Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Jahvist; Yahwist (engl.)

(erstellt: April 2015)

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Der → Pentateuch, d.h. die 5 Bücher Mose (→ Genesis; → Exodus; → Leviticus; → Numeri; → Deuteronomium), ist nicht das einheitliche Werk eines Autors. Er entstand vielmehr durch die Zusammenfügung zweier ursprünglich selbständiger Werke, nämlich des älteren Jahwisten und der jüngeren → Priesterschrift, sowie redaktionelle Überarbeitungen (→ Pentateuchforschung).

1. Definition

Als „Jahwist“ (abgekürzt: J) bezeichnet man in der Bibelwissenschaft das ältere Geschichtswerk, das dem Pentateuch zugrunde liegt und dessen erzählerischen Zusammenhang begründet. Das Werk ist nicht als eigenständige Schrift erhalten geblieben. Es ist eine literaturwissenschaftliche Hypothese.

Wie die Priesterschrift (abgekürzt: P), das → Heiligkeitsgesetz, das → Deuteronomistische Geschichtswerk, das Buch → Deuterojesaja, die → Logienquelle Q und andere gehört der Jahwist zu jenen Schriften, mit denen die Bibelwissenschaft die Vorgeschichte der heutigen biblischen Bücher zu verstehen versucht. Alle diese Werke sind Hypothesen, wie schon ihre künstlichen Namen zu erkennen geben. Man nimmt an, dass sie einst selbständig bestanden haben und später in den heutigen Textbestand eingegangen sind. Dabei sei der Wortlaut weitgehend bewahrt geblieben. Da der jeweils zugehörende Textbestand aus dem Gesamttext herausgeschält werden muss, gibt es einen bleibenden Faktor der Unsicherheit. Die Debatte lässt sich nicht beenden.

2. Der Anlass der Hypothese

Literarische Hypothesen sind sinnvoll nur, wenn ihnen eine gewisse Notwendigkeit zugrunde liegt. Die Annahme eines Jahwisten folgt aus der Urkundenhypothese, die die Entstehung des Pentateuchs auf die Verbindung zweier (oder mehrerer) selbständiger literarischer Werke zurückführt.

Im 18. Jh. wurde zunächst Henning Bernhard Witter (1711) (nur bis Gen 17,27), später unabhängig von ihm → Jean Astruc (1753) darauf aufmerksam, dass die vielen Mehrfachüberlieferungen, die das Buch Genesis enthält, sich im Gebrauch der Gottesnamen unterscheiden; mehr noch, sie lassen sich anhand dieses Kriteriums ungezwungen zu zwei fortlaufenden, nebeneinander stehenden Erzählungsfolgen verbinden. Daraus erwuchs die Vorstellung, → Mose habe bei der Abfassung des Pentateuchs – neben allerlei weiterem schriftlichen Material – auf zwei vorgegebene „Urkunden“ zurückgegriffen. Diese Hypothese bot die Möglichkeit, gegen die neuzeitliche Kritik, die sich an der Widersprüchlichkeit der Geschichtsdarstellung entzündete, an der Verfasserschaft des Mose festzuhalten. Die Widersprüche, so konnte man argumentieren, gingen nicht auf Mose zurück, sondern auf unterschiedliche Vorlagen. Mose wurde vom Verfasser zum Redaktor (ohne dass man diesen heutigen Begriff schon verwendet hätte).

Für das Buch Genesis wurde die Hypothese von → Johann Gottfried Eichhorn vollständig und methodisch durchgeführt in seiner „Einleitung in das Alte Testament“ (1780-1783). An der Erzählung von der Sintflut in Gen 6-9 konnte Eichhorn nachweisen, dass hier zwei Fassungen miteinander verschränkt sind, die einmal selbständig bestanden haben. Der Text enthält umfangreiche Doppelungen. Mit ihnen verbunden sind Widersprüche in grundlegenden Einzelheiten wie der Zeitrechnung, der Art, wie das Wasser über die Erde kommt, oder der Zählung der mitzunehmenden Tiere. Die Erzählung lässt sich auf zwei im Wesentlichen vollständige Darstellungen ein und desselben Geschehens verteilen, die sich im literarischen Stil und auch in der religiösen Aussage stark unterscheiden (Eichhorn 1787, 264-277). Der Beweis wurde später von Hermann Hupfeld (1853, 6-16.132-136), Eberhard Schrader (1863, 136-148), Karl Budde (1883, 248-276) und → Hermann Gunkel (1910, 137-140) weiter verfeinert und abgesichert und kann noch heute als grundlegend gelten. Versuche, die eine der beiden Fassungen als Ergänzung der anderen zu deuten, wurden in beide Richtungen unternommen (z.B. Blum 1990, 281-285: P unselbständige Ergänzung; umgekehrt Ska 1994: J-Texte Zusatz zu P). Sie heben sich gegenseitig auf und bestätigen damit, wie gut begründet die Urkundenhypothese ist (vgl. zuletzt Gertz 2011, 171-178). Ein weiteres solches Beispiel ist die Erzählung vom Wunder am Meer (Ex 14; → Meerwundererzählung), die sich nach Abzug von umfangreichen späteren Ergänzungen ebenfalls auf zwei vollständige Berichte verteilt, die sich dermaßen unterscheiden, dass sie nicht auseinander ableitbar sind (Levin 2009; Gertz 2014).

Weitere Gründe für die Urkundenhypothese sind die großen Doppel-Berichte: die beiden Schöpfungserzählungen Gen 1 und Gen 2-3, die Genealogie Kains Gen 4 und Gen 5, die Verheißung des Isaak Gen 17 und Gen 18, die Berufung des Mose Ex 3 und Ex 6. Weil sich darüber hinaus für beide Urkunden ungezwungen ein eigener, sinnvoller Gesamtaufriss ermitteln lässt, ist die Urkundenhypothese nach wie vor die beste Erklärung für die gemeinsame erzählende Grundlage des Pentateuchs.

Allerdings lassen die Probleme der Urkundenhypothese sich nicht übersehen. Die abschnittweise Verschränkung zweier Geschichtswerke zu einem einzigen dritten passt nicht zu dem literarischen Ergänzungsprozess, den man sonst überall im Alten Testament und auch im Pentateuch beobachtet. Die Regel ist vielmehr, dass ein literarischer Erstbestand immer weiter ergänzt wurde. Er wurde um vorgegebene Traditionsstücke aus anderem Zusammenhang bereichert; er wurde theologisch ausgelegt und auf die gegenwärtig vorherrschenden Umstände und Fragestellungen bezogen. Auf diese Weise lässt sich auch besser die Abfolge erklären, nach der die überlieferten Stoffe im Pentateuch angeordnet sind. Sie würde auf einem einzigen Entwurf beruhen, in den die späteren Erweiterungen eingetragen worden sind und der ihnen das Gerüst gegeben hat. Demgegenüber stellt die Urkundenhypothese vor die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die beiden eigenständigen Werke, deren nachträgliche Verbindung man unterstellt, im großen und ganzen denselben Aufbau gehabt haben.

Deshalb kam zu Anfang des 19. Jh.s in der Pentateuchforschung die Ergänzungshypothese auf. Ihr Begründer war → Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1807). De Wette bestimmte die Elohim-Urkunde, die wir heute „Priesterschrift“ nennen, als Grundschrift, in die das übrige Material nachträglich eingetragen worden sei. Weitere Vertreter der Ergänzungshypothese waren → Heinrich Ewald (1823), Friedrich Tuch (1838) und August Knobel (1852).

Dabei wurde in Kauf genommen, dass auch die Ergänzungshypothese große Schwächen hat: Der Faden der Grundschrift lässt sich nur bis einschließlich Gen 17 einigermaßen verfolgen (vgl. de Wette 1807, 26-51). Im weiteren Verlauf der Vätergeschichte fehlt diese Ebene des Textes so weitgehend, dass die Quelle nicht mehr als „Grundschrift“ gelten kann. Noch größer werden die Lücken, wenn das literarische Profil scharf gezogen wird. Das unternahm Hupfeld (1853), der seinerseits Theodor Nöldeke (1869) vorgearbeitet hat, von dem die genaue Ausgrenzung der Grundschrift (= Priesterschrift) stammt, die bis heute mit kleinen Abweichungen übernommen wird. Sobald sich im Gefolge → Julius Wellhausens (1878/1905) die Einsicht durchsetzte, dass diese Schrift nicht die älteste, sondern die jüngste der Pentateuchquellen ist, war es deshalb um die Grundschrift-Hypothese geschehen. August Klostermann (1893), Bernard D. Eerdmans (1908), Max Löhr (1924), Paul Volz (1933) und Frank Moore Cross (1973) bestritten der Priesterschrift die Eigenschaft der Quelle, und Erhard Blum erschien es „ganz erstaunlich, daß der für ,P‘ beanspruchte Textbestand in Gen 12-50 nicht zu einer allgemeinen Problematisierung bzw. Infragestellung der Hypothese von einer eigenständigen P-Erzählung geführt hat“ (Blum 1984, 426f.).

Die Folge dieser Beobachtungen ist, dass die Priesterschrift trotz ihrer klaren Struktur und obwohl ihr Text mit recht großer Sicherheit zu erkennen ist, nicht den „archimedischen Punkt der Pentateuchforschung“ (so noch Schmid 2003, 19) bilden kann. Die narrative Grundlage muss vielmehr im übrigen Text gesucht werden. Die Priesterschrift wiederholt den dort geschaffenen Ablauf, gestaltet ihn aber im einzelnen auf so andere Weise, dass ihr eine Ergänzung der bisherigen Pentateuch-Erzählung nicht möglich war. Die Pentateuchquellen stehen nebeneinander, nicht ineinander.

So erklärt sich der Siegeszug, den die neuere Urkundenhypothese seit Hupfeld (1853) erlebt hat. Hupfeld ist nur darin zu widersprechen, dass es eine zweite nicht-priesterliche Urkunde, den → Elohisten, gegeben hat. Die Texte, die dieser dritten Pentateuchquelle zugeschrieben wurden, bilden keine redaktionelle Einheit (vgl. Volz / Rudolph 1933).

Die Scheidung der Quellen P und J setzt voraus, dass es eine Redaktion gab, die sie miteinander verwoben hat. Das ungewöhnliche Nebeneinander zweier Entwürfe der Geschichte des Gottesvolks fand ein Ende, und zwar, an der Entwicklung des Pentateuchs gemessen, schon früh. Sie zu einer einzigen Darstellung zu vereinen, lag in der (religiösen) Natur der Sache (Donner 1994). Das so entstandene Erzählwerk umfasst nur den kleineren Teil des heutigen Textes. Es bildete fortan die Grundlage des umfangreichen Wachstumsprozesses, aus dem der Pentateuch hervorging. Insofern verbinden sich Urkundenhypothese und Ergänzungshypothese auf ungezwungene Weise.

3. Die Bezeichnung des Werks

Der Kunstname „Jahwist“, der für die ältere der beiden Urkunden des Pentateuchs üblich wurde, geht darauf zurück, dass diese Pentateuchquelle von ihrem Anfang in Gen 2 an den Gottesnamen יהוה jhwh verwendet und in Gen 4,26 ausdrücklich die Verehrung Jahwes beginnen lässt, wohingegen in der Priesterschrift der Gottesname erst in Ex 6,2 dem Mose offenbart wird. In der Urgeschichte Gen 1-11 gebraucht die Priesterschrift stattdessen die Gottesbezeichnung אֱלֹהִים ’älohîm („Elohim“) „Gott“, in der Vätergeschichte ab Gen 17 den Namen אֵל שַׁדַּי ’el šaddaj („El Schaddaj“), der in den deutschen Bibeln in Anlehnung an die → Septuaginta mit „der allmächtige Gott“ wiedergegeben wird (→ Gottesbezeichnungen). Da der Wechsel der Gottesnamen bei der Scheidung der Quellen das auffälligste Kriterium war, lag es nahe, die Urkunden nach diesem Kriterium zu bezeichnen. Eichhorn sprach von der „Urkunde mit dem Nahmen Jehova“ neben der „Urkunde Elohim“ (Eichhorn 1787, 278 u.ö.). Karl David Ilgen 1798 nannte den Verfasser (bzw. Sammler) „Elijah Harischon“. Hupfeld (1853, 101), bei dem die Quelle ihre spätere Kontur gewann, nannte sie „Die Quelle der Jhvistischen Bestandtheile oder die Jhvhurkunde“.

August Dillmann (1875, XII), der an Hupfeld anknüpfte, wählte allerdings das Siglum „C“, wie schon Astruc die betreffenden Texte als „B“ bezeichnet hatte. Wellhausen (1876, 1f.) wandte gegen Dillmann ein, dass mit „C“ eine Vorentscheidung zur relativen Datierung verbunden sei, und entschied sich, die Quelle „Jahvist“ oder „J“ zu nennen. Dabei ist es geblieben. Das Siglum „J“ wird auch im Englischen verwendet, obwohl die Quelle dort „Yahwist“ genannt wird. Als man bemerkte, dass das Werk in sich wiederum literarisch geschichtet ist, kamen weitere Siglen hinzu wie J1 J2 J3 (Wellhausen 1876, 207; Budde 1883, 227f.; Smend 1912, 342; Simpson, 1948, 34), Je Jj Jr Ja Jb (Gunkel, 1910, 3f. 161f. u.ö.). Es gab auch den Vorschlag, J in zwei Quellen aufzuspalten: J und L (Eißfeldt, 1922, XII: „Laienquelle“), oder J und N (Fohrer 1965, 173-179: „Nomadenquelle).

Betrachtet man das Werk unter redaktionsgeschichtlichem Gesichtspunkt, so legt es sich nahe, innerhalb von J zwischen den vorredaktionellen Quellen JQ und der Redaktion JR zu unterscheiden und spätere Zusätze, die das Werk noch erfuhr, bevor es von der Redaktion RJP mit der anderen Pentateuchquelle P vereint wurde, JS zu nennen (Levin 1993, 80).

4. Die redaktionsgeschichtliche Absicherung der Hypothese

Seit Hupfeld die Konturen der Pentateuchquellen im einzelnen nachgezeichnet hatte, war es möglich, die literarische Eigenart des jahwistischen Werks einigermaßen schlüssig zu beschreiben (dazu vgl. neben den älteren Lehrbüchern der „Einleitung in das Alte Testament“ besonders Holzinger 1893, 72-173). Die Hypothese litt aber daran, dass J überwiegend auf analytischem Weg erfasst wurde. Lange Zeit galt die Regel: „Am sichersten sagt man zunächst negativ: J ist in der vorpriesterschriftlichen Pentateucherzählung ungefähr das, was nicht redaktionell und was nicht elohistisch ist“ (Smend 1989, 86).

Zwischenzeitlich kam die Vermutung auf, dass der Aufriss auf eine seit alters vorgegebene Tradition zurückgehe, die in den summarischen Glaubensbekenntnissen, zum Beispiel dem „Kleinen geschichtlichen Credo“ Dtn 26,5b-9, bewahrt geblieben sei. Diese Annahme, die vor allem von → Gerhard von Rad vertreten wurde (von Rad 1938/1958, 11-16), hat sich nicht bewährt. Die Summarien gehen der Gesamtdarstellung nicht voraus, sondern fassen sie nachträglich zusammen (Rost 1965; Richter 1967; Lohfink 1971). Stattdessen gilt Wellhausens Feststellung: „Wo es sich … nicht um Geschichte, sondern um Sagen über die Vorgeschichte handelt, da kann die Anordnung des Stoffes nicht mit dem Stoffe selber gegeben sein, sondern muß auf dem Plane eines Darstellers beruhen“ (Wellhausen 1878/1905, 294).

Als in den 1960er Jahren die Blüte der redaktionsgeschichtlichen Forschung begann, suchte man folgerichtig nach den Spuren eines Verfassers, um sie von der vorgegebenen Überlieferung zu unterscheiden. Am Anfang stand die Frage nach dem „Kerygma des Jahwisten“, die Hans Walter Wolff 1964 gestellt hat. Wolff setzte bei Schlüsseltexten wie der großen Verheißung an Abraham in Gen 12,1-3 ein und suchte von dort aus nach weiteren genuin jahwistischen Passagen. Über eine tendenzkritische Arbeitsweise kam er noch nicht hinaus.

Anders Rudolf Kilian (1966, 1-35), der in den Abrahamüberlieferungen Gen 12-13 und Gen 18-19 mit Hilfe der Literarkritik die jahwistische Überarbeitung von der vorjahwistischen Sammlung unterschied. Es folgten vergleichbare Untersuchungen von Renate Friebe 1967 zum Plagenzyklus, von Volkmar Fritz 1970 zu den Wüstenüberlieferungen und von Erich Zenger 1971 zur Sinai-Theophanie. Zenger schloss: „Die theologische Grundstruktur ergibt sich vor allem aus jenen Texten, die der Jahwist selbst verfaßt hat, um mit ihnen seinen geschichtstheologischen Rahmen zu schaffen, in den er eine Reihe von Erzählungskränzen, die ihm bereits fest formuliert vorlagen, eingegliedert und damit theologisch neu gedeutet hat“ (Zenger 1971, 138).

Peter Weimar legte 1977 einen ersten Gesamtentwurf vor und Christoph Levin 1993 eine vollständige Analyse, die literarkritisch jenen Text, den der Jahwist selbst verfasst hat, von den vorredaktionellen Quellen einerseits und den umfangreichen späteren Ergänzungen andererseits unterschied (zusammenfassend Levin 2004a). Dabei musste auch die Abgrenzung des Gesamtwerks an vielen Stellen korrigiert werden. Eine hypothetische Rekonstruktion des Textes des jahwistischen Werks findet sich unter http://www.at1.evtheol.uni-muenchen.de/personen/levin/texte/jahwist.pdf.

5. Weitere Vorschläge zur Literaturgeschichte des nicht priesterschriftlichen Textbestands

Neben einer jahwistischen Quellenschrift, die aus älteren Quellen (JQ), der jahwistischen Redaktion (JR) und späteren Zusätzen (JS) besteht, werden gegenwärtig andere Möglichkeiten vertreten.

(1) John Van Seters (1992 und 1994) rechnet für das nicht priesterschriftliche Material des Hexateuchs (= Genesis bis Josua) mit einem Historiker „Yahwist“, den er in nachdeuteronomistische Zeit datiert. Dieser Yahwist habe, ähnlich wie der griechische Geschichtsschreiber Herodot, die umlaufenden Traditionen gesammelt, aber mit eigenen Worten wiedergegeben. Die Vorstellung vom Jahwisten als Erzähler lebt wieder auf, die die frühere Forschung geprägt hat. Zum Werk dieses Historikers rechnet Van Seters auch solche Texte, die sonst als elohistisch oder deuteronomistisch gelten. Eine redaktionsgeschichtliche Lösung lehnt Van Seters 2006 entschieden ab.

(2) Hans-Christoph Schmitt versteht die „jahwistische Pentateuchschicht“, die bei ihm weniger umfangreich ist als bei Van Seters, ebenfalls als ein Sammelwerk, wenn auch nicht eines Historikers, sondern „eines unterschiedliche mündliche und auch schriftliche Überlieferungen verbindenden ‚Schriftgelehrten‘“, der in exilischer Zeit unter dem Thema „Israel als Segen für die Völker“ (vgl. Wolff 1964) Überlieferungen und Texte aus der Königszeit zusammengestellt habe. Zu seinen literarischen Quellen gehörte wahrscheinlich auch das „Elohistische Geschichtswerk“ (E). Die literarische Gestalt von J sei in einem „sukzessiven Prozess“ entstanden, der erst in nachexilischer Zeit zum Abschluss gekommen sei (2011, 208-223).

(3) Für Erhard Blum (1984 und 1990) geschah die Verknüpfung der großen Überlieferungseinheiten, die zuvor schon teilweise, unter anderem zu einer Vätergeschichte (VG), verbunden worden waren, im Rahmen einer deuteronomistischen Komposition KD (neuerdings eingeschränkt auf die Bücher Exodus bis Numeri). Die Vermutung, dass deuteronomistische Redaktoren an der Komposition beteiligt gewesen sind, liegt nahe, spätestens sobald der Tetrateuch (= Genesis bis Numeri) oder eine Vorform in den heutigen Zusammenhang mit den Büchern (Deuteronomium +) Josua bis Könige gestellt wurde (vgl. Smend 1989, 63; → Deuteronomismus). Innerhalb des Tetrateuchs jedoch bilden jene Texte, die deuteronomistische Theologie und Sprache erkennen lassen, keine einheitliche redaktionelle Ebene. Sie schaffen nicht die Komposition, sondern setzen sie voraus.

(4) Für Reinhard G. Kratz beruht der nichtpriesterschriftliche Hexateuch auf zwei selbständigen, in gewissem Grade konkurrierenden Ursprungslegenden aus dem 7. Jh. v. Chr.: (1) einer „jahwistischen“ Ur- und Vätergeschichte in Gen 2-35 (JG), die später um die Josefsgeschichte erweitert worden sei (JS), und (2) der Exoduserzählung in Ex 2 - Jos 12 (EG), die später noch um weitere Stoffe angereichert wurde (ES). Die redaktionelle Bearbeitung in der Genesis sei von deutlich anderer Art gewesen als die in Exodus bis Josua. Diese beiden Erzählungswerke seien in frühnachexilischer Zeit zu JE zusammengefasst worden (2000, 304-313).

(5) Das „Münsteraner Pentateuchmodell“ nimmt an, dass der übergreifende Erzählzusammenhang des nachmaligen Hexateuchs (Gen 2 bis Jos 24) bereits in vorexilischer Zeit entstanden sei (Zenger 1995/2012, auch vertreten von Ch. Dohmen, Ch. Frevel, F.-L. Hossfeld, M. Konkel, P. Weimar). Erzählkränze und einzelne Erzählungen von der Menschenschöpfung bis zur Eroberung Kanaans seien in der 2. Hälfte des 7. Jh.s v. Chr. im Umfeld des Jerusalemer Hofs zum „Jerusalemer Geschichtswerk“ (JG) zusammengestellt und „durch eigens geschaffene ‚Brückentexte‘“ (Gen 15; Ex 34; Jos 24) „theologisch zusammengebunden“ worden (Zenger 2012, 123). Dafür wird vorausgesetzt, dass die alttestamentliche Bundestheologie schon in der Königszeit bestanden habe – eine Annahme, der das „Bundesschweigen“ der vorexilischen Propheten ebenso entgegensteht wie der Umstand, dass die Bundestheologie im Kern eine Transformation der Königsideologie darstellt, die erst nach dem Ende des Königtums religionsgeschichtlich plausibel ist. Literaturgeschichtlich erweisen sich die mutmaßlichen Brückentexte als späte Kompositionen, die im Falle von Gen 15 und wahrscheinlich auch Jos 24 sogar die Verbindung mit der Priesterschrift schon voraussetzen.

(6) Mehrere Exegeten sehen wieder, wie im frühen 19. Jh., in der Priesterschrift die Grundschrift, in die die nichtpriesterlichen Erzählblöcke nachträglich eingestellt worden seien (vgl. den Sammelband Gertz / Schmid / Witte 2002 und dazu die Rezension von Levin 2004b). Nach Jan Christian Gertz (2006/2010, 217) haben die eigenständigen vor- bzw. nichtpriesterlichen Literaturwerke (Urgeschichte, Vätergeschichte, Exoduserzählung) „niemals einen geschlossenen nichtpriesterlichen Erzählungszusammenhang im Sinne eines Jahwisten oder ähnlicher Hypothesen gebildet“; die Verknüpfung sei vielmehr erst durch die Priesterschrift geschehen, die die „erste und einzige durchgehende Textschicht im Pentateuch“ dargestellt habe (216). Konrad Schmid (2008, 146) behauptet: „Die Priesterschrift hat – jedenfalls im Bereich Genesis bis Leviticus – als eigentliche Grundschrift des Pentateuchs zu gelten. Ihre Texte organisieren dessen Ablauf, die nichtpriesterlichen Anteile sind in ihn eingestellt und redaktionell von ihm bestimmt.“ Wesentliches Argument ist, dass die ausdrücklichen Querverbindungen innerhalb des Pentateuchs, wie sie sich etwa in Gen 15,13-16; Gen 46,2-4 finden, erst spät hinzugefügt wurden (vgl. Kessler 1972; Römer bei Dietrich 2014, 76). Diese Beobachtung ist zutreffend, gibt aber literaturgeschichtlich nicht den Ausschlag, da die Querverbindungen den Erzählzusammenhang nicht begründen, sondern voraussetzen.

Die Behauptung, dass erst die Priesterschrift den Zusammenhang zwischen den Büchern Genesis und Exodus geschaffen habe, scheitert definitiv an der Lückenhaftigkeit der Priesterschrift (s.o. 2.), auf die besonders Blum hingewiesen hat (1984, 426f.). Tatsächlich besteht die Priesterschrift aus einer Folge von Bruchstücken, die im vorliegenden Text literarisch nicht mehr zusammenhängen und die deshalb, redaktionsgeschichtlich gesehen, nicht die Grundlage des Textaufbaus gebildet haben können. Dass die Vätergeschichten neben der Darstellung des Buches Exodus eine eigene Ursprungserzählung gebildet hätten, so dass die Ursprünge Israels doppelt begründet seien (so besonders Schmid 1999), trifft nur mit erheblicher Einschränkung zu. In der Geschichtsperspektive des Gesamtwerks bilden vielmehr die Vätererzählungen die gegenwärtige Erfahrung der Adressaten ab, der Exodus aber die verheißene Zukunft (Levin 2014, 135-137).

6. Der Umfang des Werks

Die Quelle J beginnt in Gen 2,5 mit der Beschreibung der Welt vor der Schöpfung. Traditionell wird Gen 2,4b hinzugenommen; doch dieser halbe Vers ist besser als das redaktionelle Bindeglied zwischen erstem und zweitem Schöpfungsbericht zu verstehen (Schmidt 1973, 196 Anm.1; Smend 1989, 40). Die Kennzeichen der Redaktion brechen mit Num 24 ab. Anschließend lassen sich nach dem Beispiel von Num 20,1 nur Num 25,1a und Dtn 34,5*-6* noch hinzufügen: „Und das Volk wohnte in Kadesch. Dort starb Mirjam und wurde dort begraben. Und Israel wohnte in Schittim. Dort starb Mose und wurde begraben“ (vgl. Wellhausen 1876/1963, 116). Mit dem Ort Schittim könnte zugleich der Anknüpfungspunkt für das Deuteronomistische Geschichtswerk gegeben sein (vgl. Num 25,1 mit Jos 2,1 und Mi 6,5).

Man hat dem Jahwisten auch einen Landnahmebericht zuschreiben wollen. Eduard Meyer (1881, 133-141) fand ihn in Ri 1. Diese Annahme hat sich in der weiteren Arbeit an Ri 1 nicht bewährt (jüngste Bearbeitung Rake 2006). Eindeutige Kennzeichen der jahwistischen Redaktion finden sich hingegen in den Erzählungen von → Gideons Berufung Ri 6,11-24 und von der Ankündigung von → Simsons Geburt Ri 13,2-24 (so schon Böhme 1885). Wie sie sich zu dem Jahwisten im Pentateuch verhalten, ist ungeklärt.

Auch Ex 20,24b folgt jahwistischer Tendenz und Sprache: „An jedem Ort, an dem ich meinen Namen kundmachen werde, will ich zu dir kommen und dich segnen.“ Die Aussage ist ein Zusatz zum Altargesetz des Bundesbuches Ex 20,22-23,33, der sich gegen die Zentralisation des Jahwekults (Dtn 12) richtet und darin offensichtlich die Belange der jüdischen Diaspora vertritt (Levin 2000, 122-126). Da das Bundesbuch erst im Anschluss an den Dekalog in die Sinai-Perikope kam (Levin 1985, 180f.), kann der Zusatz nicht auf den Jahwisten zurückgehen. Er belegt aber, dass die jahwistische Redaktion keine isolierte Erscheinung war, sondern in einem breiteren religiösen und sozialen Umfeld gesehen werden muss.

Nicht nur das Bundesbuch hat im jahwistischen Werk gefehlt, sondern der gesetzliche Stoff des Pentateuchs überhaupt. Die Spuren der Redaktion lassen sich allein in den erzählenden Teilen finden. Deshalb fehlt J zwischen Ex 34 und Num 10 sowie darüber hinaus in weiten Teilen der Bücher Exodus und Numeri. Im Deuteronomium kann allenfalls der Tod des Mose in Dtn 34 für J in Anspruch genommen werden. Der vergleichsweise dünne Erzählfaden stellt aber die Hypothese nicht in Frage. Das Problem wiederholt sich nämlich bei der Priesterschrift, die in ihrer ursprünglichen Fassung ebenfalls nur wenig gesetzliches Material enthalten hat.

7. Die älteren Erzählkränze

Parallel zu der redaktionsgeschichtlichen Frage entwickelte sich in der jüngeren Forschung ein genauerer Blick auf das vorredaktionelle Erzählmaterial. Man wurde zunehmend darauf aufmerksam, dass die Erzählung des Pentateuchs auf sechs großen Erzählkränzen beruht, die als schriftliche Einheiten ursprünglich je für sich überliefert wurden: (1) der Urgeschichte Gen 1-11 (dazu Crüsemann 1981); (2) der Vätergeschichte Gen 12-35; (3) der Josefsgeschichte Gen 37 und Gen 39-50; (4) den Mose-Erzählungen Ex 2-4; (5) den Erzählungen vom Wüstenzug der Israeliten Ex 12 - Num 20 + Dtn 34*; und (6) der Erzählung von Bileam Num 22-24. Diese Erzählkränze haben in sich bereits eine längere literarische Entwicklung erfahren, ehe sie von der jahwistischen Redaktion untereinander verknüpft wurden.

7.1. Die Urgeschichte

Die → Urgeschichte beruht auf einer Erzählung vom Ursprung der Menschen, einer Anthropogonie. Sie beginnt wie das babylonische Weltschöpfungsepos → Enuma elisch mit dem Zustand der Welt vor der Schöpfung (zum Text vgl. TUAT III/4, 569 [W.G. Lambert]): „Ehe alles Gesträuch des Feldes auf der Erde war“ (Gen 2,5). Im Unterschied zur babylonischen Mythologie aber bildet nicht die Erschaffung der Götter den ersten Akt. Die Schöpfung beginnt mit dem Menschen. Ein einziger Gott geht dabei wie ein Töpfer zu Werk. Nachdem er seinem Geschöpf den Atem in die Nase geblasen hat, pflanzt er für ihn einen Garten als Lebensraum in dem östlich gelegenen → Eden. Danach erschafft Gott die Tiere und schließlich aus der Rippe des Menschen die Frau (Gen 2,21-22; → Paradieserzählung). Die beiden Urmenschen zeugen einen Sohn, den → Kain. Aus ihm geht eine Folge von Generationen hervor, die auf → Noah und seine drei Söhne Sem, Ham und Jafet führt. Diese Generationenfolge mündet in die → Völkertafel (Gen 10), die die Völker der gegenwärtigen Welt nach Wohnsitzen und Sprachen gliedert und genealogisch verknüpft. Da Babylonien und Persien nicht genannt sind, wohl aber Assur, legt sich das 7. Jh. als Entstehungszeit nahe. Die heute verbreitete Zuordnung der Völkertafel zur Priesterschrift geht auf Schrader (1863, 33f.) und ihm folgend Nöldeke (1869, 14f.) zurück, verstößt aber gegen den klaren Aufbau der Priesterschrift, in der auf die Sintflut die Genealogie Sems Gen 11,10-26 gefolgt ist (vgl. noch Hupfeld 1853, 17).

In diese Stammliste sind nachträglich Notizen von der Entstehung der Kulturfertigkeiten eingeflossen: Viehzucht und Ackerbau, Städtebau, Musik, Schmiedekunst (Gen 4,2.17.20-22). Der umfangreichste, noch etwas spätere Einschub aber ist die Überlieferung von der → Sintflut (Gen 6-9), die eine aus Mesopotamien bekannte, uralte Überlieferung für hebräische Leser variiert (zum mesopotamischen Text vgl. Lambert / Millard 1969). Bevor die Menschheit sich über die Erde verbreitet, kehrt das → Chaos noch einmal zurück. Der Flutheld Noah überlebt durch die Fürsorge des Gottes Jahwe und wird zum zweiten Vater der Menschheit. Die Sekundarität dieser Abfolge wird an den kulturgeschichtlichen Notizen in Gen 4 am deutlichsten. Sie sind nicht darauf angelegt, dass nach der Flut alles von vorn beginnt (Wellhausen 1876/1963, 10).

7.2. Die Vätergeschichte

Die Geschichte von → Abraham, → Isaak und → Jakob (→ Erzeltern) hat drei große, kunstvoll ausgestaltete Erzählungen zur Grundlage: die Brautwerbung für Isaak (Gen 24), den Segensbetrug Jakobs (Gen 27), sowie die Heirat Jakobs mit den Töchtern → Labans und die Geburt seiner Söhne (Gen 29-30). Diese Erzählungen sind durch Gen 24,67aβ; Gen 25,21bβ.24-26a.27; Gen 28,10 mit wenigen Stichen untereinander vernäht worden. Voran geht die Geburt der Söhne Abrahams. Da → Sara zunächst unfruchtbar ist, gibt sie Abraham ihre Magd → Hagar zur Frau, die den → Ismael gebiert (Gen 16,1.3aα.b.4a.15). Danach wird Sara selbst schwanger und gebiert den Isaak (Gen 21,2-3.8). Alle Begebenheiten spielen in der Familie, und mehr noch: der Fortbestand der Familie ist ihr einziger Stoff: Heirat, Nachkommenschaft und Erbfolge. Die Figuren sind nicht Repräsentanten, sondern Individuen. Auffallend ist der weite geographische Horizont. Abraham siedelt in der Steppe Richtung Ägypten (Gen 20,1). Isaak wohnt in Beerscheba an der Südwestgrenze Judas (Gen 28,10). Das Land ihrer Verwandtschaft ist das nördliche Syrien (Gen 24,4.10; Gen 27,43). Ein Fragment eigener Art sind die Erzählungen von Isaak in Gerar in Gen 26, mit denen die Abfolge zwischen Gen 25 und Gen 27 unterbrochen wird.

Diese Familienerzählung ist nachträglich zu einer Ursprungsgeschichte Israels ausgestaltet geworden. Die Erzählung von Abraham wurde um die Überlieferung von → Lot ergänzt, die wissen will, dass dort, wo sich das Tote Meer befindet, einst die Stadt → Sodom gelegen habe, die wegen der Ruchlosigkeit ihrer Bewohner untergegangen sei (Gen 13; Gen 18-19). Lot, dem Inferno entronnen, zeugt mit seinen beiden Töchtern die Söhne → Moab und → Ammon, aus denen die ostjordanischen Königtümer hervorgehen (Gen 19,30-38). Jakob gilt nunmehr als Stammvater Israels wie → Esau als der Stammvater → Edoms und Laban als Repräsentant der Aramäer. Auf seiner Flucht vor Esau gründet Jakob das Heiligtum von → Bethel, das bedeutende Königs-Heiligtum des Nordreichs Israel (Gen 28,11-19). Bei seiner Rückkehr gibt er dem Gebirge → Gilead den Namen (Gen 31,48), gründet Mahanajim im Ostjordanland (Gen 32,2-3), pflanzt den Debora-Baum bei Lus (Gen 35,8) und errichtet das Rahel-Grab bei Ephrat (Gen 35,20).

Der Schauplatz dieser Nationalisierung ist das Nordreich Israel oder seine Einflusssphäre. Deshalb fällt auf, dass das Königtum in den Erzählungen nicht vorkommt. Als Kultgründer übernimmt Jakob / Israel selbst die königliche Rolle. Man kann daraus mit einiger Vorsicht entnehmen, dass diese Umgestaltung nach dem Ende des Königtums geschehen ist, das im Jahre 722 den → Assyrern erlag. Sie könnte auf Angehörige der Oberschicht zurückgehen, die bei der Eroberung Samarias nach Juda geflohen sind. Dafür spricht auch der Eindruck, dass die Erzählungen die Lage einer nicht sesshaften Minderheit schildern.

7.3. Die Josefsgeschichte

Die Erzählung von → Josef und seinen Brüdern spielt wieder im Bereich der Familie. In ihrer ältesten Gestalt ist sie ein Märchen. Wie viele Märchen beginnt sie mit dem Geschwisterkonflikt: Der Vater bevorzugt den Jüngsten und erregt die Eifersucht der Brüder. Sie verkaufen Josef nach Ägypten (Gen 37). Dort steigt er am Ende eines Weges voll Erniedrigungen zum ersten Mann nach dem Pharao auf (Gen 41). Hinter der Szene von dem Verführungsversuch durch „Potiphars Weib“ (Gen 39,6-20) steht das ägyptische Brüdermärchen aus der Zeit der 19. Dynastie (zum Text TUAT.E 147-165 [C. Peust] und Brunner-Traut 1996). Später ist die Josefsgeschichte zu einer Novelle ausgestaltet worden, die das wechselvolle Geschick ihres Helden als Beispiel der Führung Jahwes zu verstehen gibt.

7.4. Die Erzählungen von Mose

Von diesem Erzählkranz ist nur der Anfang erhalten geblieben. → Mose, von Geburt ein → Levit, wird in einem Kästchen im Nil ausgesetzt und von der Tochter des Pharao adoptiert. Das soll seinen ägyptischen Namen erklären (Ex 2,1-10). Für diese Episode ist die Herkunftserzählung des Königs Sargon von Akkad abgewandelt worden, die in neuassyrischer Fassung erhalten ist (zum Text TUAT.E 55-57 [K. Hecker]; → Säugling mit dem Text der Sargonlegende). Als ruchbar wird, dass Mose in einem Konflikt als Rächer eingeschritten ist, muss er vor dem Pharao fliehen (Ex 2,11-15a). Im nordwestarabischen Midian verschwägert er sich mit dem Priester (Ex 2,15b-22). Nach dem Tod des Pharao (Ex 2,23aα) kehrt Mose nach Ägypten zurück (Ex 4,20a). Hier bricht die Quelle ab. Eingeschoben ist in Ex 3,1.2b.4b-5 die Kultätiologie vom brennenden Dornbusch in der Wüste. Auch sie belegt, dass die Rolle des Mose die eines (levitischen) Priesters gewesen ist.

7.5. Die Überlieferung vom Auszug aus Ägypten

Die Wanderung der Israeliten (→ Exodustradition) beginnt in der Deltaresidenz → Ramses’ II. (Ex 12,37a) und führt über die Stationen Sukkot, Etam (Ex 13,20), Wüste Schur (Ex 15,22), → Mara (Ex 15,23), Elim (Ex 15,27), Wüste → Sin (Ex 16,1), → Refidim (Ex 17,1), Wüste → Sinai (Ex 19,2) bis nach → Kadesch an der Südgrenze Judas (Num 20,1a) und dem anscheinend in der Nähe gelegenen Schittim (Num 25,1a). Das Verzeichnis der Weg-Stationen bildet einen Erzählfaden, an dem eine Kette von Episoden aufgereiht sind: das Bitterwasser in Mara (Ex 15,23) und die Palmenoase Elim (Ex 15,27), die Ernährung mit einem Schildlaussekret, das „Man“ genannt wird (Ex 16,13b-15a.21.31; → Manna), und die Ernährung mit → Wachteln (Num 11,31-32).

Der Ablauf wird von zwei Einschaltungen unterbrochen, in denen Mose erstmals auftritt: dem Wunder am Meer (Ex 14*) und der Gottesbegegnung auf dem Gottesberg in der Wüste Sinai (Ex 19,2b-3a; Ex 24,18b; Ex 34,28aβγ), die später im Verlauf einer langen literarischen Entwicklung zum Ort des alttestamentlichen Gesetzes geworden ist. Neben Mose ist auch die Prophetin → Mirjam genannt, die nach der Rettung am Meer das Siegeslied anstimmt (Ex 15,20-21) und deren Tod in Kadesch (Num 20,1b) berichtet wird, ähnlich wie der Tod des Mose (Dtn 34,5-6*).

7.6. Die Überlieferung von Bileam

Zwischen dem Tod der Mirjam und dem Tod Moses ist als letzte große Einheit die Erzählung von dem Seher → Bileam eingefügt worden, der von dem Moabiterkönig → Balak gedungen wird (→ Moab), Israel zu verfluchen, es aber stattdessen segnet (Num 22-24). Sie spiegelt die Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinem zeitweiligen Vasallenkönigtum Moab wider. Auch hier ist das Alter durch eine außerbiblische Quelle verbürgt: der aramäischen Bileam-Inschrift von Tell Dēr ‘Allā (→ Sukkot [Tell Der Alla]; Koordinaten: 2088.1782; N 32° 11' 46'', E 35° 37' 15'') im östlichen Jordangraben (zum Text: TUAT II/1, 138-148 [J. Hoftijzer]; jüngste eingehende Bearbeitung Blum 2008). Die redaktionelle Einschaltung hat zur weiteren Folge, dass die Einwanderung der Israeliten nun nicht mehr auf direktem Wege von Süden, sondern über das Ostjordanland geschieht.

8. Die Auswahl der vorredaktionellen Quellen

Die sechs vorredaktionellen Erzählblöcke wurden in einem einzigen Schritt zu der heute vorliegenden Abfolge verbunden; denn die Auswahl zeigt ein klares Muster und ist daraufhin eines der stärksten Argumente dafür, dass eine eigene Redaktion am Werk gewesen ist. Alle Erzählungen – mit einer Ausnahme – spielen außerhalb des Landes Israel und Juda. Sie schildern die Träger der Handlung als Fremde: Hagar in der Wüste (Gen 16); Lot in Sodom (Gen 13; Gen 19); Abrahams Knecht in Mesopotamien (Gen 24); Isaak bei den Philistern (Gen 26); Jakob in Haran (Gen 29-31); Josef in Ägypten (Gen 39-45); ebendort später die Israeliten (Gen 46 - Ex 12); Mose in Ägypten (Ex 2) und später in Midian (Ex 3-4); das Volk auf dem Zug in der Wüste (Ex 12 - Num 24). Mirjam (Num 20,1) und Mose (Dtn 34,5-6) sterben vor den Toren des verheißenen Landes.

Die Regel zeigt sich an der Ausnahme: den Abrahamerzählungen (Gen 12; Gen 16; Gen 18; Gen 21), die auf dem israelitischen Gebirge spielen. Denn auch Abraham wird zum Fremdling erklärt (→ Fremder). Dazu ist Israels Land mit Hilfe der künstlichen Unterscheidung von Israeliten und Kanaanitern in einem bewussten Anachronismus zur Fremde erklärt worden: „Damals waren die Kanaaniter im Lande“ (Gen 12,6), und „(erst) deinen Nachkommen will ich dieses Land geben“ (Gen 12,7). Dass die Israeliten das Land besaßen, soll noch in der Zukunft gelegen haben. Es ist folgerichtig, dass Jakob und seine Söhne das Land später verlassen und die Israeliten erst danach wieder zurückkehren. Das jahwistische Werk ist eine Geschichte der Fremdlingschaft. Es richtet sich an Judäer, die nicht in ihrem angestammten Land leben.

9. Die Datierung

Seitdem sich im letzten Drittel des 19. Jh.s die Spätdatierung der Priesterschrift durchgesetzt hat, wurde der Jahwist der Frühzeit zugewiesen. Man verstand die ältere Pentateuchquelle als die Sammlung der aus der vorköniglichen Zeit stammenden Überlieferungen, die zu Beginn der Königszeit, in der salomonischen Zeit des 10. Jh.s, unternommen wurde, um bei dem kulturellen Wandel, der mit der Einführung des Königtums einherging, die älteren Traditionen für die kommenden Generationen zu bewahren (Schmidt 1979/1995, und viele andere). Wesentliche Argumente sind, dass der Jahwist eine Geschichte (noch) ohne Könige schildert, dass er Israel und Juda (noch) als Einheit versteht und dass er die Zentralisation des Jahwekults (noch) nicht voraussetzt, weshalb er mit dem Deuteronomium und dem Deuteronomismus nicht vereinbar ist.

Doch als redaktionelles Sammelwerk, das auf schriftlichen Quellen beruht, setzt der Jahwist wie andere Werke dieser Art den Untergang des israelitischen und judäischen Königtums voraus. Die Könige fehlen, weil es sie nicht mehr gibt. Die Einheit von Israel und Juda ist möglich, weil Israel als politische Einheit untergegangen ist und mittlerweile Juda die Tradition von Ganz-Israel zu vertreten beansprucht. Die Zentralisation des Jahwekultes ist nicht unbekannt, sondern wird programmatisch abgelehnt (Levin 2000). Das Werk reagiert auf die Lage der beginnenden jüdischen → Diaspora, die es theologisch verarbeitet. Die Schilderung Jahwes als des Himmelsgotts (ausdrücklich Gen 24,3, indirekt Gen 11,5; Gen 18,21; Ex 3,8; Ex 34,5) weist schon auf die persische Zeit voraus.

10. Die Kennzeichen der jahwistischen Redaktion

Jede redaktionsgeschichtliche Hypothese beruht auf der literarkritischen Unterscheidung zwischen vorredaktionellen Quellen und den literarischen Ergänzungen des Redaktors, der die Quellen ausgewählt, angeordnet, verbunden und im Sinne seines literarischen und theologischen Ziels bearbeitet hat. Von einer Redaktion kann nur dann gesprochen werden, wenn die redaktionelle Ebene sich nicht nur literarkritisch von den Quellen abheben lässt, sondern sich auch positiv durch bestimmte sprachlich-stilistische und inhaltliche Merkmale als Zusammenhang zu erkennen gibt.

Das trifft für den Jahwisten zu. Die ältere Exegese hat das gewusst und regelrechte Verzeichnisse angelegt (Holzinger 1893, 93-110; jetzt Levin 1993, 399-413); nur dass man dachte, mit dem Idiom eines Erzählers zu tun zu haben, und noch nicht sah, dass es im engeren Sinne die Sprache des redaktionellen Textes ist, die dem Werk die stilistische Prägung verliehen hat.

Allerdings darf man solche Kriterien nicht mechanisch handhaben. Die Redaktion hängt im Stil auch von ihren Quellen ab und hat den später noch hinzugekommenen Text wiederum beeinflusst. Die Verbindung mit den Quellen ist im Falle des Jahwisten besonders eng. Deshalb ist die literarische Eigenart nicht so leicht zu erkennen wie der deuteronomistische oder der priesterschriftliche Stil. Die literarkritischen Indizien für die Unterscheidung des redaktionellen vom quellenhaften Text sind aber hinreichend eindeutig. Die Redaktion besitzt ein charakteristisches Profil, das sich von den geläufigen Theologien innerhalb des Alten Testaments und deren Sprache unterscheidet.

Anders als der künstliche Name „Jahwist“ nahe legt, gehört zu den Merkmalen nicht an erster Stelle der Gottesname (vgl. zur Kritik an diesem Kriterium bereits de Wette 1807, 29, und Ewald 1823, 4-122, in jüngerer Zeit Blum 1984, 471-475). Zwar ist der eigene Sprachgebrauch in dieser Hinsicht konsistent, aber der Redaktor hat das religionsgeschichtlich bunte Bild, das seine Quellen boten, belassen (Levin 2012, 162-169). Häufig findet sich deshalb auch beim Jahwisten die Gottesbezeichnung „Elohim“ (Gen 2,5.7-9.15.16.18.19.21.22; Gen 3,8.9.12.21.23, Gen 4,25; Gen 21,6; Gen 27,28; Gen 28,12.17; Gen 32,2-3.29; Ex 3,4; Ex 19,3; Num 22,12.22). Umgekehrt gebrauchen auch die späteren Ergänzer und nicht zuletzt die Priesterschrift den Gottesnamen יהוה jhwh (vgl. bes. Gen 17,1).

Eine Art sprachliches Leitfossil ist die Wendung „Gnade finden in jemandes Augen“ (מצא חֵן בְּעֵינֵי). Sie ist in Genesis bis Numeri 26-mal belegt, wovon 15 Belege auf den Jahwisten zurückgehen (Gen 6,8; Gen 18,3; Gen 19,19; Gen 30,27; Gen 32,6; Gen 33,8.10.15; Gen 39,4.21; Gen 47,29; Ex 3,21; Ex 12,36; Ex 34,9; Num 11,11); die weiteren Belege sind von der jahwistischen Redaktion beeinflusst (Gen 34,11; Gen 47,25; Gen 50,4; Ex 11,3; Ex 33,12.13.13.16.17; Num 11,15; Num 32,5). Die Wendung hat ihre Wurzel im Stil höfischer Rede. Sie betrifft das Verhältnis eines Höherstehenden, meist des Königs, zu einem Tieferstehenden. In den Dialogen redet der Tieferstehende den Höherstehenden mit „mein Herr“ an und nennt sich selbst „dein Knecht“ (Gen 18,3-5; Gen 19,18-19; Gen 32,5-6.19; Gen 33,8.15; Ex 34,9; Num 11,11).

Dass der Redaktor dem höfischen Milieu angehört, zeigt sich auch daran, dass er mit den Redeformen der Rechtspflege sehr vertraut ist. An hervorgehobener Stelle gebraucht er die Anklageformel: „Was hast du getan?“ (Gen 3,13; Gen 4,10). Er kennt das königliche Todesrecht (Gen 2,17), die förmliche Beschuldigung (Gen 43,6) und die Appellation (Gen 16,5). Häufig braucht er das Rechtsinstitut des Zetergeschreis zur Gestaltung von Schlüsselszenen (Gen 4,10; Gen 18,20; Gen 19,13; Gen 27,34; Ex 3,7; Ex 14,10; Ex 15,25; Ex 17,4; Num 11,2).

Ebenso benutzt der Redaktor die Sprache des königlichen Kults. Er gebraucht die Wendungen des Klageliedes des Einzelnen und des Danklieds (Gen 16,11; Gen 29,32.35; Ex 3,7) sowie die Elemente des Heilsorakels, das auf das Klagelied antwortet: die Beruhigungsformel „Fürchte dich nicht“ (Ex 14,13), die Beistandsformel „Ich bin mit dir“ (Gen 26,3.28; Gen 28,15; Gen 31,3; Gen 39,2.3.21.23) und die → Selbstvorstellungsformel „Ich bin Jahwe“ (Gen 28,13). Die Offenbarung an Jakob in Bethel wird vom Redaktor als kultische Gottesbegegnung ausgestaltet (Gen 28,13a.15a.16). Dasselbe gilt für die Gottesbegegnung des Mose auf dem Sinai (Ex 34,5.9a).

Bemerkenswert sind die vielen Fragen: „wer?“, „was?“, „warum?“ (Gen 18,13; Gen 24,23; Gen 27,20; Gen 29,15; Gen 30,31; Gen 32,28.30; Gen 33,8; Gen 37,15.26), vor allem aber „wo?“. „Adam, wo bist du?“ (Gen 3,9) und „Wo ist dein Bruder Abel?“ (Gen 4,9) sind die berühmtesten Beispiele für ein Stilmittel, das in dieser Häufung singulär ist (Gen 16,8; Gen 18,9; Gen 19,5; Gen 32,18; Gen 37,16; Ex 2,20). Darin zeigt sich eine Nähe zum Schulbetrieb der höfischen Weisheit.

Der Redaktor spitzt die Szenen zu Leitsätzen zu, die den Leser anleiten sollen, das Geschilderte auf die eigene Situation zu übertragen. Die Leitsätze unterstreichen die wirksame Gegenwart Jahwes. Viele haben ethische Tendenz. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (Gen 2,18) ist das erste Beispiel. Viele weitere folgen: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein“ (Gen 12,2); „Sollte für Jahwe etwas unmöglich sein?!“ (Gen 18,14).

Weitere Beispiele: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4,9); „Es soll kein Streit sein zwischen mir und dir; denn wir sind Brüder“ (Gen 13,8); „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (Gen 16,13); „Die Sache ist von Jahwe ausgegangen“ (Gen 24,50); „Fürwahr, Jahwe ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht“ (Gen 28,16); „Bist du nicht mein Bruder, und solltest mir umsonst dienen?“ (Gen 29,15); „Ich habe genug, mein Bruder; behalte, was dein ist“ (Gen 33,9); „Was gewinnen wir, wenn wir unseren Bruder umbringen und sein Blut bedecken?“ (Gen 37,26); „Nun weiß ich, dass Jahwe größer ist als alle Götter“ (Ex 18,11); „Ist denn die Hand Jahwes zu kurz?“ (Num 11,23).

Ein besonders wirksames Darstellungsmittel ist das Schema von Ankündigung und Erfüllung (→ Verheißung / Erfüllung). Die Begebenheiten werden nicht einfach als solche dargestellt. Wichtigen Ereignissen geht regelmäßig eine Verheißung voraus (Gen 2,18; Gen 5,29; Gen 8,21; Gen 12,2-3; Gen 16,11; Gen 18,10; Gen 26,3; Gen 28,15a; Gen 31,3; Ex 3,7-8; Ex 14,13; Num 11,23). So will das Werk bei seinen Adressaten Hoffnung wecken. Auch negative Ereignisse wie die Sintflut und die Zerstörung von Sodom werden zuvor angekündigt (Gen 6,5-7*; Gen 18,20-21). Die Drohung für die feindliche Seite bedeutet für die Israeliten ein Schutzversprechen.

11. Das Geschichtsbild

Das Werk verfolgt das Werden des Volkes Israel von der Erschaffung der Welt bis an die Schwelle der Landnahme in Palästina. Geschildert wird eine Geschichte der Fremdlingschaft. Am Anfang steht die Vertreibung aus dem Paradies. Der Weg in die Fremde ist schlimmes Geschick; denn er widerspricht einer anthropologischen Grundgegebenheit: der wesensmäßigen Verbundenheit des Menschen (hebr. אָדָם ’ādām) mit der Erde (hebr. אֲדָמָה ’ādāmāh). Um das zu zeigen, wird die Schöpfungserzählung redaktionell erweitert: Der Mensch ist aus der Erde geschaffen (Gen 2,7a) und wird nach dem Ende seines Lebens zu ihr zurückkehren (Gen 3,19). Die Bäume des Gartens wie auch die Tiere stammen aus der Erde (Gen 2,9.19), mittelbar auch die Frau, da sie aus der Rippe des Menschen gebaut ist. Daseinsaufgabe des Menschen ist, „die Erde zu bebauen, von der er genommen ist“ (Gen 2,5; Gen 3,23), das heißt ein sesshafter Bauer zu sein.

Wird das Verhältnis von Mensch und Erde gestört, ist das ein Fluch. Das erzählt die eingefügte Szene vom Sündenfall (Gen 3). Der Ungehorsam ist eher tragisch als schuldhaft: Die Frau, die noch nicht geschaffen war, als Jahwe das Verbot Gen 2,17 erließ, weiß nicht, dass sie das Verbot übertritt – Die Versuchung durch die Schlange Gen 3,1-5 ist erst von einem späteren Bearbeiter eingefügt worden! –, und der Mann weiß nicht, woher die Frucht stammt, die die Frau ihm gegeben hat. Dennoch führt die Tat zum Verlust der ursprünglichen Heimat. Schlimmer ergeht es Kain. Weil er die Erde mit dem Blut des Bruders getränkt hat, wird er selbst verflucht, vom Kulturland hinweg (Gen 4,11-12). „Unstet und flüchtig“ irrt er über die Erde. Aber das Dasein des Fremdlings kann auch der Auftrag Gottes sein wie bei Abraham (Gen 12,1). Als Gehorsam verstanden, verbindet sich der Weg in die Fremde mit dem Beistand und Segen Jahwes und schließlich mit der Verheißung der Rückkehr (Gen 28,15a; Gen 31,3).

Es ist nicht zu übersehen, dass das jahwistische Werk die Judäer in Exil und Diaspora anspricht und auf die religiöse Herausforderung antwortet, die sich mit dieser Lage verbindet. Die Daseinsbedingungen des Fremdlings werden auf bisweilen drastische Weise ausgemalt. Lot erlebt die Bewohner Sodoms als eine Horde zügelloser Frevler, die sich nicht scheuen, sich an den Gästen, die er ins Haus genommen hat, sexuell zu vergehen (Gen 19,5). Isaak muss fürchten, um seiner Frau willen, die eine begehrenswerte Schönheit ist, von den Philistern ermordet zu werden (Gen 26,7). Josef gerät durch falsche Anschuldigung der Frau seines ägyptischen Herrn ins Gefängnis (Gen 39). Der Pharao presst die Israeliten in Ägypten zu Fronarbeiten mit dem erklärten Ziel, sie zu dezimieren (Ex 1,10-11). Als die Absicht fehlschlägt, befiehlt er den Hebammen, die neugeborenen Söhne der Hebräer zu töten (Ex 1,15-16).

In dieser Lage haben sich besondere Lebensformen und Wertvorstellungen entwickelt. Die Absonderung von der eingeborenen Bevölkerung wird streng gewahrt (Gen 24,3). Interne Auseinandersetzungen werden unter Verweis auf die besondere Zusammengehörigkeit geschlichtet (Gen 13,8). Großes Gewicht kommt der Generationenfolge zu. Um das darzustellen, ist die natürliche Abfolge von Heirat, Zeugung und Geburt mit unnatürlicher Regelmäßigkeit gestört. Sara, Rebekka und Rahel sind alle zunächst unfruchtbar, bis durch Jahwes Einwirken der Erbe geboren wird. Auch die Schwangerschaften von Eva (Gen 4,1), Hagar (Geburtsorakel Gen 16,11) und Lea (Gen 29,31) werden auf Jahwe zurückgeführt. Auf diese Weise wird schon der bloße Fortbestand der Familie zum Beweis für den wirkmächtigen Beistand Jahwes.

Auch die Religion wird durch die Bedingungen der Familie bestimmt. Die Redaktion setzt bei ihren Lesern noch die Auffassung voraus, dass die Wirksphäre des Gottes Jahwe an das Land Israel und Juda gebunden ist. Jahwe hat seine gegebene Bindung an das Land Israel und Juda abgestreift und ist ein Gott geworden, der mitgeht. Die Beziehung zu ihm vermittelt sich nicht mehr, indem seine Verehrer dort siedeln, wo dieser Gott seine traditionelle Wirksphäre hat, sondern weil die Sippe Jahwe verehrt. Jahwe wird zum „Gott der Väter“, „für den nicht die feste Bindung an einen Ort, sondern die ständige Beziehung zu einer Menschengruppe das entscheidende Merkmal ist“ (Alt 1953, 22). Überall, wohin es seine Anhänger verschlägt, stellt er von nun an seine segensvolle Wirkmächtigkeit unter Beweis. Als „Gott des Himmels“ (Gen 24,3) ist er der Schöpfer der Welt und lenkt jedermanns Geschick. Wir beobachten einen tiefgreifenden religionsgeschichtlichen Wandel im Vollzug. Doch auch als Himmelsgott bleibt Jahwe seiner Herkunft verhaftet. Die besondere Beziehung zu seinen Verehrern besteht weiter, ja sie wird der eigentliche Gegenstand der Darstellung.

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