Deutsche Bibelgesellschaft

Kirjatajim

(erstellt: Januar 2020)

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1. Name

Der Name Kirjatajim (קִרְיָתַיִם Qirjātajim) setzt sich zusammen aus קִרְיָה qirjāh „Ort / Dorf“ und der häufig belegten Endung -ajim. Wenn man diese als Dualendung versteht, bedeutet der Ortsname „Doppeldorf“. Eher handelt es sich jedoch um eine Lokalendung, da sie nicht nur bei Begriffen begegnet, die paarweise sinnvoll sind (vgl. z.B. Aditajim [< עֲדִי ‘ǎdî „Schmuck“], aber auch → Mahanajim; → Karnajim; Schaarajim; Zemarajim; Borée, 54f).

Die → Septuaginta gibt den Ortsnamen meist mit Καριαθαιμ Kariathaim wieder, an zwei Stellen übersetzt sie jedoch mit πόλις polis „Stadt“ (Gen 14,5; Ez 25,9). Die → Vulgata transliteriert Cariathaim, in Gen 14,5 verbindet sie den Namen jedoch mit dem voranstehenden שָׁוֶה šāwæh „Ebene“ zu Savecariathaim.

2. Orte

2.1. Kirjatajim im Ostjordanland

Kirjatajim 01
Num 32,37f nennt Kirjatajim in einer Liste der Orte des Stammes → Ruben, der im Ostjordanland siedelte. Jos 13,17-20 bietet eine Liste der Orte Rubens, die auf dem Plateau (Jos 13,17) nördlich des → Arnon liegen und zu denen auch Kirjatajim zählt. Einst sollen sie → Sihon, dem König der → Amoriter, gehört haben, doch soll Israel diesen unter der Führung des → Mose besiegt haben, und bei der Landverteilung soll Mose Kirjatajim Ruben zugeteilt haben.

Jer 48 enthält einen Fremdvölkerspruch, der → Moab Unheil ankündigt. Dabei werden eine Reihe von Städten Moabs genannt, die vernichtet werden sollen, unter ihnen Kirjatajim (Jer 48,1.23). Auch Ez 25,8-11 bietet einen Fremdvölkerspruch gegen Moab und nennt dabei drei Orte: Bet-Jeschimot, → Baal-Meon und Kirjatajim. Demnach dürfte Kirjatajim zu den wichtigsten Orten Moabs gehört haben.

Gen 14,5 lokalisiert eine Schlacht zwischen → Kedor-Laomer – angeblich ein König von Elam (Gen 14,1) – und den → Emitern in der „Ebene von Kirjatajim“. Da die Emiter nach Dtn 2,10f in dem Gebiet siedelten, das später den Moabitern gehörte, dürfte der Erzähler mit dieser Ebene ein Gebiet im Bereich der ostjordanischen Stadt Kirjatijim gemeint haben. Allerdings sind die in Gen 14,5 berichteten Vorgänge, die sich zur Zeit → Abrahams abgespielt haben sollen, historisch nicht greifbar.

In einer Inschrift ist Kirjatajim auch außerbiblisch belegt. Mitte des 9. Jh.s v. Chr. rühmt sich der moabitische König Mescha, das von Israels König → Omri besetzte Gebiet von Madeba zurückerobert sowie Baal-Meon und Kirjatajim (קריתן qrjtn) wiederaufgebaut zu haben (Z. 7-10 der Mescha-Stele; Text s. → Mescha-Stele).

Nach → Euseb (Καριαθαειμ Kariathaeim in Onomastikon 112, 14-17, Eusebs Onomastikon; Edition Timm, Nr. 583, dort andere Schreibung: Καριαθ(ια)ρειμ statt Καριαθαειμ bzw. Καρεαδα statt Καραιαθα; Klostermann hat beide Ortsnamen nach dem lateinischen Text des Hieronymus konjiziert) lag Kirjatajim, bzw. das zu seiner Zeit von Christen besiedelte Καραιαθα Karaiatha, 10 Meilen (= 15 km) westlich von Madeba.

Den Quellen lässt sich entnehmen, dass Kirjatajim zumindest in der → Eisenzeit II besiedelt war und im Gebiet von Madeba gelegen haben muss. Da der Ort sowohl in der Mescha-Stele als auch bei Ezechiel zusammen mit Baal-Meon genannt wird, dürfte er in der Nähe dieses Ortes gelegen haben, der mit dem heutigen Ma‘īn, 7 km südwestlich von Madeba, gleichgesetzt wird (Koordinaten: N 31° 40' 47'', E 35° 43' 57''). Aufgrund dieser Daten sowie der Namensähnlichkeit wird Kirjatajim im Gefolge von Kuschke (1961a, 24-31; 1961b, 191-194; vgl. Donner, 69f; Gaß, 187; Jericke 2013, 123f) nicht mehr mit dem eisenzeitlich nicht besiedelten Ort Chirbet el-Qurējāt (Koordinaten: 2152.1054; N 31° 32' 23'', E 35° 41' 10'') identifiziert, sondern meist mit Chirbet el-Qurēje. Diese Ortslage befindet sich am Abstieg vom Hochplateau zum Toten Meer auf einem Sporn an der Nordseite des Wādī ‘Ajūn eḏ Ḏīb (Koordinaten: 2160.1242; N 31° 42' 33'', E 35° 41' 40''). Sie liegt 5,4 km nordwestlich von Ma‘īn und 9,5 km westlich von Madeba. Das scheint Eusebs Angabe von 15 km nach Madeba zu widersprechen, passt jedoch, wenn nicht die Luftlinie, sondern die Wegstrecke gemeint ist. Den Angaben Eusebs scheint auch zu widersprechen, dass Chirbet el-Qurēje keine byzantinischen Siedlungsspuren aufweist. Solche finden sich jedoch an der nur 600 m entfernten Ortslage Qurējet ‘Ajūn eḏ Ḏīb, bei der es sich um eine byzantinische Nachfolgesiedlung handeln dürfte (Kuschke 1962, 139f; Schmitt, 210).

2.2. Kirjatajim im Norden Israels

In einer Liste der Wohnsitze der → Leviten nennt 1Chr 6,61 im Siedlungsgebiet Naftalis, das in Galiläa liegt, drei Orte: → Kedesch, Hammon und Kirjatajim, jeweils mit ihren Weidegebieten. Dieser Text geht wohl auf den älteren Text Jos 13,21 zurück, wo als Wohnsitze der Leviten in Naftali ebenfalls drei Orte angegeben werden, deren Namen nur leicht abweichen: Kedesch, Hammat-Dor und Kartan (קַרְתָּן qartān), jeweils mit ihren Weidegebieten. In 1Chr 6,61 dürfte Kirjatajim demnach auf den nur in Jos 13,21 genannten Ort Kartan zurückgehen, dessen Lage unbekannt ist (zu Identifizierungsvorschlägen s. Peterson, 7; Klein, 211).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Kiriathaim, Kartan)
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Borée, W., Die alten Ortsnamen Palästinas, 2. Aufl., Leipzig 1930 (Nachdruck: Hildesheim 1968)
  • Dearman, J.A., The Levitical Cities of Reuben and Moabite Toponymy, BASOR 276 (1989), 55-66
  • Donner, H., Einführung in die biblische Landes- und Altertumskunde, Darmstadt 1976
  • Fritz, V., Das Buch Josua (HAT 1/7), Tübingen 1994
  • Gaß, E., Die Moabiter. Geschichte und Kultur eines ostjordanischen Volkes im 1. Jahrtausend v. Chr. (ADPV 38), Wiesbaden 2009
  • Jericke, D., Die Ortsangaben im Buch Genesis. Ein historisch-topographischer und literarisch- topographischer Kommentar (FRLANT 248), Göttingen 2013
  • Jericke, D., Art. Kirjatajim, in: Ortsangaben der Bibel (odb), 2016 (letzte Änderung: 8.10.2019) http://www.odb.bibelwissenschaft.de/ortsnamen/ortsname.php?n=63 (Zugriff: 22.1.2020)
  • Klein, R.W., 1Chronicles. A Commentary (Hermeneia), Minneapolis 2006
  • Kuschke, A., Das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes Lehrkursus 1960, ZDPV 77 (1961a), 1-37
  • Kuschke, A., Das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes Lehrkursus 1961, ZDPV 78 (1962), 113-142
  • Kuschke, A., Jeremia 48,1-8. Zugleich ein Beitrag zur historischen Topographie Moabs, in: A. Kuschke (Hg.), Verbannung und Heimkehr. Beiträge zur Geschichte und Theologie Israels im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. (FS W. Rudolph), Tübingen 1961b, 181-196
  • Mittmann, S., Die Gebietsbeschreibung des Stammes Ruben in Josua 13,15-23, ZDPV 111 (1995), 1-27
  • Peterson, J.L., Art. Kartan, in: The Anchor Bible Dictionary, Bd. 4, New York 1992, 7
  • Schmitt, G., Siedlungen Palästinas in griechisch-römischer Zeit. Ostjordanland, Negeb und (in Auswahl) Westjordanland (BTAVO B 93), Wiesbaden 1995
  • Schorn, U., Ruben und das System der zwölf Stämme Israels (BZAW 248), Berlin / New York 1997
  • Wüst, M., Untersuchungen zu den siedlungsgeographischen Texten des Alten Testaments, Bd. I: Ostjordanland (BTAVO B 9), Wiesbaden 1975

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur Lage von Kirjatajim im Ostjordanland. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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