Jebus / Jebusiter
Andere Schreibweise: Jébus; Jebis; Iebus; Jebusi
(erstellt: Oktober 2011)
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Jebus wird im Alten Testament als Name Jerusalems in vorisraelitischer Zeit verwendet. Die Herkunft der Bezeichnung ist jedoch unklar. Vielleicht gab es einst einen Klan, dessen Angehörige sich Jebusiter nannten. Sie siedelten wohl in Zentralpalästina, speziell aber auf dem Südwesthügel Jerusalems, auf den sich die Bezeichnung „Schulter des Jebusiters“ vermutlich bezieht. Der Ortsnamen Jebus ist wohl nur künstlich aus dem Sippennamen gebildet worden, war historisch gesehen also nie als Name Jerusalems gebräuchlich.
1. Name
Es ist umstritten, ob der Ortsname Jebus (hebr. יְבוּס jəvûs, griech. Ιεβους, lat. Iebus) auf eine semitische Wurzel zurückgeführt werden kann (Borée 25). Bei einer innersemitischen Etymologie werden drei Ableitungen diskutiert:
1. Jebus lässt sich als Präfixkonjugation 3. Pers. Maskulinum Singular der Wurzel BÛS „niedertreten“ deuten. An diese Ableitung denkt wohl schon Hieronymus bei seiner Erklärung des Gentiliz Iebusi „Jebusiter“ als calcatus „niedergetreten“ (Liber interpretationis Hebraicorum nominum 13:23). Offenbar denkt er aber auch an eine falsche Lesart, nämlich יבסי anstelle von ישׁבי, wenn er als Alternative praesepe meum „mein Stall“ vorschlägt.
2. Jebus könnte mit der Wurzel יבשׁ JBŠ „vertrocknen“ zusammenhängen, vor allem dann, wenn der Ortsname aus dem Ostjordanland stammt, wo sich die Lautverschiebung [s] → [š] noch nicht durchgesetzt hat (Knauf 288). In den Texten aus Mari ist darüber hinaus amoritisches JBŠ belegt, das dem hebräischen JBŠ entspricht. Demzufolge könnte man Jebus mit „dürrer Ort / Einöde / Trockenplatz“ wiedergeben (Huffmon 38.177; Priebatsch 19), was allerdings für Jerusalem aufgrund der guten Wasserversorgung durch die Gihon-Quelle gerade nicht zutrifft.
3. Schließlich könnte Jebus zumindest akustisch mit der Wurzel בזז BZZ „erbeuten / plündern“ zusammengebracht werden (Hübner 32), so dass damit auf die Eroberung der Stadt angespielt worden wäre. Fraglich ist allerdings, weshalb man das intendierte Wortspiel nicht durch die richtigen Konsonanten ausgedrückt hat.
Ausgehend vom Ortsnamen wird der Volksname יְבוּסִי
jəvûsî „Jebusiter“ durch die Anfügung der Gentiliznisbe -î gebildet. Er wird meist mit Artikel determiniert (außer 2Sam 5,8
Manchmal hat man vermutet, dass Jebus bzw. Jebusiter ein Titel des Herrschers von Jerusalem oder ein dynastischer Name gewesen war, der erst später ethnographisch verwendet wurde (Wyatt 50). Eine solche Deutung lässt sich aber nicht stichhaltig begründen.
2. Belege
2.1. Jebus
Der Ortsname Jebus ist nur im Alten Testament und davon abhängigen außerbiblischen Texten belegt (z.B. →
Eusebius
Jedoch wurde Jebus wahrscheinlich nie eigenständig als Bezeichnung für die Stadt Jerusalem verwendet. Vielmehr ist der Ortsname vermutlich erst künstlich von der Bevölkerungsgruppe, die ursprünglich die „Schulter des Jebusiters“ besiedelte, also den Jebusitern, erschlossen bzw. gebildet und als plakative Bezeichnung der vorisraelitischen Stadt Jerusalem verwendet worden (Bieberstein 36). Es dürfte sich also um eine spätere Bildung durch die biblischen Autoren handeln, die die Stadt Jerusalem nach der Bevölkerungsgruppe benannt haben, die auf einer der beiden Gebirgsschultern Jerusalems gelebt hat. Insofern erübrigt sich die Frage, ob der in bronzezeitlichen Texten belegte Name Jerusalem irgendwann in vorisraelitischer Zeit in Jebus umbenannt wurde (Mendenhall 225).
2.2. Jebusiter
Der Volksname Jebusiter ist im Alten Testament 39-mal belegt, davon 22-mal in Völkerlisten, in denen er meist an letzter Stelle erscheint (außer
Num 13,29
In
Num 13,29
Auch wenn immer wieder behauptet wird, dass einige Jebusiter führende Plätze in der politischen und religiösen Organisation eingenommen haben, gibt es hierfür keinen eindeutigen Hinweis. Manchmal wurde sogar vermutet, dass die Zionstheologie von diesen Kreisen wesentlich mitgeprägt worden sei (Hostetter 78), doch lässt sich auch das nicht belegen.
Der Bergrücken der Jebusiter, der in
Jos 15,8
→
Arauna
Sach 9,7
3. Verortung
3.1. Jebus
Jebus wird in
Ri 19,10
Auch die Grenze zwischen Juda und Benjamin hängt mit dem Toponym Jebus zusammen, lässt sich jedoch kaum sicher bestimmen. Die „Schulter des Jebusiters“ lässt sich vielleicht mit dem Südwestsporn Jerusalems verbinden. Allerdings ist damit die Grenzziehung zwischen beiden Stammesgebieten noch nicht sicher geklärt. Vielleicht verläuft die Grenze sogar nördlich von Jerusalem (Miller). Die benjaminitische Städteliste deutet zudem darauf hin, dass zwischen Jebus und Jerusalem differenziert werden konnte. In
Jos 18,28
Aufgrund solcher Schwierigkeiten wird Jebus gelegentlich mit dem nördlich von Jerusalem gelegenen Ort
Ša‘fāṭ (Koordinaten: 1720.1360; N 31° 49' 00'', E 35° 13' 53''
Der archäologische Befund der Umgebung von
Ša‘fāṭ reicht jedoch sicher nicht vor die Eisenzeit II (Kloner 48*f), so dass es sich nicht um einen alten Ort handeln kann. Eine Identifikation mit Jebus kann somit ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist die Distanz von Ša‘fāṭ zu Gibea immer noch erheblich (5 km Luftlinie), es sei denn, man identifiziert → Gibea
3.2. Jebusiter
Meistens werden die Jebusiter auf dem zentralpalästinischen Gebirge verortet. Nach
Num 13,29
Als
„Schulter des Jebusiters“ wird in Jos 15,8
Nach
Jos 15,63
Jerusalem wird in
Ri 19,11f
Aus alledem folgt, dass die Jebusiter in Zentralpalästina verortet werden müssen. Vor allem der Grenzbereich zwischen den Stämmen Juda und Benjamin sowie die spätere judäische Hauptstadt Jerusalem wird biblisch den Jebusitern zugewiesen.
4. Ethnische Einordnung der Jebusiter
Um die Jebusiter ethnisch einordnen zu können, soll ein Blick in die Onomastik geworfen werden. Im Alten Testament ist nur ein Jebusiter mit Namen belegt, nämlich →
Arauna
Die Etymologie des Namens ’Arawnā konnte bislang nicht überzeugend geklärt werden. Insgesamt wurden fünf Erklärungsmöglichkeiten vorgeschlagen (Gerhards): aus dem Semitischen (’arwānā „Kalb“), aus dem Hurritischen (erwi bzw. ewri „Herr“), aus dem Hethitischen (arauan[n]i „frei / adlig“), aus dem Persischen (aurvant „schnell / tapfer / Held“) oder von der indoarischen Gottheit Varuna. Alle Ableitungen sind zweifelhaft, so dass für eine ethnische Verortung der Jebusiter nichts gewonnen ist.
Alle anderen Personennamen, die mit der vorisraelitischen Jebusiterstadt Jerusalem verbunden werden (→
Adoni-Zedek
Möglicherweise sind die Jebusiter eine amoritische Bevölkerungsgruppe gewesen (so schon Ritter 117), da der vorisraelitische König von Jerusalem nach
Jos 10,5
Manchmal wurde erwogen, dass es sich bei den Jebusitern um einen hethitischen Stamm gehandelt habe, der zusammen mit den Amoritern Jerusalem beherrscht habe. Aber weder darf
Ez 16,3
Aus alledem folgt, dass über die Ethnizität der Jebusiter keine tragfähigen Schlüsse mehr gezogen werden können. Aufgrund dieses Negativbefundes wurde sogar daran gezweifelt, ob es sich bei den Jebusitern überhaupt um eine eigenständige vorisraelitische Volksgruppe gehandelt habe. Jebus und Jebusiter könnten nämlich erst durch eine ethnozentristische Geschichtsschreibung herausgebildet worden sein, die zwischen der autochthonen Vorbevölkerung und der judäischen Besiedlung durch eine fiktionale Namensgebung unterscheiden wollte (Hübner). Somit würden die beiden Namen Jebus und Jebusiter auf eine historiographische Fiktion zurückgehen, die keinen realen Hintergrund hat (Uehlinger 260). Allerdings darf aufgrund der schwierigen Beleglage den Jebusitern nicht jeglicher Rückhalt in der Geschichte geraubt werden. Denn schon die schwierige etymologische Ableitung des Ethnonyms Jebusiter spricht gegen die Fiktionalität dieser Bevölkerungsgruppe. Wenn nämlich die biblischen Autoren Jebus und Jebusiter erfunden hätten, müsste diese Bezeichnung innersemitisch etymologisch irgendwie ableitbar sein, was aber nicht der Fall ist (Gerhards 346).
Literaturverzeichnis
Datenbank Ortsangeben der Bibel (odb)
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- The Interpreter's Dictionary of the Bible, New York 1962
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
- The Oxford Guide to People & Places of the Bible, Oxford 2001
- The New Interpreter's Dictionary of the Bible, Nashville 2006-2009
2. Weitere Literatur
- Abel, F.-M., 1933, Géographie de la Palestine. Bd. 1 Géographie Physique et Historique (Études Bibliques), Paris
- Avioz, M., 2007, The Role and Significance of Jebus in Judges 19, BZ 51, 249-256
- Bieberstein, K., 2000, Was es heißt, Jerusalems Geschichte(n) zu schreiben. Arbeit an der kollektiven Identität, in: M. Konkel / O. Schuegraf (Hgg.), Provokation Jerusalem. Eine Stadt im Schnittpunkt von Religion und Politik (Jerusalemer Theologisches Forum 1), Münster, 16-69
- Borée, W., 1930, Die alten Ortsnamen Palästinas, 2. Aufl., Leipzig (Nachdruck Hildesheim 1968)
- Gass, E., 2005, Die Ortsnamen des Richterbuches in historischer und redaktioneller Perspektive (ADPV 35), Wiesbaden
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- Hentschel, G., 1998, War Natan der Wortführer der Jebusiter?, in: F. Diedrich / B. Willmes (Hgg.), Ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil (Jesaja 45,7). Studien zur Botschaft der Propheten (FS L. Ruppert; FzB 88), Würzburg, 181-208
- Hostetter, E.C., 1995, Nations Mightier and More Numerous. The Biblical View of Palestine’s Pre-Israelite Peoples (BIBAL Dissertation Series 3), Richland Hills
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- Knauf, E.A., 2002, Towards an Archaeology of the Hexateuch, in: J.C. Gertz / K. Schmid / M. Witte (Hgg.), Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion (BZAW 315), Berlin, 275-294
- Mendenhall, G.E., 1973, The Tenth Generation. The Origins of the Biblical Tradition, Baltimore
- Miller, J.M., 1974, Jebus and Jerusalem. A Case of Mistaken Identity, ZDPV 90, 115-127
- Priebatsch, H.Y., 1975, Jerusalem und die Brunnenstraße Merneptahs, ZDPV 91, 18-29
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- Schäfer-Lichtenberger, C., 1993, David und Jerusalem. Ein Kapitel biblischer Historiographie, Eretz-Israel 24, 197*-211*
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- Wyatt, N., 1985, „Araunah the Jebusite“ and the Throne of David, Studia Theologica 39, 39-53
Abbildungsverzeichnis
- Lage der „Schulter des Jebusiters“. © Erasmus Gaß
- Karte zur Unterscheidung von Jebus und Jerusalem nach Miller. © Erasmus Gaß (auf Basis der Karte des Palestine Exploration Fund)
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