Deutsche Bibelgesellschaft

(1875-1964)

(erstellt: Juli 2015)

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1. Leben

Kahle 01

Paul (Ernst) Kahle, einer der bedeutendsten Orientalisten des 20. Jh.s, wurde am 21.1.1875 in Hohenstein / Ostpreußen als Sohn des Gymnasialdirektors Ernst Wilhelm Kahle geboren. Nach dem Besuch der lokalen Volksschule und von Gymnasien in Allenstein, Tilsit und Danzig studierte Paul Kahle ab 1894 Theologie und Orientalistik, zuerst in Marburg, dann in Halle. 1898 legte er das erste theologische Examen in Danzig ab, im gleichen Jahr wurde er in Halle mit einer vom Semitisten Franz Praetorius betreuten Dissertation („Textkritische und lexikalische Bemerkungen zum samaritanischen Pentateuchtargum“) zum Dr. phil. promoviert.

Dank seiner doppelten Qualifikation musste Kahle nicht unmittelbar in den Kirchendienst eintreten, er wurde vielmehr für einen Forschungsauftrag in England freigestellt: Es ging darum, hebräische, samaritanische, arabische und syrische Handschriften, die sich in London, Oxford und Cambridge befanden, nach Material für das Projekt einer von Abraham Kuenen angeregten Edition der arabischen Übersetzung des Pentateuchs der Samaritaner zu durchsuchen. Im Anschluss an dieses Projekt besuchte Kahle 1899-1901 das Wittenberger Predigerseminar. 1902 legte er in Wittenberg das 2. Theologischen Examen ab. Im gleichen Jahr erwarb er mit einer Dissertation („Der masoretische Text des Alten Testaments nach der Überlieferung der babylonischen Juden“) an der Theologischen Fakultät der Universität Halle den Titel eines Lic. theol.

Im Anschluss daran trat er in den Kirchendienst ein. Nach acht Monaten als stellvertretender Pfarrer in Brăila (Walachei / Rumänien) wurde er für fünf Jahre (1903-1908) als Pfarrer und Leiter der Deutschen Schule an die Deutsche Evangelische Gemeinde in Kairo versetzt. Parallel zu seiner Tätigkeit in der Gemeinde erlernte er dort das Arabische als lebende Sprache und beschäftigte sich mit dem arabischen Schattentheater. Diese Studien bildeten die Basis für eine semitistische Habilitationsschrift, mit der er nach seiner Rückkehr aus Ägypten an der Philosophischen Fakultät der Universität Halle die venia legendi für semitische Sprachen erlangte.

Bevor Kahle 1910 seine gut 50 Jahre währende Tätigkeit als akademischer Lehrer und Forscher als Privatdozent in Halle aufnahm, erweiterte er seinen Horizont bei einem weiteren Aufenthalt im Orient: Er ging als Mitarbeiter → Gustav Dalmans an das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes nach Jerusalem. Im Mittelpunkt seiner dortigen Arbeit standen arabistische und islamkundliche Studien. Wieder zurück in Halle, kehrte Kahle auch thematisch zu seinen Anfängen zurück: Er wertete mehr als 50 Fragmente von Handschriften aus, die den Bibeltext in babylonischer Punktation enthielten, und fasste die dabei gewonnenen Erkenntnisse in dem Band „Masoreten des Ostens“ zusammen. Das bedeutende Werk erschien 1913. Ein Jahr später wurde er auf eine Professur für Orientalische Philologie und Islamkunde an der Universität Gießen berufen. Nach dem ersten Semester an dieser Universität reiste er noch einmal nach Ägypten, was seine Arbeit als Lehrer und Forscher beinahe zum Erliegen gebracht hätte: Auf der Rückreise geriet er in den Wirren des Weltkriegs in französische Gefangenschaft. Da er Wissenschaftler und kein Soldat war, konnte er aber bald wieder nach Gießen zurückkehren. Dort bot er im Wintersemester 1915 – aus dem Stand heraus – ein Kolleg für türkische Sprache an, das so gefragt war, dass es geteilt werden musste. Der Grund für diese Erweiterung seines Lehrdeputats lag darin, dass der hessische Landtag erwogen hatte, Türkisch – die Sprache des verbündeten Osmanischen Reichs – in den Lehrplan der höheren Lehranstalten aufzunehmen. Ein Jahr später setzte Kahle durch, dass ein Lektor für türkische Sprache angestellt wurde.

Gießen war auch der Ort, an dem Paul Kahle im Alter von knapp 40 Jahren den Schritt vom Junggesellen zum Ehemann und Familienvater vollzog: Er lernte dort die Volksschullehrerin Marie Gisevius kennen, die – 18 Jahre jüngere – Tochter eines ebenfalls aus Ostpreußen stammenden Kollegen aus der Agrarwissenschaft. Die Hochzeit fand 1917 an Ostern statt. Aus der Verbindung gingen sieben Söhne hervor, von denen zwei im frühen Kindesalter verstarben. Die Verbindung des eher unpolitischen Gelehrten mit der politisch interessierten und sozial stark engagierten Frau sollte später tiefgreifende Folgen für das Ergehen der Familie im 3. Reich mit sich bringen.

Die Menge, Qualität und Vielfalt der bis 1923 erschienen Publikationen Kahles bewirkte, dass er bald einen Ruf an eine andere Universität – Bonn – erhielt. Er nahm an und wurde Direktor des Orientalischen Seminars. Von 1923 bis zur Flucht der Familie Kahle aus Nazi-Deutschland im Jahre 1939 wirkte der auch außerhalb von Deutschland hoch angesehene Wissenschaftler an dem erwähnten Institut in Bonn, das er um eine chinesische sowie eine japanische Abteilung erweiterte. Den Schwerpunkt seiner eigenen Arbeit bildete allerdings auch in Bonn (und bis an sein Lebensende) die Erforschung der Geschichte des Bibeltextes im ersten Jahrtausend: Am Ende der zwanziger Jahre wurde er in den Herausgeberkreis der Neuauflage der Biblia Hebraica aufgenommen und mit der Redaktion der Masora parva in der Biblia Hebraica Kittel (3. Aufl.) sowie der Vorbereitung einer Edition der Masora magna betraut. Daneben engagierte sich Kahle auch im Bereich der Wissenschaftsorganisation: So fungierte er von 1934 bis 1938 als Herausgeber der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft – schon ab 1927 war er der Geschäftsführer der Gesellschaft – und organisierte für die gleiche Institution auch mehrere Orientalistentage in Bonn. 1935 erhielt er wohl auch deshalb bereits zum 60. Geburtstag eine Festschrift, in der Beiträge zu praktisch allen Teilfächern zu finden sind, die an seinem Seminar vertreten waren.

Im gleichen Jahre bekam Kahle das Angebot, als Gründungsdirektor an ein neu zu errichtendes, großes Orient-Institut nach Berlin zu gehen, was er ablehnte. Vermutlich hoffte er, fern von der Reichshauptstadt weiterhin problemlos enge Kontakte zu jüdischen Mitarbeitern und Bekannten aufrechterhalten zu können – wie sich herausstellen sollte, ein Irrtum: Auslöser für den Umschwung war die sog. Reichskristallnacht (9./10. November 1938). Die Familie – allen voran der älteste Sohn Wilhelm und Marie Kahle – hatte jüdischen Bekannten geholfen, deren Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen und Verwüstungen so gut wie möglich zu beheben. Die Kontakte zu jüdischen Freunden und Kollegen wurden demonstrativ weiter gepflegt. Das hatte unmittelbare Folgen: Frau Kahle und ihr Sohn Wilhelm wurden als Volksverräter angeprangert, Wilhelm Kahle von der Universität verwiesen, Marie Kahle von der Gestapo verhört, und Paul Kahle wurde vom Universitätsrektor die weitere Führung der Dienstgeschäfte, das Betreten der Universität und auch des Seminargebäudes untersagt. Zudem griff eines Nachts ein Trupp von fünf Männern das Haus der Familie an, der außer einigen zerbrochenen Fensterscheiben auf dem Gehsteig die Inschrift hinterließ: „Hier wohnt ein Volksverräter, Judenfreund“.

Durch eine Intervention bei höheren Stellen in Berlin konnte Kahle zwar erreichen, dass ihm – gegen das Versprechen, seiner vorzeitigen Emeritierung zuzustimmen – zumindest die Bezüge weiter gewährt wurden und er auch (eingeschränkt) weiter arbeiten konnte, aber die Hetze gegen die Familie, v.a. gegen Marie Kahle, ging weiter, so dass Letztere zusammen mit dem ältesten Sohn nach England floh. Von dort aus organisierte sie mit Hilfe von Kollegen ihres Mannes die Flucht des Rests der Familie nach England und deren Einbürgerung dortselbst.

Eine Professur konnte Kahle in England nicht mehr erreichen, wohl aber wurde ihm durch den Mäzen A. Chester Beatty ermöglicht, weiterhin wissenschaftlich arbeiten zu können. Auch das Angebot der British Academy, 1941 die (gut honorierten) „Schweich Lectures“ des Jahres zu übernehmen, half mit, das Überleben der Familie Kahle im Exil finanziell abzusichern. 1948 wurde Kahle ordentliches Mitglied der British Academy. Das gleiche Jahr brachte auch den größten Verlust im Leben Kahles: Nach längerem Leiden verstarb im Dezember 1948 seine Frau Marie.

An die Universität Bonn kehrte Paul Kahle nach dem Kriegsende nicht mehr als Professor zurück – dies obwohl er wieder offiziell in das Personalverzeichnis der Universität aufgenommen worden war: S.E. wirkten dort nach wie vor zu viele Mitläufer des untergegangenen Regimes. Dagegen nahm er 1953 das Angebot der Universität Münster an, eine Honorarprofessur zu übernehmen. Auch Kahles Verhältnis zur Universität Halle, seiner ersten akademischen Heimat, war schon bald nach dem Krieg wieder ungetrübt: Als englischer Staatsbürger hatte er keine Probleme, in die SBZ/DDR einreisen zu können, zumal ihn seine „antifaschistische“ Haltung als Persona grata auswies. Umgekehrt war es für ihn wichtig, dass man sich im östlichen Teil Deutschlands klarer von der nationalsozialistischen Vergangenheit distanzierte als im Westen. So besuchte er, zumal er Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften in der SBZ/DDR geworden war, zwischen 1948 und 1960 Halle achtmal.

Auch ohne Einladungen zu Vorträgen reiste Kahle noch in den fünfziger Jahren gerne – sei es zu Forschungszwecken in bestimmte Bibliotheken, sei es zur Wahrnehmungen in den Teilen der muslimischen Welt, die er zuvor noch nicht kennengelernt hatte. So verbrachte er seinen 80. Geburtstag im Jahre 1955 auf einer Studienreise, die ihn durch die damals West- und Ost-Pakistan genannten muslimischen Teilstaaten auf dem indischen Subkontinent, aber auch durch Indien selbst führte.

Zusätzlich zu vielen akademischen Ehrungen, darunter viermal die Würde eines Dr. h.c., wurde Paul Kahle 1955 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. (Schon 1907 war er von staatlicher Seite ausgezeichnet worden – durch den Preußischen Kronenorden IV. Klasse). Dennoch kehrte Paul Kahle erst 1963 endgültig nach Deutschland zurück, allerdings nicht nach Bonn, sondern zu seinem Sohn Theodor, der in Düsseldorf wohnte. Wegen eines Unfalls in die Universitätsklinik Bonn eingeliefert, starb er dort am 24. September 1964 an den Folgen eines Hirnschlags. Bestattet wurde er weder in Bonn noch in Düsseldorf, sondern in dem Ort, an dem er seine erste Professur erlangt und seine Frau Marie kennengelernt hatte, in Gießen, genauer: auf dem Friedhof Rodtberg in einem Familiengrab, das die Universität Gießen 1995 zu einem Ehrengrab für Kahles Schwiegervater Paul Gisevius (✝1935) umwidmen ließ. Vorher (1920) waren in der zunächst rein privaten Grabstätte Kahles erster, im Alter von zwei Jahren verstorbener Sohn Ernst und dessen Großmutter Marie (die erste Frau von Paul Gisevius) bestattet worden. Eine Grabtafel für Paul Kahle fehlte lange Zeit. Nachdem die Universität Gießen bereits 1967 den Entzug des einst Paul Kahle verliehenen Ehrendoktortitels rückgängig gemacht hatte, hat sie im März 2015 – gut 50 Jahre nach dem Tod Paul Kahles – an dem Holzkreuz auf dem Grab unterhalb der Namen von Paul und Adele Gisevius eine kleine Messingtafel anbringen lassen, die an diesen viele Jahre in Gießen lehrenden großen Gelehrten erinnert.

2. Werk

2.1. Arbeiten zur Erforschung der Geschichte des Bibeltextes

Die beiden oben erwähnten Dissertationen bildeten eine Art Präludium zu dem zentralen (und beide Studienfächer betreffenden) Thema, mit dem sich Paul Kahle zeit seines Lebens beschäftigt hat: Die Geschichte des Bibeltextes. Wegweisend war zudem der erste Forschungsaufenthalt in England. Bei ihm begegnete Kahle erstmals den Manuskripten aus der Geniza der Ezra-Synagoge in Qaṣr aš-Šam‘a, einem Stadtteil von Kairo, die Solomon Schechter nach Cambridge gebracht hatte, und den in Oxford aufbewahrten Fragmenten aus der gleichen Quelle. Die Begegnung mit diesen Handschriften beeinflusste Kahles wissenschaftlichen Werdegang ganz entscheidend. Wohl nicht zufällig trägt sein bedeutendstes Opus – die schriftliche Fassung der bei den „Schweich Lectures“ von 1941 gehaltenen Vorträge – den Titel „The Cairo Geniza“. [In der zweiten, erweiterten Auflage sind auch die Qumran-Rollen berücksichtigt, weshalb R. Meyer, der eine deutsche Übersetzung herausgab, einen Untertitel zufügte: „Die Kairoer Genisa. Untersuchungen zur Geschichte des hebräischen Bibeltextes und seiner Übersetzungen“]. In dem Buch ist alles Wesentliche zusammengefasst, was Kahle in 50 Jahren akribischer Arbeit an Handschriften zur Geschichte des Bibeltextes herausgefunden hat. Die Einleitung behandelt archäologische und historische Aspekte. Der Hauptteil umfasst zwei große Kapitel: „The Hebrew Text of the Bible“ und „The Translation of the Bible“. Kahle hat darin aber nicht nur systematisch geordnet das wiederholt, was er seit 1898 in Einzelstudien publiziert hatte, er hat vielmehr einige zuvor nur in Randbemerkungen angedeutete Aspekte bewusst in den Vordergrund gerückt. Besonders hervorzuheben ist der Abschnitt, in dem er auf strukturelle Analogien zwischen der Arbeit der Masoreten an einer „authentischen“ Fassung des Tenach und der Arbeit arabischer Grammatiker an einer verbindlichen Fassung des Koran verweist – beides weniger wissenschaftlich als religiös motivierte Unternehmungen. Zusammen mit der Tatsache, dass er die samaritanischen und die in Qumran gefundenen Handschriften – aus der Sicht des Judentums „Sektenliteratur“ – als gleichwertig mit den aus dem Umfeld des rabbinischen Judentums stammenden Handschriften ansah und den Karäern eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess der masoretischen Punktation zubilligte, war es wohl der Hinweis auf die Analogien zur Koranredaktion, der dazu geführt hat, dass Kahles Folgerungen aus den eindeutigen Belegen bei religiös-konservativ orientierten jüdischen und christlichen Forschern als obsolet gelten.

Gegner im Bereich der Wissenschaft hatte er bereits früher gefunden, nicht nur weil er in Sachen → Septuaginta die These vertrat, dass die ersten Übersetzungen des Alten Testaments ins Griechische lokale Targume waren, dass es also anfangs keine allgemein anerkannte Übersetzung gegeben habe: Bereits in den 1927 bzw. 1930 publizierten maßstabsetzenden Bänden I und IV der Reihe „Texte und Untersuchungen zur vormasoretischen Grammatik des Hebräischen (TUVMG)“ hatte Kahle das auf den Punkt gebracht, was er in Zusammenarbeit mit jüdischen Gelehrten wie Israel Rabin und Rafael Edelmann zur Geschichte der Ergänzung des hebräischen bzw. aramäischen Konsonantentexts der Bibel durch die masoretische Punktation erkannt hatte, und das Ergebnis musste religiös gebundene Forscher außerordentlich stören. Wissenschaftler, denen mehr an wissenschaftlicher Genauigkeit als an „religious correctness“ liegt, stehen demgegenüber bis heute bewundernd vor den in ihrer Breite und Präzision kaum zu übertreffenden Studien Paul Kahles zur Überlieferung des Textes des Alten Testaments im ersten Jahrtausend nach Christus und können sein Resümee nachvollziehen:

„Während dieser Bearbeitung ist mir klar zum Bewusstsein gekommen, dass die von den Masoreten festgelegte Aussprache des Hebräischen, auf der unsere hebräische Grammatik bisher fast ausschliesslich aufgebaut ist, zum Teil wenigstens künstlich ist ... An einem Beispiel habe ich den sicheren Nachweis erbracht, dass die Masoreten eine Aussprache durchgeführt haben, die einige Jahrhunderte zuvor allgemein, auch in den alleroffiziellsten Kreisen des Judentums, nicht üblich war“ (Kahle 1927, VII).

Vereinfacht gesagt: Das Hebräische der Masoreten von Tiberias repräsentiert keine ursprüngliche Sprachtradition – es ist ein Konstrukt. Diese von jüngeren Alttestamentlern fahrlässiger Weise kaum mehr berücksichtigte Tatsache mit unendlicher Akribie nachgewiesen zu haben, ist die in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Leistung von Paul Kahle. Spätere Arbeiten von Kahle wie die Druckfassung eines an mehreren Universitäten gehaltenen Vortrags mit dem Titel „Die hebräischen Handschriften aus der Höhle“ (1951) oder „Der Hebräische Bibeltext seit Franz Delitzsch“ (1961) zeugen davon, das er sich auch noch in hohem Alter rege mit der Geschichte des Bibeltextes beschäftigte – das aber weniger innovativ, als deskriptiv, das Lebenswerk in die neueren Erkenntnisse der Wissenschaft einordnend.

2.2. Arbeiten zu orientalistischen Themen

Die erste orientalistische Publikation Kahles, die nichts mit der Bibel zu tun hat, entstand während des Pfarrdienstes in Kairo. Es ist die in Halle angenommene Habilitationsschrift „Zur Geschichte des arabischen Schattenspieles in Egypten“. Als Mitarbeiter Gustav Dalmans veröffentlichte Kahle im Publikationsorgan des Jerusalemer Instituts (Palästina-Jahrbuch) zwei Aufsätze zu den moslemischen Heiligtümern in Jerusalem bzw. Palästina. Auch die beiden zusammen mit Hans Schmidt herausgegebenen Bände „Volkserzählungen aus Palästina“ verdanken ihre Entstehung wohl dem Aufenthalt in Jerusalem. Sie und andere Werke belegen eindrücklich, dass Paul Kahle nicht allein in einem Elfenbeinturm forschte, sondern großen Wert auf Kooperation legte – auch und gerade mit Wissenschaftlern anderer Religionszugehörigkeit oder Disziplinen wie z.B. den Juden Israel Rabin und Alexander Sperber oder dem Katholiken Franz Xaver Wutz, und auch wenn sie in der akademischen Hierarchie unter ihm standen, wie z.B. der im Titel des vierten Bands der Reihe TUVMG genannte Rafael Edelmann. Völlig andere Wege beschritt Paul Kahle, als er (angeregt durch die Übersetzungsarbeit an einem im 16. Jh. verfassten türkischen Segelhandbuch des Autors Piri Re’îs) einen Aufsatz über „Nautische Instrumente der Araber im Indischen Ozean“ (Kahle 1956, 266-277) publizierte bzw. – Piri Re’îs’ Spuren in andere Richtung verfolgend – in Istanbul auf „Die verschollene Columbuskarte von 1498 in einer türkischen Weltkarte von 1513“ stieß. Aufsätze zu China – aus Sicht der islamischen Welt (Kahle 1956, 312-361) – belegen, dass Kahles orientalistischer Horizont nicht an der Grenze des Iran endete.

Literaturverzeichnis

1. Ausgewählte Werke

  • Kahle, P., 1898, Textkritische und lexikalische Bemerkungen zum samaritanischen Pentateuchtargum, Leipzig
  • Kahle, P., 1902, Der masoretische Text des Alten Testaments nach der Überlieferung der babylonischen Juden, Leipzig (Repr. Hildesheim 1966)
  • Kahle, P., 1904, Die arabischen Bibelübersetzungen: Texte mit Glossar und Literaturübersicht, Leipzig
  • Kahle, P., 1909, Zur Geschichte des arabischen Schattentheaters in Egypten, Neuarabische Volksdichtung aus Egypten, Heft I, Leipzig 1909
  • Kahle, P., 1910, Die moslemischen Heiligtümer in und bei Jerusalem, PJ 6, 65-101
  • Kahle, P., 1911, Das Wesen der moslemischen Heiligtümer in Palästina, PJ 7, 85-119
  • Kahle, P., 1913, Masoreten des Ostens. Die ältesten punktierten Handschriften des Alten Testaments und der Targume, herausgegeben und untersucht (BWAT 15), Leipzig (Repr. Hildesheim 1984)
  • Kahle, P., 1926, Piri Re’îs, Baḥrije. Das türkische Segelhandbuch für das mittelländische Meer vom Jahre 1521, herausgegeben, übersetzt und erklärt, Berlin-Leipzig
  • Kahle, P., 1927, Masoreten des Westens I. Mit Beiträgen von Dr. Israel Rabin und 30 Lichtdrucktafeln (TUVMG I; BWAT 33), Stuttgart (Repr. zus. mit Masoreten des Westens II, Hildesheim 1967 und 2005)
  • Kahle, P., 1930, Masoreten des Westens II. Das Palästinische Pentateuchtargum. Die Palästinische Punktation. Der Bibeltext des Ben Naftali. Mit einem Beitrag von Dr. R. Edelmann und 16 Lichtdrucktafeln (TUVMG IV; BWANT 50), Stuttgart (Repr. zus. mit Masoreten des Westens I, Hildesheim 1967 und 2005)
  • Kahle, P., 1933, Die verschollene Columbuskarte von 1498 in einer türkischen Weltkarte von 1513, Berlin / Leipzig
  • Kahle, P.E., 1947 (1959), The Cairo Geniza, Oxford. In deutscher, von R. Meyer verantworteter Fassung: Die Kairoer Genisa. Untersuchungen zur Geschichte des hebräischen Bibeltextes und seiner Übersetzungen, Berlin (Ost) 1962
  • Kahle, P., 1951, Die hebräischen Handschriften aus der Höhle, Stuttgart
  • Kahle, P., 1956, Opera minora, herausgegeben von M. Black / J. Fück / F. Pérez Castro / O. Spies, Leiden
  • Kahle, P., 1961, Der hebräische Bibeltext seit Franz Delitzsch, Stuttgart

2. Lexikonartikel

  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Hamm 1975ff (im Internet)

3. Weitere Literatur

  • Bartelmus, R., 2014, Paul Kahle (1875-1964) in: P. Bukovec (Hg.), Christlicher Orient im Porträt – Wissenschaftsgeschichte des Christlichen Orients. Kongreßakten der 1. Tagung der RVO (4. Dezember 2010, Tübingen), Religionen im Vorderen Orient (RVO), Band 2, Teilband 1, Hamburg, 551-573
  • Bartelmus, R., 2015, Addenda zum Teilband 1: Zu S. 551-573 [Rüdiger Bartelmus, (Paul Kahle 1875-1964)], in: P. Bukovec (Hg.), Christlicher Orient im Porträt – Wissenschaftsgeschichte des Christlichen Orients. Kongreßakten der 1. Tagung der RVO (4. Dezember 2010, Tübingen), Religionen im Vorderen Orient (RVO), Band 2, Teilband 2, Hamburg, 1129-1131
  • Black, M. / Fohrer, G. (Hgg.), 1968, In memoriam Paul Kahle, BZAW 103, Berlin
  • Bundesarchiv, Zentrale Datenbank Nachlässe, Nachlässe K: Kahle / Gisevius, Familie, Biographische Notiz (http://www.nachlassdatenbank.de/viewall.php?category=K)
  • Fück, J., 1966, Paul Kahle (1875-1964), ZDMG 116, 1-7
  • Eissfeldt, O., 1966, Paul Kahle (21. Januar 1875 – 24. September 1964), AfO 21, 256-257
  • Heffening, W. / Kirfel, W. (Hgg.), 1935, Studien zur Geschichte und Kultur des Nahen und Fernen Ostens, überreicht von Freunden und Schülern aus dem Kreise des Orientalischen Seminars der Universität Bonn, FS Paul Kahle, Leiden
  • Kahle, J.H. / Bleek W. (Hgg.) 1998, Marie Kahle, Was hätten Sie getan? Die Flucht der Familie Kahle aus Nazi-Deutschland und Paul Kahle, Die Universität Bonn vor und während der Nazi-Zeit (1923-1939), Bonn
  • Rose, C., 2009-2011, Masoreten als Theologen. Beobachtungen aus einem Teilbereich der Alttestamentlichen Wissenschaft, ZAH 21-24, 106-119
  • Schmidt, H. / Kahle, P. (Hgg.), 1918, Volkserzählungen aus Palästina. Gesammelt bei den Bauern von Bir-Zet und in Verbindung mit Dschirius Jusif in Jerusalem. Mit einer Einleitung über palästinische Erzählungskunst, einem Abriß der Grammatik, einem Verzeichnis der Sachen und Namen, der Märchenmotive und der Wörter (FRLANT 17), Göttingen
  • Schmidt, H. / Kahle, P. (Hgg.), 1930, Volkserzählungen aus Palästina. Gesammelt bei den Bauern von Bir-Zet und in Verbindung mit Dschirius Jusif in Jerusalem, Band 2. Mit 48 Abbildungen nach Photographien aus dem Leben der Erzähler, einer Einleitung über die Bauern von Bir-Zet, einem Verzeichnis der Wörter und der Märchenmotive (FRLANT 47), Göttingen
  • von Mutius, H.-G., 2009, Nichtmasoretische Jesaja-Zitate im Midrasch ha-Gadol und eine Grundsatzbemerkung zum Verhältnis von Masora und Koran, BZ.NF 53, 106-117

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  • Paul Kahle.

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