Deutsche Bibelgesellschaft

Königin (Ägypten)

(erstellt: August 2006)

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1. Allgemeines

1.1. Definition

Unter der Bezeichnung „Königin“ wird im Folgenden die Gemahlin und/oder Mutter eines ägyptischen Königs verstanden, die sich durch eine spezifische Königinnentitulatur und -ikonographie auszeichnete und deren Personenname wie der des Königs in einer Kartusche geschrieben werden konnte. Davon deutlich zu unterscheiden sind die wenigen weiblichen Könige Ägyptens, die den Pharaonenthron bestiegen haben und daher die typische fünfgliedrige Königstitulatur führten und Elemente des königlichen Ornats übernahmen.

1.2. Quellen

Als wichtigste Quellen dienen bildliche Darstellungen und Inschriften des pharaonischen Ägyptens von der Frühzeit bis zum Ende des Neuen Reichs (ca. 3000-1070 v. Chr.), wie sie sich vor allem in Gestalt von Reliefs, Stelen und Statuen in Tempeln und Grabanlagen erhalten haben, aber auch Kleinkunst, Papyri und Keilschrifttafeln. Informationen zu Rollen und Stellung der Königinnen vermitteln in erster Linie ihre Titulaturen und ihr Ornat sowie Darstellungskontexte, in denen sie erscheinen.

Es finden folgende chronologische Angaben bzw. ihre Abkürzungen Verwendung:

  • Frühzeit (ca. 3032-2707 v. Chr., 1.-2. Dynastie)
  • AR = Altes Reich (ca. 2707-2170 v. Chr., 3.-8. Dynastie)
  • 1. ZwZt = Erste Zwischenzeit (ca. 2170–2020 v. Chr., 9./10. Dynastie)
  • MR = Mittleres Reich (2119-1794 v. Chr., 11.-12. Dynastie)
  • 2. ZwZt = Zweite Zwischenzeit (1794-1550 v. Chr., 13.-17. Dynastie)
  • NR = Neues Reich (1550-1070 v. Chr., 18.– 20. Dynastie)
  • 3. ZwZt = Dritte Zwischenzeit (1070-655 v. Chr., 21.-25. Dynastie)
  • Spätzeit (664-332 v. Chr., 26.-31. Dynastie)
  • Ptolemäerzeit (332-30 v. Chr.)

2. Kennzeichen

2.1. Titulatur

Bezeichnenderweise existierte im Alten Ägypten kein weibliches Äquivalent zur Betitelung des Herrschers als „König“ (nswt). Vielmehr erfolgte die Formulierung der Königinnentitel – und damit die Definition der mit diesem Amt verbundenen Rollen – seit frühester Zeit in erster Linie in Bezug auf den König bzw. den König als irdische Verkörperung von Göttern. Erst ab dem MR lassen neu eingeführte Titel eine Herrschaftsfunktion der Königin über Ägypten und die Welt erkennen.

Zu den häufigsten und daher wichtigsten Titeln gehören die Verwandtschaftstitel „Königsgemahlin“ (ḥm.t nswt) und „Königsmutter“ (mw.t nswt) sowie die im Sinne der gegebenen Definition unspezifischen Titel „Königstochter“ (s’.t nswt) und „Königsschwester“ (sn.t nswt). Als häufigste spezifische Amts- und Rangtitel sind anzuführen „Die den Horus-Seth (= König) schaut“ (m’’.t Ḥrw-Stš, bes. AR), „Die zur Pat (= Elite) Gehörige“ (ir.it p‘.t), „Große des Hetes-Zepters“ (wr.t ḥts), „Große der Gunst“ (wr.t ḥs.t), „Große der Beliebtheit“ (wr.t im’.t, ab MR), „Die mit der Neferhedjet (= Weiße Krone als Attribut des Königs) vereinigt ist“ (ẖnm.t nfr-ḥḏ.t, ab MR) sowie als „Herrschaftstitel“ ab dem MR „Gebieterin der Beiden Länder“ (ḥnw.t t’.wi) und ab dem NR „Gebieterin des Südens und des Nordens“ (ḥnw.t šm‘w mḥw), „Gebieterin aller Länder“ (ḥnw.t t’.w nb.w) und „Herrin der Beiden Länder“ (nb.t t’.wi). Eine Funktion der Königin im Götterkult bezeichnen Titel der Form „Priesterin des Gottes NN“ (ḥm.t nṯr NN, AR bis MR) sowie „Gottesgemahlin“ in Bezug auf den Gott Amun (ḥm.t nṯr, ab NR).

Im Verlauf der Karriere einer Königin, allenfalls von der Königstochter zur Königsgemahlin zur Königsmutter, wurden die für die jeweilige Stellung kennzeichnenden Titel den bereits vorhandenen hinzugefügt. Ab dem AR lassen sich für die jeweilige Epoche charakteristische Folgen von „Kerntiteln“ einer Königsgemahlin und/oder Königsmutter erkennen, wobei eine Auswahl sicher abhängig vom Kontext, aber auch vom verfügbaren Raum erfolgte. Bei einer erheblichen Abkürzung fanden als wichtigste Titel zumindest „Königsgemahlin“ bzw. „Königsmutter“ Erwähnung.

Für die meisten Herrscher sind mehrere, zweifellos gleichzeitig existierende Frauen bezeugt. Da jedoch in der Regel nur eine Gemahlin an der Seite des Königs dargestellt oder erwähnt ist, dürfte nur jeweils eine von ihnen das Amt der „Hauptgemahlin“ innegehabt haben. Doch erst ab der 2. ZwZt wurde diese durch den Titel „Große Königsgemahlin“ (ḥm.t nswt wr.t) von den einfachen „Königsgemahlinnen“ unterschieden.

2.2. Ornat

Bereits im AR zeichnete sich die Königin durch spezifische Elemente ihres Ornats aus, so vor allem durch Kopfbedeckungen (Kronen, Diademe u.ä.) und in den Händen getragene Attribute (Zepter, Anch-Zeichen). Indem sie diese von Göttinnen übernahm oder mit ihnen teilte, erfolgte eine Assoziation der Königin mit ihren göttlichen Pendants. Zumeist handelte es sich dabei um Muttergottheiten bzw. Mutter-Gemahlinnen in Götterfamilien, denen eine essentielle Rolle in der Königsideologie zukam.

Koenigin Aegypten 2 Nefertari

Zu den wichtigsten Attributen gehören die Geierhaube (Abb. 1) und der Uräus (Abb. 3 und 6), die von den schützenden und nährenden Mutter- und Landesgöttinnen Nechbet und Wadjet entlehnt und zunächst nur von den Königsmüttern getragen wurden. Insbesondere die Geierhaube galt später als das Attribut der Mutterschaft schlechthin und wurde auch von anderen Muttergottheiten übernommen (z.B. Mut, Isis). Der Uräus kann in Parallele zum König zudem als Herrschaftsabzeichen gedeutet werden. Ab dem Ende des AR wurden Geierhaube und Uräus auf die Königsgemahlinnen (als potentielle Königsmütter) übertragen; der Uräus zeichnete schließlich ab dem MR auch die Königstöchter aus.

Ab der 2. ZwZt trat die Doppelfederkrone (auf dem sog. Modius) zu den charakteristischen Kopfbedeckungen der Königinnen hinzu, die ab dem NR oftmals mit Kuhgehörn und Sonnenscheibe kombiniert wurde (Abb. 2, 5 und 6). Ihre solare Konnotation wies die Königin als irdisches Äquivalent der Tochter-Gemahlin des Sonnengottes Re, der zoomorph kuhgestaltigen Hathor aus.

In Verbindung mit der Doppelfederkrone oder allein mit dem Modius fanden ab dem NR zudem häufiger Verwendung: der Doppeluräus (für Nechbet und Wadjet, oft mit ober- und unterägyptischer Krone geschmückt; vgl. Abb. 2), der Hathoruräus (mit Kuhgehörn und Sonnenscheibe, auch paarweise in Assoziation mit den beiden „Sonnenaugen“; vgl. Abb. 5) sowie neben dem Geierkopf der Geierhaube und dem Uräus (für Nechbet und Wadjet) ein weiterer Uräus.

Auf die Zeit Amenophis’ III. und insbesondere Echnatons (Amarna-Zeit, 1351-1334 v. Chr.) beschränkt blieben als Sonderformen die typische Plattformkrone (Abb. 3) sowie das Chat-Kopftuch (Assoziation mit den Schutzgöttinnen Isis, Nephtis, Selket und Neith) der Königsgemahlinnen Teje und Nofretete.

3. Rollen und Stellung der Königin

3.1. Die Rollen der Königin in der Königsideologie allgemein

Das Königtum im Alten Ägypten wurde im Prinzip durch König und Königin verkörpert, wobei der maskulinen Komponente jedoch eine deutliche Vorrangstellung zukam. So tritt der König in bildlichen Darstellungen in der Regel allein in Erscheinung und wird nur relativ selten in Begleitung von königlichen Frauen abgebildet. Dabei ist er oftmals größer dargestellt (Bedeutungsperspektive; vgl. Abb. 4), er geht stets voran und vollzieht die zentrale Handlung, während die Königin ihm folgt und unterstützend agiert (Abb. 5). Entsprechend sind die verschiedenen Rollen der Königin in erster Linie in Bezug auf den König definiert.

Koenigin Aegypten 4 Iah

Aus ihrer naturgemäßen Rolle der biologischen Sicherung der Nachfolge auf dem Königsthron, die idealerweise vom Vater auf den Sohn erfolgte, erwuchs die ideologische Rolle der Königin als Mutter-Gattin bei der Sicherung der kontinuierlichen Regeneration des Königtums bzw. des jeweiligen Amtsträgers. Diese Rolle wurde von Königsgemahlin und Königsmutter gemeinsam getragen.

Eine Herrscherinnenrolle über Ägypten und die Welt fand erstmals im MR durch neue Titel Ausdruck, besonders dann aber in der 18. Dynastie (1550-1292 v. Chr.), in der vor dem Hintergrund fundamentaler Veränderungen in der Königsideologie auch eine generelle Tendenz der Annäherung der Königin an den Herrscher festzustellen ist. Besonders die Amarna-Zeit zeigte mit Nofretete eine in Kult und Politik nahezu ebenbürtige Partnerin an der Seite des Königs. Nach dieser Zeit trat die Königin in ihrer Bedeutung wiederum deutlich zurück.

3.1.1. Die Rolle der Königin in der Herrschaftslegitimation des Königs

Im ägyptischen Königtum lassen sich verschiedene initiale (bei der Thronbesteigung) und post eventum (nach der Thronbesteigung) gültige Legitimationsprinzipien unterscheiden. Unter den initialen kam der blutsmäßigen Erbfolge gegenüber einer Designation durch den Vorgänger oder dem faktischen Besitz der Regierungsgewalt nur eine nachgeordnete Bedeutung zu. Von übergeordneter Bedeutung waren die post eventum greifenden Prinzipien der fiktiven – vor allem göttlichen – Legitimation, da sie den Amtsinhaber per se über alle Zweifel erhaben machten (→ König, Königtum in Ägypten). Folglich spielte die Königin hinsichtlich der Herrschaftslegitimation ihres Gemahls oder Sohnes weniger auf genealogischer, denn auf ideologischer Ebene eine relevante Rolle.

So muss die Abkunft einer Königsgemahlin als weitestgehend irrelevant betrachtet werden, zumal einige herausragende Königinnen nicht-königlicher Herkunft waren (z.B. Anchenespepi II., Teje, Nefertari). Weder kann eine regelmäßige Vermittlung des Königsamtes durch die Eheschließung mit einer „Erbtochter“ erkannt werden, noch war eine „Herrschaftssicherung“ durch Heirat unter königlichen Geschwistern üblich (wenn auch prinzipiell möglich). Vielmehr erfüllte sich die Rolle der Königsgemahlin in der Verkörperung des femininen Prinzips an der Seite des Herrschers und speziell als Medium seiner Regeneration im Ritual (rituelle Selbstzeugung des Herrschers als „Stier seiner Mutter“, Wiedergeburt als „verjüngter“ König, letztlich in Gestalt des Thronfolgers). Diese Rolle war konzipiert nach dem Vorbild göttlicher Mutter-Gemahlinnen und fand ihren augenfälligsten Ausdruck in ikonographischen Parallelen des Königinnenornats (z.B. Kuhgehörn und Sonnenscheibe der Hathor), im NR besonders in der Funktion der zukünftigen Königsmutter als „Gottesgemahlin“ des Reichs- und Sonnengottes Amun.

Die Königsmutter gewann ihre herausragende Bedeutung durch die Thronbesteigung ihres Sohnes und wird daher in vielen Fällen erst nach diesem Zeitpunkt in den Quellen greifbar (z.B. Mutemuia / Amenophis III., Tuja / Ramses II.). Ihre Rolle war naturgemäß vor allem mit der Gottessohnschaft des Königs verbunden (bes. als Sohn des Sonnengottes Re) und fand durch eine vielfältige Assoziation mit Muttergottheiten Ausdruck (bes. Geierhaube) sowie durch den Titel „Gottesmutter“ (mw.t nṯr, ab AR). Auch agierte die Königsmutter in der sog. „Geburtslegende“ als Sexualpartnerin des Sonnengottes Amun-Re, mit dem sie dessen Nachfolger auf Erden zeugte – den regierenden König, ihren Sohn.

Abgesehen von seiner göttlichen Abkunft galt der König von Amts wegen als Sohn und damit rechtmäßiger Erbe seines unmittelbaren Vorgängers. In dieser Hinsicht fungierte die Königsmutter als naturgegebenes Bindeglied zur Reihe der Vorfahrenkönige (Nennung der Mutter, nicht aber des Vaters z.B. auf Annalensteinen und in Filiationsangaben). Somit waren im Prinzip weder die tatsächliche Identität ihres Ehegatten, noch die Abkunft der Königsmutter selbst von Belang, die z.B. im AR durch den fiktiven genealogischen Titel „Gottestochter“ (s’.t nṯr) kompensiert werden konnte. Im Gegenteil erfolgte gerade in Fällen einer fehlenden genealogischen Verbindung zum Vorgänger eine Hervorhebung von einzelnen Königsmüttern, etwa als „Stammmütter“ einer neuen Dynastie (z.B. Chentkaus I. / 5. Dynastie, Seschseschet / 6. Dynastie).

3.1.2. Die Rolle der Königin in Kult und Ritual

Koenigin Aegypten 5 Nefertari

Vom AR bis zum MR belegen einschlägige Titel eine Rolle der Königin als Priesterin von Gottheiten, vornehmlich im Kult ihres göttlichen Pendants Hathor sowie von maskulinen Fruchtbarkeits- und Königsgottheiten (Bapef-Widder, Tjaisepef-Stier, Thot, Sobek). Im NR spielten Königinnen als „Gottesgemahlinnen“ im Kult des Reichs- und Sonnengottes Amun-Re eine herausragende Rolle. Dessen ungeachtet erscheinen sie in bildlichen Darstellungen nur selten als prinzipielle Ritualistinnen gegenüber von Gottheiten (so vor allem Nofretete in der Amarna-Zeit, die Regentinnen Hatschepsut und Tausret auf dem Weg zum weiblichen König oder verstorbene Königinnen in Grabdarstellungen). In der Regel begleitet die Königin Kult und Ritual des Königs, indem sie hinter ihm stehend unterstützende Handlungen ausführt, so im NR hauptsächlich das Sistrumspiel und Singen zum Befrieden der Gottheit, in Einzelfällen eine Libation oder Opferhandlungen (Abb. 5). In dieser und ähnlicher Weise partizipiert sie am Bauritual (ab Frühzeit), dem Jagdritual (ab AR) sowie dem Feinderschlagungsritual des Königs (NR). Ausnahmen bilden wiederum Teje und Nofretete, die selbsttätig Feinde erschlagend auftreten. Bei Festritualen des NR kann die Königin eine vergleichsweise aktive Rolle einnehmen. So begrüßt sie die Barkenprozessionen des Amun und des Chnum mit ihrem Sistrumspiel, zieht beim Opetfest mit ihrem Schiff die Barke der Göttin Mut und schlüpft beim Min-Fest in die Ritualrolle der Schemait, die den König siebenfach rezitierend umtanzt.

3.2. Die Stellung der Königin bei Hofe und in der Politik

Naturgemäß waren die Königinnen die hochrangigsten weiblichen Mitglieder des königlichen Hofstaats (šnw.t) und des königlichen Haushalts (ip.t nswt, gemeinhin „Harim“), zu dem auch in der Regel mehrere Nebenfrauen und die Königskinder sowie umfangreiches Personal zählten. Für einige Königinnen ist ein eigenständiger Haushalt bezeugt (z.B. für Teje). Dass der königliche Harim einen nicht zu unterschätzenden innenpolitischen Machtfaktor darstellte, zeigt die Überlieferung mehrerer „Harimsverschwörungen“, die die Ermordung des Herrschers zum Ziel hatten (Pepi I., Amenemhet I., Ramses III.).

Palastgemächer oder separate Wohnanlagen bzw. Paläste der weiblichen Mitglieder des Königshauses lassen sich in einigen Residenzorten des NR archäologisch nachweisen oder werden in flachbildlichen Darstellungen gezeigt (bes. Memphis / Medinet Gurob, Theben / Malkata, Amarna). Zumindest die Hauptgemahlin dürfte sich stets in unmittelbarer Nähe zum König aufgehalten und ihn auf Reisen in die verschiedenen Residenz- und Kultorte begleitet haben. Als bedeutende Angehörige auch des jenseitigen königlichen Hofstaats und Haushalts wurden die Königinnen in der Regel in unmittelbarer Nähe der Grabanlagen ihrer Gatten oder Söhne bestattet (Königsnekropolen von Abydos, Memphis / Giza und Saqqara, Theben; vgl. Abb. 7).

Koenigin Aegypten 7 Mykerinos

Da die Quellen in erster Linie ihre ideologische Stellung als weiblicher Teilaspekt des Königtums widerspiegeln, lassen nur wenige, oftmals indirekte Hinweise auf eine politische Bedeutung der Königin schließen. Nur selten tritt sie neben dem König bei Staatsakten auf, wie etwa bei Audienzen (Geschichte des Sinuhe), Ratsversammlungen (Tetischeri-Stele) sowie bei Ehrungen verdienter Beamter vom Thronkiosk oder Erscheinungsfenster aus. Einen Höhepunkt bildet hierbei die Amarna-Zeit, in der das öffentliche Erscheinen des Herrscherpaares zu verschiedenen Anlässen im Rahmen des neuen ideologischen Konzepts propagandistisch eingesetzt und zelebriert wurde (z.B. bei Ehrengoldverleihungen, Empfang des Tributs der Fremdländer in Jahr 12).

Bezeichnenderweise wird uns eine außenpolitische Rolle der Königin von interkulturellen Quellen überliefert, die einen seltenen Blick auf die Realpolitik Ägyptens ermöglichen. In der diplomatischen Korrespondenz zwischen dem ägyptischen Königshof des NR und seinen vorderasiatischen Nachbarn, überliefert durch Keilschrifttafeln aus Amarna und der Hethiterhauptstadt Hattuša, tritt die ägyptische Königin ausnahmsweise als Korrespondenzpartnerin auf (als Königswitwen Anchesenamun und Teje, anlässlich des Staatsvertrags mit den Hethitern die Gemahlin und die Mutter Ramses’ II.). Als Gegenstand von diplomatischen Heiratsverhandlungen spielen in den Briefen vor allem die zahlreichen ausländischen Herrschertöchter eine Rolle, die dem Pharao aus Mitanni, Babylonien, Assyrien und Hatti sowie aus kleineren Herrschertümern und Vasallenstaaten in Syrien-Palästina zugeführt wurden (erstmals nachweislich unter Thutmosis IV.). Sie fungierten als Unterpfand diplomatischer Allianzen und ihre Höfe waren Anlaufstellen für die Gesandten ihrer Heimatländer im Sinne einer ständigen Vertretung am ägyptischen Königshof (Austausch von Informationen und diplomatischen Geschenken bzw. Wirtschaftsgütern). Ägyptische Prinzessinnen wurden dagegen nicht ins Ausland verheiratet – ein Grundsatz, der möglicherweise einmal in der Zeit Ramses’ II. vernachlässigt wurde.

Wenn einzelne Königinnen politisch als „Persönlichkeiten“ hervortraten, so zumeist als Regentinnen für noch unmündige Könige (z.B. Anchenespepi für ihren Sohn Pepi II., Hatschepsut für Thutmosis III., Tausret für Siptah) bzw. in Abwesenheit des Herrschers (Ahhotep für ihren Sohn Ahmose). Diese Position fand keinen unmittelbaren Ausdruck in Titulatur oder Ornat der Königinnen. Gleichwohl diente sie Hatschepsut und Tausret gewissermaßen als „Sprungbrett“ für das Königsamt, für das sie die kanonische fünfgliedrige Königstitulatur und Elemente des Königsornats übernahmen (bes. Königsschurz und -kopftuch in Verbindung mit dem Trägerkleid; vgl. → König, Königtum in Ägypten). Im Fall der Hatschepsut führte die Konkurrenzsituation im „Doppelkönigtum“ mit ihrem ehemaligen Mündel Thutmosis zu einer vollständigen Akkomodation an das männliche Herrscherbild (Darstellung als männlicher König mit nacktem Oberkörper, Königsbart und Königskronen). Als Abweichungen von der Norm werden die weiblichen Könige in den Königslisten in der Regel ausgelassen.

4. Nachleben

Wie die Zeugnisse der späteren Zeit und bezeichnenderweise auch der Fremdherrscher über Ägypten verdeutlichen, behielt das traditionelle Königinnenbild auf ägyptischem Boden auch über den hier betrachteten Zeitraum hinaus in seinen wesentlichen Zügen Gültigkeit.

So trugen die königlichen Frauen der kuschitischen 25. Dynastie zwar ihr einheimisches (allerdings unspezifisches) Gewand, zeichneten sich jedoch durch Ornat und Titel ihrer ägyptischen Amtsvorgängerinnen als Königinnen aus. Bemerkenswert ist, dass sie in Ägypten – anders als in Nubien – vergleichsweise selten neben dem Herrscher in Erscheinung treten, den sie in der Regel mit Sistrumspiel und Libation kultunterstützend begleiten. Auch die Ptolemäerinnen zeigen sich noch im traditionellen Erscheinungsbild und den typischen Rollen der ägyptischen Königinnen, treten jedoch im wachsenden Maße als Regentinnen bzw. – versehen mit Königstiteln – als Mitherrscherinnen an der Seite des Königs hervor.

Die angeblichen Verheiratungen von ägyptischen Prinzessinnen mit König Salomo in der 21. Dynastie (Pharao → Siamun) und dem Perserkönig Kambyses in der 26. Dynastie (Pharao Amasis) bleiben umstritten.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992 (Königin; Königsmutter)
  • The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001 (Queen)

2. Weitere Literatur

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  • Schipper, B.U., 2000, Salomo und die Pharaonentochter – zum historischen Kern von 1 Kön 7,8, in: BN 102, 84-94
  • Schipper, B.U., 2002, Nocheinmal zur Pharaonentochter – ein Gespräch mit Karl Jansen-Winkeln, in: BN 111, 90-98
  • Schmidt, H.C., 1994, Ein Fall von Amtsanmaßung? Die Gottesgemahlin Nefertari-Meritenmut, in: Göttinger Miszellen 140, 81-92
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Abbildungsverzeichnis

  • Seniseneb, die Mutter Thutmosis' I., mit der Geierhaube (Illustration von Howard Carter nach einem Relief im Tempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari, 18. Dynastie). Aus: Naville, E., 1895, The Temple of Deir el Bahari I, London, Pl. XIII (Ausschnitt)
  • Die Königsgemahlin Nefertari mit der Doppelfederkrone, Kuhgehörn und Sonnenscheibe (Statuette der Königin an der Seite einer kolossalen Sitzstatue Ramses’ II. im ersten Hof des Tempels von Luxor, 19. Dynastie). © Silke Roth
  • Echnaton und seine Gemahlin Nofretete mit ihren Töchtern (Relief vermutlich aus Amarna, 18. Dynastie). Aus: W. Brashear u.a., 1980, Belser Kunstbibliothek: Die Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Berlin, Stuttgart / Zürich, 69
  • Die Königsmutter Iah im Gefolge ihres Sohnes Mentuhotep II.; vor ihnen der Gottesvater Antef und der Siegler des Königs Cheti (Felsbild im Wadi Schatt er-Rigale in Oberägypten, 11. Dynastie). © Silke Roth
  • Die Königsgemahlin Nefertari begleitet das Opfer Ramses’ II. an die Göttin Toeris mit ihrem Sistrumspiel und einem Blumenopfer (Relief im Kleinen Tempel von Abu Simbel in Nubien, 19. Dynastie). © Silke Roth
  • Anchesenamun umsorgt ihren Gemahl Tutanchamun (Relief auf der Rückenlehne des Thronsessels Tutanchamuns aus seinem Grab im Tal der Könige, 18. Dynastie). Aus: Ragghianti, C.L. (Hg.), 1969, Berühmte Museen: Ägyptisches Museum Kairo, Wiesbaden, 121
  • Die Königinnenpyramiden südlich der Pyramide des Mykerinos in Giza (im Vordergrund links und Mitte, 4. Dynastie). © Silke Roth

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