Deutsche Bibelgesellschaft

Königsbesitz / Krongut

(erstellt: Oktober 2020)

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1. Definition und forschungsgeschichtliche Debatte

Krongut, oft auch als Domäne (von lat. [res] dominica), Krondomäne oder Königsgut bezeichnet, benennt gemeinhin „im Mittelalter und der Neuzeit den lehnsrechtlichen oder allodialen Grundbesitz eines Herrschaftsinhabers, wobei der Grundbesitz als ganzer oder ein einzelnes Landgut gemeint sein kann“ (Gizeswski, 737).

Den Terminus „Krongut“ zur Beschreibung israelitischer und judäischer königlicher Landbesitzverhältnisse in vorexilischer Zeit brachte prominent → M. Noth in die Diskussion ein. Er gab zwar zu bedenken, dass der Begriff dem mittelalterlichen Staatsrecht entlehnt war, argumentierte jedoch, dass „die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der israelitischen Königszeit […] denen Deutschlands in frühmittelalterlicher Zeit in vieler Hinsicht nahe verwandt“ (Noth, 1927, 215) gewesen seien.

Der Begriff wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten häufiger in Standardwerken der deutschsprachigen alttestamentlichen Forschung (Donner; Albertz) und in diversen Monographien und Artikeln aufgegriffen. Insbesondere → A. Alt bemühte sich darum, die sozialen Folgen des Noth’schen Entwurfs zu bedenken, und sah in der Praxis der Akquise von Krongut durch die israelitischen Könige und die Zuweisung desselben an königliche Beamte einen Grundstein für die soziale Krise des 8. Jh.s (→ Sozialkritik).

Kritik ist in neuerer Zeit sowohl diesen weiterführenden Hypothesen zur Rolle des Kronguts in der Geschichte Israels und Judas, als auch der Verwendung des Begriffs selbst zuteil geworden (Kessler, 91), da er eben untrennbar mit den Konzepten des mittelalterlichen Feudalismus, des Lehens und der Lehensgefolgschaft verbunden ist. Vorgeschlagen wurde stattdessen, den neutralen Terminus „königlicher Besitz“ zu verwenden. Dass die Könige Israels und Judas über weitreichende Ländereien verfügten, mit deren Ertrag die Hofhaltung, das Militär, aber auch zahlreiche höhere Bedienstete, die an den Palast abgeordert wurden, versorgt und finanziert wurden, ist indes unumstritten. In der gegenwärtigen archäologischen Debatte, die vorwiegend englischsprachig geprägt ist, trifft am ehesten die Bezeichnung „royal estate“ (früher jedoch auch „crown domain“) den Vorstellungsgehalt von „Krongut“, wenngleich der Begriff innerhalb der archäologischen Diskussion durchaus unterschiedlich gefüllt wird: So können auch Ländereien, die vorwiegend der Verwaltung dienen, als royal estates bezeichnet werden, doch auch hier wird in den meisten Fällen eine Form der Redistributionswirtschaft angenommen.

2. Alttestamentliche Indizien für königlichen Grundbesitz

2.1. Wortfeld

Das Alte Testament kennt kein entsprechendes, einheitliches Wort für „Krongut“. Der Umstand, dass die israelitischen und judäischen Könige qua Amt Grundbesitzer waren, wird an vielen Stellen aber implizit vorausgesetzt (vgl. Pred 2,4) oder von Erzählungen narrativ entwickelt (2.2.). Mit Blick auf die größeren Kontexte weist das Konzept aber Schnittstellen mit den Begriffen בַּיִת bajit „Haus / Haushaltung“ und נַחֲלָה naḥǎlāh „Erbbesitz“ auf. Erst das in der → Chronik verwendete רְכוּשׁ rəkûš (1Chr 27,31; 1Chr 28,1; 2Chr 31,3; 2Chr 35,7) könnte gerade im Kontext der nachträglich systematisierten Darstellung der Verwaltung unter → David und der regelmäßigen Beiträge Hiskias zum Opferbetrieb einen entsprechenden Oberbegriff darstellen.

2.2. Bibelkundliche Erschließung

2.2.1. Belege für die Akquise von Landbesitz durch Könige

Hierbei ist zwischen käuflichem Erwerb, Übertragung von Landgut im Zuge von Herrschaftswechseln und der Frage nach einem Konfiskationsrecht von Herrschern zu differenzieren.

In 2Sam 24,24 kauft David die Tenne → Araunas, auf der laut 2Chr 3,1 später der erste Tempel errichtet wurde, auch wenn die Verhandlung um den Kaufpreis innerhalb der Erzählung vor allem dazu dient, Davids Frömmigkeit hervorzuheben, da er JHWH keine Brandopfer darbringen will, für die er nicht selbst aufgekommen ist. 1Kön 16,24 berichtet davon, wie König → Omri den Hügel von → Samaria von einem gewissen Schemer käuflich erwirbt und anschließend die Stadt Samaria darauf errichten lässt. Während die Erzählung um Arauna gezielt dessen nicht-israelitische, nämlich jebusitische (→ Jebus / Jebusiter) Abstammung hervorhebt, lässt sich dies für Schemer nicht ohne weiteres behaupten (so aber Alt, 1955, 362; Noth, 1968, 352). Hinter der entsprechenden These steht die Vorstellung, dass das → Bodenrecht es Israeliten von jeher untersagte, ihren familiären Grundbesitz zu veräußern, und Schemer daher nur kanaanäischer Abstammung habe sein können.

Besonderes Gewicht für den Gesamtkomplex kommt dann der Erzählung von → Nabots Weinberg zu (1Kön 21), die ausführlich den Konflikt zwischen König → Ahab und Nabot, dessen Weinberg dem König besser gelegen zu sein scheint als sein eigener (1Kön 21,1-2), entfaltet. Ahab bietet Nabot an, seinen Weinberg gegen einen der königlichen eintauschen zu können oder, wenn es diesem lieber wäre, ihm Geld dafür zu geben. Beides lehnt Nabot allerdings mit einem Verweis auf den Erbbesitz seiner Väter barsch ab. Daraufhin setzt Ahabs Frau → Isebel verleumderische Zeugen auf Nabot an, die ihn beschuldigen, JHWH und den König verflucht zu haben, so dass er schließlich mit dem Tod bestraft wird. Im Anschluss daran scheint Ahab das Grundstück Nabots problemlos beschlagnahmen zu können (1Kön 21,15-16), sodass verschiedentlich davon ausgegangen wird, dass in diesem Fall – in Anlehnung an in Alalach und Ugarit gefundene rechtliche Bestimmungen – davon auszugehen ist, dass die Konfiszierung von Besitz als Strafe für Verrat veranschlagt war (Ben-Barak).

Ebenso lässt sich plausibilisieren, dass Könige auch in Israel und Juda ein gewisses Konfiskationsrecht für herrenlos gewordene Grundstücke für sich in Anspruch nehmen konnten.

Als Indiz hierfür wird häufig die Erzählung der reichen Frau aus Schunem (2Kön 4,8-37; 2Kön 8,1-6) angeführt, die auf Geheiß des Propheten → Elisa das Land Israel verlassen hatte, um vor einer Hungersnot zu fliehen. Die Erzählung setzt voraus, dass die Ländereien der Familie nicht mehr gehören, als sie nach sieben Jahren ins Land zurückkehren. Um den Besitz zurückzuerhalten, wendet sich die Frau an den König und erhält durch die Unterstützung von Elisas Diener → Gehasi sowohl ihr Land als auch die Erträge, die es in ihrer Abwesenheit erbracht hat, durch einen hohen Hofbeamten (סָרִיס sārîs) zurück. Ob das Land jedoch an den König gefallen ist, lässt sich aus der Erzählung nicht zweifelsfrei erheben. Der Verweis auf einzelne assyrische Gesetze, die regeln, dass bei Fehlen eines männlichen Erben das Land an den König (zurück-)fällt (vgl. Ben-Barak, 82), bietet ebenfalls keine zwingende Interpretationsgrundlage, da die in den assyrischen Rechtstexten gemachte Voraussetzung, dass der Ehemann der Frau Soldat ist und es sich bei den Ländereien entsprechend um als Gegenleistung zugewiesenes Land handelt, von der Erzählung nicht explizit vorausgesetzt wird. Ja, vielmehr ist hier durchgängig die als wohlhabend (wörtlich גָּדוֹל gādôl „groß“) gekennzeichnete Frau Subjekt der Handlungen.

Neben dem Erwerb von königlichem Grundbesitz durch Kauf, Konfiszierung oder Eroberung ist davon auszugehen, dass es auch bei einem Dynastiewechsel zu einer Akkumulation von Ländereien kam, was aber auch anzeigt, dass eine strikte Trennung zwischen institutionsgebundenem und familiärem Grundbesitz nicht aufrecht zu erhalten ist (vgl. auch Schäfer-Lichtenberger, 407f). Ein Indiz hierfür könnten die Erzählungen um David und → Merib-Baal / Mefi-Boschet liefern.

2Sam 9,1-13 berichten davon, wie David die Güter → Sauls, über die er offensichtlich frei verfügt, an Mefi-Boschet, den Sohn → Jonatans zurückgibt, zugleich aber Ziba, den ehemaligen Verwalter Sauls, mit deren Bestellung beauftragt. Im Zuge des Aufstandes → Absaloms scheint Ziba Mefi-Boschet bei David zu verleumden (2Sam 16,1-4), woraufhin ihm anscheinend dessen rechtliche Befugnisse übertragen werden. Als Mefi-Boschet die Umstände auf dem Weg von Davids Rückkehr nach Jerusalem aufklärt, verfügt David, dass beide sich forthin den Besitz teilen sollen (2Sam 19,25-31). Die rechtlichen Besitzverhältnisse, wie sie hier im Hintergrund stehend vorgestellt werden, sind nicht ganz durchsichtig. Erstattet David Mefi-Boschet die Ländereien Sauls zurück, weil erst verspätet deutlich geworden ist, dass es noch einen erbberechtigten Nachkommen (→ Bodenrecht) der Linie Sauls gibt (Ben-Barak) oder handelt es sich durchweg um eine „Kette von Beleihungen mit einem bestimmten Stück des Krongutes“ (Alt, 1955, 358)? Zum einen ist mit Blick auf 2Sam 9,1-13 insbesondere die Fortführung bestimmter Tendenzen der → Aufstiegserzählung Davids festzuhalten, indem David sich über die Maßen gnädig gegenüber Saul und dessen Familie erweist. Zum anderen legt auch die textinterne Darstellung nahe, dass David vorrangig um seiner Freundschaft zu Mefi-Boschets Vater Jonatan willen handelt (2Sam 9,7) und nicht aufgrund sozialer oder rechtlicher Konventionen; und auch der Nachkömmling der saulidischen Linie betont wiederholt, dass ihm so eine unvorhersehbare Gnade wiederfahren ist.

Für alle Belege, die aus den Erzählungen um → Saul und → David herangezogen werden, gilt, dass sie nicht ohne Weiteres Einblick in ökonomische Verwaltungszusammenhänge der frühen Königszeit bieten, sondern vermutlich die Verhältnisse der jeweiligen Abfassungszeit auf diese übertragen, wenngleich bestimmte Grundmuster auch in bescheidenerem Umfang für die erzählte Zeit anzunehmen sind.

2.2.2. Belege für die Zuweisung königlicher Ländereien an Untergebene und Mitglieder der Oberschicht

Wie die Geschichte von Mefi-Boschet und Ziba zeichnen auch diverse andere Erzählungen das Bild, dass die Zuweisung von Ländereien einen Akt besonderer königlicher Zuwendung darstellte bzw. Mitglieder des Hofes spezielle Teile des königlichen Landbesitzes zu ihrer eigenen Verfügung anvertraut bekamen. So fragt Saul seine Anhänger in 1Sam 22,7 provokativ: „Wird euch allen auch der Sohn Isais Felder und Weinberge geben und euch alle als Anführer über Hundert- und Tausendschaften setzen?“ Aufgrund der knappen Formulierung ist an dieser Stelle nicht eindeutig zu klären, ob hinter diesem Satz die Vorstellung steht, dass die entsprechenden Äcker und Weinberge zur privaten Nutzung übergeben wurden oder, um sie für den König zu bewirtschaften. Der entsprechende Kontext in 1Sam 22,6-8 hebt aber insgesamt besonders den Aspekt der Loyalität hervor. Dies passt gut in das Bild, das sich auch für den Rest des alten Orients zeichnen lässt, wo Loyalität gegenüber dem Herrscher mit Landzuwendungen belohnt (und weiterhin gefordert) wird, die bei Vertrauensbruch aber auch wieder entzogen werden können.

Vor diesem Hintergrund ist wohl auch der Umstand zu interpretieren, dass sich Absaloms und → Joabs Felder nebeneinander befinden (2Sam 14,30): beide sind Zuweisungen aus dem königlichen Landbesitz.

Das als → Königskritik gestaltete Königsrecht in 1Sam 8,10-18 zeichnet das Szenario, dass sich Könige am Grundbesitz des Volkes bereichern, um die entsprechenden Ländereien ihren Beamten (wörtlich עֲבָדָיו ‘ǎvādājw „seine Diener“) zur → Verwaltung anzuvertrauen (1Sam 8,14). Dass die entsprechenden Grundstücke nicht nur als Loyalitätsverstärker an dem König Nahestehende verschenkt werden, sondern diese den Grundbesitz für ihn verwalten, legt sich besonders mit Blick auf die umliegenden Verse nahe, in denen alle Handlungen des Königs auf seine Bereicherung und das Erlangen materieller Abgaben zielen. Auch wenn der tendenziöse Charakter von 1Sam 8,10-18 nicht zu übersehen ist, benennt der Text doch zielsicher reale Möglichkeiten des Machtgebrauchs und Machtmissbrauchs von Herrschenden. In eine ähnliche Richtung weisen auch Stellen wie Jes 5,8-9 und Mi 2,1-2, wo im Rahmen prophetischer → Sozialkritik, die Anhäufung von Landbesitz in den Händen weniger angeklagt wird.

Im sogenannten Verfassungsentwurf des Propheten → Ezechiel wird daher ein idealer Umgang des Herrschers mit Landbesitz entfaltet (Ez 46,16-18): Während Landzuweisungen innerhalb der Herrscherfamilie quasi als Verteilung des Erbbesitzes gehandelt werden, fallen Zuwendungen an königliche Beamte nach einer gewissen Zeit wieder an die Krone zurück, so dass die erneute Etablierung einer immer wohlhabenderen Oberschicht dauerhaft unterbunden wird. Die Sicherung der Erbkette an die Söhne des Herrschers wird dabei in einen argumentativen Zusammenhang mit dem Schutz des Volkes vor Verdrängung von seinem Erbbesitz gestellt. Eventuell steht im Hintergrund der Gedanke, dass durch die dauerhafte Sicherung des Landbesitzes der Herrscherfamilie und zugleich deren Beschränkung auf diesen kein erhöhter Landbedarf erzeugt und die fortschreitende Ausbildung einer übermäßig grundbesitzenden Elite unterbunden werden kann. Der Zukunftsentwurf des Ezechielbuches könnte sich dabei sowohl aus den Erfahrungen der vorexilischen Zeit wie auch aktuellen sozialen Problemlagen oder dem Streit um Besitzansprüche in der nachexilischen Zeit speisen.

3. Königlicher Grundbesitz in den Zeugnissen der Nachbarkulturen Israels

Die Zeugnisse der altorientalischen Nachbarkulturen, die für die Frage nach königlichem Grundbesitz und entsprechenden Verhältnissen in Israel und Juda herangezogen werden, speisen sich je nach Region und Zeit aus unterschiedlichen Gattungen und bieten ihrerseits lediglich fragmentarische Einblicke in die jeweiligen Gegebenheiten.

Gleichwohl begegnet sowohl in Mesopotamien als auch in Mari, Alalach, Nuzi und Ugarit ab der altbabylonischen und mittelassyrischen Zeit der Terminus „ilku(m)“, der trotz seiner sehr unterschiedlichen Konzeptualisierung der Frage nach königlichem Landbesitz zuzuordnen ist. ilku(m) bezeichnet zunächst die Dienstpflicht gegenüber dem König, die nicht nur aufgrund der Anbindung bestimmter Berufsgruppen an den Herrschaftsapparat besteht (Beamte, Tempelpersonal, Soldaten, Heeresleitung usw.), sondern große Teile der Bevölkerung umfasst (Schreiner, Bäcker, Hirte), für die die in Pflicht Genommenen ein Stück des königlichen Landbesitzes erhalten. ilku(m) kann aber auch das entsprechende Feld selbst oder den Dienstverpflichteten meinen. Dabei diente das Land zunächst vor allem der Versorgung der Familie des Dienstpflichtigen, es finden sich aber auch Belege, in denen Abgaben von denselben Feldern an den Palast abgeführt werden mussten. Die Frage, was mit diesem von der Krone zugewiesenen Grundstück nach dem Tod des ehemals Dienstpflichtigen oder etwa im Falle einer zeitweiligen Unverfügbarkeit geschehen sollte, ob es verkauft oder getauscht werden kann, wird unterschiedlich beantwortet.

So wird in den mittelassyrischen Gesetzestexten (Tafel A § 45; TUAT I, 89f) beispielsweise verhandelt, was mit dem Land geschieht, das ein in Gefangenschaft geratener Soldat zuvor als Gegenleistung für seinen Dienst vom Staat erhalten hat (vgl. die Diskussion zu 2Kön 8,1-6). Auch gibt es Hinweise darauf (KAJ [= E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur juristischen Inhalts, 1927] 160; 162; 172; 173; 177; 183; KAV [= O. Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts, 1920] 212), dass Land, für das Pachtrechte vergeben worden waren, als Strafe oder bei Fehlen männlicher Nachkommen sowie dem Tod des Pächters wieder entzogen werden konnte. In diesem Falle fiel das Land an die Krone zurück (zitti ēkalli) und die entsprechenden Landrechte konnten von einer Partei an eine andere übertragen werden.

Einen ergänzenden Einblick liefern die umfangreichen Archive des Stadtstaates → Ugarit, wo die Palastwirtschaft die Versorgung ihrer Dienstmänner und Dienstfrauen eher zentral organisierte und überwiegend öffentliche Bedienstete von höherem Rang mit Versorgungsfeldern ausgestattet worden sind. So geben die administrativen Texte Hinweise sowohl auf regelmäßige Naturalabgaben der Dörfer als auch auf landwirtschaftliche Sammlungszentren (gt) unter königlicher Oberaufsicht, aber auch auf Felder und Weideland in königlichem Besitz, die entsprechend auch an Angehörige des Hofes oder in den Diensten des Palasts Stehende gegeben werden konnten (TUAT I, 218). Der Erwerb von Grundbesitz durch die Königin ist ebenfalls dokumentiert (RS [= Ras Shamra] 17.86+; vgl. TUAT.NF I, 115).

Auch in → Alalach wurden vor allem mittel- und spätbronzezeitliche Quellentexte wirtschaftlicher Natur gefunden. Von Interesse sind hier besonders die Kauf-, Tausch- (AIT [D.J. Wiseman, The Alalakh Tablets] 53; 79; TUAT.NF I,136-138) und Prozessurkunden (AIT 13;17, TUAT.NF I, 133f), die königlichen Landbesitz thematisieren.

4. Archäologische Indizien für königlichen Grundbesitz

4.1. Israel

Krongut 1
Schon früh wurden die Samaria-Ostraka (→ Samaria; → Epigraphik), die überwiegend aus dem zweiten Viertel des 8. Jh.s v. Chr. stammen, in die Diskussion um den Grundbesitz der Könige des Nordreichs Israel eingebracht. In wechselnder Reihenfolge und Zusammenstellung enthalten die Ostraka folgende Angaben (HAE I/1 91; TUAT I, 248f):

● eine relative Datumsangabe (9., 10. und 15. Jahr), vermutlich mit Bezug auf die Regierungsjahre eines Königs,

● eine Adressatenangabe mit ל „für“,

● einen zweiten Namen, vermutlich den Absender,

● eine Ortsangabe mit מן min „aus“, wobei alle Herkunftsorte in der Umgebung Samarias liegen,

● den Gegenstand der Lieferung („alter Wein“ oder „Öl für die Reinigung / gereinigtes Öl“).

M. Noth interpretierte sie als „Begleitschreiben zur Ablieferung der Erträge des in eigener königlicher Verwaltung befindlichen Krongutes“ (Noth, 1927, 226), die von königlichen Beamten in Empfang genommen wurden.

Auch bis in die Gegenwart werden die Ostraka vornehmlich als Begleitschreiben für Lieferungen interpretiert (Niemann; Kessler); nur vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass es sich um eine Registratur innerhalb der Palastverwaltung handelt (Rüterswörden).

Umstritten ist jedoch das hinter den Ostraka stehende wirtschaftliche System. Aufgrund der Tatsache, dass die Lieferungen sich lediglich auf drei Jahre beziehen, wurde die Deutung Noths, es handle sich um Lieferungen aus dem königlichen Krongut, zunehmend abgelehnt (vgl. aber HAE I/1, 83f.). Denkbar wären demgegenüber eine einmalige Naturalabgabe (HAE I/1, 83f.) oder Lieferungen an Angehörige der Elite in Samaria (Kessler). H. Niemann geht ferner differenzierter davon aus, dass es sich größtenteils um Lieferungen an „Empfangsberechtigte bei ihrem Aufenthalt in Samaria“ (Niemann, 81) handelt. Die entsprechenden Lieferungen mögen sowohl vom Privatbesitz der Adressaten als auch aus Zuweisungen aus dem Krongut stammen. Beides spiegle jedoch den Versuch der Könige in Samaria (eventuell → Joasch und → Jerobeam II.), ihre Machtbasis zu stabilisieren, indem sie ihre Beziehungen mit einflussreichen Familien der Gegend stärkten (vgl. 2.2.2). Darüber hinaus hält Niemann es zumindest bei einem kleinen Teil der Ostraka, nämlich jenen, die keinen spezifischen Absender und Adressaten, sondern die Angabe krm htl und krm jḥw’lj aufweisen, für möglich, dass es sich hier tatsächlich um Lieferungen aus dem königlichen Weinberg / Krongut handle (Niemann, 165f.).

4.2. Juda

In → Eisenzeit I und → Eisenzeit IIa ist es plausibel, davon auszugehen, dass Könige sich an lokalen und landwirtschaftlichen Zentren, wie → Bet-Schemesch (Koordinaten: N 31° 45' 03'', E 34° 58' 30''), Tell Bēt Mirsim (Koordinaten: 1415.0960; N 31° 27' 21'', E 34° 54' 37''), Debir oder → Gibeon (Koordinaten: 1676.1396; N 31° 50' 52'', E 35° 11' 10") administrativ beteiligten, archäologisch nachweisen lässt sich dies allerdings nicht (Niemann, 129).

Niemann diskutiert unter Bezug auf 2Chr 26,10 zudem die in Chirbet Abū eṭ-Ṭwēn, Dēr Baġl, Chirbet et-Tibne, Chirbet el-Qatt und Chirbet el-Abhar freigelegten Quadratbauten als „Beispiele für eine herrschaftlich-landwirtschaftliche Landerschließung“ (Niemann, 160) für die Zeit der Könige → Amazja, → Usijah und → Jotam, aber auch hier fußt die Verbindung zur royalen Administration stark auf der jeweiligen Interpretation der entsprechenden Funde.

Krongut 2
Durchaus stärker ist die Verbindung der sogenannten lmlk-Siegel („dem König [gehörig]“), die auf Krughenkeln eingeprägt waren, zu entsprechenden königlichen Ländereien. Neben der Zugehörigkeitsanzeige lmlk finden sich auf einem Großteil der Siegel zusätzlich je einer der folgenden Ortsnamen: → Hebron, Ziph, Socho und – bisher nicht eindeutig identifiziert – MMŠT (eventuell Mamschit oder Mameschet zu vokalisieren), wobei die genaue Funktion der entsprechenden Orte aber umstritten ist.

Insgesamt wurden bis dato über 2000 solcher Siegel, vor allem im judäischen Bergland und der → Schefela, dem Hügelland zwischen dem judäischen Bergland und der Küstenebene, gefunden. Sie kamen vermutlich nach 732 v. Chr. in Gebrauch und wurden bis in die erste Hälfte des 7. Jh.s genutzt (Lipschits / Sergi / Koch, 2010, dies., 2011), bevor sie von einer Markierung durch eingeritzte konzentrische Kreise und schließlich den Rosettensiegeln der späten Königszeit abgelöst wurden. Der überwiegende Teil der Forschung geht davon aus, dass Hebron, Ziph, Socho und MMŠT selbst „Krongüter“ oder regionale Sammelstellen im südlichen judäischen Bergland waren, von denen aus zahlreiche Orte mit landwirtschaftlichen Produkten wie Wein und Öl versorgt wurden (Welten; Keel / Küchler; Rüterswörden; Niemann; Kessler), doch auch eine Funktion als Sammelstelle für Naturalsteuern (Aharoni) wurde diskutiert. Häufig wurde und wird das Verteilungssystem, das sich auf Grundlage der lmlk-Siegel erheben lässt, als Indiz von Vorbereitungen für einen antiassyrischen Aufstand unter → Hiskia interpretiert (Na’aman; Kessler; Niemann), da der Großteil der Siegel in administrativen, aber auch militärischen Zentren gefunden wurde (die meisten Funde in → Jerusalem, → Ramat Rahel, → Lachisch, → Bet-Schemesch).

Krongut 3
Besonders die Weiterverwendung des entsprechenden Siegelsystems nach 701 v. Chr. könnte aber darauf hindeuten, dass das entsprechende Verwaltungssystem gerade mit dem Vasallenstatus Judas gegenüber dem neuassyrischen Reich zusammenhängt (Lipschits / Sergi / Koch 2010, dies., 2011). Möglicherweise wurden hierdurch zunehmend die zu leistenden Tribute an die Assyrer erarbeitet und koordiniert. Aber auch das enorme Wachstum Jerusalems im letzten Drittel des 8. Jh.s dürfte zum Ausbau landwirtschaftlich genutzter, durch den Palast beaufsichtigter Ländereien in der unmittelbaren Umgebung von Jerusalem geführt haben. Nach den Verheerungen insbesondere der Küstenebene 701 v. Chr. durch → Sanherib scheint diese Konzentration und Spezialisierung im Bereich des Jerusalemer Umlands noch vorangetrieben worden zu sein: Das Refa’im-Tal, (süd-)westlich von Jerusalem, scheint insbesondere auf den Weinbau, das Soreq-Tal, nordwestlich von Jerusalem, auf Getreidebau spezialisiert gewesen zu sein. Angrenzend an das Soreq-Tal kommt insbesondere Tel Moza eine herausgehobene Stellung zu. Moza scheint sowohl für die Mast- und Nutztierversorgung Jerusalems von Bedeutung gewesen zu sein wie auch als Sammelstelle für Getreide. Im Zusammenhang damit finden sich ab der exilischen Zeit vornehmlich in → Mizpa dann auch Siegelabdrücke mit der Aufschrift mwza „Moza“.

Für das 7. Jh. finden sich dann ebenfalls archäologische Indizien für weitere landwirtschaftliche Anlagen der judäischen Könige: So könnte Tel Goren in der unmittelbaren Nähe von En-Gedi eine königliche Gründung gewesen sein, die vor allem zur Erwirtschaftung von Luxusartikeln (Datteln, Kräuter, Salz, Balsam) diente. Auch nach dem Ende des Königtums in Juda scheinen viele der ehemals königlichen Ländereien institutionsgebunden geblieben zu sein, um beispielsweise Steuern für die Perser zu sammeln und zu generieren.

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

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  • lmlk-Siegel mit dem Ortsnamen swkh „Socho“ (Lachisch, um 700). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 160142
  • Karte mit den ungefähren Ortslagen von Hebron, Ziph, Socho und Moza. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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