Jeftah
Andere Schreibweise: Jefta; Jephta; Jephtha; Jiftach; Jiphtach; Jephthah (engl.)
(erstellt: Februar 2005)
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1. Der Name Jeftah
2. Jeftah im Richterbuch
Jeftah gehört zu den großen militärischen Anführern, den charismatischen Helden, des alttestamentlichen Richterbuchs. Er begegnet uns dort zugleich als Protagonist eines umfangreichen Erzählzyklus’ (Ri 10,6-12,6
2.1. Inhalt und Aufbau des Jeftah-Zyklus
Dem Erzählkomplex über Jeftah ist ein umfangreiches geschichtstheologisches Präludium vorangestellt (Ri 10,6-16
Das Schicksal will es dann, dass dies sein einziges Kind, eine Tochter, ist, die dann tatsächlich als Brandopfer dargebracht wird (Ri 11,34-40
2.2. Entstehung des Jeftah-Zyklus
Im Jeftah-Zyklus sind mehrere Schichten zu unterscheiden. Wortwahl und Gedankenführung der geschichtstheologischen Vorrede des Jeftah-Zyklus verweisen eindeutig auf deuteronomistische Verfasserschaft. Die primärdeuteronomistische Einleitung (Ri 10,6-10
Entgegen einer in der Forschung weit verbreiteten Ansicht (vgl. Richter, 555; Guillaume, 259) steht der Jeftah-Zyklus redaktionsgeschichtlich betrachtet prinzipiell auf keiner anderen Stufe als die vorangehenden Richtererzählungen. Vielmehr ist auch hier zwischen alter Überlieferung und den Anteilen eines vorexilischen Verfassers aus der Zeit der Jehuiden (ab ca. 841 v. Chr.) zu unterscheiden, der den Jeftah-Stoff allerdings in einer schon stark ausgeformten Gestalt übernommen hat. Die Spuren dieses Autors finden sich ebenfalls in den Erzählzusammenhängen aus Ri 3,12-30
Die älteste Jeftah-Überlieferung umfasst demgegenüber Jeftahs Aufstieg zum Haupt von Gilead, seinen siegreichen Kampf gegen die Ammoniter, in Verbindung damit wahrscheinlich außerdem sein Gelübde (Ri 11,30a
Dass Jeftah in Ri 12,7
Jeftah gehört zu den großen militärischen Anführern, den charismatischen Helden, des alttestamentlichen → Richterbuchs
3. Jeftah opfert seine Tochter
3.1. Zum Verständnis der Erzählung
Bei der Interpretation von Ri 11,34-40
Gleichwohl hat Jeftahs Klage nichts künstlich Aufgesetztes an sich, sondern kann bei aller Egozentrik des Protagonisten als spontaner Ausdruck seines tief empfundenen Leids verstanden werden. Das tu quoque filia („auch du, meine Tochter“), das er seinem einzigen Kind entgegenruft, ist nicht so sehr ein apologetischer Vorwurf an die Adresse der Tochter als vielmehr ein Aufschrei der Verzweiflung gegenüber dem Schicksal. Er hat zwar diese grässliche Möglichkeit einkalkuliert, aber gewiss nicht herbeigesehnt. Nun ist die Katastrophe des Worst-Case-Szenarios Wirklichkeit geworden. Darin kulminiert die Tragik eines ganzen Werdegangs, denn immer schon hat ein Schatten auf Jeftahs Leben und Wirken gelegen, der sich nun zum schwarzen Abgrund verdunkelt. Anders als Barak (vgl. Ri 4,4-9
In der alttestamentlichen Forschung ist man z.T. bestrebt, Gelübde und Opfer vom übrigen Jeftah-Zyklus abzusondern. So betrachtet Römer die betreffenden Elemente des Textes als späten, postdeuteronomistischen Nachtrag, der alle Züge einer hellenistisch beeinflussten Tragödie an sich trage (vgl. Römer, 27-38). Dass Tragik nur unter hellenistischer Einwirkung denkbar ist, wird man freilich bezweifeln dürfen. Neef denkt an einen spätdeuteronomistischen Zusatz zur Warnung vor leichtfertigem Umgang mit Gelübden (vgl. Neef, 1999, 206-217). In der Tat erweist sich Jeftahs Gelübde als irreversibel und im letzten, tödlichen Sinne fatal. Ein Beweis für späte Textentstehung ist damit meines Erachtens jedoch nicht gegeben. Jeftahs Gelöbnis wirkt im Kontext des Zyklus nämlich keineswegs wie ein Fremdkörper; und Gelübde und Opfer machen mit ihrer anstößigen Problematik eher einen archaischen als einen jungen und fiktiven Eindruck. Schwierigkeiten bereitet nur die ätiologische Notiz in Ri 11,39bβ.40, in der sich vielleicht ein alter, auf kanaanäische Wurzeln zurückgehender Brauch niedergeschlagen hat. Die Erzählsubstanz ist jedoch kaum aus der Notiz herausgesponnen, da sich beides teilweise deutlich disparat zueinander verhält. Man wird statt dessen davon ausgehen dürfen, dass die Notiz sekundär an die Schilderung in Ri 11,34-39
In der Erzählökonomie des Zyklus nimmt das Gelübde eine wichtige Funktion wahr, weil es eine plausible Erklärung für Jeftahs Erfolg trotz des misslungenen Verhandlungsversuchs mit den Ammonitern (Ri 11,12
3.2. Religionsgeschichtliche und intertextuelle Aspekte
Das Problem der religionsgeschichtlichen Realität von → Menschenopfern
Eine Bestätigung dafür liefert z.B. die Verzweiflungstat des Königs von Moab, von der in 2Kön 3,26-27
Ein weiterer wichtiger, zugleich besonders prominenter Bezugstext für Ri 11,34-40
3.3. Zur Wirkungsgeschichte
Jeftahs Gelübde und die Opferung seiner Tochter haben nicht nur die moderne exegetische Fachdiskussion in herausragendem Maße angeregt, sondern auch im rabbinischen Schrifttum (vgl. Houtman, 59-70; Rottzoll / Rottzoll, 210-230), in der Musik (bes. bei Händel; vgl. dazu Bartelmus, 106-127), sowie in Kunst und Literatur ihre Spuren hinterlassen. Dem Abscheu und Widerwillen, das die biblische Schilderung auf der einen Seite hervorruft, steht dabei auf der anderen Seite die besondere Betonung von Jeftahs Entsetzen über sein eigenes Gelübde gegenüber, als dessen weit reichende, schicksalhafte Konsequenzen offenbar werden. Weit verbreitet ist in der exegetischen Tradition das verfehlte Bemühen, Jeftah und seinen Gott apologetisch zu entlasten (dagegen Groß, 274 mit Anm. 4). Bis in die Gegenwart hinein wird immer wieder auf die widerspruchslose Ergebenheit der Tochter verwiesen, die sich dem Wunsch ihres Vater fügt, ja ihn sogar in seinem Entschluss bestärkt (vgl. Seifert, 122f.). Letzteres spielt z.B. in Feuchtwangers Roman „Jefta und seine Tochter“ eine wesentliche Rolle, wobei es dort aus der Perspektive der Tochter sogar zu einer weitgehenden Identifikation des Vaters mit JHWH kommt. Die Opferung stellt in diesem Zusammenhang eine durch den Vater vermittelte Vereinigung mit der Gottheit dar (vgl. Feuchtwanger, 240f.). Eine unvoreingenommene Textwahrnehmung führt freilich zu der Erkenntnis, dass die Tochter, die sich weder gegen den Vater noch gegen die Gottheit auflehnt, gleichwohl deutlich in Distanz zu ihrem Vater tritt und die Rolle, der sie nicht entgehen kann, mit würdevollem Selbstbewusstsein spielt (vgl. Groß, 282-289).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
- Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
- Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Internet-Artikel http://bautz.de/bbkl/j/Jefta.shtml
2. Weitere Literatur
- Bartelmus, R., 1995, Jephtha – Anmerkungen eines Exegeten zu G.F. Händels musikalisch-theologischer Deutung einer »entlegenen« alttestamentlichen Tradition, ThZ 51, 106-127
- Burns, J.B., 1990, Why Did the Besieging Army Withdraw? (II Reg 3,27): ZAW 102, 187-194
- Feuchtwanger, L., 1957 (1996), Jefta und seine Tochter. Roman, Berlin
- Groß, W., 2004, Jiftachs Tochter, in: F.-L. Hossfeld / L. Schwienhorst-Schönberger (Hgg.), Das Manna fällt auch heute noch. Beiträge zur Geschichte und Theologie des Alten, Ersten Testaments (FS E. Zenger; HBS 44), Freiburg / Basel / Wien, 273-293
- Guillaume, Ph., 2004, Waiting for Josiah. The Judges (JSOT.S 385), London / New York, 144-155.259-261
- Houtman, C., 2003, Die Bewertung eines Menschenopfers. Die Geschichte von Jefta und seiner Tochter in früher Auslegung: BN 117, 59-70
- Neef, H.-D., 1995, Ephraim. Studien zur Geschichte des Stammes Ephraim von der Landnahme bis zur frühen Königszeit (BZAW 238), Berlin / New York
- Neef, H.-D., 1999, Jephta und seine Tochter (Jdc XI 29-40), VT 49, 206-217
- Nentel, J., 2000, Trägerschaft und Intentionen des deuteronomistischen Geschichtswerks. Untersuchungen zu den Reflexionsreden Jos 1; 23; 24; 1 Sam 12 und 1 Kön 8 (BZAW 297), Berlin / New York
- Richter, W., 1966, Die Überlieferungen um Jephtah. Ri 10,17-12,6, Bib. 47, 485-556
- Rind, M.M., 2. Aufl. 1998, Menschenopfer. Vom Kult der Grausamkeit, Regensburg
- Römer, Th.C., 1998, Why Would the Deuteronomists Tell about the Sacrifice of Jephthah’s Daughter?, JSOT 77, 27-38
- Rottzoll, A. / Rottzoll, D.U., 2003, Die Erzählung von Jiftach und seiner Tochter (Jdc 11,30-40) in der mittelalterlich-jüdischen und historisch-kritischen Bibelexegese, ZAW 115, 210-230
- Scherer, A., 2005, Überlieferungen von Religion und Krieg. Exegetische und religionsgeschichtliche Untersuchungen zu Richter 3-8 und verwandten Texten (WMANT 105), Neukirchen-Vluyn
- Seebass, H., 1997, Genesis II. Vätergeschichte I (11,27-22,24), Neukirchen-Vluyn
- Seifert, E., 1997, Tochter und Vater im Alten Testament. Eine ideologiekritische Untersuchung zur Verfügungsgewalt von Vätern über ihre Töchter (Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen 9), Neukirchen-Vluyn, 121-126.180-183
- Soggin, J.A., 2. Aufl. 1987, Judges. A Commentary (OTL), London, 201-222
- Thiel, W., 2. Aufl. 1985, Die soziale Entwicklung Israels in vorstaatlicher Zeit, Neukirchen-Vluyn, 148f.
Abbildungsverzeichnis
- Jeftah (Fresko im Katharinenkloster auf dem Sinai; 6. Jh.).
- Jeftahs Tochter begrüßt das siegreiche Heer (Miniatur in der Weltchronik des Rudolf von Ems; 13. Jh.).
- Jeftah tötet seine Tochter (Bild des Eichstätter Malers Johann Michael Baader; 18. Jh.).
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