ist sowohl die in 1Sam 4,21-22 gebotene Etymologie des Namens als auch dessen Graphie nicht ursprünglich (vgl. auch Mathys [222], der Ikabod als „künstlichen“ Personennamen qualifiziert). Der eigentliche Name des Kindes sei יוֹכֶבֶד jôkæbæd (so schon Peters, 196-197; Gesenius, 46). Der Enkel des Eli würde sich in diesem Fall den Namen mit der Mutter des Mose teilen (vgl. Ex 6,20; Num 26,59). -יוֹ - ist dann als die Kurzform des Jahwe-Namens zu betrachten und כֶבֶד- -kæbæd entspräche assyrisch kabit „mächtig / gewichtig“ (vgl. Bauer, 92-93), so dass der Name mit „Jahwe ist gewichtig“ zu übersetzen ist. Zadok (48) präferiert bei כֶבֶד- -kæbæd eine Ableitung von einem Substantiv, wenn er schreibt: „It is conceivable that the second component of Jôkebed […] could go back to *kabd, a qatl formation of K-B-D ‘be weighty, honoured’” (ähnlich schon Nestle, 77-78). Gestützt wird diese These durch die Septuaginta, die in 1Sam 14,3 statt אִי־כָבוֹד î-kābôd Ιωχαβηδ Iōchabēd überliefert. Sicher sind diese Ableitungen aber keinesfalls (vgl. die Kritik bei Görg 1992, 12). Vielleicht wurde der Name erst durch seine Übernahme in die Erzählung vom Verlust der Lade umgeschrieben, um eine Deutung des Geschehens zu erreichen (so Schicklberger, 38 Anm. 91).

In 1Sam 4,21 überliefert die LXX für Ikabod Οὐαὶ βαρχαβωθ Ouai barchabōth (zu den Varianten der Wiedergabe des Namens Ikabod in der Septuaginta-Überlieferung vgl. Grillet, Lestienne, 169-170). Οὐαὶ Ouai steht in Verbindung mit der Interjektion „wehe“, während –χαβωθ -chabōth die Transliteration von כׇּבוֹד kābôd darstellt. Mit Peters (196) ist βαρ- bar- wohl aramaisierende Glosse (aram. בַּר bar „Sohn“), die den Text erweitert. כׇּבוֹד kābôd und בַּר bar bilden eine Genitivverbindung. Der Name Ikabod ist nach der LXX demnach mit „wehe, Sohn der Herrlichkeit“ (אׅי בַר כׇּבוֹד ̓î bar kābôd) zu übersetzen. Stoebe (135) und Görg (1995, 219) machen darauf aufmerksam, dass βαρ- bar- auch als deutender Zusatz gelesen werden könnte. Es stünde dann u.U. mit βαρύς barys („schwer“) oder עבר ‘br („hinübergehen / vorübergehen / verrinnen / entschwinden“; vgl. Gesenius, 913-916) in Verbindung. Letzteres ließe sich mit „Wehe, vergangen ist die Herrlichkeit“ (vgl. Peters, 196) übertragen (die Verkürzung des Verbs עבר ‘br zu βαρ bar ist dem Umstand geschuldet, dass ע bei der Übertragung von der hebräischen in die griechische Sprache in der Graphie oft überhaupt nicht ausgedrückt ist; vgl. Krašovec, 99). Bei einer Ableitung von βαρύς barys („schwer“) müsste man vielleicht übersetzen: „Wehe, schwere Herrlichkeit“. McCarter (113) verweist bei dieser Ableitung ohne größeren Kommentar auf 1Sam 4,18, wo von Eli ausgesagt wird, dass er ein „schwerer“ (Lutherübersetzung) oder „schwerfälliger“ (Einheitsübersetzung) Mann gewesen sei. Ob man eine Verbindung zwischen der Bezeichnung Elis in 1Sam 4,18 als schwer (LXX: βαρύς barys; MT: כׇּבֵד kābed) und dem Namen seines Enkels in der LXX ziehen kann, ist äußerst fraglich.

2. Ikabod, der Enkel Elis, des Priesters von Silo

Ikabod heißt in der Hebräischen Bibel ein Enkel → Elis und Sohn des → Pinhas. Der Name seiner Mutter wird nicht genannt. Belegt ist er lediglich in 1Sam 4,21 und 1Sam 14,3. Etwas umfangreicher ist die Erzählung, die von seiner Geburt und Namensgebung berichtet sowie von den Ereignissen, die diese auslösen (1Sam 4,19-22; vgl. Schicklberger, 37-42; Porzig, 140-142; Frolov, 126-129; Fokkelman, 226-234; zur Struktur des Textes vgl. Campbell, 77). Ferner wird er in 1Sam 14,3 in einer kurzen Notiz genannt.

Ikabod wird in das Geschlecht der Eliden hineingeboren. Eli ist sein Großvater. Seine Eltern sind Pinhas und eine namentlich nicht genannte Frau. Sie wird nur in Bezug auf ihre Beziehung zur Elidendynastie definiert (Schwiegertochter des Eli, Frau des Pinhas; vgl. Fokkelman, 227-228).

Geburt und Benennung des Ikabod gehören in den Erzählkranz um den Verlust und die Wiedergewinnung der → Bundeslade (1Sam 4-6; 2Sam 6; zur Ladegeschichte vgl. Dietrich, 220-222 [Lit.]; Porzig, 130-158; Schäfer-Lichtenberger, 323-338; → Ladeerzählung). Ikabods Geburt ist mit dem traumatischen Erlebnis einer „nationalen Katastrophe“ (Schicklberger, 15) verknüpft. Die → Philister konnten gerade im Konflikt mit Israel die Bundeslade erbeuten. Die Söhne Elis, → Hofni und Pinhas, haben im Kampf ihr Leben verloren (1Sam 4,11). Als Eli vom Verlust der Lade und dem Tod seiner Söhne erfährt, stirbt auch er (1Sam 4,12-18; vgl. 1Sam 2,27-36; 1Sam 3,11-14, wo die Absetzung der Dynastie Eli aufgrund ihrer Vergehen angekündigt wird [vgl. Frolov, 126-127]; zu den Gründen, die zum Verlust der Lade führen vgl. Stirrup, 81-100). Die Nachricht vom Raub der Lade sowie vom Tod des Schwiegervaters und ihres Ehemanns wird der hochschwangeren Mutter des Ikabod mitgeteilt, bei der daraufhin die Wehen einsetzen (1Sam 4,19; vgl. Hertzberg, 37; Amit [12] vermerkt: „The narrator, using the technique of combined speech, includes her viewpoint in his description, so that for her the progression advances from the impersonal to the increasingly personal, or from the distant to the proximate, thus: a rumor about the loss of the ark, the death of her father-in-law, the death of her husband.”). Auch die Tatsache, dass sie einen Sohn geboren hat, der die priesterliche Elidendynastie weiterführen könnte, tröstet sie nicht (1Sam 4,20; vgl. Stoebe, 136). Vielmehr gibt sie dem Sohn einen Namen, der Israels und ihre Situation zu beschreiben vermag: Ikabod (1Sam 4,21; Smelik, 136-137: „This name is indeed a fitting summery of the part of the story.“). Gleichzeitig wird der Name von der sterbenden Mutter gedeutet: die Herrlichkeit (als Bezeichnung für JHWH) hat Israel verlassen, sonst wäre die Lade nicht verschleppt und wären ihre Verwandten nicht getötet worden (1Sam 4,21-22).

Brueggemann (121): „This is an extraordinary piece of theology by this dying daughter-in-law. She has grasped the point of the capture of the ark and its nearly unutterable significance”. Zum Ausspruch der Mutter Ikabods, dass die Lade „ins Exil“ (גּלה glh) geht, vgl. de Robert, 351-356; Brueggemann, 124-128. Zur Deutung des Namens durch die Mutter vermerkt Mathys (222): „Künstlich ist der Eigenname auf jeden Fall: entweder weil die Mutter des Knaben diesen völlig unpassend und auch ungewohnt mit dem Schicksal Israels belastet oder indem jemand einen Eigennamen sekundär auf dieses deutet“.

Nach Geburt und Benennung stirbt die Mutter. Der zweifache Verlust der Lade (1Sam 4,21.22) führte zur Annahme, dass V.22 sekundär dem Text zugewachsen ist. Denn dieser Vers impliziert, dass Ikabods Mutter am schmerzlichsten unter dem Verlust der Lade zu leiden hat und nicht am Tod von Schwiegervater und Ehemann (vgl. Amit, 14; anders Stoebe, 137; eine ausführliche Analyse der Verse findet sich bei Fokkelman, 230-234, und Frolov, 127-129). Trotzdem bleibt die Geburt Ikabods ein Hoffnungsschimmer für die Eliden (Schicklberger, 60; anders McCarter, 116).

In 1Sam 14,3 ist die Zentralfigur eigentlich → Ahija, da er als der Efodträger qualifiziert wird. Eli, Pinhas und Ikabod werden nur erwähnt, um Ahija mit der Ladepriesterschaft von → Silo in Verbindung zu bringen (vgl. 1Sam 14,18; Sckicklberger, 56.58-59). Über → Ahitub, der auch der Vater von → Ahimelech ist (vgl. 1Sam 22,9), entsteht eine Verbindung zu den Priestern in → Nob. Viviano (356) hält die literarische Zusammenführung dieser beiden Priesterfamilien für unwahrscheinlich. 1Sam 14,3 betrachtet sie deshalb als Glosse. Für Sarna (703) hat diese Verflechtung einen bestimmten Grund: „The intent of the connection seems to be to include Ahijah and the priests of Nob in the rejection of the Shiloh priesthood (1Sam 2,27-36) in favor of the Zadokite priests.”

Stoebe (258) möchte durch die Erwähnung Ikabods eine Verbindung zu 1Sam 4,17-22 sehen. Allerdings ist wohl Schicklberger (60) recht zu geben, wenn er schreibt: „Die Frage, ob die Erwähnung Ikabods in 1Sam 4,21 eine Fortsetzung der abgehobenen Einheit in 1Sam 14,3 […] verlangt, führt nach den Überlegungen zur Funktion der Elidengenealogie im Vers zu einem negativen Ergebnis“, denn „die Tradition von dem Priester Ahija ben Ahitub, der in die Zeit und Geschichte von Sauls Aufstieg gehört, [wird] nachträglich mit einer ursprünglich davon unabhängigen Elidenüberlieferung verbunden.“ Ferner steht die Geburt Ikabods ganz unter dem Eindruck der in 1Sam 1-4 geschilderten Ereignisse (zu diesen Verbindungen vgl. Willis, 297-302). Diese aber finden vor seiner Geburt statt. Eine Fortsetzung in 1Sam 14,3 scheint also nicht intendiert gewesen zu sein.

Die Geburtsgeschichte Ikabods setzt den Endpunkt unter die klimaktisch gestaltete (Amit, 12; Brueggemann, 120; Stirrup, 91-92) Untergangserzählung der Eliden, deren Absetzung in 1Sam 2,27-36 angekündigt wurde. Allerdings zeigt Ikabod, dass der Untergang nicht mit einer gänzlichen Vernichtung aller Eliden einhergeht (vgl. auch 1Sam 2,36). Die Texte, die Ikabod nennen, machen aus ihm ein Interpretament für eine bestimmte Situation. In 1Sam 4,19-22 wird sein Name im Mund der Mutter zur Interpretation der Widerfahrnisse, die ihrem Volk, ihrer Familie und ihr persönlich zustoßen, während 1Sam 14,3 Ikabods Genealogie nur verwendet, um zwei Priesterfamilien zu verbinden, damit Ahija dem Priestergeschlecht von Silo zugeordnet werden kann. Ikabod bleibt in der biblischen Überlieferung stumm und tatenlos. Es ist seine Zeichenhaftigkeit, die ihn bedeutend macht. Und auch wenn die Texte wenig über die Person Ikabod aussagen, weckt sein Schicksal im Leser sicherlich Mitgefühl (vgl. Dus, 335).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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2. Weitere Literatur

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  • Bauer, H., 1933, Die Gottheiten von Ras Schamra, ZAW 51, 81-101
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  • Zadok, R., 1988, The Pre-Hellenistic Israelite Anthroponymy and Prosopography (Orientalia Lovaniensia Analecta 28), Leuven

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