Königsbesitz / Krongut
(erstellt: Oktober 2020)
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1. Definition und forschungsgeschichtliche Debatte
Krongut, oft auch als Domäne (von lat. [res] dominica), Krondomäne oder Königsgut bezeichnet, benennt gemeinhin „im Mittelalter und der Neuzeit den lehnsrechtlichen oder allodialen Grundbesitz eines Herrschaftsinhabers, wobei der Grundbesitz als ganzer oder ein einzelnes Landgut gemeint sein kann“ (Gizeswski, 737).
Den Terminus „Krongut“ zur Beschreibung israelitischer und judäischer königlicher Landbesitzverhältnisse in vorexilischer Zeit brachte prominent → M. Noth
Der Begriff wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten häufiger in Standardwerken der deutschsprachigen alttestamentlichen Forschung (Donner; Albertz) und in diversen Monographien und Artikeln aufgegriffen. Insbesondere → A. Alt
Kritik ist in neuerer Zeit sowohl diesen weiterführenden Hypothesen zur Rolle des Kronguts in der Geschichte Israels und Judas, als auch der Verwendung des Begriffs selbst zuteil geworden (Kessler, 91), da er eben untrennbar mit den Konzepten des mittelalterlichen Feudalismus, des Lehens und der Lehensgefolgschaft verbunden ist. Vorgeschlagen wurde stattdessen, den neutralen Terminus „königlicher Besitz“ zu verwenden. Dass die Könige Israels und Judas über weitreichende Ländereien verfügten, mit deren Ertrag die Hofhaltung, das Militär, aber auch zahlreiche höhere Bedienstete, die an den Palast abgeordert wurden, versorgt und finanziert wurden, ist indes unumstritten. In der gegenwärtigen archäologischen Debatte, die vorwiegend englischsprachig geprägt ist, trifft am ehesten die Bezeichnung „royal estate“ (früher jedoch auch „crown domain“) den Vorstellungsgehalt von „Krongut“, wenngleich der Begriff innerhalb der archäologischen Diskussion durchaus unterschiedlich gefüllt wird: So können auch Ländereien, die vorwiegend der Verwaltung dienen, als royal estates bezeichnet werden, doch auch hier wird in den meisten Fällen eine Form der Redistributionswirtschaft angenommen.
2. Alttestamentliche Indizien für königlichen Grundbesitz
2.1. Wortfeld
Das Alte Testament kennt kein entsprechendes, einheitliches Wort für „Krongut“. Der Umstand, dass die israelitischen und judäischen Könige qua Amt Grundbesitzer waren, wird an vielen Stellen aber implizit vorausgesetzt (vgl. Pred 2,4
2.2. Bibelkundliche Erschließung
2.2.1. Belege für die Akquise von Landbesitz durch Könige
Hierbei ist zwischen käuflichem Erwerb, Übertragung von Landgut im Zuge von Herrschaftswechseln und der Frage nach einem Konfiskationsrecht von Herrschern zu differenzieren.
In 2Sam 24,24
Besonderes Gewicht für den Gesamtkomplex kommt dann der Erzählung von → Nabots
Ebenso lässt sich plausibilisieren, dass Könige auch in Israel und Juda ein gewisses Konfiskationsrecht für herrenlos gewordene Grundstücke für sich in Anspruch nehmen konnten.
Als Indiz hierfür wird häufig die Erzählung der reichen Frau aus Schunem (2Kön 4,8-37
Neben dem Erwerb von königlichem Grundbesitz durch Kauf, Konfiszierung oder Eroberung ist davon auszugehen, dass es auch bei einem Dynastiewechsel zu einer Akkumulation von Ländereien kam, was aber auch anzeigt, dass eine strikte Trennung zwischen institutionsgebundenem und familiärem Grundbesitz nicht aufrecht zu erhalten ist (vgl. auch Schäfer-Lichtenberger, 407f). Ein Indiz hierfür könnten die Erzählungen um David und → Merib-Baal / Mefi-Boschet
2Sam 9,1-13
Für alle Belege, die aus den Erzählungen um → Saul
2.2.2. Belege für die Zuweisung königlicher Ländereien an Untergebene und Mitglieder der Oberschicht
Wie die Geschichte von Mefi-Boschet und Ziba zeichnen auch diverse andere Erzählungen das Bild, dass die Zuweisung von Ländereien einen Akt besonderer königlicher Zuwendung darstellte bzw. Mitglieder des Hofes spezielle Teile des königlichen Landbesitzes zu ihrer eigenen Verfügung anvertraut bekamen. So fragt Saul seine Anhänger in 1Sam 22,7
Vor diesem Hintergrund ist wohl auch der Umstand zu interpretieren, dass sich Absaloms und → Joabs
Das als → Königskritik
Im sogenannten Verfassungsentwurf des Propheten → Ezechiel
3. Königlicher Grundbesitz in den Zeugnissen der Nachbarkulturen Israels
Die Zeugnisse der altorientalischen Nachbarkulturen, die für die Frage nach königlichem Grundbesitz und entsprechenden Verhältnissen in Israel und Juda herangezogen werden, speisen sich je nach Region und Zeit aus unterschiedlichen Gattungen und bieten ihrerseits lediglich fragmentarische Einblicke in die jeweiligen Gegebenheiten.
Gleichwohl begegnet sowohl in Mesopotamien als auch in Mari, Alalach, Nuzi und Ugarit ab der altbabylonischen und mittelassyrischen Zeit der Terminus „ilku(m)“, der trotz seiner sehr unterschiedlichen Konzeptualisierung der Frage nach königlichem Landbesitz zuzuordnen ist. ilku(m) bezeichnet zunächst die Dienstpflicht gegenüber dem König, die nicht nur aufgrund der Anbindung bestimmter Berufsgruppen an den Herrschaftsapparat besteht (Beamte, Tempelpersonal, Soldaten, Heeresleitung usw.), sondern große Teile der Bevölkerung umfasst (Schreiner, Bäcker, Hirte), für die die in Pflicht Genommenen ein Stück des königlichen Landbesitzes erhalten. ilku(m) kann aber auch das entsprechende Feld selbst oder den Dienstverpflichteten meinen. Dabei diente das Land zunächst vor allem der Versorgung der Familie des Dienstpflichtigen, es finden sich aber auch Belege, in denen Abgaben von denselben Feldern an den Palast abgeführt werden mussten. Die Frage, was mit diesem von der Krone zugewiesenen Grundstück nach dem Tod des ehemals Dienstpflichtigen oder etwa im Falle einer zeitweiligen Unverfügbarkeit geschehen sollte, ob es verkauft oder getauscht werden kann, wird unterschiedlich beantwortet.
So wird in den mittelassyrischen Gesetzestexten (Tafel A § 45; TUAT I, 89f) beispielsweise verhandelt, was mit dem Land geschieht, das ein in Gefangenschaft geratener Soldat zuvor als Gegenleistung für seinen Dienst vom Staat erhalten hat (vgl. die Diskussion zu 2Kön 8,1-6
Einen ergänzenden Einblick liefern die umfangreichen Archive des Stadtstaates → Ugarit
Auch in → Alalach
4. Archäologische Indizien für königlichen Grundbesitz
4.1. Israel
● eine relative Datumsangabe (9., 10. und 15. Jahr), vermutlich mit Bezug auf die Regierungsjahre eines Königs,
● eine Adressatenangabe mit ל lə „für“,
● einen zweiten Namen, vermutlich den Absender,
● eine Ortsangabe mit מן min „aus“, wobei alle Herkunftsorte in der Umgebung Samarias liegen,
● den Gegenstand der Lieferung („alter Wein“ oder „Öl für die Reinigung / gereinigtes Öl“).
M. Noth interpretierte sie als „Begleitschreiben zur Ablieferung der Erträge des in eigener königlicher Verwaltung befindlichen Krongutes“ (Noth, 1927, 226), die von königlichen Beamten in Empfang genommen wurden.
Auch bis in die Gegenwart werden die Ostraka vornehmlich als Begleitschreiben für Lieferungen interpretiert (Niemann; Kessler); nur vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass es sich um eine Registratur innerhalb der Palastverwaltung handelt (Rüterswörden).
Umstritten ist jedoch das hinter den Ostraka stehende wirtschaftliche System. Aufgrund der Tatsache, dass die Lieferungen sich lediglich auf drei Jahre beziehen, wurde die Deutung Noths, es handle sich um Lieferungen aus dem königlichen Krongut, zunehmend abgelehnt (vgl. aber HAE I/1, 83f.). Denkbar wären demgegenüber eine einmalige Naturalabgabe (HAE I/1, 83f.) oder Lieferungen an Angehörige der Elite in Samaria (Kessler). H. Niemann geht ferner differenzierter davon aus, dass es sich größtenteils um Lieferungen an „Empfangsberechtigte bei ihrem Aufenthalt in Samaria“ (Niemann, 81) handelt. Die entsprechenden Lieferungen mögen sowohl vom Privatbesitz der Adressaten als auch aus Zuweisungen aus dem Krongut stammen. Beides spiegle jedoch den Versuch der Könige in Samaria (eventuell → Joasch
4.2. Juda
In → Eisenzeit I
Niemann diskutiert unter Bezug auf 2Chr 26,10
Insgesamt wurden bis dato über 2000 solcher Siegel, vor allem im judäischen Bergland und der → Schefela
Für das 7. Jh. finden sich dann ebenfalls archäologische Indizien für weitere landwirtschaftliche Anlagen der judäischen Könige: So könnte Tel Goren in der unmittelbaren Nähe von En-Gedi eine königliche Gründung gewesen sein, die vor allem zur Erwirtschaftung von Luxusartikeln (Datteln, Kräuter, Salz, Balsam) diente. Auch nach dem Ende des Königtums in Juda scheinen viele der ehemals königlichen Ländereien institutionsgebunden geblieben zu sein, um beispielsweise Steuern für die Perser zu sammeln und zu generieren.
Literaturverzeichnis
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- lmlk-Siegel mit dem Ortsnamen swkh „Socho“ (Lachisch, um 700). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 160142
- Karte mit den ungefähren Ortslagen von Hebron, Ziph, Socho und Moza. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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