Jom Kippur (AT)
(erstellt: April 2007)
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1. Biblische Grundlagen
Der Jom Kippur, der große Versöhnungstag, gehört zu den in nachexilischer Zeit aufkommenden Festen. Erst in Lev 23 und Num 28-29 findet er seine Aufnahme in die alttestamentlichen Festkalender. Diese Texte geben Auskunft über Namen und Datum des Festes, fordern Arbeitsruhe und Fasten und erteilen knappe Opferanweisungen (Lev 23,26-32
2. Der Jom Kippur
Der Jom Kippur ist ein hoher Feiertag, ein šabbat šabbātôn („hoher Sabbat“; Lev 23,32
2.1. Name und Datum des Feiertages
Der Name des Feiertages leitet sich von dem Verb kpr Pi. ab. Seine Grundübersetzung lautet „entsühnen“ (hergeleitet von arab. kafara „bedecken“, bzw. koranisch-arab. kaffara „entsühnen“; s.a. akkadisch kuppuru „kultisch reinigen“; → Sühne
Das Datum wird mit dem zehnten Tag des siebten Monats, dem Monat Tischri, angegeben. Lev 23,32
2.2. Die Stellung des Jom Kippur im Jahresverlauf
Der Jom Kippur ist eines von drei Festen, die zu Beginn des Jahres innerhalb von drei Wochen gefeiert werden (→ Kalender
3. Der Verlauf des Rituals nach Lev 16
In Lev 16 werden verschiedene Sühneriten zu einem komplexen Ritual miteinander verbunden. Durch Blutriten werden der Hohepriester, das Volk und das Heiligtum entsühnt (kpr). Räucheropfer (Lev 16,12f
3.1. Die Blutriten
Haben sich der Hohepriester, die Ältesten, das Volk oder der Einzelne nicht wissentlich versündigt, so führt man zu dem Zeitpunkt, da die Schuld bewusst wird, einen entsprechenden Blutritus (→ Blut / Blutriten
3.2. Der Sündenbockritus
Eng verbunden mit den Blutriten ist der Sündenbockritus (→ Sündenbock / Asasel
3.2.1. Asasel
Die zwei Ziegenböcke werden nach Lev 16,7-10
Die in jüngerer Zeit favorisierte Lösung geht von der durch das Ritual beschriebenen Funktion des Ritus aus, der Elimination von Schuld, und den Parallelen des Sündenbockritus mit hethitischen und hurritischen Eliminationsriten (Kümmel, 1968). Das Ziel wird als „zur Beseitigung von Gotteszorn“ beschrieben (Janowski, 1993; 2000). Göttlicher Zorn und magische Unreinheit scheinen identisch und müssen mittels eines Ritus auf ein Tier geladen und fortgetragen werden.
3.2.2. Der Gestus des Handaufstemmens
Der Gestus des Handaufstemmens ist inneralttestamentlich für sehr unterschiedliche Begebenheiten belegt. In der Regel werden zwei Grundtypen voneinander unterschieden, der ein- und der beidhändige Gestus. Während der einhändige eher Eigentumsverhältnisse anzeigt, dient der beidhändige der Objektübertragung (vgl. auch Dtn 34,9
Literaturverzeichnis
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- Grabbe, L.L., 1987, The Scapegoat Tradition: A Study in Early Jewish Interpretation, JSJ 18, 152-167
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- Körting, C., 1999, Der Schall des Schofar. Israels Feste im Herbst (BZAW 285), Berlin u.a.
- Körting, C., 2006, כי בענן אראה על־הכפרת – Gottes Gegenwart am Jom Kippur, in: Festtraditionen in Israel und im Alten Orient (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 28), Gütersloh, 221-246
- Kümmel, H.M., 1968, Ersatzkönig und Sündenbock, ZAW 80, 289-318
- Milgrom, J., 1991, Leviticus 1-16 (AncB 3), New York u.a.
- Rendtorff, R., Studien zur Geschichte des Opfers im Alten Israel (WMANT 24), Neukirchen-Vluyn 1967
- Seidl, Th., 1999, Leviticus 16 – Schlußstein des priesterlichen Systems der Sündenvergebung, in: H.-J. Fabry / H.-W. Jüngling (Hgg.), Leviticus als Buch (BBB 119), Berlin u. Bodenheim, 218-248
- Vaux, R. de, 1962, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, Bd. 2, Freiburg u.a.
- Wefing, S., 1979, Untersuchungen zum Entsühnungsritual am großen Versöhnungstag (Lev. 16), Bonn
- Willi-Plein, I., 1993, Opfer und Kult im alttestamentlichen Israel (SBS 153), Stuttgart
Abbildungsverzeichnis
- Der Jahresfestkreis. Von © Corinna Körting, für den WiBiLex-Artikel „Fest“ angefertigt.
- Ein Dämon in Gestalt eines Mischwesens (Asasel ?) fällt einen Ziegenbock an (Elfenbeinblatt; Megiddo; Spätbronzezeit IIB; zur Diskussion um die Deutung s. Art. Asasel 3. Ikonographie). Aus: G. Loud, The Megiddo Ivories (OIP 52), Chicago 1939, Pl. 5,4
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