Kischon
Andere Schreibweise: Kichon; Kishon; Kison; Kisson; Cison; Cisson; Qishon; Quichon
(erstellt: Oktober 2011)
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Mit einem Bach Kischon verbindet das Alte Testament zwei Ereignisse: erstens den Sieg von → Debora
1. Name
Die etymologische Ableitung und Bedeutung des Toponyms Kischon (hebr. קִישׁוֹן qîšôn, griech. Κισων, lat. Cison) ist unsicher. Vielleicht liegt hier eine mit der suffigierten Lokalendung -ôn versehene QÎL-Form vor (Richter 56), die von einer Wurzel QΊ oder QÛŠ gebildet ist. Diese Wurzel mag mit dem akkadischen Verbaladjektiv qīšum „Geschenkter“ zusammenhängen, so dass der Name die lebensspendende Kraft des Baches als besonderes Geschenk bezeichnet. Andererseits kann er auch von einer Wurzel JQŠ „eine Falle stellen / fangen“ abzuleiten sein (Abel 468). Dann wäre wohl die Gefährlichkeit einer Sumpfgegend im Blick. Während der Regenzeit kann durch ein Wadi nämlich ein größerer Landstrich plötzlich überflutet werden. Beide Auffassungen sind durchaus plausibel.
Eine Ableitung von einem Gottesnamen (Smith 132) oder die Verbindung zu einem Ortsnamen Kischjon, der in Jos 19,20
2. Belege
Der Kischon findet sich im Alten Testament sechsmal und wird nur mit den beiden bereits genannten Ereignissen verbunden: Auf die Schlacht gegen Sisera beziehen sich Ri 4,7
2.1. Nach dem Deboralied scheint die Schlacht gegen die Könige von Kanaan unter deren Heerführer Sisera „bei Taanach an den Wassern von Megiddo“ stattgefunden zu haben (Ri 5,19
Vermutlich soll mit den in Ri 5,19-21
2.2. Während das Deboralied somit die übliche Deutung unterstützt, nach der der Kischon am Karmelgebirge vorbeifließt und ins Mittelmeer mündet, scheint die Prosaerzählung in Ri 4
Ps 83,10-11
3. Lage des Kischon
3.1. Westlicher Kischon
Der Bach Kischon wird meist mit dem Nahr el-Muqaṭṭa‘ (Koordinaten: 1575.2398; N 32° 45' 00'', E 35° 04' 47''
Der moderne arabische Name Nahr el-Muqaṭṭa‘ kann entweder als „der getrennte, in mehrere Arme geteilte, Fluss“ (Haupt 207) – hierbei wäre an die verschiedenen Flussarme gedacht – oder als der „Fluss der häufigen Schnitte“ (Abel 468) verstanden werden – dies würde auf die Übergänge verweisen, die beim Austrocknen des Schlamms in der sommerlichen Trockenzeit entstehen.
Der Nahr el-Muqatṭṭa‘ wird von mehreren Wadis gespeist, die in der Nähe von Megiddo zusammenfließen. Der größte Teil des Kischon ist somit ein System von mehreren Wadis, deren Bett in den Sommermonaten trocken liegt. Da der Nahr el-Muqaṭṭa‘ in den regenreichen Wintermonaten das von allen Bergseiten herabströmende Wasser aufnehmen muss, wurde das Tiefland des Öfteren massiv überschwemmt. In der Regenzeit kann sich der Kischon somit zu einem gefährlichen Sturzbach entwickeln, der lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Wahrscheinlich ist der Sieg der Israeliten in Ri 5
Der Hauptarm des Kischon entspringt vermutlich als Wādī n-Nusf in der Gegend von Ǧelbūn, östlich von Ǧenīn (Thomson 435), und fließt als Wādī Šemma in einiger Entfernung an Megiddo und Taanach vorbei. Dieses Hauptwadi wird zudem von vielen Nebenströmen aus dem samarischen Gebirge gespeist, so dass der Bereich um Megiddo und Taanach in der Regenzeit schnell überschwemmt werden konnte. Die Ortsangabe in Ri 5,19
Im Deboralied steht Kischon im Parallelismus zu naḥal qədûmîm „Sturzbach der Urzeit“ (Ri 5,21
Oft wird vermutet, dass der westliche Kischon die Grenze zwischen verschiedenen Stämmen Israels bildet, auch wenn das Toponym Kischon selbst nicht in den Beschreibungen der einzelnen Stammesgebiete vorkommt. In Jos 19,26
Manchmal wird vorgeschlagen, dass der Fluss Pacida / Belus, den Plinius d. Ä. erwähnt (Naturalis Historia V:17,75; Text gr. und lat. Autoren
Der nach Westen entwässernde Nahr el-Muqaṭṭa‘ kann zwar bestens mit dem Deboralied und der Eliatradition verbunden werden, für die Deboraerzählung fließt das Wādī Šemma, der Hauptarm des Kischon, aber zu weit vom Tabor entfernt. Höchstens das Wādī l-Muwēle, ein nordöstlicher Nebenarm, der etwa 6 km südwestlich vom Tabor beginnt, würde sich für die Deboraerzählung eignen. Der Tabor gilt zudem als der „Berg der Hauptwasserscheide“ (Ritter 392), da am Westfuß des Tabor ein Zufluss des westlichen Kischons entsteht und am Südfuß das Wādī l-Bīre abfließt. Zwischen Iksāl und Tabor verläuft somit die Wasserscheide. Alles, was nach Osten abfließt, bildet schließlich das Wādī l-Bīre, während der westliche Abfluss in das Wādī l-Muwēle einmündet. Vielleicht hat gerade dieses westliche Nebenwadi ursprünglich den Namen Kischon getragen. Es hätte dann seinen Namen von dem Ort Kischjon des Stammes Issachar bekommen, der ebenfalls in diesem Gebiet zu suchen wäre (Simons 77). Erst sekundär wäre der Name dann auch an den Unterlauf gewandert. Im strikten Sinn kann jedoch weder der Tabor noch En-Dor mit dem westlichen Kischon verbunden werden, so dass die Suche nach einem östlichen Kischon berechtigt erscheint.
3.2. Östlicher Kischon
Ausweislich des biblischen Befundes hat es vermutlich einen östlichen Bach Kischon gegeben, der mit dem Wādī l-Bīre (Koordinaten: 195.228; N 32° 38' 46'', E 35° 28' 36''
Ein östlicher Kischon ist offenbar seit byzantinischer Zeit belegt. So verortet → Eusebius
Auch im Mittelalter hat man den Kischon in dieser Gegend vermutet. So erwähnt im 12. Jh. n. Chr. Theoderich von Würzburg in seinem Libellus de locis sanctis das Wadi Kischon oberhalb des Gebirges von En-Dor: „Supra Naim mons Endor situs est, ad cuius radices supra torrentem Cadumim, qui est torrens Cison“ [Theoderich XLVI, Bulst-Thiele 48]. Der Dominikanermönch Burchard de Monte Sion war im 13. Jh. n. Chr. als Pilger im Heiligen Land und verfasste mit seiner Descriptio Terrae Sanctae die wohl beste mittelalterliche Beschreibung der Topographie des Heiligen Landes. Er unterscheidet zwischen zwei Bächen mit dem Namen Kischon: „Et nota de isto torrente Cison, quod, licet in rei veritate videatur et dicatur esse unus, dupliciter tamen accipitur, quia dupliciter currit. Aliqua enim pars eius currit contra orientalem ad mare Galilee, aliqua currit contra occidentem ad mare magnum“ (Burchard VII:1; Laurent 48). Der östliche Kischon wird folgendermaßen beschrieben: „In pede eius (=Tabor) orientali descendit torrens Cison ille, in quo Barach pugnavit contra Sisaram, et vicit eum et fugavit. Torrens iste Cison, collectus de aquis pluvialibus montis Tabor et Hermon, descendit contra mare Galilee et intrat illud iuxta castrum Belvoir“ (Burchard VI:9 Laurent 48). Diese Beschreibung passt bestens auf das Wādī l-Bīre, das nördlich der Festung von Belvoir auf Kōkab el-Hawā (Koordinaten: 1994.2218; N 32° 35' 24'', E 35° 31' 24''
Somit hat es – zumindest in der Tradition – ein Wadi Kischon gegeben, dass südlich des Gebirges Tabor entspringt, bei En-Dor vorbeifließt und nach Osten in den Jordan entwässert. Dieses östliche Wadi Kischon entspricht bestens den topographischen Anforderungen der Deboraerzählung, ganz im Gegensatz zum Deboralied, das die Schlacht gegen die Kanaanäerkönige in der Gegend um Megiddo und Taanach verortet.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- The New Interpreter’s Dictionary of the Bible, Nashville 2006-2009
2. Weitere Literatur
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Abbildungsverzeichnis
- Karte zum westlichen und östlichen Kischon. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Lage des westlichen und östlichen Kischon. © Erasmus Gaß auf Basis der Karte des Palestine Exploration Fund
- Der Kischon nördlich von Jokneam. Aus: Wikimedia Commons; © Hanay, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 27.10.2011
- Lage des Kischon und des Pacida / Belus. © Erasmus Gaß auf Basis der Karte des Palestine Exploration Fund
- Karte zur Deboraerzählung. © Erasmus Gaß auf Basis der Karte des Palestine Exploration Fund
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