Jachin und Boas
Andere Schreibweise: Boaz (engl.)
(erstellt: Mai 2010)
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1. Jachin und Boas im Jerusalemer Tempel
1.1. Vorkommen
Nach 1Kön 7,15-22
Oben endeten die Säulen mit Doppelkapitellen. Zum unteren Kapitell gehörten in phönizischer Tradition Geflechte (שְׂבָכָה śəvākhāh) mit je 100 → Granatäpfeln
Ähnlich unsicher wie das genaue Aussehen der Säulen ist ihr Standort (1Kön 7,21
Möglicherweise waren sie jedoch freistehend vor dem Eingang des Tempels aufgestellt. Dafür lässt sich als zeitnahe Parallele vielleicht das Heiligtum von Arad Stratum X (9./8. Jh.) anführen, vor dessen Eingang man zwei Steine gefunden hat, die von den Ausgräbern als Säulenbasen gedeutet werden, auf denen einst freistehende Säulen gestanden haben sollen – eine Interpretation, die allerdings umstritten ist. Anführen lassen sich jedenfalls Tempelmodelle mit frei stehenden oder allenfalls einen kleinen Baldachin tragenden Säulen, z.B. eines aus Idalion auf Zypern (zu weiteren Beispielen vgl. Weippert, 1988, 466; Zwickel, 1999, 117-119; Keel 2007, 287f.).
1.2. Symbolik
Die florale Motivik der beiden Säulen hat dazu geführt, sie mit der Tradition des sakralen Baumes zu verbinden (Zwickel, 1999, 120; s. zuletzt Giovino, 2007). In Anlehnung an den Palmenhof des altbabylonischen Palastes des Zimrilim in → Mari
Lotus ist vor allem bekannt durch ägyptische Abbildungen des jungen Sonnengottes, der auf einer Lotusblume sitzt. Beide erscheinen am frühen Morgen und symbolisieren die überwundene Gefahr der Nacht und die regenerierende Lebenskraft.
Metallene → Granatäpfel
Die Säulen selbst sind mitunter aber auch als Mazzeben (Busink, 1970, 318), Präsentationen der Paradiesbäume innerhalb des den Garten Eden verkörpernden Tempels (Bloch-Smith) oder als Symbole der Himmelspforte gedeutet worden (Houtmann, Himmel, 252; zur mitunter recht phantasievollen Auslegungsgeschichte bezüglich des Symbolgehalts der Säulen vgl. Busink, 1970, 312-318; Bloch-Smith, 1994, 22ff.; Frevel, 1995, 749-766).
1.3. Etymologie und Bedeutung
Es war im Alten Orient nicht unüblich, Säulen Namen zu geben. Die Deutung der Namen der beiden Säulen „Jachin“ (יָכִין jākhîn) und „Boas“ (בּוֹעַז bo‘az) bleibt aber strittig. Beide Namen sind als Personennamen belegt (Jachin z.B. in Gen 46,10
Dem aktuellen Forschungsstand nach ist weitgehend akzeptiert, dass Jachin von dem hebräischen Verb כון kûn „gründen / befestigen / aufstellen“ kommt und in Boas das Nomen עז ‘az (Nebenform: ‘oz) „Macht / Stärke“ mit der Präposition ב b „in“ verbunden ist. Die Namen sollen dann vielleicht darauf hindeuten, dass die Säulen die Dauer und den Bestand des Tempels oder auch des Königtums zum Ausdruck bringen (vgl. zur weiteren Diskussion Zwickel, 1999, 122-125). Da beide Begriffe in das weitere Wortfeld von Schöpfungsaussagen gehören, schließt Zwickel aus den ikonographischen und philologischen Gegebenheiten: „Während Lotos und Granatapfel die sich immer wieder erneuernde Lebenskraft und die Fruchtbarkeit symbolisieren, beschreibt die Namensnennung die Grundlage hierfür: YHWH, der die Erde fest gegründet und das Chaos besiegt hat, ist der Garant für fortdauerndes Leben und Fruchtbarkeit“ (124). Keel verknüpft die Bedeutung mit dem Umstand, ob die Säulen freistehend vor dem Tempel oder als tragendes Element gedacht werden: Im zweiten Fall bezöge sich „Festmachen“ und „Stärke“ auf die Säule selbst, im ersten Fall wiesen die Eigenschaften auf Gott oder den König als den Erhalter hin (2007, 316f).
1.4. Zur Wirkungsgeschichte (Klaus Koenen)
Jachin und Boas werden in der christlichen Tradition vielfach als Symbol von Stärke und Festigkeit rezipiert. Der Benediktinermönch Beda Venerabilis (672/73-735 n. Chr.) vergleicht mit ihnen die Heiligen, da sie der Kirche eine Stütze sind und sie mit ihrer Erhabenheit schmücken (Explanatio Apocalypsis I 3,12 [Migne, Patrologia Latina
Im Mittelalter werden Jachin und Boas im Kirchenbau rezipiert, vor allem als architektonisch funktionsloses Säulenpaar im Eingangsbereich – so besonders in Italien im 12. Jh. (z.B. Santa Maria Maggiore in Tuscania). Sie sollen auf den Salomonischen Tempel, den Ort der Gegenwart Gottes, anspielen und die Kirche damit als dessen Nachfolgerin ausweisen, zugleich haben sie gerade im Portalbereich als Symbole von Standhaftigkeit und Stärke eine schützende und apotropäische Funktion, der z.B. durch die Verbindung mit einem Löwen als Säulenbasis verstärkt Ausdruck verliehen wird. Im Würzburger Dom beispielsweise befinden sich zwei als „JACHIM“ und „BOOZ“ beschriftete Säulen, die ursprünglich in der Vorhalle standen (um 1230 errichtet).
Nachmittelalterlich finden sich Zitate von Jachin und Boas im Kirchenbau nur noch selten, eindrücklich allerdings in der Wiener Karlskirche. Mit ihrem Bau von 1716-1737 hat Kaiser Karl VI. ein Gelübde erfüllt, das er angesichts der letzten großen Pestkatastrophe 1713 seinem Namenspatron Karl Borromäus (1538-1584) gemacht hatte, der einst Erzbischof von Mailand und Protagonist der Gegenreformation gewesen war und der – 1610 heiliggesprochen – bei Pest angerufen wurde. Die Säulen sind mit spiralförmigen Reliefs sowie oben mit Reichsadlern und Kaiserkrone versehen. Im Licht der biblischen Tradition lässt das Säulenpaar Wien als neues Jerusalem und den Bauherrn in einer Reihe mit Salomo erscheinen; zudem entsprechen die Namen Jachin und Boas in ihrer Bedeutung dem Wahlspruch des Kaisers: constantia et fortitudo „Beständigkeit und Stärke“. Zugleich nehmen die Säulen die Tradition antiker Triumphsäulen (bes. die Trajanssäule in Rom) auf und stellen den Bauherrn dadurch auch mit römischen Kaisern in eine Reihe, doch zeigen die Reliefs keine militärischen Heldentaten, sondern Szenen aus dem Leben des hl. Karl Borromäus, dem man die Rettung Wiens von der Pest zuschrieb.
Im 18. Jh. werden Jachin und Boas zu Symbolen der Freimaurer, bes. am Eingang von Freimaurerlogen. Sie sollen auf die Beständigkeit ihrer Lehre und auf Humanität als deren Grundpfeiler verweisen. Bei Rudolf Steiner symbolisiert „Jakim“ (!) den Eintritt des Menschen ins Erdenleben, „Boas“, seinen Eintritt durch den Tod in die geistige Welt (Weltwesen und Ichheit, Gesamtausgabe 169, 1963, 58ff).
2. Boas ein Göttername?
Die Rede von einem Gott namens Boas (bo‘az) ist kaum von dem z.B. in 1Kön 7,15-22
Diese These basiert allein auf der neupunischen → Bilingue
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Bloch-Smith, E., 1994, „Who is the King of Glory? Solomon’s Temple and Its Symbolism, in: M.D. Coogan / J.C. Exum / L.E. Stager (Hgg.), Scripture and Other Artifacts. Essays of the Bible and Archaology (FS P.J. King), Louisville, 18-31
- Busink, T.A., 1979, Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes I. Der Tempel Salomos, Leiden
- Bruston, C., 1924, L’inscription des deux colonnes du temple de Salomon, ZAW 42, 153-154
- Donner, H. / Röllig, W., 1968, Kanaanäisch-Aramäische Inschriften, Bd. 2, 2. Auflage Wiesbaden
- Février, J.-G., 1951-1952, Une corporation de l’encens à Althiburos, Sem 4, 19-24
- Frevel, C., 1995, Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs, Bd. 2, Weinheim
- Giovino, M., 2007, The Assyrian Sacred Tree: A History of Interpretation (OBO 230), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
- Gressmann, H., 1909, Dolmen, Masseben und Napflöcher, ZAW 29, 113-128
- Hoftijzer, J. / Jongeling, K., 1995, Dictionary of the North-West Semitic Inscriptions, Part 1, Leiden / New York / Köln
- Keel, O. / Uehlinger, C., 4. Aufl. 2001, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (QD 134), Freiburg / Basel / Wien
- Keel, O., 2007, Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus, Bde. 1-2, Göttingen
- Meyers, C.L., 1983, Jachin and Boaz in Religious and Political Perspective, CBQ 45,167-178
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- Weippert, H., 1988, Palästina in vorhellenistischer Zeit (HdO II/1), München
- Zwickel, W., 1990, Die Keramikplatte aus Tell Qasile. Gleichzeitig ein Beitrag zur Deutung von Jachin und Boas, ZDPV 106, 57-62
- Zwickel, W., 1999, Der salomonische Tempel (Kulturgeschichte der antiken Welt 83), Mainz
Abbildungsverzeichnis
- Die Säulen Jachin und Boas freistehend vor dem Eingang des Jerusalemer Tempels. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Grundriss des Heiligtums von Arad (Stratum X; spätes 9./frühes 8. Jh. v. C.). Vor dem Tempel sind hier zwei Säulen eingezeichnet, deren Existenz jedoch strittig ist. Aus: Zwickel, 1999, 118 Abb. 60; © Wolfgang Zwickel
- Modell eines Tempels mit zwei Säulen vor dem Eingang (Idalion / Zypern; 7./6. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Der Horusknabe auf der Lotusblüte (Elfenbein; Königspalast in Samaria; 8. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Jachin und Boas vor der Karlskirche in Wien (18. Jh.). © public domain (Foto: Siegfried Hermle, 2009)
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