Jericho (AT)
(erstellt: Juli 2008)
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1. Name
Erīḥā
jərîḥô
jəreḥô
jərîḥoh
jāreaḥ
jrḥ
2. Biblische Überlieferung
Im Alten Testament wird die Stadt Jericho mehrmals erwähnt. Sie spielt besonders in der → Landnahme-Überlieferung
Im Buch → Josua
Wie verhält sich die Darstellung von der Eroberung Jerichos zu dem archäologischen Befund (s.u.), dass es in der Späten Bronzezeit in Jericho keine Stadt gab, die Josua hätte erobern können? Die Forschung bietet vier Ansätze (vgl. die näheren Ausführungen in → Rahab
1. Historisierende Erklärung. Konservative Ausleger suchen einen wie auch immer gearteten historischen Kern. Sie finden ihn beispielsweise in der Zerstörung der mittelbronzezeitlichen Stadtmauer, müssen Josua dann jedoch deutlich früher ansetzen (16. Jh.) als die kritische Forschung (13.-12. Jh.; → Landnahme
2. Kultische Erklärung. In der älteren Forschung wurde wiederholt die These vertreten, Jos 6
3. Ätiologische Erklärung. Weite Akzeptanz fand in der deutschsprachigen Forschung die auf → Albrecht Alt
4. Literarhistorische Erklärung. Neuere literarkritische Untersuchungen (Schwienhorst; Bieberstein) wollen zeigen, dass die kultische und die ätiologische Erklärung auf Zusätzen beruhen, die erst aus nachexilischer Zeit stammen, und auch die ältesten Schichten der Erzählung erst Jahrhunderte nach der Bildung Israels anzusetzen sind, so dass Jos 6
Nach Bieberstein stammt die älteste Fassung der Jericho-Erzählung (Jos 6,1-3.4b.5.11.14-15.20c-21) aus dem 7. Jh. und gehörte zu einem umfassenderen vordeuteronomistischen Werk, das sich mit den Landverlusten der assyrischen Zeit auseinandersetzt, indem es das Land – der politischen Realität widersprechend – als unverdient empfangene Gabe Jahwes versteht. In der Zeit → Josias
Jenseits der Erzählung von der Eroberung ist Jericho im Alten Testament nur von untergeordneter Bedeutung. Das → Richterbuch
3. Lage und Identifizierung
Jericho befindet sich östlich der judäischen Wüste im Jordangraben (el-Ġōr), 8 km westlich des Jordan und 12 km nordwestlich des Toten Meeres. Die Stadt liegt ca. 250 m unter dem Meeresspiegel und ist damit die tiefstgelegene Stadt der Welt.
Die älteste Siedlung befindet sich auf dem antiken Tell es-Sulṭān (Koordinaten: 192.142; N 31° 52' 15'', E 35° 26' 39''
In hellenistischer und römischer Zeit – und damit für das Neue Testament relevant – befand sich Jericho ca. 2 km südlich am Ausgang des Wādī Qelt auf den beiden Tulūl Abū el-‘Alājiq genannten Tells.
4. Geschichte
4.1. Die altvorderasiatischen Quellen
Der Name Jericho ist in vorhellenistischer Zeit außerhalb der Bibel nicht belegt. Der Ortsname ’w-r3-ch-y in einer vorderasiatischen Städteliste im Tempel → Ramses II.
4.2. Die Ausgrabungen
Seine Bedeutung als Grabungsstätte verdankt Jericho vor allem der biblischen Erzählung von der Eroberung der Stadt. Dabei hat die Erzählung vielfach die Deutung der Funde beeinflusst, wie auch umgekehrt die Interpretation von Jos 6
Der britische Leutnant und spätere General Ch. Warren grub 1868-1869 auf Tell es-Sulṭān für den britischen Palestine Exploration Fund. Da die Ausgrabungen seinen Erwartungen aber nicht entsprachen, wurden sie zunächst nicht fortgesetzt. Eine weitere kleine Grabung führte 1894 F.J. Bliss für denselben Fund durch.
Die erste große und nennenswerte Grabung führt 1907-1909 / 1911 die Deutsche Orientgesellschaft unter der Führung von E. Sellin und C. Watzinger durch. Teile der frühbronze- und mittelbronzezeitlichen Wehranlagen mit Schutzrampe (oder Glacis) wurden freigelegt. Neben einem breiten Schnitt, der tief in den Tell hineingetrieben wurde und mehrere Siedlungsschichten freilegte, entdeckten die Archäologen am Nordrand des Ruinenhügels eine Anzahl von Häusern, die zwischen den beiden mittelbronzezeitlichen Ringmauern erbaut worden waren. Trotz hervorragender Kartierung (durch ihre Architekten F. Langenegger, A. Nöldeke und O. Schultze) war die zeitliche Zuordnung weitgehend falsch und sie musste später von C. Watzinger korrigiert werden (Watzinger 1926). Beispielsweise war anfänglich die mittelbronzezeitliche Stadt des 2. Jt.s v. Chr. von Sellin und Watzinger fälschlich als israelitische Stadt des 1. Jt.s v. Chr. gedeutet worden.
Zwischen 1933-1936 fand die nächste große Grabung unter britischer Führung J. Garstangs für die Universität Liverpool und für die British School of Archaeology in Jerusalem statt. Trotz verbesserter Kenntnisse der relativen Keramikchronologie blieb die zeitliche Zuordnung dürftig. Z.B. datierte Garstang die frühbronzezeitlichen Stadtmauern auf die fast 1000 Jahre spätere Spätbronzezeit I des ausgehenden 15. Jh.s v. Chr. und schrieb ihre Zerstörung Josua zu. Garstang entdeckte unter der bronzezeitlichen Stadt eine dicke jungsteinzeitliche Siedlungsschicht. Auch legte er mittelbronze- und spätbronzezeitliche Gräber frei.
Zwischen 1952-1958 erfolgte erneut eine große britische Kampagne, u.a. für die British School of Archaeology in Jerusalem, den Palestine Exploration Fund und die American School of Oriental Research bzw. das heutige Albright Institute in Jerusalem. Sie fand unter der sehr fähigen Leitung von K.M. Kenyon statt. Das ursprüngliche Ziel der Kampagne war es, Garstangs Datierung der bronzezeitlichen Stadtmauern zu überprüfen und zu einem differenzierteren Bild der früheren jungsteinzeitlichen Besiedlung zu gelangen. Auch sollte bewusst nur an bestimmten Stellen gegraben werden, um künftige Expeditionen mit noch verfeinerteren Methoden die Möglichkeit zu bieten, neue und bessere Ergebnisse zu erzielen. An drei Stellen wurden die Hänge des Tells angeschnitten: im Norden (Schacht II), Westen (Schacht I) und Süden des Tells (Schacht III), um durch Querschnitte die verschiedenen Wehranlagen genauer zu studieren. Das Anlegen von Grabungsquadraten und das Stehenlassen der Profilwände sollte zu einer sehr viel sorgfältigeren Befundaufnahme der Schichtreihenfolge (stratigraphische Sequenz) führen.
Zwischen 1997-2000 wurde erneut auf Tell es-Sulṭān von einem italienisch-palästinensischen Team der Universität La Sapienza (Rom) und der Palästinensischen Antiken Behörde unter Führung von N. Marchetti, L. Nigro und H. Taha gegraben. Wegen der Intifada wurden weitere Grabungen vorerst ausgesetzt. Einige Hauptziele dieser Grabung waren: a) zu einer noch differenzierteren Chronologie der Wehranlagen und der Lokalisierung der Stadttoranlagen zu gelangen, b) die städtische Entwicklung und ihre Topographie in der Frühen- und Mittleren Bronzezeit (3. - erste Hälfte des 2. Jt.s v. Chr.) zu erforschen und c) mehrere Rettungsgrabungen und Restaurationen der bereits stark erodierten Stellen des Tells durchzuführen. Eine Fortsetzung der Kampagne ist für 2009 geplant (pers. Komm. - N. Marchetti). Eine sehr ausführliche und nennenswerte Darstellung der Grabungsgeschichte auf Tell es-Sulṭān bis auf die jüngsten Grabungen findet sich bei Reinhold.
4.3. Die Siedlungsgeschichte
4.3.1. Das Epipaläolithikum (Mesolithikum)
Kenyon entdeckte die frühesten Spuren einer Besiedlung im Norden des Tells (in Quadrat E I). Diese gehen zurück auf das Epipaläolithikum. Aufgrund radiometrischer Datierungen wurden sie dem 10.- 8. Jt. v. Chr. zugeordnet. Ein rechteckiges Plateau, das vielleicht als kultischer Ort diente, sowie Feuerstein- und Knochenwerkzeuge (wie eine Harpunspitze aus Knochen) scheinen die Zuordnung zur regionalen Natuf-Kultur (auch bekannt aus den Höhlen des Karmel-Gebirges) zu bestätigen.
In der darauf folgenden Periode, am Übergang vom Epipaläolitikum zum Neolithikum I, scheinen Menschen derselben Kultur (die Werkzeuge zeigen dies) einfache (vielleicht nur) temporäre Unterkünfte gebaut zu haben (die Ablagerung der unzähligen Böden war bis zum Felsen fast 4 m hoch). In einigen Quadraten an der oberen Westseite des Tells wurden Überreste von Hütten mit Grundmauern aus gewölbten Lehmziegeln entdeckt.
4.3.2. Das vorkeramische Neolithikum A
Wie z.B. in Quadrat M I festgestellt werden konnte, wurden diese Bauten irgendwann im vorkeramischen Neolithikum A (vgl. Vieweger, 308) von permanenteren runden (weitgehend nur aus einer Kammer bestehenden) und mit gerundeten Lehmziegelsteinen erstellten festen Häusern mit einem kuppelförmigen Dach abgelöst. Die Böden dieser Rundbauten befanden sich auf einer tieferen Ebene als die außerhalb der Häuser. Die Siedlung wurde radiometrisch auf das 9. - 7. Jt. v. Chr. datiert. Zu dieser Zeit gab es einen starken und raschen Populationszuwachs. Selbst über die Grenzen der späteren bronzezeitlichen Stadt hinaus kamen Überreste von Häusern des letztgenannten Typus ans Licht und die bewohnte Fläche dürfe ca. 4 ha umfasst haben. Als Nächstes wurde die Siedlung mit einer Stadtmauer befestigt. Teile dieser Mauer sind im Westen (wo sie noch 5,75 m hoch stand), Norden und Süden freigelegt worden. An der Westseite war ein großer runder steinerner Turm gegen die innere Stadtmauer erbaut worden, dessen Überreste noch bis auf einer Höhe von 7,75 m existierten. Mit seinem Durchmesser von 8,5 m repräsentieren der Turm und die daran gekoppelte Stadtmauer wirtschaftliche und politische Blüte.
Die Anfänge dieser Anlage und den damit verbundenen Häusern wurden radiometrisch auf das ausgehende 9. Jt. v. Chr. datiert. Knochenwerkzeuge wie Nadeln, Pfrieme und ein Schiffchen lassen vielleicht auf eine Gerb- und Webindustrie schließen. Die Bewohner ernährten sich von kultiviertem Emmer und Gerste und verzehrten Gazellen- und Fuchsfleisch. Die Entdeckung von Obsidianen aus Anatolien deutet auf weite Handelsbeziehungen zu dieser Epoche hin.
4.3.3. Das vorkeramische Neolithikum B
Nach Abbruch der früheren Besiedlung, dessen Ursache noch im Dunkeln liegt, und nach einer gewissen Zwischenperiode (es gibt Spuren von starker Erosion), wurde der Ort von neuen Bewohnern besiedelt, deren Kultur sich von der vorigen deutlich unterscheidet. Ihre Steinwerkzeuge werden der Tahun-Kultur zugeordnet. Herausragend ist die unterschiedliche Architektur. Anfänglich war die neue Siedlung nicht befestigt gewesen. Im Gegensatz zu den runden Bauten der früheren Stadt waren die Häuser relativ groß und besaßen rechteckige Räume (umgeben von kleineren Kammern, zum Teil für die Hausvorräte) mit breiten Türöffnungen, während ihre Böden die Abdrucke von Binsenmatten aufzeigten. Die Mauern der Häuser waren mit handgefertigten länglichen Lehmziegeln erstellt worden, deren Oberseite mit einem Fischgratmuster von Daumenabdrücken versehen war, um dem Mörtel Halt zu geben. Die Räumlichkeiten umgaben einen zentralen Hof mit Feuerstellen.
Ein großer Raum von ca. 6x6 m mit u.a. einem verputzten Becken und halbrunden gewölbten Nebenräumen wurde von Kenyon als Heiligtum interpretiert, obwohl Knochenwerkzeuge auch auf eine Gerberei deuten könnten. Ahnenverehrung scheint zu dieser Zeit eine wichtige Rolle im religiösen Leben der Einwohner gespielt zu haben. Mehrere unter den Hausböden gefundene Schädel waren mit Gips überformt, mit Hautfarbe bemalt und mit Muscheln für die Augen versehen. So waren die Gesichtszüge sehr natürlich gestaltet worden (auch: Schmidt, 36-37). Zur Schlussphase dieser Periode gehören wahrscheinlich auch die Überreste von lebensgroßen Flachplastiken – u.a. mit Muscheleinlagen für die Augen – von männlichen, weiblichen und kindlichen Personen, die vielleicht als Götterfamilie gedeutet werden können. Die Periode wurde aufgrund radiometrischer Datierungen in das 8. - 6. Jt. v. Chr. datiert.
4.3.4. Das keramische Neolithikum A und B
Erst nachdem der Ort wieder für längere Zeit verlassen gewesen war, scheint er neu besiedelt worden zu sein, und zwar von zwei nacheinander hinzugezogenen Bevölkerungsgruppen, die beide in der Lage waren, → Keramik
4.3.5. Die Frühbronzezeit
Erneut deuten die Spuren von Erosion auf einen längeren Hiatus hin, was durch die Abwesenheit von Keramik und weiteren Funden bis zur nächsten Besiedlung hin unterstützt wird. Während der zweiten Hälfte des 4. Jt.s v. Chr. wurde die Stätte in der Frühbronzezeit I neu besiedelt und diese Phase, die weitgehend aus den Gräbern auf den umliegenden Hügeln bekannt ist, wird bei Kenyon als „proto-städtisch“ bezeichnet. Kenyon erkannte zwei Keramiktraditionen, A und B, und erkannte darin die Anwesenheit von zwei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die ihrer Meinung nach (noch) primär als Hirten lebten. Dennoch muss zu dieser Zeit der Anfang der Stadtkultur der Bronzezeit gelegt worden sein. In Areal E entdeckte Garstang einen Breitraum, dessen Eingang sich an der Ostseite befand und somit in Richtung der aufgehenden Sonne orientiert war (vgl. den Tempel in → Ai
Während der Frühbronzezeit II-III (bei Kenyon Frühbronzezeit I-III) wurde die Stadt durch zwei Ringmauern aus in einer Form hergestellten ungebrannten rechteckigen Lehmziegeln umgeben und später zusätzlich durch einen Graben befestigt.
Die Geschichte der Wehranlagen des 3. Jt.s ist komplex und zeigt eine Vielzahl von Bauphasen auf (vgl. dazu die jüngsten Untersuchungen: Marchetti u.a. 1998; 2000). Sowohl rechteckige als auch runde Häuser stammen aus dieser Epoche und zum ersten Mal benützten die Einwohner künstliche Irrigationswerke für die persönliche Lebensversorgung. Keramik und Luxusgegenstände deuten auf rege Handelsbeziehungen mit Ägypten im Süden und Syrien sowie Anatolien im Norden hin. Die Stadt wurde am Ende der Frühbronzezeit III (= „IIIB“) in einer Feuersbrunst zerstört. Es gibt auch Hinweise auf ein Erdbeben. Kurz darauf muss der Ort neu besiedelt und während der darauf folgenden Frühbronzezeit IV (auch Mittlere Bronzezeit I genannt) existierte auf Tell es-Sulṭān in der Periode zwischen ca. 2100-1950 v. Chr. eine kleine Ortschaft, deren Einwohner (Halbnomaden und Viehzüchter) neu zugezogen waren. Ob es sich hier um Amoriter aus Nordsyrien handelt (wie manche angenommen haben) oder nicht, die neuen Bewohner führten neue Grabtypen ein, die durch vertikale Schächte begangen wurden (→ Grab
4.3.6. Die Mittelbronzezeit
Die Stadt dürfte erst gegen Ende der Mittleren Bronzezeit I (anderweitig auch als IIA bezeichnet) neu besiedelt worden sein. Vom Ende der Mittleren Bronzezeit I-III (auch als IIA-IIC bezeichnet) war die Stadt von einer imposanten Wehranlage umgeben, wie dies bei vielen anderen Städten zu dieser Zeit der Fall war (Dever; Burke). Zwischen einer steinernen Stützmauer unten am Tell (worauf eine Brüstungsmauer aus Lehmziegelsteinen stand: Sellin / Watzinger, Abb. 35; Wood 1990) und einer roten Lehmziegelmauer (ganz oben am Stadtrand) war eine Befestigungsrampe bzw. ein verputztes Glacis konstruiert worden (mit einer Schräge von 35 Grad), um die Eroberung der Stadt deutlich zu erschweren (Marchetti u.a. 2000; Zerbst / van der Veen, 45 Abb. 19; Burke). Kenyon entdeckte am Fuß des Tells (in Schacht I) Überreste von roten Lehmziegeln (solche Lehmziegel wurden noch 2007 vom Autor in situ geortet). Sie dürften entweder um 1550 v. Chr. während der Zerstörung der Stadt von einer der Ziegelsteinmauern hinunter gestürzt sein (Kenyon 1981; Wood 1990) oder zu einem früheren Zeitpunkt als Bauschutt für eine weitere Rampe (unterhalb der steinernen Stützmauer) verwendet worden sein (Spuren einer unteren Rampe kamen im südlichen Areal A der neuen Grabungen ans Licht). Obwohl Kenyon drei Bauphasen des Glacis vermutet hat (Kenyon 1993), hat die neue Grabung nur zwei Baustufen bestätigen können (Marchetti u.a. 1998; 2003). Im Norden der Stadt entdeckten Sellin und Watzinger ein Stadtviertel, das zwischen den zwei Ringmauern erbaut worden war (Sellin / Watzinger, 48 Abb. 26). Im Süden der Stadt kamen bei den jüngsten Grabungen im Areal A ebenfalls Häuser ans Licht, die sich während der Mittleren Bronzezeit I-II (MB IIA-B) außerhalb der Stadtmauer befanden. Während der Mittleren Bronzezeit III (um 1650-1550 v. Chr.) wurden diese verlassen und an ihrer Stelle wurde eine steinerne Stützmauer gebaut.
Mehrere kleine Häuser aus der späten Phase der Mittleren Bronzezeit kamen bei den britischen Grabungen ans Licht. Während sich die Wohnzimmer im ersten Stock befanden, entdeckten die Ausgräber Vorratskammern und Läden im Erdgeschoss. Wegen der vor Ort gefundenen Menge an Weizen und Mahlsteinen dürfte es sich hier um ein Müller-Viertel gehandelt haben. Mehrere Grabesgruppen mit Grabkammern für mehrere Personen stammen aus dieser Periode. Die vielen Grabbeigaben (zum Teil gut erhalten) enthüllen die reichhaltige Kultur der Bewohner der Stadt. Schafsfleisch und Obst (wie Granatäpfel und Trauben) auf Schalen serviert waren auf länglichen Holztischen platziert worden. Auch wurden u.a. Körbe mit Toilettengarnitur, Alabastergefäße, feine Keramik und sogar Überreste von Kleidung und die dazu gehörenden Gewandnadeln gefunden. Auch entdeckten die Ausgräber viele Skarabäen aus dem Mittleren Reich und der zweiten Zwischenzeit in Ägypten (u.a. einen des Königs Scheschi aus Grab H 13) und Palästina.
Die Stadt wurde gegen Ende der Mittleren Bronzezeit III – um 1550 v. Chr. – durch eine gravierende Feuersbrunst zerstört. Kenyon fand zusätzliche Hinweise auf ein Erdbeben, das zu dieser Zeit für den Untergang der Stadt mitverantwortlich gewesen war (Kenyon 1976; 1981; auch: Wood 1990; Bimson 2002; 2005; Nur). Zudem scheinen ebenfalls Spuren einer östlichen Abwärtsverschiebung der Böden und Mauern des südöstlichen Stadtviertels (auf dem „Quell-Hügel“) auf ein solches Ereignis hinzudeuten (Garstang 1934; Marchetti, 2003).
Obwohl der endgültige Untergang dieser Stadt früher wohl der Vertreibung der Hyksos-Herrscher aus Ägypten zugeschrieben wurde, wird die Ursache heute eher in innerpolitischen und militärischen Auseinandersetzungen in Palästina selbst gesucht, die vielleicht von zusätzlichen Spannungen durch neu zugezogene Bevölkerungsgruppen (wie etwa die Hyksos und vielleicht Migrationen von Proto-Israeliten) gestärkt wurden (Bienkowski 1986; Bimson 2005).
Sofern man annimmt, dass die Erzählung von Jos 6
4.3.7. Die Spätbronzezeit
Sowohl wenige Keramikfunde (wie zypriotische Zweifarbenware) vom Osthügel und ein Flur eines Hauses (u.a. mit einem in situ gefundenen Schöpfkännchen: Kenyon 1957, Abb. 117-118) als auch Skarabäen der ägyptischen 18. Dynastie (mit den Thronnamen der Hatschepsut und von Thutmosis III. sowie Amenhotep III.) aus den umliegenden Gräbern bestätigen, dass der Ort vom 15. Jh. bis zum späten 14. Jh. v. Chr. (vorwiegend während der Spätbronzezeit IIA) bewohnt war (Wood 1990; Bienkowski 1987). Mehrere Häuser und ein administratives Gebäude („Middle Building“) – wo östlich davon eine Keilschrifttafel entdeckt wurde (Horrowitz / Oshima, 96) – auf dem südöstlichen Quellhügel datieren aus dieser Zeit. Die Siedlung blieb jedoch relativ klein im Vergleich zur früheren bronzezeitlichen Stadt und war unbefestigt (gegen Wood 1990), wie die jüngsten Grabungen auf Tell es-Sulṭān bestätigen (Marchetti 2000; 2003; 2008). Auch wenn die Bewohner mancher Ortschaften Palästinas während der frühesten Phase der Spätbronzezeit reparable Stadtmauern wieder verwendet haben mögen (Burke 2008), so gab es spätestens ab der Regierung Thutmosis’ III. (1479-1426 v. Chr.), als das Land fest zu seinem Herrschaftsgebiet gehörte, weitgehend keine Befestigungen mehr.
Wenn sich die Erzählung von der Zerstörung Jerichos in Jos 6
4.3.8. Die Eisenzeit
Belege für eine eisenzeitliche Siedlung auf dem Tell stammen hauptsächlich aus Kenyons Schacht II (Kenyon Areal G 3/4) an der Westseite des Tells (vgl. Faltblatt in Kenyon 1957) und vom Osthügel bzw. dem Quellhügel (Kenyons Areal H 6). Weitere Keramikfunde aus dieser Zeit sind aber auch von Sellin und Watzinger, wie auch von Garstang entdeckt worden und sind – wie der Autor mehrmals feststellen konnte – bis heute auf der Oberfläche des Tells zu finden. Eine differenzierte Studie der → Keramik
Prof. Dr. Nicolò Marchetti sei für seine Angaben zu den jüngsten Veröffentlichungen zu Tell es-Sulṭān, wie auch Prof. Dr. Aaron Burke für seine Hinweise zu den bronzezeitlichen Wehranlagen herzlich gedankt.
Literaturverzeichnis
Datenbank Ortsangeben der Bibel (odb)
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- Schwienhorst, L., 1986, Die Eroberung Jerichos. Exegetische Untersuchung zu Josua 6 (SBS 122), Stuttgart
- Stiebing, W.H., 1985, Should the Exodus and the Israelite Settlement in Canaan be Redated?, Biblical Archaeology Review, 11/4, 58-64
- Veen, van der, P.G. / Zerbst, U. (Hgg.), 2002 / 2003, Biblische Archäologie am Scheideweg? Für und Wider einer Neudatierung archäologischen Epochen im alttestamentlichen Palästina, Studium Integrale, Holzgerlingen
- Vieweger, D., 2003, Archäologie der biblischen Welt, Göttingen
- Watzinger, C., 1926, Zur Chronologie der Schichten von Jericho, ZDMG 80, 131-136
- Weippert, H. / Weippert, M., 1976, Jericho in der Eisenzeit, ZDPV 92, 129-145
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- Zerbst, U. / Veen, van der, P.G., 2005, Keine Posaunen vor Jericho? – Beiträge zur Archäologie der Landnahme, Studium Integrale, Holzgerlingen
Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Jericho. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Die Eroberung Jerichos (Jean Fouquet, 1452-1460).
- Tell es-Sulṭān von Westen aus gesehen. © P. van der Veen / J. Schweinsberg
- Grundrisse mit den Grabungsarealen und Schächten (nach Kenyon 1957).
- Runder steinzeitlicher Turm in Jericho. © P. van der Veen / J. Schweinsberg
- Unter Hausböden gefundener Schädel (links) und Flachplastik einer menschlichen oder göttlichen Gestalt (rechts). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Plan von Jericho: Mauer 1 stammt aus der Frühbronzezeit (3. Jt. v. Chr.), Mauer 2 mit Vormauer 3 aus der Mittelbronzezeit (18.-16. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Kenyons Schacht II mit Überresten aus der Frühbronzezeit. © P. van der Veen / J. Schweinsberg
- Mittelbronzezeitliche Maueranlagen in Kenyons Schacht I (die diagonale Linie in der Profilwand markiert den Verlauf der Böschung bzw. des Glacis). © P. van der Veen / J. Schweinsberg
- Grabung in Areal A mit der unteren steinernen Stützmauer aus der Mittleren Bronzezeit III und Überresten von früheren Häusern. © P. van der Veen / J. Schweinsberg
- Eine Rekonstruktion der Nordstadt aus der Mittleren Bronzezeit, wie sie bei den Grabungen Sellins und Watzingers zu Tage kam. Rekonstruktion: J. Schweinsberg / © archäologische Ausstellung Schönblick Schwäbisch Gmünd, Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie
- Häuser in Jericho (8./7. Jh. v.Chr.). Mauern aus Lehmziegeln standen bis zu 2 m hoch (1: Straße; 2: Gasse mit einräumigen Häusern; 3 / 4: Größere Gebäude mit Räumen um einen Hof; 5: Bank im Hof; 6: Vorratsraum mit Vorratskrug). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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