Kot / Mist / Dreck
(erstellt: März 2012)
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1. Kot und Mist
1.1. Begriffe für Kot und Mist
Obwohl man davon ausgehen kann, dass man sich im alten Israel, ähnlich wie in modernen Sprachen, wegen des damit verbundenen Ekel-Gefühls davor scheute, Ausdrücke für „Kot“ zu gebrauchen, enthält die Hebräische Bibel Aussagen über menschliche und tierische Ausscheidungen. Dabei werden verschiedene Begriffe verwendet: צֵאָה ṣe’āh, wörtlich „das Herausgegangene“, bezeichnet menschlichen Kot (nur Dtn 23,14
1.2. Umgang mit Kot und Nutzung von Mist
Kot und Dreck sind aus hygienischer und ritueller Sicht höchst bedenkliche Dinge, deshalb muss der Umgang mit ihnen sehr vorsichtig geschehen. Meist wird generell verfügt, dass sich der Mensch strikt von Kot fern halten soll. Kot soll aus dem Wohn- und Lebensbereich des Menschen weggeschafft, verbrannt oder in irgendeiner anderen Weise verbannt werden. In Dtn 23,13-14
Als positive Nutzung des tierischen Kots kannte man in Israel dessen Verwendung im getrockneten Zustand als Brennmaterial. Im äußersten Notfall, wenn gar nichts anderes mehr greifbar war, z.B. in einer belagerten Stadt, hat man wohl auch menschliche Exkremente zum Heizen und Kochen benutzt. So nennt Ez 4,12-15
1.3. Kot und Mist in bildlicher Sprache
Ez 4,12-15
Ähnliches lässt sich beim Begriff „Mist“ (אַשְׁפֹּת ’æšpot) beobachten: Mit Mist umzugehen, zählte zu den Tätigkeiten mit dem geringsten Sozialprestige. Metaphorisch stehen dann diejenigen, die solche Tätigkeiten ausüben müssen, für alle Menschen, für die Gottes Hilfe die letzte Hoffnung darstellt, weil sie von ihren Mitmenschen ausgeschlossen werden und von ihnen kein Mitgefühl mehr zu erwarten haben (Klgl 4,5
Gott kann aber auch umgekehrt die Feinde zu erniedrigten Menschen machen und sie wie Stroh in der Jauchegrube zerstampfen (Jes 25,10
1.4. Fäkalsprache
Da Ausdrücke aus dem Wortfeld „Kot und Mist“ in hohem Maße mit Unreinheits- und Ekelgefühlen besetzt waren und beim Hörer sofort den Reflex auslösten, sich von Dingen, die mit solchen Ausdrücken belegt wurden, zu distanzieren, benutzten eifernde Propheten und Erzähler die Fäkalsprache, um illegitime Vorstellungen und Verhaltensweisen zu brandmarken.
In 1Kön 14,10
2. Dreck
2.1. Der Begriff für Dreck
Das Nomen שִׁקּוּץ šiqûṣ ist in der Hebräischen Bibel 28-mal belegt (8-mal bei Ezechiel, 5-mal bei Jeremia, 3-mal bei Daniel, je 1-mal bei Jesaja, Hosea, Nahum, Sacharia; die restlichen Belege im Deuteronomium und im deuteronomistischen und chronistischen Geschichtswerk). Es stammt von der Wurzel שׁקץ šqṣ, die nach HALAT (vgl. KBL) möglicherweise als Šaf‛el der Wurzel קוץ qûṣ (Nebenform קוט qûṭ) „Ekel / Abscheu / Grauen empfinden“ zu verstehen, vielleicht jedoch von akkadisch šaqāṣu / šakāṣu „böse blicken“ abzuleiten ist. Paschen (S. 27) vermutet eine „Verbalableitung von קוץ „Ekel haben“ mit dem kausativen Element ša-.“ Brown / Driver / Briggs verweisen zur Wurzel שׁקץ šqṣ auf das assyrische Wort šikṣu, das wohl eine (Haut?-)Krankheit bezeichne. Da es fast ausschließlich metaphorisch gebraucht wird, ist es schwierig, die Grundbedeutung zu ermitteln, doch bezeichnet es wohl nicht speziell Kot, sondern Dreck in einem umfassenden Sinne. Für die Bedeutung sind insbesondere Nah 3,6
2.1.1. Nahum 3,6 Nah 3,6
Aus dem Duktus des Textes ist klar, dass hier einer Frau so ziemlich das Schlimmste angetan werden soll, was denkbar ist. Ebenfalls ist klar, dass es sich um eine bildliche Rede handelt. Die Stadt ist, wie so oft, als Frau personifiziert. Dass sie als Hure dargestellt wird, verweist metaphorisch auf ihre zerstörerische Macht. Die angedrohte Bestrafung der Hure durch das entehrende Entkleiden ist ebenfalls metaphorisch gemeint. In Wirklichkeit wird sich die Strafe durch die militärische Eroberung und völlige Entmachtung Ninives vollziehen. Ein besonderes Problem ist die Verwendung des Plurals שִׁקֻּצִים šiquṣîm: Vermutlich soll durch die Verwendung eines Abstraktplurals eine zusätzliche abwertende Nuance in die Schilderung eingebracht werden.
Der metaphorischen Strafansage unterliegt wahrscheinlich ein typischer Vorgang, mit dem eine der Hurerei überführte Frau von der Dorfgemeinschaft entehrt und gebrandmarkt wurde. Auch wenn in den Gesetzestexten keine entsprechenden Regelungen zu finden sind, fällt doch auf, dass sich in Jes 47,3
Auch nach Fabry wird die Hure nicht mit Kot beworfen: „Sicher stehen der hebräischen Sprache viele Vokabeln zur Bezeichnung von Schmutz und Fäkalien zur Verfügung. Mit שׁקצים wählt Nahum aber genau die Vokabel, die seit der deuteronomisch / deuteronomistischen Literatur nahezu ausschließlich in der Götzenpolemik verankert ist. Nie wird dieses Wort im Alten Testament im profanen Sinne gebraucht, vielmehr bezeichnet es im Buch Levitikus die unreinen und nicht opferbaren Tiere, sonst die Götzenbilder. Es ist also nicht möglich, diesen Begriff als Bezeichnung für ‚Unrat, Kot‘ … zu verstehen. … In solche Niederungen der Sprache lässt sich Nahum jedoch nicht hinab!“ Als Alternative schlägt Fabry, wie schon einige Exegeten vor ihm, vor, dass Ninive in Nah 3,6
Weder eine solche gedankliche Konstruktion des Bewerfens mit Götzenbildern noch die Ablehnung von Nahums vermeintlicher „Fäkalsprache“ sind jedoch nötig, wenn man in Betracht zieht, dass hinter jedem Begriff einer Sprache eine Vielzahl von Bedeutungsebenen stehen kann. Gerade ein abstraktes Nomen wie „Abscheuliches / Widerliches“ verlangt geradezu nach einem gedanklichen Hintergrund, der erklärt, warum etwas abscheulich oder widerlich ist. Die vielen Querverbindungen, die שִׁקּוּץ šiqûṣ mit dem Wortfeld „Kot“ aufweist, helfen, die offensichtliche und die sprachlich etwas verborgener liegende Bedeutung von שִׁקּוּץ šiqûṣ zu erfassen.
2.1.2. Sacharja 9,7. Sach 9,7
2.2. Dreckige, unreine Tiere
In Lev 11
Warum eine Speise oder ein Tier in der Hebräischen Bibel als rein oder unrein deklariert wird, ist nicht immer leicht zu verstehen (→ rein / unrein
Plaut führt an, dass schon im Talmud eingeräumt wird, dass es Gesetze gibt, für die kein rationaler Grund erkennbar ist: „The Talmud divides all the commandments into two classes: (1) ‚those which should have been given had they not been given’, i.e. moral and social laws whose value is evident, and (2) ‚those about which Satan and the Gentiles can raise questions’, because they have no rational explanation.“ (Plaut, 809).
Schon → Philo von Alexandrien
Bis heute wird oft vertreten, dass שֶׁקֶץ šæqæṣ ursprünglich das „Gesundheitsschädliche“ bezeichnet. Warum etwas als „gesundheitsschädlich“ beurteilt wurde, ist nur in wenigen Fällen rekonstruierbar. So schreibt auch Plaut (810): „One can hardly doubt that some of the dietary laws had salutary results in terms of health. But we have no evidence that this was their intent.“ Der Bezug eines Tieres zu Dreck, Schmutz und Schlamm könnte aber eine wichtige Rolle gespielt haben. Gerstenberger (128) schreibt den Gedanken, dass Tiere „unrein“ sind und anderes „unrein“ machen, dem Sprachgebrauch einer späteren redaktionellen Bearbeitung zu (Lev 11,26
2.3. Dreck in bildlicher Sprache
2.3.1. Emotionale Konnotationen
Dreckiges, Gesundheitsschädliches und Unreines sind nicht nur für die Gesundheit des Menschen gefährlich, sondern der Mensch entwickelt demgegenüber auch Gefühle des Ekels und der Abscheu. In vielen Texten hat man den Eindruck, dass durch die Verwendung der Begriffe eher diese Gefühle wachgerufen werden sollen, als dass konkrete Gefahrenobjekte im Blick sind. In Lev 11
2.3.2. Dreck als Schimpfwort für Götzen
שִׁקּוּץ šiqûṣ „Dreck“ wird oft im kultischen Kontext verwendet und bezeichnet kultische Vergehen (vgl. Jeremias). Daher zählt der Begriff neben Bezeichnungen für „Nichtigkeit“ und „Schändlichkeit“ zum alttestamentlichen Spottvokabular für Götzen und Götzenbilder (vgl. Schroer). Die deutschen Begriffe aus dem semantischen Feld „Abscheuliches / Widerliches“, mit denen שִׁקּוּץ šiqûṣ meist übersetzt wird, geben den Begriff nur abgeblasst wieder.
שִׁקּוּץ šiqûṣ kann im Singular, aber vor allem im Plural als pejorative Bezeichnung für fremde Gottheiten dienen und insbesondere deren Kultbilder und Symbole bezeichnen. In diesem Zusammenhang dürfte der Singular so etwas bedeuten wie das einzelne Gebilde aus Dreck, der Plural dagegen in abstrakter Verwendung so etwas wie „Dreckszeug“.
Bei den Darstellungen fremder Götter, die mit diesem Schimpfwort belegt werden, kann es sich konkret um ein Götzenbild z.B. von → Milkom
In Dtn 29,16
Hin und wieder wird dann auch der Bogen vom verabscheuungswürdigen Götzenbild zu denen gezogen, die dieses bzw. die Gottheit, die es darstellt, verehren. In Hos 9,10
2.4. Außerbiblischer und nachbiblischer Sprachgebrauch
שׁקוץ šiqûṣ wird in → Qumran
Im rabbinischen Judentum bezeichnet שִׁקּוּץ šiqûṣ generell „abscheuliche Dinge“, vor allem aber unreine Tiere und verbotene unreine Nahrungsmittel. Im modernen Hebräisch wird der Begriff für „verruchte Taten“ im religiösen Kontext benutzt.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Lexikon der Bibel, Eltville am Rhein 1990 (Art. Mist)
- Lexikon zur Bibel. Wuppertal 1992 (Art. Mist)
- Dictionary of Biblical Imagery, Downers Grove 1998 (Art. Dung)
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003 (Art. Kot)
2. Weitere Literatur
- Collins, J.J., 1993, Daniel: A commentary on the Book of Daniel (Hermeneia), Minneapolis
- Fabry, H.-J., 2006, Nahum (HThK.AT), Freiburg im Breisgau
- Gerstenberger, E.S., 1993, Das 3.Buch Mose, Leviticus (ATD 6), Göttingen
- Jeremias, J., 1970, Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit (WMANT 35), Neukirchen-Vluyn
- Nestle, E., 1884, Zu Daniel, ZAW 4, 248
- Paschen, W., 1970, Rein und unrein: Untersuchung zur biblischen Wortgeschichte (StANT 24), München
- Plaut, W.G., 1981, The Torah: A Modern Commentary, New York
- Rudolph, W., 1975, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja (KAT 13,3), Gütersloh
- Rudolph, W., 1981, Haggai, Sacharja, Maleachi (KAT 13,4), Berlin
- Schroer, S., 1987, In Israel gab es Bilder: Nachrichten von darstellender Kunst im Alten Testament (OBO 74), Freiburg (Schweiz) / Göttingen, 350-353
- Seybold, K., 1991, Nahum, Habakuk, Zephanja (ZBK.AT 24,2), Zürich
- Willi-Plein, I., 2007, Haggai, Sacharja, Maleachi (ZBK.AT 24,3), Leipzig 152-161
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