Lager / Lagerplatz
(erstellt: Januar 2010)
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1. Lager / Lagerplatz in der Hebräischen Bibel
Der Begriff Lager bzw. Lagerplatz (מַחֲנֶה machǎnæh von der Wurzel חנה chnh „ein Lager aufschlagen“) ist in der Hebräischen Bibel 216-mal bezeugt (→ Konkordanz
Zahl der Belege in den einzelnen Kanonteilen bzw. Büchern: Tora 103-mal (Gen: 7; Ex: 19; Lev: 18; Num: 49; Dtn: 10); Propheten 97-mal (Vordere Propheten: 91 [Jos: 17; Ri: 29; 1Sam: 22; 2Sam: 4; 1Kön: 4; 2Kön: 15]; Hintere Propheten 6 [Jes: 1; Ez: 2; Am: 1; Jo: 1; Sach: 1]); Schriften 16-mal (Ps: 3; Hhld: 1; 1Chr: 7; 2Chr: 5).
1.1. Lager der Familie bzw. Sippe
Das Wort „Lager“ (מַחֲנֶה machǎnæh) meint an einigen Stellen des Pentateuchs einfach den mobilen Aufenthaltsbereich eines Familienverbandes samt seinem Viehbestand (Gen 32,8
1.2. Wohnlager und wehrhaftes Lager
Der Auszug der Kinder Israels aus Ägypten und ihre vierzigjährige → Wüstenwanderung
Der Ausdruck „Lager“ in einem mehr allgemeinen Sinne, wobei die wehrhaften Aspekte nicht ausgeblendet sein müssen, findet sich im Pentateuch in Ex 16,13
1.3. Kultisches reines Lager
Das Buch → Leviticus
Um von der Reinheit innerhalb des Lagers abzugrenzen, wird in Leviticus häufig die Wendung „außerhalb des Lagers“ (מחוץ למחנה) verwendet (vgl. Lev 4,12
Der Betonung der Reinheit des Lagers in Leviticus entspricht, dass vom Lager durchgängig nicht in einem militärischen Sinne die Rede ist (vgl. Lev 14,8
1.4. Idealtypisches Lager
In der priesterschriftlichen Überlieferung kommt dem Motiv des Lagers insgesamt eine besondere Rolle. So wird in Num 1,51-2,32
Letzten Endes stellt Num 2,3-31
1.5. Militärisches Lager
Das Wort „Lager“ (מחנה) wird in der Hebräischen Bibel vor allem im Sinne eines militärischen Lagers verwendet, wenngleich es im Pentateuch selbst, wie bereits genannt, streng genommen nur ganz wenige Stellen mit einer solchen Bedeutung gibt. In Ex 14,24
Ein eigener Abschnitt zum Feldlager findet sich im Pentateuch in Dtn 23,10-15
In einem engeren militärischen Sinne wird der Begriff „Lager“ (מחנה) in der Hebräischen Bibel in Jos 6,14
Nachdem auf der Erzählebene die Gabe des verheißenen Landes an die Kinder Israels zum Abschluss gekommen ist, wird der Terminus „Lager“ (מחנה) in 1Sam bis 2Kön sowohl mit Blick auf Israel / Juda als auch auf deren Feinde fast ausschließlich im militärischen Sinne verwendet (vgl. 1Sam 4,3
In Ps 27,3
Der Begriff „Lager“ (מחנה) kommt zwar bei den Hinteren Propheten selten vor, aber bei ihnen findet er sich meist in einem militärischen Sinne. Dies ist so in Ez 1,24
In Dodekapropheton (→ Zwölfprophetenbuch
1.6. Lager Gottes / JHWHs
In der Hebräischen Bibel ist an einigen wenigen Stellen auch ausdrücklich vom „(Heer-)Lager Gottes“ (Gen 32,3
In Gen 32,3
Ebenso selten wie „Lager Gottes“ ist „Lager JHWHs“ bezeugt. Die Wendung kommt nur nachexilisch in den Chronikbüchern vor (1Chr 9,19
In 2Chr 14,12
1.7. Machanajim: Ortsname oder Doppellager?
Schwierigkeiten bereitet der einzige Beleg für „Lager“ im → Hohenlied
2. Lager / Lagerplatz in der Septuaginta
In der Septuaginta (ed. Rahlfs) wird מַחֲנֶה machǎnæh „Lager“ in der Regel mit παρεμβολή parembolē übersetzt.
Ausnahmen sind Num 1,52
In den deuterokanonischen Schriften (→ Tobit
Der Begriff „Lager“ kommt vor allem in Judit und im 1. Makkabäerbuch vor. Dies verwundert nicht, da er ein militärischer terminus technicus ist und die beiden Bücher, aber auch das 2. Makkabäerbuch von militärischen Auseinsetzungen handeln. Dabei wird παρεμβολή im Sinne von „Heer“ und von „Heerlager“ sowohl für die Judäer (vgl. 1Makk 3,3
Im Juditbuch bezieht sich „Lager“ in 14 von 16 Fällen auf das Heer(lager) des → Holofernes
Weish 19,7
3. Lager / Lagerplatz im Neuen Testament
Im Neuen Testament lässt sich παρεμβολή parembolē „Lager“ zehnmal nachweisen (Schmoller), und zwar sechsmal in der Apostelgeschichte (Apg 21,34
In der Apostelgeschichte wird der Begriff ausschließlich im Sinne von „Militärlager / Kaserne“ im Erzählkontext der Verhaftung und Überführung des Paulus verwendet.
In Hebr 11,34
Schließlich wird in Apk 20,9
4. Lager / Lagerplatz in außerbiblischen, jüdischen Schriften und Rezeption
Ein nicht unwesentlicher Teil des heutigen sog. Alten Testaments ist in persischer Zeit (538 bis 333 / 332) teilweise entstanden und / oder redigiert worden (Maier, 28). Von daher ist auch mit Blick auf den heute vorliegenden Pentateuch und auf außerbiblische Schriften des pluriformen Frühjudentums einer zu schlichten Zweiteilung in „biblische Vorlage“ und „nachbiblische Exegese“ kritisch zu begegnen (Maier, 32). Da diese wichtigen, aber zugleich sehr schwierigen Probleme an dieser Stelle nicht diskutiert werden können, wird im Folgenden u.a. auf einige wichtige Texte aus Qumran, die das Thema „Lager“ beinhalten, nur hingewiesen, ohne dabei die Fragen der Rezeption grundsätzlich zu erörtern. Bei späteren Texten mit dem Thema „Lager“ wie z.B. bei Sifre Deuteronomium wird man mit Blick auf Dtn 23,10-15
4.1. Qumran
In den → Qumranschriften
4.1.1. Damaskusschrift
Wenngleich der überwiegende Teil der sog. Damaskusschrift (CD: Cairo Damascus Document) bereits 1896 in Kairo (Geniza der Esra-Synagoge) entdeckt und 1910 publiziert worden ist, wird sie heute oft in Verbindung mit Qumranschriften genannt und ediert. Denn erst durch die Entdeckung von Fragmenten der Damaskusschrift in Qumran ist es der Forschung möglich geworden, die Entstehung dieser Schrift in vorchristlicher Zeit zu orten (Lohse, 63) und Fragen nach ihrem Adressatenkreis eingehender zu stellen.
CD enthält das Nomen „Lager“ 15-mal (CD 7,6; 9,11; 10,23; 12,23; 13,4.5.7.13(2x).16.20; 14,3.9; 19,2; 20,26). Mit dem Begriff wird dabei in der Regel nicht auf die Wüstenzeit Israels Bezug genommen, sondern es geht um die Reinheit des Lagers (vgl. CD 7,4-6; 12,11b-22a.22b-13,7a; 20,26?). Mit „Lager“ ist kein ambulantes Kriegslager, sondern anscheinend letztlich der Aufenthalts- bzw. Wohnbereich der Adressaten der Schrift gemeint.
4.1.2. Kriegsrolle
Die Kriegsrolle, auch Kriegsregel genannt (1QM: Milhamah „Krieg / Kampf“), stammt vermutlich aus dem frühen 1. Jh. n. Chr. Sie ist der Wissenschaft erst seit 1947 durch die Funde in Qumran bekannt. In ihr wird der endzeitliche Kampf zwischen den „Söhnen der Finsternis“ (Belial und sein Heer, vgl. 1QM 1) und den „Söhnen des Lichts“ (Söhne Levis, Judas, Benjamins) beschrieben, der auch als ein tatsächliches Kampfgeschehen verstanden wird (vgl. 1QM 17,10-18,6). Eingefügt in die Kriegsrolle sind Gebete, Hymnen, liturgische geprägte Kampfanweisungen und priesterliche Ansprachen (vgl. z.B. 1QM 10-14).
Der Begriff „Lager“ kommt in 1QM 14-mal vor, davon elfmal im Plural, (1QM 3,4.5.14; 4,9; 6,10; 7,1.3.7(2x); 10,1; 14,2; 16,3; 18,4; 19,9). „Lager“ wird dabei in einem militärischen Sinne verwendet. Mit dem biblischen Befund gemeinsam hat 1QM, dass auf die kultische Reinheit des Heerlagers besonders großer Wert gelegt wird (vgl. 1QM 7,3-7; 10,1; 14,2f).
4.1.3. Tempelrolle
Die sog. Tempelrolle, von der drei Handschriften in Höhle 11 (11QT) und eine in Höhle vier (4QT) entdeckt worden sind, ist mit ungefähr neun Meter Länge die längste Schriftrolle, die in Qumran gefunden worden ist. Auch inhaltlich ist ihre Bedeutung in mehrfacher Hinsicht enorm. Zwar wird die Endredaktion der Tempelrolle von der Mehrheit der Forscherinnen und Forscher auf das 2. Jh. v. Chr., näherhin auf die erste Hälfte datiert (Steudel, 3), Inhalte von ihr dürften aber vermutlich auf spätpersisch-(früh-)hellenistische Zeit zurückgehen (Maier, 32). Zentral für die von priesterlicher Theologie bestimmte Tempelrolle ist das Thema Heiligkeit. Heiligkeit erstreckt sich vom Tempel bis an die Grenzen des Landes Israel in Abstufung. In Verbindung mit diesem Thema enthält die Tempelrolle in einigen Abschnitten auch kriegsrechtliche Bestimmungen (11QT 57; 58; 59; 61f; 62; 63f). Dabei ist mit Blick auf den Abschnitt 11QT 58 bemerkenswert, dass in ihm zwar der Vers 24 Bezug auf die Heerlagerbestimmungen von Dtn 23,10f
4.2. Sifre Deuteronimium
Der → Midrasch
In den §§ 254-258, also im halachischen Teil, widmet sich Sifre Deuteronomium in seiner Kommentierung Vers für Vers den Bestimmungen zum Heerlager (מחנה) von Dtn 23,10-15
Die Auslegung zu Dtn 23,11
Mit Bezug auf Dtn 23,12
Dtn 23,13
Schließlich wird Dtn 23,15
Außerdem wird die Forderung erhoben, den Tempelberg nicht mit einem Stock, mit Schuhen, mit Staub an den Füßen und / oder mit einem Geldbeutel zu betreten. Auf diese Weise wird der heilige Ort, der Tempelberg, verunehrt. Diese Interpretation zeigt, wie die Vorschriften über das Heerlager in Sifre Deuteronomium zudem auf den Tempel(berg) übertragen werden. Denn so wie einst JHWH im Kriegslager gegenwärtig war, so ist er es jetzt im Tempel (Bietenhard, 590).
Schließlich ist alles zu tun bzw. zu unterlassen, damit sich die Gegenwart Gottes, die Schechina (שׁכינה), nicht angesichts „hässlicher Dinge“ vom „Lager“ (vom Tempel) entfernt, ist doch die Gegenwart Gottes in einem Heerlager notwendig, damit die Feinde besiegt werden können.
4.3. Militärrabbinat in der israelischen Armee
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet am 22. April 2009 davon, dass unter der Leitung von Brigadegeneral und Militäroberrabbiner Avichai Rontzki das Militärrabbinat in Israel seit 2006 eine Jahresschrift mit dem programmatischen Titel „Dein Lager soll heilig sein“ herausgibt. Unverkennbar ist, dass mit diesem Titel auf Dtn 23,15
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Alt, A., 1950, Zelte und Hütten, in: Alttestamentliche Studien (FS F. Nötscher; BBB 1), Bonn, 16-25
- Bietenhard, H., 1984, Der tannaitische Midrasch Sifre Deuteronomium (JudChr 8), Bern u.a.
- Croitoru, J., 2009, Heilig soll dein Lager sein. Der wachsende Einfluss von Israels obersten Militärrabbiner Avichai Rontzki beunruhigt die säkular gestimmten Kräfte im Land, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. April, 36
- Gerstenberger, E.S., 1993, Das 3. Buch Mose: Leviticus (ATD 6), Göttingen
- Kuschke, A., 1951, Die Lagervorstellung der priesterschriftlichen Erzählung. Eine überlieferungsgeschichtliche Studie, ZAW 63, 74-105
- Lohse, E., 1964, Die Texte aus Qumran, Darmstadt
- Maier, J., 2000, Kriegsrecht und Friedensordnung in jüdischer Tradition (ThF 14), Stuttgart
- Rüterswörden, U., 2006, Das Buch Deuteronomium (NSK-AT 4), Stuttgart
- Stemberger, G., 1992, Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. Aufl., München
- Steudel, A. (Hg.), 2001, Die Texte aus Qumran II, Darmstadt
Abbildungsverzeichnis
- Zeltlager heutiger Beduinen, das im Innenbereich Raum lässt für Schafe und Ziegen. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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