Königin (AT)
(erstellt: Juli 2012)
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Neben Königen sind Königinnen – wenn auch sehr viel seltener – im gesamten Alten Orient belegt. Allerdings variiert ihr Vorkommen in unterschiedlichen Epochen. Als Königin kann 1) eine Regentin, 2) die → Königinmutter
1. Königinnen im Alten Orient
1.1. Ägypten
1.2. Mesopotamien
1.2.1. In Mesopotamien ist lediglich Kubaba als Königin und Herrscherin belegt. Sie regierte Kisch im 3. Jahrtausend (→ Sumer
1.2.2. Andere Königinnen wurden prominent als Ehefrauen. Baranamtarra, die Frau von Lugalanda (in Lagasch, 24. Jh.), und Shag-Shag, die Frau von Urukagina (in Lagasch, 24. Jh.), sind in verschiedenen Tempelinschriften erwähnt. Die Frauen der Könige von Lagasch in der frühen dynastischen Periode sind in kultischer Funktion erwähnt.
Die Korrespondenz der Frauen-Briefe aus → Mari
1.2.2. Aus dem neuassyrischen Reich sind zwei Frauen, Sammuramat, die Frau von Schamschi-Adad V. und Mutter von Adad-Nirari III., und Zakutu, die Frau von → Sanherib
1.3. Sidon
In der Eschmunezer-Inschrift, die sich auf einem Sarkophag befindet, der in der Nekropole von → Sidon
Der Name ’m‘štrt lässt unterschiedliche Deutungen zu: Er setzt sich aus Astarte und entweder ’mt „Dienerin“ oder ’m bzw. ’mj „(meine) Mutter“ zusammen und bedeutet dann entweder Amotastart „Dienerin der Astarte“ (KAI II, 14) oder – wahrscheinlicher – Amastart „(meine) Mutter ist Astarte“.
Amastart war eine Halbschwester ihres Mannes Tabnit, die beide Eschmunezer I. zum Vater hatten. Obwohl die Könige in dieser Inschrift nicht den Titel Priester tragen, wird sie Priesterin genannt. Dies ist auffällig, da ihr Vater in seiner eigenen Inschrift sich und seinen Vater als Priester der Astarte bezeichnet. Vielleicht wurde der Priestertitel für die männlichen Mitglieder der Familie hier vermieden, da Eschmunezer II. nicht alt genug geworden war (er starb mit vierzehn), um selbst Priester zu werden; vielleicht wurden nur einige Könige Priester (Gibson, 112) oder es bekamen nur die tatsächlichen Regenten und Regentinnen diesen Titel, in diesem Fall seine Mutter Amastart. Hierfür spricht, dass sie während der Kindheit ihres Sohnes die tatsächliche Regentin und an allen Errungenschaften ihres Sohnes beteiligt war. Vielleicht galt ihre Regentinnenschaft bis zum frühen Tod ihres Sohnes. Ihre Rolle scheint mit der der גְּבִירָה gəvîrāh → Maacha
2. Königinnen im Alten Testament
2.1. Begriffe für Königinnen
Das deutsche Wort „Königin“ kann drei verschiedene hebräische Begriffe wiedergeben: מַלְכָּה malkāh, שֵׁגַל šegal und גְּבִירָה gəvîrāh.
2.1.1. Das Wort מַלְכָּה malkāh „Königin“ ist die feminine Form von מֶלֶךְ mælækh „König“. Es wird für die Königin von → Saba
2.1.2. Das Wort שֵׁגַל šegal „Königsgemahlin“ ist im Alten Testament nur zweimal belegt. In Neh 2,6
2.1.3. Das Wort גְּבִירָה gəvîrāh bezeichnet überwiegend die Mutter des Königs (→ Königinmutter
2.2. Ausländische Königinnen
Die vier fremden Königinnen, die in biblischen Erzähltexten erwähnt werden, spiegeln den unterschiedlichen Sprachgebrauch wider.
2.2.1. Die Königin von Saba (1Kön 10,1-13
Im Neuen Testament als „Königin des Südens“ bezeichnet, soll sie in der Endzeit erneut erscheinen, um die Abtrünnigen / Treulosen zu verurteilen (Mt 12,42
2.2.2. Tachpenes von Ägypten. → Tachpenes
2.2.3. Vasti von Persien (Est 1-2
2.3. Israelitische und judäische Königinnen
Die Königin hatte als Frau des Königs einen Ehrenplatz an dessen rechter Seite (Ps 45,9
2.3.1. Königliche Heiratspolitik
In erster Linie handelte es sich bei der Ehe, durch die aus einer jungen Frau eine Königin werden konnte, um eine diplomatische Heirat, die geschlossen wurde, um den Einfluss des Königs zu vergrößern, Allianzen herzustellen, politische Feinde auszuschalten und insgesamt die Beziehungen zwischen den involvierten Parteien zu verstärken (vgl. 2Kön 14,9
Die Hochzeit Salomos mit der Tochter des Pharao wird dazu gedient haben, die diplomatische Beziehung zwischen Ägypten und Israel zu stärken (1Kön 3,1
2.3.2. Haupt- und Nebenfrauen des Königs
Häufig wird, wenn von den Frauen und Nebenfrauen des Königs gesprochen wird, die Bezeichnung „Harem“ verwendet. Dieses Wort empfiehlt sich aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen wird es in biblischen Texten nicht gebraucht. Allenfalls das Hapaxlegomenon הַרְמוֹן harmôn in Am 4,3
2.3.2.1. Nebenfrauen. Das Wort פִּילֶגֶשׁ pîlægæš „Neben- bzw. Co-Frau“ (nach Friedl, 166f) wird weder in Privatdokumenten noch in Rechtsdokumenten des Alten Testaments gebraucht, sondern hauptsächlich im Kontext königlicher Polygynie (Ri 8,31
2.3.2.2. Hauptfrauen. Die Hauptfrauen Salomos werden in 1Kön 11,3
Im Unterschied dazu scheint Sara – der Name bedeutet „Fürstin“ – als Stammesfürstin porträtiert worden zu sein (Gen 17,15-21
2.3.3. Die politische Bedeutung der Frauen im Haus des Königs
Politisch bedeutsam waren Frauen im Haus des Königs in mehrfacher Hinsicht. Zum ersten hatte, wer immer eine der Frauen aus dem Haus des Königs besaß, einen Zugang zum Thron. Zum zweiten konnten sie eine wichtige Rolle im Prozess um die Nachfolge spielen. Dies lässt sich aus den Erzählungen von der Thronfolge Davids schließen (1Kön 1-2
2.3.4. Der Typus der bösen Königin in Erzählungen
Von allen israelitischen und judäischen Königinnen wird vier Königinnen eine besondere Bedeutung gegeben: → Batseba
2.3.5. Prinzessinnen
Die Königstöchter kommen vor allem dann, wenn es um die Heiratspolitik der Könige geht, in den Blick (s.o.). Obgleich 1Kön 1,1-8
Wie andere Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft gingen die Töchter des Königs bei ihrer Heirat von der Gewalt des Vaters in die Gewalt ihres Mannes über (Ps 45,10ff
Müllner (2009, 302) rückt die Bezeichnungen „Königinmutter“, „Söhne des Königs“ und „Töchter des Königs“ in die Nähe von Titeln von Beamten bzw. Beamtinnen. „Sohn des Königs“ und „Tochter des Königs“ sind zwischen dem 8. Jh. und dem 6. Jh. auf Siegeln belegt.
In Zeiten politischer Krisen konnte auch eine unverheiratete Königstochter aus Juda, Joscheba (2Kön 11,1-3
Allein aus der Erzählung über → Tamar
Einzigartige Informationen über das Leben von Königstöchtern aus ihrer eigener Perspektive bieten die Frauenbriefe aus Mari (vgl. Römer; s.o. 1.2.).
2.3.6. Exkurs: Weibliches Hof- und Verwaltungspersonal
Zum Hof der Köngin gehörten neben den Frauen im Haus des Königs weibliche Bedienstete, die als Kinderfrau (2Sam 4,4
Von der סֹכֶנֶת sokhænæt Abischag von Sunem wird in 1Kön 1,2
3. Die Himmelskönigin
In Jer 7,17-18
Aufgrund von religionsgeschichtlichem Material, nämlich biblischer und außerbiblischer Texte, Inschriften und bildlicher Darstellungen sowie sonstiger archäologischer Funde lässt sich zeigen, dass in Israel bzw. Juda seit der Frühzeit auf den unterschiedlichen Ebenen der Familien- und Lokalreligion drei Göttinnen verehrt wurden: → Astarte
Vergleiche zur Rolle von Frauen und Männern im Ischtar-, Aschera-, Astarte- und Isiskult zeigen, dass der Wirkungsbereich der Himmelskönigin nicht auf die seit dem 19. Jh. als traditionell weibliche Sphäre angesehenen Bereiche begrenzt war. Dennoch lässt sich in verschiedener Hinsicht eine besondere Beziehung zu Frauen erkennen, die durchweg im Kult der Himmelskönigin die Rolle der Darstellerin der Göttin spielten. Frauen sind an der Spitze der Priesterhierarchie der betreffenden Göttin jedoch die Ausnahme und stammen aus der gesellschaftlichen Oberschicht, d.h. den Königshäusern. In Juda lässt sich eine besondere Beziehung zwischen der Königinmutter und der Verehrung der Aschera nachweisen (→ Atalja
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- Dictionary of Judaism in the Biblical Period. 450 B.C.E. to 600 C.E., New York 1996
- New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
- The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001
2. Weitere Literatur
- Avigad, N., The King’s Daughter and the Lyre, in: Israel Exploration Journal 28 (1978), 146-151
- Benz, F.L., Personal Names in the Phoenician and Punic Inscriptions, Rom 1972
- Engelken, K., Frauen im Alten Israel. Eine begriffsgeschichtliche und sozialrechtliche Studie zur Stellung der Frau im Alten Testament (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Folge 7, H. 10), Stuttgart 1990
- Friedl, C., Polygynie in Mesopotamien und Israel. Sozialgeschichtliche Analysen Polygamer Beziehungen anhand rechtlicher Texte aus dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. (AOAT 277), Münster 2000
- Gibson, J.C.L., Textbook of Syrian Semitic Inscriptions, Volume III: Phoenician Inscriptions, Oxford 1982
- Helck, W., Geschichte des Alten Ägypten, Handbuch der Orientalistik 1. Bd. (Ägyptologie), 3. Abschnitt, photomech. Nachdr. mit Berichtigungen und Erg., Leiden / Köln 1981
- Jost, R., Frauen, Männer und die Himmelskönigin. Exegetische Studien, Gütersloh 1995
- Kiesow, A., Löwinnen von Juda. Frauen als Subjekte politischer Macht in der judäischen Königszeit (Theologische Frauenforschung in Europa 4), Münster 2000
- Landsberger, B., Akkadisch-hebräische Wortgleichungen, in: B. Hartmann u.a. (Hgg.), Hebräische Wortforschung (FS W. Baumgartner; VT.S 16), Leiden 1967
- Müllner, I., Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2Sam 13,1-22), Freiburg i.Br. 1997
- Müllner, I. / Jochum-Bortfeld, C., Art. „Königtum“, in: C. Crüsemann u.a. (Hgg.), Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009, 301-306
- Römer, W., Frauenbriefe über Religion, Politik und Privatleben in Mari. Untersuchungen zu G. Dossin, Archives Royales de Mari X (Paris 1967), Neukirchen-Vluyn 1971
- Schearing, L.S., Models, monarchs and misconceptions. Athaliah and Joash of Judah, Atlanta 1992
- Schottroff, W., Der Zugriff des Königs auf die Töchter. Zur Fronarbeit von Frauen im Alten Israel, Evangelische Theologie 49 (1989), 268-285
- Seybold, K., Art. מֶלֶךְ III. Allgemeine Verwendungsweise der Wortgruppe mlk, ThWAT, Bd. IV (1984), Stuttgart, 935-947
Abbildungsverzeichnis
- Die Königin von Saba in einem Kleid von Dior am Hauptportal des Kölner Doms, wo sie als fromme Ausländerin (Süden) mit der ihr gegenüber angebrachten Witwe von Zarpat (Norden; → Zarpat Abb. 3) auf die Hl. Drei Könige verweist. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2012).
- Königin Ester (Andrea del Castagno; 15. Jh.).
- Isebel stiftet die Ermordung Nabots an (Wenzelsbibel; 14. Jh.).
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