Inschrift von Tel Dan
(erstellt: März 2015)
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1. Einleitung
1.1. Fundumstände
1.2. Zustand des Artefakts
Vom erhaltenen Text ist auch nicht alles gut lesbar; gerade die ersten Zeilen (Z. 1-6) von Fragment A sind stark abgeschliffen und beschädigt, was oft durch Lichteinstellungen in den Fotos ausgeglichen wird (s. z.B. Abb. 2 im Vergleich zu Abb. 3). Einige Buchstaben sind nur in Resten erhalten, die nicht immer eindeutig zu deuten sind; vgl. die ausführlichen Diskussionen in Athas, 35-69 und 75-92 sowie Robker, 246-264.
1.3. Datierung
Weil der Boden des Platzes, in dem sich Fragment A befand, unter einer Zerstörungsschicht lag, die man mit der Eroberung der Stadt durch → Tiglatpileser III.
1.4. Die Gattung
Allem Anschein nach sind die Reste der Inschrift von Tel Dan Teile einer autobiographischen königlichen Inschrift, die den sie aufstellenden König rühmen und in seinem Amt bestätigen soll. Das zeigt vor allem die Erwähnung seiner göttlichen Erwählung durch → Hadad
1.5. Verfasser
An keiner erhaltenen Stelle nennt die Inschrift ihren Verfasser, was vermutlich allein am fragmentarischen Zustand der Stele liegt. Der Text erwähnt aber mehrfach den Vater des Verfassers bzw. Stifters (Z. 2-3). Andere autobiographische Daten des Verfassers bzw. Stifters sind ebenfalls erhalten. Er behauptet, ein König gewesen zu sein und zwar eingesetzt vom Gott Hadad. Der Bezug zu Hadad spricht für eine aramäische Herkunft des Verfassers (→ Aramäer
2. Der Text der Inschrift
2.1. Der aramäische Text in Umschrift
1 […]mr.‘[…]wgzr[…]
2 […].’bj.js[q.‘mh.bh]tlḥmh.b[…]
3 wjškb.’bj.jhk.’l.[…]h.wj‘l.mlkj[š]
4 r’l.qdm.b’rq.’bj[.wj]hmlk.hdd[.]’[jtj.]
5 ’nh.wjhk.hdd.qdmj[.w]’pq.mn[.]šb‘[…]
6 j.mlkj.w’qtl.[mlkn.tq]pn.’srj.’[lpj.r]
7 kb.w’lpj.prš[.w’qtl.jw]rm.br.[’ḥ’b…]
8 mlk.jśr’l.wqtl[t.’ḥz]jhw.br.[jwrm.ml]
9 k.bjtdwd.w’šm.[…’]
10 jt.’rq.hm.l[…]
11 ’ḥrn.wlh[…m]
12 lk.‘l.jś[r’l.]
13 mṣr.‘l[…]
2.2. Der Text in deutscher Übersetzung
In der Übersetzung werden Buchstaben, die zu einem hebräischen Wort gehören, das sich nicht eindeutig rekonstruieren lässt, in Umschrift kursiv wiedergegeben.
1 […]mr ‘[…] und er schnitt / sie schnitten […]
2 […] mein Vater ging hin[auf mit ihm bei] seinem Kampf gegen ’ […]
3 Und mein Vater legte sich nieder. Er ging zu seinem / seiner […]. Der König von I[s]
4 rael drang in das Land meines Vaters hinein. [Aber] Hadad machte [mich] zum König
5 Ich! Hadad ging vor mir. [Und] ich ging aus šb‘ […] hinaus
6 j mein Königreich. Und ich tötete […mä]chtige (?) [Könige], nahm tau[sende Kriegs-]
7 wagen und tausende Pferde. [Und ich tötete Jo]ram, Sohn [Ahabs]
8 König von Israel und [ich] tötete [Ahas]jahu, Sohn [Jorams, Kön-]
9 ig vom Hause Davids und ich setzte […]
10 ihr Land zu […]
11 andere und zu ihm [?...re-]
12 gierte über Is[rael?…]
13 Belagerung gegen […]
2.3. Anmerkungen zum Text
Zeile 1 und 3. Die erste Zeile bleibt wegen ihrer Unvollständigkeit weitestgehend unübersetzbar. Das Verb für „schneiden“ kann gelesen werden, aber Subjekt und Objekt bleiben unbekannt. Man könnte an die idiomatische Wendung „einen Bund schneiden (= schließen)“ denken, aber diese Lesart ist keineswegs gesichert. Zeile 3 berichtet vielleicht, dass der Vater zu seinen Vätern oder seinem Volk ging, aber dies bleibt ebenfalls nur eine Vermutung.
Zeile 7. Die zu ergänzende Verbform in Z. 7 kann nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden. Verschiedene Varianten sind möglich, die sich in Inhalt und Bedeutung aber kaum unterscheiden. Eine Möglichkeit wäre eine Passivform „er wurde getötet“ (Rainey, 212-3), was aber eher als Verlegenheitslösung zu betrachten ist, die die Inschrift mit dem biblischen Bild harmonisieren will. Wenn man im Aktiv eine Verbform 3. Pers. Mask. Sing. oder Pl. ansetzt, hat nicht der Verfasser der Inschrift, sondern eine unbekannte Gruppe – weiterhin unbestimmt und kontextuell unklar – die beiden Könige getötet (קתיל qtjl „man hat getötet“ oder קתלו qtlw „sie haben getötet“). Auch diese Deutung glättet die Spannungen zum biblischen Befund. Eher bot der Text entweder in Übereinstimmung mit Z. 6 die Präformativ-Form אקתל ’qtl oder die Afformativ-Form קתלת qtlt mit oder ohne Konjunktion. Beide Formen bedeuten letztlich dasselbe: „ich tötete“ bzw. „ich habe getötet“. Die Entscheidung für eine der beiden Form beeinflusst lediglich die syntaktische Zuordnung: In Z. 6 folgt einer Präformativ-Form eine Afformativ-Form, die der Präformativ-Form untergeordnet ist. Wenn auch die Fortsetzung der Präformativ-Form von Z. 6 untergeordnet sein sollte, wäre in Z. 7 eine weitere Afformativ-Form zu ergänzen (so Biran / Naveh, 1995). Sollte der Satz, der in der Lacuna in Z. 7 beginnt, jedoch einen neuen Abschnitt beginnen, würde man eine Präformativ-Form ergänzen (so Kottsieper), der dann wieder eine afformativ-Form folgen würde. Letztendlich kann man nicht mit Sicherheit sagen, welche Form ergänzt werden soll. Entweder waren Z. 7-8 syntaktisch parallel zu Z. 6 oder sie setzten die Syntax der Z. 6 fort.
Zeile 7-9. Die Namen der Könige in den Zeilen 7-9 sind augenscheinlich nicht eindeutig, aber der Bezug zu Israel sowie die Datierung der Inschrift deuten tendenziell auf → Joram von Israel
Zeile 9. Die Bedeutung des Ausdrucks „Haus Davids“ bietet die meisten Schwierigkeiten. Während die Erstherausgeber ihn auf die Dynastie Davids bezogen – eine Position, die durchaus kritisch gesehen wurde –, scheint eine geographische oder politische Bezeichnung in Parallele zu „Israel“ eher wahrscheinlich. Das „Haus Davids“ stelle damit eher Juda oder Jerusalem mit seinem Hinterland dar (geographisch z.B. Athas, eher politisch Rendsburg). Die beiden Möglichkeiten schließen einander nicht aus und hängen eng miteinander zusammen. Leider lässt sich weder die Größe noch die genaue Position noch die genaue politische Struktur dieses Herrschaftsgebiets aus dieser Inschrift ableiten.
Zeile 12. Der Anfang von Z. 12 kann nicht sicher rekonstruiert werden. Möglich wäre „König über“ oder „regierte über“. Da die Wendung „König über“ in der Inschrift sonst nicht belegt ist (vgl. aber „König von“ in Z. 3-4 und Z. 8), wird in der Übersetzung die Verbform „regiert über“ verwendet, um die Formen voneinander zu unterscheiden, auch wenn die Bedeutung in diesem Fall nicht mit Sicherheit zu rekonstruieren ist.
3. Die Bedeutung für historische Rekonstruktionen
3.1. Inhalt
Die Inschrift bietet folgende Daten:
1) Der Verfasser bezeichnet seinen Vorgänger als Vater.
2) Nach dem Tod des Vorgängers scheint Israel gegen Aram einen Kriegszug unternommen zu haben.
3) Der Verfasser der Inschrift gibt an, verschiedene Könige getötet zu haben, vor allem Joram von Israel und vermutlich Ahasja von Juda.
4) Er unternahm eine Belagerung, deren Ziel jedoch nicht bekannt ist.
3.2. Verhältnis zu biblischen Texten
Wenn Hasael als Verfasser identifiziert werden kann (s.o.), so widersprechen einige Angaben dem biblischen Text. Gleich zu Beginn der erhaltenen Inschrift fällt auf, dass der Verfasser von seinem Vorgänger als „Vater“ spricht. Die biblische Version zum Aufstieg des Hasael in 2Kön 8,7-15
Schließlich deuten einige Notizen in den Königsbüchern auf einen mächtigen Aufstieg der Aramäer unter der Führung Hasaels. Die Tel Dan Inschrift scheint eine gewisse Bestätigung aramäischer Vorherrschaft zumindest in Nordisrael zu sein (vgl. 2Kön 10,32-33
4. Die Tel Dan Inschrift im wissenschaftlichen Diskurs
Der wissenschaftliche Diskurs um die Inschrift von Tel Dan gestaltete sich nach der Veröffentlichung der beiden Fragmente sehr hitzig, gerade in Bezug auf hermeneutische Fragen zur Rekonstruktion der Geschichte Israels und Judas. Schon bei der Erstveröffentlichung von Fragment A erhoben Vertreter der sog. „Kopenhagener Schule“ Einspruch gegen die Art und Weise der Veröffentlichung sowie gegen die Interpretation der Inschrift, gerade in Bezug auf die von den Herausgebern gebotene Deutung des Ausdrucks „Haus Davids“ (vgl. Cryer, 1994, 1995, 1996; Davies, 1994; Lemche / Thompson, 1994; Thompson 1995a und 1995b). Ihrer Meinung nach kann die Bedeutung von ביתדוד bjtdwd (was normalerweise als „Haus Davids“ übersetzt wird) nicht als davidische Dynastie verstanden werden, sondern muss geographisch (Cryer, 1994) oder symbolisch gedeutet werden (Thompson, 1995b, meint, dass der Titel „Haus Dods [anstatt David]“ den Gott Israels und Judas als Eponym verstehe; die Existenz eines Gottes Dod sowie des Namens Dod für eine Gottheit wird aber inzwischen komplett abgelehnt, vgl. Barstad). Den Herausgebern der Inschrift wurde vorgeworfen, vorschnell eine Verbindung zu Figuren und Episoden, die aus der Bibel bekannt sind, zu ziehen. Ein solches Vorgehen sei komplett illegitim. Während die Kritik manchmal starke, fast polemische Töne annahm, wurde manches davon akzeptiert und führte das Gespräch um die Bedeutung der Tel Dan Inschrift weiter, z.B. ein Verständnis des „Hauses Davids“ auch als eine geographische – und nicht bloß dynastische – Bezeichnung. Auf der anderen Seite verstärkte dieser epigraphische Beleg des Namens David die Positionen, die nicht die komplette Davidtradition für unhistorisch halten.
5. Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund
Die Inschrift von Tel Dan bezeugt den Machtverlust Israels nach dem Ende omridischer Herrschaft (ca. 845-841 v. Chr.; → Omri
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden 2. Aufl. 1999
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
2. Weitere Literatur
- Ahituv, S., Echoes from the Past. Hebrew and Cognate Inscriptions from the Biblical Period, Jerusalem 2008, 466-473
- Athas, George, The Tel Dan Inscription. A Reappraisal and a New Interpretation, London 2005
- Barstad, H.M., Art. Dod, in: Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden 2. Aufl. 1999, 259-262
- Biran, Avraham / Naveh, Joseph, An Aramaic Stele Fragment from Tel Dan, IEJ 43 (1993), 81-98
- Biran, Avraham / Naveh, Joseph, The Tel Dan Inscription. A New Fragment, IEJ 45 (1995), 1-18
- Cryer, Frederick H., King Hadad, SJOT 9 (1995), 223-235
- Cryer, Frederick H., Of Epistemology, Northwest-Semitic Epigraphy and Irony. The „BYTDWD / House of David“ Inscription Revisited, JSOT 69 (1996), 3-17
- Cryer, Frederick H., On the Recently-Discovered „House of David“ Inscription, SJOT 8 (1994), 3-19
- Davies, Philip R., Bytdwd and Sukt Dwyd. A Comparison, JSOT 64 (1994), 23-34
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- Kottsieper, Ingo, The Tel Dan Inscription (KAI 310) and the Political Relations Between Aram-Damascus and Israel in the First Half of the First Millennium BCE, in: L.L. Grabbe (Hg.), Ahab Agonistes. The Rise and Fall of the Omri Dynasty, London 2007, 104-134
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- Thompson, Thomas L., Dissonance and Disconnections. Notes on the Bytdwd and Hmlk.Hdd Fragments from Tel Dan, SJOT 9 (1995b), 236-240
- Tropper, Josef, Eine altaramäische Steleninschrift aus Dan, UF 25 (1993), 395-406
- Tropper, Josef, Paläographische und linguistische Anmerkungen zur Steleninschrift aus Dan, UF 26 (1994), 487-492
Abbildungsverzeichnis
- Der Platz vor der eisenzeitlichen Toranlage in Areal A von Tel Dan, wo die Fragmente der Dan Inschrift sekundär verbaut waren. © Erasmus Gaß
- Die Inschrift von Tel Dan im Israel Museum (weiße Hervorhebung nicht ursprünglich). Aus: Wikimedia Commons; © יעל י, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 20.5.2014
- Die Tel Dan Inschrift ohne besondere Beleuchtung. © Jonathan Miles Robker
- Die Tel Dan Inschrift in hebräischer Umschrift. © Jonathan Miles Robker
- Der Schwarze Obelisk zeigt, wie Salmanassar III. (858-824 v. Chr.) Tribute gebracht werden, auch von Israels König Jehu. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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