Deutsche Bibelgesellschaft

Krankheit und Heilung (Ägypten)

(erstellt: Februar 2009)

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1. Quellen

1. Hauptquellen sind heilkundliche Texte, die uns in Niederschriften aus dem 19. Jh. v. bis 3. Jh. n. Chr. zunächst in Kursivhieroglyphen, dann in hieratischer und später demotischer Schrift (→ Schrift 2.3.) erhalten sind. Das heilkundliche Schrifttum lässt sich unterschiedlichen Textgattungen zuordnen: tradiert sind Handlungsanweisungen (sog. šs3w-Lehrtexte), Rezepte, Prognosen (über Schwangerschaft, Geburt, Lebensfähigkeit), Sprüche und systematische Zusammenstellungen (Titel rch „Wissen“; hierzu gehört das sog. Gefäßbuch und eine Abhandlung über die medizinischen Verwendungsmöglichkeiten der Rizinuspflanze).

Einige Papyri (Papyrus Ebers, Papyrus Berlin 3038, Papyrus Hearst u.a.) behandeln Erkrankungen und Leiden unterschiedlichster Art; andere sind nur einem Einzelthema gewidmet, so beispielsweise der Papyrus Kahun der Gynäkologie, der Papyrus Brooklyn 47.218.48/85 den Schlangen und den Mitteln gegen Schlangenbisse, der Papyrus Chester Beatty VI Erkrankungen, die mit Eingüssen in den After behandelt wurden, und der Papyrus Edwin Smith (Vorderseite) der chirurgischen Praxis. Einzelne Rezepte findet man darüber hinaus auf Ostraka (Tonscherben).

Die medizinischen Texte sind gut aufgearbeitet (Grapow 1954-1973, Westendorf 1999). Allerdings spart diese Standardliteratur die Beschwörungstexte gegen Krankheiten zum Teil aus, wodurch das heilkundliche Gesamtbild verzerrt wird. Uns „magisch“ anmutende Handlungen (→ Magie in Ägypten) sind nämlich ein nicht herauslösbarer Teil des ägyptischen „normalwissenschaftlichen Paradigmas“, d.h. der ägyptischen „disziplinären Matrix“ (Kuhn 1962 / 1970, vgl. bereits Fleck 1935) und demnach auch der ägyptischen Heilkunde.

In Grapow 1954-1973 und Westendorf 1999 wird das Corpus der „medizinischen“ hieratischen Texte synchron betrachtet, demotische Texte sind nur rudimentär behandelt. Eine diachrone Betrachtungsweise wird auch hier insgesamt neue Erkenntnisse bringen können. Im Rahmen dieses Beitrags wird jedoch an der derzeit üblichen synchronen Betrachtung festgehalten.

2. Über Krankheit, den Umgang mit Kranken und die Gruppe der Heilkundigen informieren auch nicht-heilkundliche Text- und Bildzeugen. In bildlichen Darstellungen findet man vor allem Personen mit chronischen Krankheitszuständen vor; bei einem Grabherrn kann es dessen Zwergwüchsigkeit, Blindheit oder Körperdeformation sein. Bestimmte Berufsgruppen werden im Flachbild mit den Attributen der jeweiligen berufstypischen Krankheit dargestellt, so den Schwellungen von Bauch (Aszites), Hoden und Phallus (genitale Hyperplasie) bei Sumpfarbeitern, Fischern und Schiffern, die als Anzeichen für Schistosomiasis (= Bilharziose) gedeutet werden (Ghalioungui 1962). Ferner geben gegenständliche Quellen über Krankheit und Heilung Auskunft. Hierzu zählen Schutzamulette, Heilstatuen, Götterfiguren, Salbgefäße, Drogenbehälter, medizinische Gerätschaften und architektonische Elemente (z.B. die seit römischer Zeit belegten Tempelsanatorien) sowie Mumien und Skelette.

2. Krankheit versus Gesundheit

Das ägyptische Wort, das üblicherweise mit „Krankheit“ übersetzt wird, lautet mḥr(t) und geht auf mḥr „körperlich krank sein / leiden / Schmerzen haben / seelisch schlimm sein“ zurück. Sowohl die afroasiatische als auch die innerägyptische Etymologie von mḥr (früher mr transkribiert) ist unklar.

Das Substantiv mhḥr(t) steht für körperliche oder psychische Beeinträchtigungen, die einem Menschen, einem Tier oder einer Gottheit angetan werden können. Es hat stets eine negative Konnotation und bezeichnet Abweichungen von dem, was als snb „gesund“ angesehen wird. Symptomatisch äußert sich mḥr ganz allgemein durch „leiden“ (mn), das, je nach Erkrankung, den ganzen Körper oder bestimmte Körperstellen betrifft. Zu den allgemeinen Krankheitserscheinungen gehören u.a. „Druck“, „Steifheit“, „Ermüdung“, „Schwäche“, „Schlaffheit“, „Entzündung“, „Hitze“, „Brennen“, „Rötung“, „Fieber“, „Anschwellung“, „Auftreibung“, „Zusammenziehung“, „Ausfluss“, „Hervorquellen“, „Nässen“, „Zittern“ und „Zucken“. Vor allem in heilkundlichen Texten werden Symptome und Spezialbezeichnungen angeführt, die unter die Oberbegriffe mḥr(t) und mn(t) fallen.

„Gesundheit“ gilt als erhaltenswerter Normalzustand. Das Wort tritt häufig in Wunschformeln und Gebeten auf, besonders in der Verbindung ‘nch wḏ3 snb – „möge er leben, heil (im Sinne von „ganz“) und gesund sein“. Das ägyptische Gesundheitskonzept ergibt sich einerseits aus dem Kontrast zu den konkretisierten Krankheiten, andererseits tritt es uns in Totentexten und Altersklagen entgegen. Optimale Gesundheit zeigt sich danach im Vollbesitz aller Sinne, in der Vollzähligkeit und Unversehrtheit der Glieder, in Arbeitsfähigkeit, Stärke und guter Stimmung.

Ist Krankheit eingetreten, dienen heilkundliche Handlungen dazu, gesund zu machen / zu heilen (snb). Hierbei werden Krankheiten und Leiden beseitigt bzw. vertrieben (rwj mr / dr mnt).

3. Spektrum der Leiden und Krankheiten

3.1. Nach altägyptischen Textquellen

Die heilkundlichen Texte überliefern eine große Zahl an Krankheits- und Symptombezeichnungen, deren Übersetzung gesamtphilologisch – d.h. hier sowohl in sprachwissenschaftlicher als auch in medizinischer Hinsicht – oft erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Manche Übersetzer haben versucht, die altägyptische Krankheitenlehre in unsere moderne, naturwissenschaftlich geprägte Nosologie (Krankheitslehre) zu konvertieren (so Ebbell 1938); dementsprechend wurden Fachtermini der heutigen, meist griechischen oder lateinischen medizinischen Nomenklatur in die Übersetzungen eingebracht. Dies verkennt indes, dass die ägyptische Heilkunde von der unseren systematisch und historisch-philologisch sehr weit entfernt ist. Hinzu kommt, dass in allen vormodernen Medizintraditionen die „pathologischen“ und „physiologischen“ Begrifflichkeiten aus heutiger Sicht schwer fassbar sind; und sogar die ägyptische „Anatomie“ unterscheidet sich radikal von der modernen (und auch schon von derjenigen der antiken griechisch-lateinischen Tradition): So kennen die Ägypter ein den ganzen Körper durchziehendes „Gefäßsystem“ (Papyrus Berlin Nr. 163, Papyrus Ebers Nr. 854 & 856) – bereits dieser Übersetzungsversuch ist auf dem ja nicht wegzudenkenden Hintergrund des Gefäßbegriffs der heutigen Medizin problematisch –, das im After mündet und dessen Zentrum das ḥ3tj-Herz ist. In diesen „Gefäßen“ werden Luft und Wasser transportiert, aber auch Kot und Krankheitsstoffe wie „Schmerzstoffe“, „Schleimstoffe“ und Eiter.

Hinweise zur begrifflichen Stemmatik der ägyptischen Nosologie verdanken wir insbesondere den heilkundlichen Sammelhandschriften wie dem Papyrus Ebers, in dem 36 Abschnitte mit dem Wortlaut „Anfang von“ beginnen, jeweils gefolgt von einer Aufzählung entsprechender Heilmittel. Die dortigen Ordnungskategorien sind neben den von Krankheit betroffenen Körperpartien (Augen, Ohren, Nase, Zähne, „Leib“ etc.) auch veränderte Körperstoffe (Harn, Nahrung, „Schleimstoffe“ etc.), sichtbare Krankheitssymptome (Bisswunden, Ausschlag, Haarveränderungen, Brandwunden, Geschwülste, Husten) und Arzneiformen (Salbmittel, Einläufe, Trankmittel etc.).

Im Folgenden wird (nach den Übersetzungen von Grapow u.a. 1954-1973 und Westendorf 1999, jedoch bewusst ohne deren interpretierende Zusätze) eine Auswahl von Leiden und Symptomen vorgestellt, die dem Papyrus Ebers (kompiliert um 1550 v. Chr.) entnommen sind.

  • Augenleiden: „Gewächs von Schmerzstoffen“, Ritzung, „Schmerzstoffe im Auge“, Zusammenziehen der Pupille, Unebenheit, weiße Stelle, Blut, Tränen, Hitze, Blindheit, Wüten, Schnupfen, Stauung von Wasser, Entzündung, Dunkelheit, Schwachsichtigkeit, Verschleierung, Kügelchen, Fettes im Auge, Einbiegung von Haaren;
  • Ohrenleiden: Abspaltung, Bruch, fauliges Wasser, Nässen, Eiter, Wundsekret, Schwellung, Taubheit;
  • Kopfleiden: Verletzungen (im Detail im Papyrus Edwin Smith beschrieben), Kopfschmerzen, Zittern, Erkrankungen der Kopfhaut (u.a. nässender Ausschlag), Haarschwund, Ergrauen, fleckige Kahlheit;
  • Zahn- / Mundleiden: lockere Zähne, Geschwüre, Schwellung, Fressen, Eiter, „Blutfraß“, „Ansammlung von Schmerzstoffen“;
  • Herzleiden (das Herz ist auch Sitz des Verstandes): Hitze, Herzschmerzen, Mattigkeit, Schwäche, Stechen, Klopfen, Enge, Vergesslichkeit, Überflutung, Zittern, Vergrößerung, Verlagerung, schwacher Puls, Flattern, Tanzen;
  • „Leiden des Leibes“: Verstopfung, schmerzhafter Kot, Schwellung, Hitze, Wurmerkrankungen, Hautausschlag, Hautentzündung, Schmerzstoffe, Verschiebung im After, Zauber, Fäulnisprodukte, „Giftsamen“, „Schleimstoffe“, Durst, Erbrechen;
  • Harnleiden: Stauung, Überfluss, Nässen;
  • durch „Schleimstoffe“ bedingte Leiden: im Becken, im Bauch oder im Nacken, Schnupfen;
  • Husten;
  • Leiden der Blase: Hitze, Verstopfung;
  • „Gefäßleiden“: Schwäche, Steifheit, Hitze, Knoten, Luft, Zittern, Schlängeln, Überschwemmung, Ertaubung, Zucken, Absterben;
  • Hautleiden: Falten, Flecken, Hautausschlag, Hautblasen, Hautentzündung, Hautflechte;
  • Frauenleiden: Ausfluss, Schmerzen, Schwellungen im äußeren Genitalbereich, Unfruchtbarkeit, Blutungen, Geburtsverzögerung, kranke Brust; außerdem nach dem Papyrus Kahun: Erkrankungen der Gebärmutter (jdt) wie Blutstau, Erguss, Hitze, Geschwüre, Kratzstelle;
  • Leiden der Gliedmaßen: Zittern, Lahmheit, Schwäche, Schmerzen, Entzündung;
  • dämonische Erkrankungen: Behexung, Bitternis, Dumpfheit, Schatten, Schlag, Seuche, Zauber;
  • ferner: Wunden und Geschwülste unterschiedlichster Art, Brüche, Verstauchungen, Bisse, Stiche, Schläge, Verbrennungen, Kinderkrankheiten.

3.2. Nach paläopathologischen Ergebnissen

Unter welchen Krankheiten die Ägypter aus heutiger Sicht litten, lässt sich anhand von Mumien und Skeletten untersuchen; daraus, dass nur nachweisbar ist, was sich in Knochen oder Weichteilen dauerhaft manifestiert hat und den derzeitigen Analysemethoden zugänglich ist, ergibt sich ein entsprechend eingeschränkter Blick. Ein neues, aber wegen der Schwierigkeit, nichtkontaminierte Proben zu entnehmen, umstrittenes und aufwändiges Hilfsmittel sind Nachweise auf molekularer Ebene, so die Isolierung von Krankheitserreger-DNA.

Inzwischen konnten zahlreiche Forscherteams größere Mumien- und Skelettkollektive aus Ägypten und Nubien untersuchen (u.a. Smith & Jones 1908; Parsche 1991; Strouhal u.a. seit 1976; Nerlich u.a. 2000, 2002a, b; Bibliographie bis 1996: Rose 1996). Danach starben die meisten Menschen zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr. Die somit insgesamt niedrige Lebenserwartung wird auf das Auftreten von Infektionskrankheiten, Parasitenbefall und Sepsis zurückgeführt. Bislang wurden folgende Erreger identifiziert: An Parasiten fand man verschiedene Gattungen von Eingeweidewürmern (Bandwurm, Spulwurm, Guineawurm, Zwergfadenwurm, Trichine) und Läuse, ferner Eier von Schistosoma, dem Erreger der Bilharziose, und die DNA des einzelligen Parasiten Plasmodium falciparum, des Erregers der Malaria. Bakterien konnten im Einzelfall bereits ebenfalls durch ihre DNA nachgewiesen werden, so die Erreger von Tuberkulose und Diphtherie; der Fund von DNA des Darmbakteriums Escherichia coli im Mittelohr einer Kindermumie weist auf eine erlittene Escherichia coli-Sepsis hin. Inwieweit die Bevölkerung von diesen Erkrankungen durchseucht war (in Nerlich u.a. 2002a wird beispielsweise angenommen, dass die Hälfte aller Ägypter unter Tuberkulose gelitten habe), ist im Einzelnen noch ungewiss. Für Pocken, Lepra oder Pest gibt es keine gesicherten Belege; auch für eine frühe ägyptische Existenz des Polio-Virus hat man bislang nur indirekte, nicht eindeutige Anhaltspunkte, nämlich die bildliche Darstellung des Türhüters Rama mit atrophiertem Fuß (Stele Ny Carlsberg Glyptothek AEIN 134, Abb. bei Nunn 1996, 77) und den ebenso verformten Fuß der Mumie des Pharaos Siptah (um 1200 v. Chr., Abb. bei Nunn 1996, 79): beide könnten Opfer der Kinderlähmung gewesen sein.

Degenerative Veränderungen von Gelenken und Wirbelsäule sind ein Zeichen für starke körperliche Beanspruchung. Die Untersuchungen von Nerlich u.a. 2002a an über 700 Individuen aus Nekropolen in Theben-West (15.-5. Jh. v. Chr.) weisen hier auf epochen- und statusabhängig unterschiedliche Krankheitsraten (vgl. auch Nerlich u.a. 2000). Von den in der Spätzeit (nach 600 v. Chr.) in Theben Bestatteten zeigen 18,5% Arthrosezeichen und rund 38% Spondylose, bei weitem mehr als zu den Blütezeiten des ägyptischen Reiches (2% / 12%).

Im Skelett gut sichtbar sind Traumata mit anschließender Heilung. Hier wurden orts- und zeitabhängig recht unterschiedliche Raten festgestellt; im Durchschnitt sind 10 bis 20% der Bestatteten betroffen, wobei sich Frakturen aufgrund von Unfällen oder Schlägen sowie durch Geschosse (Pfeile oder Steinkugeln) zeigen.

An älteren Individuen ließen sich die heute noch allgemein üblichen arteriosklerotischen Veränderungen feststellen, auch benigne und maligne Tumorerkrankungen waren gut nachweisbar.

Der – vermutlich durch chronische Erkrankungen – erhöhte Vitamin- / Mineralstoffbedarf der Ägypter wurde durch die Ernährung nicht vollständig gedeckt: An vielen Knochen zeigen sich Mangelerkrankungen wie Anämie (Eisenmangel), Skorbut (Vitamin C-Mangel) und Osteomalazie (Vitamin D3-Mangel). Die Zähne, auch die der Pharaonen, weisen in der Regel eine hohe Abnutzung infolge von Sandbeimengungen in der Nahrung auf, was verstärkt zu Karies und Zahnausfall geführt hat wie auch zu – damals oft lebensgefährlichen – Abszessen (zu einem besonderen Zahnbefund siehe Harbort u.a. 2008).

4. Erklärung und Prävention

Als Urheber verschiedenster Arten von Krankheiten und Leiden werden Götter, Tote, Feinde, Priester und Dämonen sowie deren Schatten angesehen. Sie können mittels Hauch, Schlag, ḥk3-Zauber oder des „Gift-Samens“ auf die zu schädigenden Körper einwirken.

Auch wenn die unmittelbare Ursache eines Leidens beobachtet werden konnte (Biss eines Tieres, Verbrennung, Sturz u.ä.) oder theoretisch-naturkundlich erklärt wurde (Umwandlung nicht ordnungsgemäß verdauter Speisen in Krankheitsstoffe, Eigenleben der weiblichen inneren Genitalien u.ä.), wurde der Verlauf der Krankheit ganz gemäß dem innerägyptischen Weltbild auf den Willen der Götter zurückgeführt. Der Textabschnitt Papyrus Ebers Nr. 1 = Papyrus Hearst Nr. 78, in welchem der Heiler über seine Initiation, seinen eigenen Schutz vor Krankheiten, seine Aufgabe und den Willen Gottes spricht, verdeutlicht dies besser als jede moderne Darstellung:

Anfang vom Spruch für das Auflegen eines Heilmittels auf irgendeine Körperstelle des Mannes.

Aus Heliopolis bin ich herausgekommen / zusammen mit den Großen des Großen Hauses (Tempel von Heliopolis), / den Herren des Schutzes, / den Herrschern der Ewigkeit.

Aus Sais bin ich herausgekommen / zusammen mit den Müttern der Götter, / nachdem sie mir ihren Schutz gegeben haben.

Es gehören mir Sprüche, verfasst vom Allherrn, / um zu vertreiben (dr) die Einwirkung / eines Gottes, einer Göttin, / eines Toten, einer Toten / – und so weiter –, / die in diesem meinem Kopf sind, / in diesem meinem Nacken, / in diesen meinen Schultern, / in diesem meinem Fleisch, / in diesen meinen Körperstellen, / um zu bestrafen den Verleumder, / den obersten derer, die Störung eindringen lassen in dieses mein Fleisch / (und) ein Hineinplatzen in diese meine Körperstellen als etwas, das eindringt / in dieses mein Fleisch, / in diesen meinen Kopf, / in diese meine Schultern, / in diesen meinen Körper, / in diese meine Körperstellen.

Zugehörig bin ich zu Re. / Er hat gesagt: / „Ich bin es, der ihn (den Kranken) vor seinen Feinden schützt.“ / Thot ist sein Führer. / Er veranlasst, dass die Schrift in Rede umgesetzt wird; / er verfasst die Sammelhandschriften; / er gibt Zauberkraft den Weisen und den Heilern (swnw), die in seinem Gefolge sind, / um zu befreien den, von dem (s)ein Gott will, dass er ihn am Leben lässt. / Derjenige, von dem (s)ein Gott will, dass er am Leben bleibt, bin ich.

Werde rezitiert während des Auflegens eines Heilmittels auf irgendeine Körperstelle des Mannes, die krank ist. Wirklich vorzüglich; unzählige Male (erprobt).

Schutz vor Krankheiten war möglich, indem man Götter und Ahnen gnädig stimmte und sich gegen negative Mächte zur Wehr setzte. Dies geschah durch ein Leben im Sinne der → Maat, Verehrung der Götter, Versorgung der Ahnen und Schutzamulette.

5. Umgang mit Kranken und heilkundliche Berufe

Paläopathologische Befunde (Nerlich u.a. 2002b; Strouhal 2005) zeigen, dass Personen, die sich wegen körperlicher Gebrechen nicht mehr selbst versorgen konnten, dennoch mitunter ein hohes Lebensalter erreicht haben; ihre Pflege wird von Familienmitgliedern übernommen worden sein. Aus der Lehre des Amenemope (Kap. 25; → Weisheitsliteratur in Ägypten) geht hervor, dass Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen nicht ausgegrenzt werden sollten:

„Lache nicht über einen Blinden / und verhöhne nicht einen Zwerg / und erschwere nicht den Zustand eines Lahmen! / Verhöhne nicht einen Mann, der in der Hand des Gottes ist, / und sei nicht grimmig gegen ihn, um ihn zu verletzen.“

Blindheit, Zwergwuchs und diverse Deformierungen von Körperteilen begegnen in Flach- und Rundbildern hoher Beamter, was eine soziale Integration dieser Personenkreise belegt. Der (spätzeitlich bezeugten) Theorie nach, d.h. gemäß dem „Buch vom Tempel“ (Quack 2005), waren Personen mit bestimmten körperlichen und charakterlichen Auffälligkeiten vom Tempeldienst auszuschließen, so u.a. solche, deren Glieder zu groß, zu klein oder verstümmelt waren, und solche, deren Haut weiß, rot oder mit Pusteln bedeckt war. Über die soziale und religiöse Praxis im Einzelfall – z.B. darüber, ob hochgestellte Personen wie der Pharao Siptah (zu dessen möglicherweise durch Kinderlähmung atrophiertem Fuß vgl. Abschnitt 3.2) oder der Amunpriester Nesparehan mit seinem durch spinale Tuberkulose verformten Rücken (Nunn 1996, 74) zum Kultdienst noch zugelassen waren – weiß man indes kaum etwas.

Der Ansteckungsgefahren bei gewissen Erkrankungen war man sich durchaus bewusst, wie aus dem Aufgabenbereich der Sachmetpriester und Skorpionbeschwörer hervorgeht (Quack 2005; Engelmann / Hallof 1996; Känel 1984): Sie sollten Aussatz (ḥmw.t-s3) aus der Stadt fernhalten, Seuchen von Mensch und Tier melden und spezielle Hauterkrankungen behandeln. Zum Berufsfeld der Sachmetpriester, die insoweit mit den swnw konkurrierten, gehörte auch die medizinische Versorgung von erkrankten oder verwundeten Soldaten. Heilkundliche Betreuung genossen ferner die Arbeiter in den Werkstätten, beim Pyramidenbau, in den Steinbrüchen und in den Bergwerken, wie verschiedenartige Quellen (z.B. die Wandmalerei im Grab des Bildhauers Ipui, Abb. bei Nunn 1996, 57; Urk. I, 40-44; Gardiner / Peet / Černý 1952, Taf. 23, Stele 85) bezeugen. Amtsbezeichnungen wie „Oberster Arzt der thebanischen Totenstadt“ oder „Arzt der königlichen Nekropole“ verdeutlichen den administrativen Charakter dieses Gesundheitswesens.

Schon die Ausbildung der swnw im „Haus des Lebens“ (pr ‘nch) kam den Kranken zugute, die man hier zunächst ambulant und in späterer Zeit, in der sich alsdann ein Sanatoriumsbetrieb herausbildete, zudem stationär behandelte. Dem Patienten war es aber auch möglich, einen Arzt zu sich nach Hause zu bestellen (vgl. Westendorf 1999, 472ff.).

In den medizinisch relevanten Titulaturen wird zwischen „Arzt“ (swnw), „Priester der Sachmet“ (der Seuchen- und Kriegsgöttin), „Leiter der Selkis“ (der Skorpiongöttin), „Priester des ḥk3-Zaubers“ und „Zauberer“ (s3w) unterschieden. Es sind jedoch zahlreiche Personen bezeugt, die mehrere dieser Titel tragen (Ghalioungui 1983, Känel 1984), so dass sich die Tätigkeitsfelder und Zielgruppen dieser jeweils spezialisierten Heiler breit überlappt haben müssen. Eigene swnw standen der Königsfamilie und dem Hofpersonal zur Verfügung, was in Titeln wie „Arzt des Leibes des Königs“ und „Arzt im Hause der Königlichen Gemahlin“ zum Ausdruck kommt.

Nach Herodot (II 84), der Ägypten im 5. Jh. v. Chr. bereist hatte, gab es dort für jede Krankheit einen eigenen Arzt (vgl. auch Homer, Odyssee IV 231f.):

„Die Heilkunst ist so verteilt, dass jeder Arzt nicht mehr als je nur eine Krankheit zu heilen versteht. Daher ist alles voll von Ärzten. Da gibt es besondere Ärzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähne, für den Bauch und für die inneren Krankheiten.“ (Übersetzung von Heinrich Stein, Herodot, Neun Bücher der Geschichte, Essen 1990; Text gr. und lat. Autoren)

Dies lässt sich durch Titel zwar nachweisen: bekannt sind „Augenärzte“, „Zahnbehandler“ und „Ärzte für den Leib“, bedenkt man aber, dass die letztgenannten Titel eher selten sind, und berücksichtigt man die Vielzahl der mehrfach titulierten Heiler, so wird klar, dass man hier von Fachärzten im modernen Wortsinn nicht sprechen kann.

In den heilkundlichen Texten kommen als deren Nutzer je nach Abschnitt Ärzte, Sachmetpriester, Zauberer und der „Leiter der Selkis“ vor; dabei begegnet der „Arzt“ insgesamt am häufigsten. Als „Kunst des Arztes“ wird die Behandlung durch den Einguss bezeichnet, der „Schnitt des Arztes“ weist ihn als Chirurgen aus. Als Theoretiker erscheint er uns im sog. „Gefäßbuch“ (Papyrus Ebers Nr. 854), das die Überschrift „Anfang vom Geheimwissen des Arztes (swnw)“ trägt. Er beherrscht wie auch der Sachmetpriester und der Zauberer die Technik des Pulsmessens (Papyrus Edwin Smith, Fall 1; Papyrus Ebers, Nr. 854a).

Der Sachmetpriester kommt in den heilkundlichen Texten sonst nicht vor, oft hingegen seine Göttin, die es zu besänftigen galt. Sie und ihre „Boten“ werden mit der Entstehung von Seuchen in Verbindung gebracht. Eine große Rolle spielt sie daher in den Beschwörungen gegen epidemische Krankheiten (Papyrus Edwin Smith, Rückseite). Ein „Leiter der Selkis“ hat die Rezepte und Sprüche gegen Skorpion- und Schlangenbisse im therapeutischen Teil des Papyrus Brooklyn kompiliert. Sein Tätigkeitsfeld war die Bekämpfung von Vergiftungen und Verletzungen durch Schlangen und Skorpione mittels Beschwörung und Behandlung.

6. Heilmaßnahmen

Heilbehandlungen richten sich sowohl gegen die Leiden als auch gegen die vom ägyptischen Paradigma vorausgesetzten Urheber der Leiden (vgl. Abschnitt 4). Eine Therapie bestand in der Regel aus chirurgischen Maßnahmen und / oder der Verabreichung von Heilmitteln. Es ist davon auszugehen, dass jede derartige Handlung durch die Rezitation von magischen Sprüchen begleitet wurde, die für einzelne Hilfsstoffe wie Bier, Honig und Fett, für einzelne Drogen, für das Abmessen der Drogen, für bestimmte Heilmittelzubereitungen und für deren Applikationen (Trinken oder Auflegen eines Heilmittels, Lösen eines Verbandes, Erbrechen) belegt sind; ferner hat man bestimmte Krankheiten oder deren Verursacher durch Beschwörungen direkt angesprochen. In diesem Spruchgut werden der Heilkundige und häufig auch der Kranke je mit einer Gottheit identifiziert, indem ein Vorfall in der Götterwelt erzählt wird, der als mythische Präzedenz für die irdische Situation galt. Oft ist hierbei der Kranke durch den kindlichen Horus vertreten, der von seiner Mutter Isis vor Verbrennungen, Schlangenbissen, Nachstellungen durch Seth usw. gerettet wird.

Den größten Einzelbestand innerhalb der heilkundlichen Texte machen Rezepte aus; heute liegen rund 2000 in Edition vor. Sie geben Aufschluss über Indikation, Zusammensetzung, Zubereitung und Anwendungsweise der Arzneimittel. Der altägyptische Drogenschatz umfasst (wenn die Verarbeitungszustände einzelner Drogen gesondert gezählt werden, um dem ägyptischen Denken gerechter zu werden) insgesamt etwa 1400 unterschiedliche Zutaten aus dem Pflanzen-, Tier- und Mineralreich. Es bestehen erhebliche Probleme bei der Übersetzung. Nur ein Bruchteil der Ingredienzien ist eindeutig identifiziert. Die Herstellung wird mit rund 100 unterschiedlichen Verben (zerreiben, kochen, mischen, durchpressen, über Nacht dem Tau aussetzen etc.) beschrieben, zur Angabe der Anwendung dienen rund 30 unterschiedliche Verben (trinken, essen, eingießen, salben, verbinden etc.), hinzu kommen rund 50 verschiedene Applikations- bzw. Zubereitungsformen (Pillen, Tränke, Einläufe, Salbmittel, etc.). Dies zeigt, wie elaboriert dieser Bereich der Heilkunde war (u.a. zu den Konzepten hinter der Drogenauswahl und der Herstellung ist eine Monographie der Verf. in Vorbereitung). Eine Besonderheit der altägyptischen Rezepte sind sehr ausführliche Maßangaben, die bei einem Großteil der innerlich anzuwendenden Arzneimittel auftreten und die nach der neuerdings erfolgten Aufklärung (Pommerening 2003; 2005) eine neue Einschätzung der tatsächlichen Wirksamkeit und Toxizität aus heutiger Sicht erlauben (Pommerening 2006).

Die richtige Anwendung ergab sich nach erfolgter Diagnose. Dazu leiteten Lehrtexte an. Derartige Texte untergliedern sich in eine Überschrift, eine Symptombeschreibung, die Diagnose, eine Beurteilung der Heilungsaussichten („eine Krankheit, die ich behandele“; „eine Krankheit, mit der ich kämpfe“; „eine Krankheit, die man nicht behandeln kann“) und die Behandlung durch chirurgische Maßnahmen und/oder Arzneimittel, auf die nur im letzten Falle verzichtet wurde.

Literaturverzeichnis

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  • Westendorf, W., 1999, Handbuch der altägyptischen Medizin. (Handbuch der Orientalistik. Erste Abteilung. Der Nahe und Mittlere Osten, Bd. 36), 2 Bde, Leiden / Boston / Köln

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