Kuss / küssen
(erstellt: Dezember 2017)
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In der Hebräischen Bibel ist 34-mal explizit von Küssen die Rede, 32-mal mit dem Verb „küssen“ (נָשַׁק nāšaq; Ez 3,13
Küsse spielten im antiken Israel in unterschiedlichen Zusammenhängen eine Rolle und konnten dabei je nach Konstellation Verschiedenes zum Ausdruck bringen (s.u. 1-5). Nur wenige der Stellen deuten an, auf welche Art geküsst wurde. Neben dem Küssen auf den bzw. mit dem Mund (1Kön 19,18
1. Küsse zwischen Familienmitgliedern
Mit Abstand am häufigsten erwähnt das Alte Testament Küsse zwischen Familienmitgliedern. Geküsst wird insbesondere zur Begrüßung (Gen 29,11.13
Bei hierarchischen (Verwandtschafts-)Verhältnissen werden sowohl die höher gestellten als auch die tiefer gestellten Menschen als Subjekt des Küssens genannt. Bereits daran wie auch an den Kontexten zeigt sich, dass Küsse unter Verwandten je nach Situation ganz Unterschiedliches zum Ausdruck bringen können. Bei den Küssen, mit denen → Jakob
2. Küsse als Ausdruck von Zuneigung und Wohlgesonnenheit
Auch Menschen, die nicht miteinander verwandt sind, können sich zur Begrüßung und beim Abschied (1Sam 20,41
3. Küsse als Zeichen der Ehrerbietung
Während es bei Küssen, die Wohlgesonnenheit zum Ausdruck bringen, in der Regel höher gestellte Menschen sind, die tiefer gestellte Menschen küssen, sind die hierarchischen Verhältnisse bei Küssen als Zeichen der Ehrerbietung genau umgekehrt. Einige der oben schon besprochenen Küsse zwischen Familienmitgliedern gehören in diesen Kontext; deutlich ist dies insbesondere beim Kuss, mit dem Mose seinen Schwiegervater begrüßt (Ex 18,7
Ist bei Est 4,17d
4. Erotische Küsse
Neben familiären, freundschaftlichen und Ehrerbietung zum Ausdruck bringenden Küssen kannte man im antiken Israel auch erotische Küsse. Das zeigen das → Hohelied
5. Metaphorische und sinnbildliche Küsse
Oben schon wurde auf einige Stellen aufmerksam gemacht, bei denen „küssen“ auch metaphorisch gemeint sein könnte (Gen 41,40
6. Besonderheiten aus dem Alten Orient, rabbinischen Judentum und frühen Christentum
Im großen Ganzen entspricht der alttestamentliche Befund dem Befund aus der altorientalischen Umwelt; zahlreiche Einzelaspekte werden durch die altorientalischen Quellen noch verdeutlicht. Daneben kommt in diesen auch manches zur Sprache, das im Alten Testament unerwähnt bleibt, etwa das Küssen der Erde, das Küssen von Objekten, Küsse von Gottheiten, Küsse in Ritualen und der Nasenkuss. Letzterer ist vor allem in Ägypten gut bezeugt und erklärt, warum das gleiche ägyptische Verb (sn, mit Nasendeterminativ) sowohl „küssen“ als auch „riechen“ und „einatmen“ bedeuten kann. Manche haben aus diesem Zusammenhang abgeleitet, auch das Einhauchens des Lebensodems (z.B. Gen 2,7
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Der Neue Pauly, Stuttgart/Weimar 1996-2003
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
2. Weitere Literatur
- Berlejung, A., Kultische Küsse. Zu den Begegnungsformen zwischen Göttern und Menschen, WO 29 (1998), 80-97
- Harst, S., Der Kuss in den Religionen er Alten Welt, ca. 3000 v. Chr. - 381 n. Chr. (Religionswissenschaft 7), Münster 2004
- Löw, I., Der Kuss, Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 65 (1921), 253-276, 323-349
- Meissner, B., Der Kuss im Alten Orient (SPAW.PH 28), Berlin 1934
- Schroer, S. / Staubli, T., Die Körpersymbolik der Bibel, Gütersloh 2. Aufl. 2005, 109-111
- Thraede, K., Ursprünge und Formen des „Heiligen Kusses“ im frühen Christentum, JAC 11/12 (1968/1969), 124-180
- Wünsche, A., Der Kuss in Bibel, Talmud und Midrasch, Breslau 1911
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