Ladeerzählung
(erstellt: April 2006)
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1. Die Ladeerzählung und ihr Kontext
Die so genannte Ladeerzählung ist nicht als zusammenhängende Erzählung überliefert worden. Sie besteht aus dem Erzählkomplex 1Sam 4,1b-7,2a
1Sam 4,1b-22
Das anschließende Kapitel lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf die Lade. Im Zentrum von 1Sam 5 steht die magische Wirksamkeit der Lade. Zwar haben die Philister die Lade des Gottes Israel unter ihre Kontrolle gebracht, doch haben sie keine Gewalt über diese. Aufgestellt im Tempel ihres Gottes → Dagon
1Sam 6 erzählt dann, dass die Philister ihre Priester und Wahrsager nach sieben Monaten um Rat fragen. Dem Vorschlag der Experten folgend nimmt man einen neuen Wagen für den Transport, spannt zwei von ihren Kälbern getrennte Kühe vor den Wagen und schickt die Lade mit goldenen Sühnegeschenken auf den Weg. Die Kühe laufen geradewegs nach Bet-Schemesch, was von den Philistern als Gottesurteil akzeptiert wird. Die Leute von Bet-Schemesch bringen die Kühe JHWH als Ganzopfer dar und stellen die Lade auf einen großen Stein (1Sam 6,1-18
Nach 2Sam 6 bringt erst → David
2. Die Diskussion um die Ladeerzählung
2.1. Die literarische Einheitlichkeit und ihre Bestreitung
Auf der Ebene des Endtextes ist die Vorstellung einer ursprünglich literarisch zusammenhängenden Ladeerzählung nicht zwingend. Diese These, die älteste Version der Ladegeschichten in 1Sam 4-6 und 2Sam 6 bildeten eine literarische Einheit, wurde von Leonhard Rost (1926) entworfen. Ihm zufolge gehört diese Version (1Sam 4,1b-18a.19-21; 1Sam 5,1-11b.12; 1Sam 6,1-3b.4.10-14.16.19-21; 1Sam 7,1; 2Sam 6,1-15.17-20a; Rost, 14) zum Grundgerüst einer vordeuteronomistischen Komposition der Samuelbücher. Zudem sei in dieser Ladeerzählung der hieros logos des Jerusalemer Heiligtums, d.h. dessen jahwistische Gründungslegende, erhalten geblieben. Ausgangspunkt seiner Überlegungen sind zwei Annahmen: 2Sam 6
Rosts Thesen fanden in der Forschung lange Zeit breite Zustimmung (Überblick bei Schicklberger, 17-25, und Smelik; ferner Hentschel, 233f, sowie die Kommentare von McCarter, 23ff; Stolz, 39ff; Campbell, 60ff). Die kritische Auseinandersetzung mit ihnen setzte erst spät ein. Kontrovers diskutiert wurden der Umfang (Fohrer, 8ff), der Anfang und der Schluss der Ladeerzählung (Miller / Roberts, 18ff) sowie die theologische Interpretation (Campbell, 193ff). Die altorientalischen Überlieferungen zur Entführung von Götterstatuen und deren Rückführung wurden als Beleg für die Einheitlichkeit der Erzählung wie als Indiz für die Selbständigkeit von 2Sam 6 herangezogen (Miller / Roberts, 9-17.76-87). Auf die unterschiedlichen Gattungen der Erzählung von 2Sam 6 und jener in 1Sam 4-7 wurde hingewiesen (Stoebe 1973, 127f). Redaktionsgeschichtliche Analysen deuten auf umfassende Bearbeitungen und Zufügungen von Szenen im Bereich von 1Sam 4,1b-7,2a
Die formale Argumentationsbasis von Rost – Wortschatzstatistik, Erzählstil – erwies sich gleichfalls als brüchig. Schicklberger zeigte, dass die Gesamtverteilung jener Begriffe im Alten Testament, die Rost als typisch für die Ladegeschichte reklamierte, eher als Beleg für die Uneinheitlichkeit der Ladeerzählung gelten kann (Schicklberger, 12). Der ähnliche Stil, der nach Rost die Ladeerzählung als genuine Einheit auszeichnet, lässt sich nicht nachweisen. Die syntaktischen Strukturen von 1Sam 4-6 und 2Sam 6 unterscheiden sich signifikant, was eher für verschiedene Verfasser spricht (Schäfer-Lichtenberger 2003, 328).
Rost sah die Übereinstimmungen im religiösen Gedankengehalt realisiert in der bedrohlichen Numinosität der Lade, in der Vorstellung einer von der Lade initiierten Wanderung, in dem Beinamen JHWHs als „JHWH Zebaoth, der Kerubenthroner“ (1Sam 4,4
Die Numinosität ist jedoch eine allgemeine Qualität altorientalischer Kultobjekte und kein Spezifikum der Lade, sie haftet der Lade in allen alttestamentlichen Erzählungen an. Die Vorstellung einer selbständigen Lade-Wanderung findet sich nur in 1Sam 6. Der Beiname JHWHs verweist auf den Jerusalemer Tempelkult. Die Aussage gehört in 1Sam 4,4
2.2. Der altorientalische Hintergrund
2Sam 6 ist Teil des Erzählzusammenhanges von 2Sam 5-8, einer Darstellung der Unternehmungen Davids als König von Israel und Juda. In diesen Kapiteln werden fast alle Aktivitäten vorgeführt, die einen typischen altorientalischen Monarchen auszeichnen. Aufzählung und Abfolge der einzelnen Aktionen scheinen durch die Königsideologie beeinflusst worden zu sein. Die altorientalische Religionsgeschichte zeigt, dass die Neu-Einrichtung eines Kultes und die Überführung eines Kultobjektes unter der Leitung des Königs stattfand und rituell „standardisiert“ war (Miller / Roberts, 77ff). Die engsten Parallelen finden sich bei der kultischen Einweihung einer neuen Hauptstadt in neuassyrischer Zeit (Luckenbill, § 94.98.101). Zur Einweihung lädt Sargon Assur und die anderen Hauptgottheiten zum Besuch in Dur Šarrukin ein, er ehrt sie durch Opfer, denen ein Bankett mit Musik folgt. Sanherib begeht die Einweihung von Ninive als Hauptstadt in ähnlicher Weise (Luckenbill, § 370.403.416). Asarhaddon feiert den Umbau seines Palastes in Ninive ebenfalls mit Prozessionen, Opfern und Festgelagen (Luckenbill, § 699). Entsprechende kultische Prozessionen und Feste unter allgemeiner Teilnahme des Volkes gehörten offenkundig zu den Pflichten eines altorientalischen Königs (Donner / Röllig, No.26,II.17-III,2).
2.3. Überlegungen zu Hintergrund und Entstehung der Lade-Erzählungen
Die Erzählung von 2Sam 6 hält fest, dass JHWH in Gestalt der Lade kultisch von Jerusalem Besitz ergreift (Ahlström, 145f). Die Überführung der Lade kann verstanden werden als Übereignung des kanaanäischen Jerusalem an JHWH, den Gott Davids und mithin als Teil der Einweihung Jerusalems als Regierungssitz Davids (Flanagan, 364ff). Die Erzählung über dieses Ereignis dient der letzten Szene (2Sam 6,16
Die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte von 1Sam 4,1b-7,2a
Die Ladeerzählungen wurden erst im Rahmen der Samuelbücher redaktionell in Beziehung zueinander gesetzt, als Nord- und Südreichstraditionen in einer schriftlichen Großerzählung miteinander verbunden wurden.
2.4. Resümee
In der neueren Forschung wird zunehmend die Kompositstruktur der Ladeerzählung herausgestellt und auf die heterogene Traditionsgeschichte der einzelnen Ladegeschichten verwiesen (Schunck, 97; Stoebe 1973, 127f; Ahlström; Fokkelman, 194.251; Hentschel, 25f). Inhaltlich hängen die Ladeerzählungen zusammen, literarisch sind sie in ihren ältesten Versionen wahrscheinlich unabhängig voneinander entstanden, doch ist die Diskussion darüber noch im Fluss. Festgehalten werden kann aber, dass in den Samuelbüchern zwei lokal und zeitlich unterscheidbare Traditionen über die Lade tradiert worden sind. Die vorsaulidische Lade-Überlieferung wurde von den Samuel-Überlieferungen gerahmt, die davidische Ladeerzählung ist in 2Sam 5-8 Teil der Darstellung königlicher Unternehmungen und dient im unmittelbaren Erzählkontext als Hintergrunderzählung für die Dynastiezusage und den salomonischen Tempelbau.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Kommentare
- Campbell, A.F., 2003, 1 Samuel (FOTL 7), Grand Rapids/Michigan
- Fritz, V., 1994, Das Buch Josua (HAT I/7), Tübingen
- Hentschel, G., 1994, 2 Samuel (NEB.AT), Würzburg
- McCarter, P.K., 1980, I Samuel (AncB VIII), New York u.a.
- Stoebe,H.J., 1973, Das erste Buch Samuelis (KAT VIII.1), Gütersloh
- Stoebe,H.J., 1994, Das zweite Buch Samuelis (KAT VIII.2), Gütersloh
- Stolz, F., 1980, Das erste und das zweite Buch Samuel (ZB.AT), Zürich
3. Weitere Literatur
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- Donner,H. / Röllig, W., 1964, Kanaanäische und aramäische Inschriften, Bd. 2, Wiesbaden
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- Hentschel, G., 2004, Die Samuelbücher, in: Zenger, E. u.a., Einleitung in das Alte Testament, 5. Aufl., Stuttgart
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- Toorn, K. van der / Houtman, C., 1994, David and the Ark, JBL 113, 209-231
- Wonneberger, R., 1992, Redaktion. Studien zur Textfortschreibung im Alten Testament, entwickelt am Beispiel der Samuel-Überlieferung (FRLANT 156), Göttingen
Abbildungsverzeichnis
- David tanzt vor der Lade; Gumbertusbibel (12. Jh.)
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