Kilamuwa
Andere Schreibweise: Kilammu; Kulamuwa
(erstellt: Februar 2009)
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1. Kilamuwa
Kilamuwa war im 9. Jh. v. Chr. (ca. 840/835 bis 815/810 v. Chr.) ein König des aramäischen Stadtstaates Ja’udi (andere Schreibweisen: Jaudi, Ya’udi, Yaudi), der assyrisch Sam’al (Sam’ilu; andere Schreibweise: Samal) genannt wurde (→ Aramäer
1.1. Lage von Ja’udi / Sam’al
Ja’udi / Sam’al liegt im Südosten der Türkei am Ostrand des Amanusgebirges an der über dieses Gebirge führenden Ost-West-Verbindung vom Euphrat zur Südküste Kleinasiens, ca. 70 km nord-östlich von Iskenderum und ca. 110 km nord-nord-westlich von Aleppo. Der Name der neuzeitlichen Siedlung ist → Sendschirli
1.2. Ältere Geschichte von Ja’udi / Sam’al
Die Besiedlung dieses Ortes geht zumindest bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. In dieser Zeit wie auch später wieder gehörte der Ort zum nordmesopotamischen Kulturkreis. Im 17. und 16. Jh. v. Chr. und dann wieder ab 1370 v. Chr. gehörten die Stadt und ihr Gebiet zum hethitischen Reich, dazwischen zum Herrschaftsgebiet der → Mitanni
1.3. Die aramäischen Herrscher bis Kilamuwa
Nach den Angaben der Kilamuwa-Inschrift war Gabbar (= „Held / Anführer") der Gründer der ersten aramäischen Herrscherdynastie, weshalb das Königtum auch als Bit Gabbar („Haus des Gabbar“) bezeichnet wurde. Nach einem oder zwei Dynastiewechseln war Kilamuwa der insgesamt fünfte aramäische Herrscher von Ja’udi / Sam’al.
Chajja, der Vater des Kilamuwa, versuchte, sich zusammen mit benachbarten Königen gegen die Assyrer zu verteidigen, blieb aber dann nach Niederlagen und Tributzahlungen den weiteren Kämpfen fern. Als Kilamuwa von dem westlich, jenseits des Amanus, gelegenen Reich der Danunäer (Gebiet des heutigen Adana) bedrängt wurde, wandte er sich an die → Assyrer
2. Die Inschrift des Kilamuwa
2.1. Der Inhalt der Inschrift
Bei den Ausgrabungen wurde an der linken Seite des Eingangs zum Palast ein Orthostat (eine den Sockel verzierende Steinplatte) mit einer 16-zeiligen Inschrift in phönizischer Sprache gefunden. Darin erwähnt Kilamuwa, dass vor ihm Gabbar, Bam/nihu, Chajja und Scha’il Könige von Ja’udi waren, die aber alle „untätig“ waren. Erst als Kilamuwa nach seinem Bruder Scha’il die Herrschaft übernahm, konnte sich das Land mit Hilfe der Assyrer gegen die Bedrohung durch die Nachbarn wehren und kam es zu Sicherheit und Wohlstand im Land, zu dem auch der Ausgleich und der Frieden zwischen den Bevölkerungsgruppen der Muschkabim (vermutlich die ältere, voraramäsiche Bevölkerung) und der Ba’ririm (vermutlich die Aramäer) beitrug. Am Ende der Inschrift werden – im Rahmen des üblichen Fluches gegen jene, die in Zukunft die Inschrift zerstören könnten – die wichtigsten Götter von Ja’udi / Sam’al genannt. Es sind dies: Baal-Semed, der Gott des Gabbar; Baal-Hamman, der Gott des Bam/nihu und Rakib-El, der Herr des Königshauses (→ Baal
2.2. Die Bedeutung der Inschrift
Die Bedeutung der Kilamuwa-Inschrift liegt darin, dass sie Einblick in die Anfänge und die frühe Geschichte der aramäischen Könige von Ja’udi / Sam’al gibt. Sie zeigt, dass die Herrscher die auch sonst bekannten – und vermutlich auch von der Bevölkerung verehrten – Götter → Baal
2.3. Die Bedeutung der Inschrift für das Alte Testament
Die Inschrift ist in verschiedener Hinsicht auch für das Alte Testament interessant:
1) Dass die Inschrift in phönizischer Sprache abgefasst ist (daneben wurde aber auch aramäisch geschrieben, wie eine kleinere Inschrift beweist), zeigt den großen Einfluss der phönizischen Kultur, vgl. die Vereinbarungen mit → Hiram von Tyrus
2) Die Erwähnung von Gabbar als erstem aramäischen König erklärt die in assyrischen Quellen zu findende Benennung des Königreiches als Bit (= Haus) Gabbar. Diese Art der Bezeichnung als „Haus [des] …“ ist typisch für die aramäischen Königreiche und hat ihre Entsprechung in der Bezeichnung der davidischen Dynastie als Davidhaus bzw. Haus Davids (→ Inschrift von Tel Dan
3) Interessant ist, dass die Erinnerung an den Gründer des Königtums über fünf Generationen und sogar zwei Dynastiewechsel hinweg bewahrt wurde.
4) Die auffallend negative Erwähnung der Vorgänger – und sogar des Vaters – ist typisch für Königsinschriften (insbesondere bei irregulärer Thronfolge) und hat im Alten Testament eine gewisse Entsprechung in der Darstellung des Scheiterns von Saul als Hintergrund und Ausgangspunkt für das Königtum Davids (1Sam 13f
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
(siehe unter Aramäer, Sam’al, Sendschirli, Zindschirli)
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East, Oxford / New York 1997
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Editionen und Übersetzungen der Kilamuwa-Inschrift
- Donner, H. / Röllig, W., 2002, Kanaanäische und Aramäische Inschriften I – III, 5. Aufl. Wiesbaden [KAI Nr. 24]
- Müller, H.-P., 1985, Die Inschrift des Königs Kilamuwa von J’DJ (Sam’al), TUAT I/6, 638-640
- Tropper, J., 1993, Die Inschriften von Zincirli (ALSP 6), Münster
- Younger, K.L. Jr., 2000 = 2003, The Kulamuwa Inscription (2.30), The Context of Scripture II, Leiden, 147f.
3. Weitere Literatur
- Dion, P.E., 1997, Les Araméens à l’age du Fer. Histoire Politique et Structures Sociales (Études Bibliques 34), Paris 1997
- Kreuzer, S., 1996, Die Religion der Aramäer auf dem Hintergrund der frühen aramäischen Staaten, in: P. Haider / M. Hutter / S. Kreuzer (Hgg.), Religionsgeschichte Syriens. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart, 101-115.374f.432-435
- Landsberger, B., 1948, Sam’al. Studien zur Entdeckung der Ruinenstätte Karatepe, Ankara
- Lipiński, E., 2000, The Aramaeans. Their Ancient History, Culture, Religion (Orientalia Lovaniensia Analecta 100), Leuven
- Schramm, W., 1983, Uša = Sam’al, Orientalia 52, 458ff.
- Wartke, R.-B., 2005, Sam’al. Ein aramäischer Stadtstaat des 10. bis 8. Jhs. v. Chr. und die Geschichte seiner Erforschung, Berlin / Mainz
- Wartke, R.-B., 1999, Zincirli – Sam’al, in: W. Seipel / A. Wieczorek (Hgg.), Von Babylon bis Jerusalem, Bd. 2 (Ausstellungskatalog), Mailand, 301ff.
Abbildungsverzeichnis
- Karte zu Ja’udi / Sam’al. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Wächterlöwen aus Sam’al (ältere aramäische Periode; heute vor dem Eingang des archäologischen Museums in Istanbul). © Siegfried Kreuzer
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