Jabesch
Andere Schreibweise: Jabes; Jabesh; Jabis; Iabesh; Yabesh; Yabech; Yavesh
(erstellt: April 2010)
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Der biblische Ort Jabesch ist der Schauplatz dreier biblischer Erzähltraditionen. 1. Im → Richterbuch
2. Als der Ammoniterkönig Nahasch die Stadt Jabesch belagerte (1Sam 11
3. Vermutlich aufgrund seines Verdienstes um den Entsatz ihrer Stadt haben die Einwohner von Jabesch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Leichname Sauls und seiner Söhne von den Stadtmauern in → Bet-Schean
1. Jabesch, der Ort im Ostjordanland
1.1. Name
Der Ortsname Jabesch (hebräisch: יָבֵשׁ jāveš / יָבֵישׁ jāvêš; griechisch: Ιαβις Iabis; lateinisch: Iabes / Iabisgalaad / Iabesgalaad) leitet sich von der Wurzel יבשׁ JBŠ „trocken werden, vertrocknen“ ab. Das dazugehörige Verbaladjektiv „vertrocknet“ wird als qatil-Form gebildet. Der Ortsname Jabesch („Trockenort / trockener Ort“) verrät also, dass bei der Besiedlung ein eher ungünstiges, trockenes Terrain gewählt wurde.
Manchmal wird vermutet, dass der Ortsname Jabesch mit Jebus etymologisch zu verbinden sei. Beide Toponyme würden aus dem Ostjordanland stammen, wo sich die Lautverschiebung der Sibilanten [s] zu [š] noch nicht durchgesetzt habe. Somit wäre Jabesch nur die hebräische Aussprache des ostjordanischen Toponyms. Folglich seien die biblischen Jebusiter Jerusalems eine aus Gilead stammende herrschende Elite gewesen (Knauf). Jedoch ist weder die Etymologie von Jebus gesichert noch die Historizität der Jebusiter über jeden Zweifel erhaben (Hübner, 36-38), was weitreichende siedlungsgeographische Schlussfolgerungen massiv in Frage stellt.
Insgesamt gibt es zwei Schreibweisen für diesen ostjordanischen Ort: defektiv JBŠ (Ri 21,9
Abgesehen von 1Sam 11,1
Der Namenszusatz Gilead ist kein allgemeiner Begriff für das Ostjordanland, sondern bezeichnet im Alten Testament traditionell den mittleren Teil des ostjordanischen Gebirges. Der Ort Jabesch befindet sich somit im Gebirge nördlich des → Jabbok
1.2. Belege
1.2.1. Altes Testament
Jabesch findet sich als Ortsname im Alten Testament 21-mal.
1. In Ri 21
2. In 1Sam 11
3. In der Erzählung von Niederlage und Tod → Sauls
Aus den biblischen Angaben geht hervor, dass Jabesch außerhalb des ammonitischen und philistäischen Einflussbereiches liegen muss. Aufgrund des Namenszusatzes „Gilead“ befindet sich Jabesch in Gilead im ostjordanischen Gebirgsland nördlich der ammonitischen Interessensphäre. Jabesch kann zudem nicht allzu weit von Besek und Bet-Schean entfernt liegen.
1.2.2. Außerhalb der Bibel
Der → Amarnakorrespondenz
Nach Josephus handelt es sich bei Ιαβις um eine „metropolis“ in Gilead (Antiquitates VI 5,1 [71]; Text gr. und lat. Autoren
1.3. Lage
Das Toponym Jabesch hat sich bis heute erhalten. Ein ostjordanisches Bachtal trägt nämlich den Namen Wādī Jābis. Dieses Wādī kommt aus dem Bergland des Ǧebel ‛Aǧlūn und mündet etwa 2 km südlich von Tell Ǧama‛īn (Koordinaten: 2025.2017; N 32° 24' 09'', E 35° 33' 51''
1. Tell Abū Charaz (Koordinaten: 2061.2007; N 32° 23' 56'', E 35° 35' 40''
Verschiedene Argumente haben zu einer Identifizierung dieses Doppelhügels mit dem biblischen Jabesch geführt. Auf das Massaker an den Bewohnern von Jabesch könnte ein Massengrab der Eisenzeit I zurückgeführt werden (Fischer). Auch der Name Tell el-Meqbere („Ruinenhügel des Begräbnisplatzes“) mag unter Umständen auf das Begräbnis Sauls und seiner Söhne hinweisen (Glueck). Trotz umfangreicher Grabungen auf Tell Abū Charaz konnte jedoch bislang kein schlüssiger Beweis für eine Identifikation mit dem biblischen Ort Jabesch geliefert werden. Auch das entdeckte Gräberfeld aus der Eisenzeit I muss nicht notwendigerweise mit den Ereignissen aus Ri 21
2. Tell el-Maqlūb (Koordinaten: 2144.2011; N 32° 24' 07'', E 35° 40' 55''
Den Entfernungsangaben des Eusebius entspricht dieser Ort nur ungefähr. Der sechste Meilenstein der alten Römerstraße wird nämlich in nordwestlicher Richtung, bei Chirbet Isnā (Koordinaten: 2128.2026; N 32° 24' 52'', E 35° 39' 51''
Der archäologische Befund auf Tell el-Maqlūb ist nur durch Oberflächenuntersuchungen bekannt. Bislang wurden im Gegensatz zu Tell Abū Charaz noch keine Ausgrabungen unternommen. Da der dortige Scherbenbefund in die Eisenzeit I und II weist, steht einer Identifikation mit dem biblischen Ort Jabesch nichts im Wege.
Der Befund der Quellen, das Kriterium der Namensgebung und der archäologische Befund sprechen somit für eine Identifizierung des biblischen Jabesch mit Tell el-Maqlūb.
Fraglich ist jedoch, ob der biblische Ort Jabesch mit dem byzantinischen Ort Iabeis Galaad identisch ist, den Eusebius in seinem Onomastikon erwähnt. Mitunter ist – wie häufig zu beobachten – die Ortsnamenstradition an einen anderen Ort gewechselt:
1. Dēr el-Ḥalāwe (Koordinaten: 2131.2003; N 32° 23' 41'', E 35° 39' 58''
2. Chirbet Isnā (Koordinaten: 2128.2026; N 32° 24' 52'', E 35° 39' 51''
Auf Tell el-Maqlūb ist jedoch auch Keramik der römischen und byzantinischen Zeit vertreten (Schmitt, 186), so dass der byzantinische Ort Jabesch des Eusebius hier ebenfalls liegen mag. Von einer Wanderung des Toponyms muss deshalb nicht ausgegangen werden. Vermutlich lag sowohl der biblische wie auch der byzantinische Ort Jabesch auf Tell el-Maqlūb.
2. Jabesch, der Vater Schallums
In 2Kön 15,10
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Neues Bibel-Lexikon, Zürich 1991-2001
- The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993
- The New Interpreter's Dictionary of the Bible, Nashville 2006-2009
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1932ff
2. Weitere Literatur
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- Fischer, P.M., 1998, Tell Abu al-Charaz. Das biblische Jabesch?, Welt und Umwelt der Bibel 7, 23-24
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- Naor, M., 1947, Jabesh-Gilead, Abel-Mehola and Zaretan, Bulletin of the Jewish Palestine Exploration Society 13, 89-99
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- Reeg, G., 1989, Die Ortsnamen Israels nach der rabbinischen Literatur (Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients B/51), Wiesbaden
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- Simons, J., 1959, The Geographical and Topographical Texts of the Old Testament. A Concise Commentary in XXXII Chapters (Studia Francisci Scholten memoriae dicata 2), Leiden
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Jabesch. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Die Israeliten rauben die Jungfrauen von Jabesch (Gustav Doré; 19. Jh.).
- Saul besiegt Nahasch und die Ammoniter (Maciejowski Bibel; 13. Jh.).
- Die Jabeschiten retten die Leichen Sauls und seiner Söhne (1Sam 31,11-13; Gustav Doré, 19. Jh.).
- Blick ins Wādī Jābis. © Erasmus Gaß
- Blick auf Tell Abū Charaz. © Erasmus Gaß
- Blick auf Tell el-Maqlūb. © Erasmus Gaß
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