Landnahme
(erstellt: Oktober 2019)
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Mit Landnahme wird in der Bibelwissenschaft die im Buch → Numeri
1. Quellen
1.1. Die biblischen Berichte
Nach der Erzählung im → Pentateuch
Im Buch Josua werden im Wesentlichen die gemeinsame Eroberung des Landes unter der Führung Josuas (Jos 2-11) und die anschließende Verteilung des Landes an die einzelnen Stämme durch ein Losverfahren (Jos 13-21) beschrieben. Die verheißenden und ermahnenden Texte in Jos 1
Der eigentliche Eroberungsbericht stellt das Geschehen als eine große und gemeinsame Aktion aller zwölf Stämme dar. Dabei bezieht sich Jos 2-9
Die summarischen Erfolgsberichte haben einige Besonderheiten: Die Einnahme → Jerichos
Am Anfang des Richterbuches findet sich in Ri 1,1-2,5
Nicht nur im negativen Landnahmeverzeichnis von Ri 1, sondern ansatzweise auch im Buch Josua zeigen sich Hinweise darauf, dass doch nicht das ganze Land in einem Zug erobert und alle Vorbewohner ausgerottet wurden. Insbesondere in der Erzählung von der List der Gibeoniten (Jos 9,3-27
Die Landnahmeerzählungen sind literarisch sehr unterschiedlich: Sehr summarischen Berichten stehen detaillierte Erzählungen von kriegerischen Ereignissen und/oder taktischen Vorgehensweisen gegenüber; neben einfachen Beschreibungen stehen kultisch geprägte Vorgänge und theologische Erklärungen und Bewertungen. Außer Ri 1 stehen alle Berichte im Detail oder im Gesamtbild in einer bestimmten theologischen Perspektive: Die Einnahme des Landes von übermächtigen Gegnern war nur möglich durch den Beistand Gottes. Das → Land
Zu erwähnen ist auch, dass hinter den → Erzelternerzählungen
1.2.Weitere Texte
Das bedeutet, dass die Ägypter spätestens um 1215 den Namen Israel kannten und mit einer Bevölkerungsgruppe in Palästina verbanden. Diese war zumindest zum Teil sesshaft, weil vom Saatgut die Rede ist, und kann nicht ganz klein gewesen sein, weil neben den drei Städten Israel einer der vier Namen ist, mit denen dieses Gebiet beschrieben wird. → „Kanaan
Von Bedeutung sind auch die ägyptischen Texte (vor allem Inschriften am Tempel von Soleb in Nubien) über Nomaden (Š3św, sprich: → Schasu
2. Die kritische Diskussion
Die kritische Diskussion ist einerseits durch das Nebeneinander unterschiedlicher Beschreibungen und deren unterschiedlichen Gattungen veranlasst, andererseits durch archäologische Befunde.
2.1. Die kritischen Beobachtungen an den Texten sowie allgemeine Überlegungen führten in der Forschung des 19. Jh.s zu einem differenzierten Bild der Landnahme, und zwar vor allem dahingehend, dass man keine große kriegerische Aktion annahm, wie in Jos 2-11 geschildert, sondern eher ein sukzessives und regional differenziertes Geschehen, ähnlich dem Bericht in Ri 1, wobei durchaus auch einzelne kleinere Eroberungen vorgekommen sein mögen (vgl. die Erzählung von der Eroberung von → Bethel
2.2. Zum Bild einer differenzierten Entwicklung trägt auch der Blick auf die Stammesnamen bei. Zumindest einige der Stammesnamen sind offensichtlich erst im Land entstanden: Der Name Issachar wird als ’îš-śākhār, Mann des Lohnes, erklärt, was darauf hinweist, dass Männer dieses Stammes als Lohnarbeiter an der Mittelmeerküste arbeiteten und der Name erst in dieser Situation entstand. Der Name Benjamin bedeutet Sohn der Rechten (Seite), d.h. des Südens (In der Antike orientierte man sich an der aufgehenden Sonne [Orient = Aufgang] nach Osten, sodass rechts Süden war). Die Benjaminiter waren die Südleute, d.h. die südlichen Nachbarn des großen Stammes Ephraim. Schließlich ist die Frage, ob Juda nicht ursprünglich die Bezeichnung des Gebietes war, und erst dann zum „Stammes“namen der dort wohnenden Menschen wurde (vgl. Niemann). Auch diese Beobachtungen zeigen, dass Israel nicht als geschlossene Größe einwanderte, sondern sich erst im Land dazu entwickelte.
2.4. In den 1920er-Jahren wurde in der Landnahmediskussion ein neues Stichwort eingeführt, nämlich Transhumanz. Dieses spanische Wort bezeichnet den jahreszeitlichen Weidewechsel, wie er im ganzen Mittelmeerraum zu beobachten ist. Während in manchen Gebieten ein Wechsel von höher gelegenen Sommerweiden in tiefer gelegene Gebiete für die Winterweide (und zurück) erfolgt, erfolgt der Weidewechsel in Palästina zwischen der Steppe und dem sog. Kulturland. Das Stichwort Transhumanz wurde von Max Weber in die alttestamentliche Forschung eingeführt. Für → Albrecht Alt
3. Landnahmemodelle
3.1. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s war die Forschung lange Zeit durch eine bestimmte Typisierung des Landnahmevorganges bestimmt. Diese basiert auf einer Studie von Manfred Weippert, der 1967 die damals gängigen Vorstellungen als „Landnahmemodelle“ dargestellt hatte. Er unterschied das Eroberungsmodell, das Einwanderungsmodell und das Revolutionsmodell. Das Eroberungsmodell wurde vor allem mit Willam F. Albright verbunden, der zusammen mit anderen, vor allem angloamerikanischen Forschern, die Landnahme als eine (vorwiegend) kriegerische Eroberung (im Sinn von Jos 2-11) betrachtete, die man auch von Ausgrabungsergebnissen bestätigt sah.
Das Einwanderungs- oder Infiltrationsmodell war im Wesentlichen das von Alt und Noth vertretene Bild einer sukzessiven und im Wesentlichen friedlichen Einwanderung und Einnahme des Landes auf der Basis der Transhumanz.
3.2. Dazu kam neu das 1962 von George Mendenhall vorgeschlagene Revolutionsmodell. Dieses Modell findet sich eigentlich schon bei Max Weber. Weber hatte 1917/19 in seinem Werk „Das Antike Judentum“ (vor allem auf Basis der um 1890 entdeckten und publizierten Amarnabriefe) die Gegebenheiten in Kanaan untersucht. In soziologischer Perspektive unterschied er dabei vier Bevölkerungsgruppen: die Stadtbewohner mit ihren Stadtkönigen, die von der Stadt abhängigen Bauern in der Umgebung der Stadt, die freien Bauern im Bergland und die Kleinvieh, d.h. Schafe und Ziegen, züchtenden Nomaden, die (wie überall in der Mittelmeerwelt) auf Grund des Wechsels der Jahreszeit zwischen Steppe und Kulturland wechselten (Transhumanz) bzw. zum Teil neben den sesshaften Bauern lebten. Diese Gruppen standen in Beziehung zueinander, wobei es auch zu Spannungen und Konflikten, und insbesondere zu Bauernaufständen gegen die Belastungen durch die Stadt kam. In dieses Beziehungsgefüge kam die vergleichsweise kleine Gruppe der frühen Israeliten, die allerdings als wesentliches Element den Bundesgedanken mitbrachte (→ Bund
Der Grundzug des Bauernkriegs- bzw. Revolutionsmodells von Mendenhall ist, dass die Landnahme nicht von außen erfolgte, sondern dass ein Teil der sesshaften Bevölkerung sich einerseits aus dem Kontrollbereich der kanaanäischen Städte ins Bergland zurückzog (was die Siedlung der Israeliten im Bergland [vgl. Ri 1] erklärt) und dass es anderseits eben zu Konflikten mit den Städten kam, woraus sich die kriegerischen Berichte des Buches Josua und die archäologisch festgestellten Zerstörungen (Mendenhall folgt hier der Sicht von Albright) ergaben. Der entscheidende Impuls zu diesen Veränderungen kam durch die Mosegruppe, die den Bundesgedanken mitbrachte. Durch diesen kam es zu neuen Zusammenschlüssen, zunächst der Bauern im Ostjordanland und dann im Westjordanland. Aus diesen Zusammenschlüssen von Bundesgenossen entstand Israel. Das heißt: Israel entstand im Wesentlichen aus der bereits vorhandenen kanaanäischen Bevölkerung. Eingewandert ist dabei nur eine kleine Gruppe bzw. das, was eigentlich eingewandert ist und sich verbreitet hat, war die mit dem Jhwh-Glauben verbundene Bundesidee. Der im Alten Testament zu findende Gegensatz zwischen Israel und Kanaan erklärt sich in diesem Modell nicht als Gegensatz zwischen den Landesbewohnern und den einwandernden Israeliten, sondern aus einem innerkanaanäischen Konflikt zwischen der sich befreienden und neu organisierenden bäuerlichen Bevölkerung und der kanaanäischen Stadtkultur.
Das Modell von Mendenhall wurde von Norman K. Gottwald, The Tribes of Israel, 1979, materialistisch interpretiert und weitergeführt. Die Revolution wurde im Wesentlichen an Hand der materiell-ökonomischen Faktoren dargestellt und interpretiert. Es ging dabei nicht nur um die neu gewonnene und organisierte Freiheit (woraus sich dann der spätere Widerstand gegen das Königtum erklärt), sondern z.B. auch um den → Totenkult
3.3. Die Stärke der Landnahme-Modelle war, dass sie ein Gesamtbild entwarfen, in das verschiedene Faktoren integriert waren bzw. werden konnten und das an Hand soziologischer Modelle reflektiert wurde. Diese soziologischen Modelle hatten dann meistens auch die weitere Entwicklung Israels in der Richterzeit im Blick, so etwa die sog. → Amphiktyonie
Der Nachteil der Landnahmemodelle war, dass sie zu pauschal gedacht waren und wenig Spielraum für unterschiedliche regionale Entwicklungen ließen. Mit der stärkeren Berücksichtigung früher Siedlungsformen (z.B. Volkmar Fritz bezüglich Chirbet el-Mšāš / Tel Masos [Koordinaten: 1467.0691; N 31° 12' 47'', E 34° 58' 00''
3.4. Niels Peter Lemche (1989) führte das Revolutionsmodell zum Evolutionsmodell weiter, bei dem es nicht um einen raschen Umbruch, sondern um eine längere und geographisch differenzierte Entwicklung ging. Ähnliches vertrat Israel Finkelstein (1988) auf der Basis der archäologischen Surveys: Für die → Eisenzeit I
4. Zur aktuellen Diskussion
4.1. Seit den 1990er-Jahren ist die Diskussion von verschiedenen neuen Faktoren geprägt. Eine wichtige Entwicklung ist die Spätdatierung der alttestamentlichen Texte und deren Abwertung als historische Quellen. Bis in die 1970er-Jahre hatte man nicht nur die Abfassung der Texte als relativ nahe an den Ereignissen betrachtet (im Wesentlichen ab der Königszeit, d.h. ab dem 10. Jh.), sondern man hatte auch das Vertrauen, dass es vor der schriftlichen Abfassung eine Phase verlässlicher mündlicher Überlieferung gab. Beide Aspekte haben sich grundlegend geändert. Eine Ursache war das Auseinandertreten von Archäologie und Exegese. Die archäologischen Ergebnisse widersprachen häufig einer unkritischen Betrachtung der Texte, z.B. der Rede von einem davidisch-salomonischen Großreich, das so nicht nachzuweisen ist. Das führte dazu, dass oft die biblischen Berichte pauschal als bloß fiktiv und nicht historisch relevant betrachtet wurden. Diese Entwicklung führte weiter dazu, dass die biblischen Texte oft gar nicht mehr für die Rekonstruktion der Geschichte Israels berücksichtigt werden, sondern nur archäologische Zeugnisse.
Das führt allerdings auch dazu, dass archäologische Funde und Beobachtungen, die ein traditionelles Bild der älteren Geschichte Israels bestätigen könnten, wie etwa die Existenz eines davidischen Königtums in Jerusalem im 10. Jh., sofort unter Ideologieverdacht gestellt werden oder dass die Revision älterer Erkenntnisse verlangt wird, wo sie nicht neuen Konzepten entsprechen.
Dazu kommt, dass die Entwicklung von Königtum und Schriftkultur oft sehr spät angesetzt werden, oft erst für das 8. Jh. und damit erst kurz vor dem Beginn der assyrischen Eroberungen. Dabei werden manchmal wichtige andere Faktoren kaum mehr berücksichtigt. So wird etwa in den assyrischen Berichten über die Schlacht von Karkar am Orontes im Jahr 853 v. Chr. berichtet, dass der israelitische König die größte Streitwagenmacht aller syrisch-palästinischen Könige hatte. Eine solche Streitwagenmacht lässt sich nicht von heute auf morgen aufbauen und erfordert allein für die Nahrungsversorgung eine Logistik, die schwerlich ohne schriftliche Verwaltung auskam. Die entsprechende Schreiberkompetenz wird wohl nicht nur für administrative Listen, sondern auch zu historischen Aufzeichnungen und literarischen Darstellungen fähig gewesen sein.
Zu beachten ist auch, dass archäologische Funde zwar die Siedlungsgeschichte und gewisse Aspekte der Kulturgeschichte erkennen lassen, dass die Funde aber schwerlich auf die Identität der Bewohner schließen lassen. Zwar lässt sich über technische und chemische Analysen oft etwas über die Herkunft der Objekte sagen und damit auch, ob sie lokal produziert wurden oder auf weite Handelskontakte schließen lassen. Aber selbst sehr spezifische Formen der Keramik sagen kaum etwas über die Identität der Benutzer und Benutzerinnen aus (z.B. können markante Objekte von ihren „Erfindern“ verwendet oder durch Handel verbreitet werden).
4.2. Im Rahmen der praktisch alleinigen Berücksichtigung archäologischer Forschungen wird derzeit für die Landnahme im Wesentlichen das Bild einer regional und zeitlich differenzierten Entwicklung der Besiedlung des (später) israelitischen Gebietes vertreten, wobei im Wesentlichen nur eine innerkanaanäische Entwicklung beschrieben wird. Ausgangspunkt ist der Niedergang der kanaanäischen Stadtkultur in der Spätbronzezeit, d.h. vor allem im 13. Jh., der verschiedene Ursachen haben konnte (Störung des Fernhandels, kriegerische Ereignisse, Krankheitsepidemien, klimatische Veränderungen). Dieser Niedergang führte zu einer Reduktion der Größe und Zahl der Städte und Hand in Hand damit auch des regionalen und überregionalen Handels. Ein Teil der Stadtbewohner wich notgedrungen in die Umgebung aus und gründete dort kleinere Siedlungen.
Parallel zu dieser Deurbanisierung (die Städte lösten sich aber nicht ganz auf, die meisten bestanden in unterschiedlichem Ausmaß weiter und blieben lokale Zentren) kam es zu einer verstärkten Siedlungstätigkeit und verbesserten Landwirtschaft in den Bergregionen (etwa durch Terrassierung der Hänge mit besseren Werkzeugen, was die Ernährung einer größeren Zahl von Menschen ermöglichte; → Ackerbau
Diese Veränderungen ziehen sich durch die Eisen-I-Zeit von ca. 1200 bis 1000 v. Chr. (nach traditioneller Datierung die Landnahme- und Richterzeit) und münden schließlich in eine Reurbanisierung, die dann ab 1000 v. Chr. in der Eisen-IIA-Zeit (→ Eisenzeit II
Diese Entwicklung gilt im Prinzip für das Westjordanland, aber auch für das etwas abgelegenere Ostjordanland. Gegenüber der Siedlungs- und Kulturgeschichte werden punktuelle Ereignisse wie die in den Landnahmeberichten behauptete Einnahme von Städten kaum thematisiert. Sie lassen sich auch, wie oben erwähnt, archäologisch nicht nachweisen. Umstritten bleibt lediglich die Stadt Hazor, wobei die Verursacher der Zerstörung (Seevölker, Israeliten, innerkanaanäische Gegner) bisher nicht identifiziert werden können.
4.3. Neben diesen Entwicklungen wäre zu beachten, dass um 1200 in der Küstenebene und in der Ebene → Jesreel
Auf der anderen Seite gab es im südlichen Ostjordanland im Kupferbergbaugebiet von Punon/Feinan vom 13. bis zum 9. Jh. zentrale organisatorische Strukturen, die zwar noch kein Königtum darstellten, aber immerhin den Bergbau und den Vertrieb des Kupfers kontrollierten und schützten.
4.4. Es bleibt das grundlegende Problem, dass es ohne Texte kaum möglich ist, bestimmte Bevölkerungsschichten und Träger einer bestimmten Kultur zu identifizieren. In der Forschung der letzten Jahrzehnte wurden für die ethnische Identifikation (früh-)israelitischer Bevölkerung verschiedene archäologische Phänomene diskutiert: Das Vier-Raum-Haus (ein Haustyp mit einem teilweise überdachten Innenhof und drei, an drei Seiten anschließenden Räumen; → Haus
Ebenso bleibt es schwierig, die Ursachen für Bevölkerungszunahme festzustellen. So kann die Bevölkerungszunahme im mittelpalästinischen Bergland im 12. Jh. auf Zuzug aus näheren oder ferneren Gebieten zurückgehen, aber auch auf verbesserte landwirtschaftliche Produktion, die mehr Menschen ernähren, zugleich aber auch wieder Zuzug verursachen konnte.
4.5. Unter diesen Voraussetzungen ist es praktisch unmöglich, frühisraelitische Gruppen und deren Herkunft zu identifizieren. Die prinzipielle Begrenzung auf Ausgrabungen und Surveys ermöglicht nur, den kulturgeschichtlichen und ökonomischen Rahmen der Entwicklung aufzuzeigen. Eine ethnische Identifikation oder Aussagen zur Herkunft bestimmter Bevölkerungsgruppen (z.B. ob die Bauern in den Siedlungen des Berglandes aus der Umgebung der Städte kamen, ob Nomaden sesshaft wurden oder ob nomadische oder bäuerliche Gruppen von außen kamen) ist, wie auch meistens zugegeben wird, mit rein archäologischen Mitteln nicht oder nur in Ausnahmefällen feststellbar. Das bedeutet aber auch, dass sie mit diesen Mitteln nicht widerlegt werden können.
4.6. Insgesamt wird man sagen können, dass Israel in Kanaan entstand und zwar sehr wahrscheinlich zum großen Teil aus Bevölkerungselementen, die sich bereits in Kanaan aufhielten. Die Entstehung der Größe „Israel“ mag zum großen Teil friedlich, vermutlich aber doch auch nicht spannungsfrei verlaufen sein. Die Entstehung ging offensichtlich mit einer zumindest zeitweisen Verlagerung des Gewichtes ins Bergland und innerkanaanäischen Verschiebungen (und damit sozusagen einer innerkanaanäischen Landnahme) einher. Es bleibt die Frage, welche soziologischen und religiösen Faktoren diese Menschengruppe auszeichneten und zusammenhielten. Die Besonderheiten müssen immerhin so markant gewesen sein, dass die Ägypter Israel als eigene Größe wahrnahmen, und zwar nicht als Stadt oder Landschaft (mit ihren Menschen), sondern als eine Volksgemeinschaft.
Dazu kommt die Beobachtung, dass in weiterer Folge der Jhwh-Glaube aus dem fernen Süden in Israel Einzug hielt. Es ist kaum vorstellbar, dass dies ohne Trägergruppen, d.h. ohne Menschen, die diesen Glauben mitbrachten, erfolgt sein könnte. So bleibt die Folgerung, dass Israel zwar in Kanaan entstand, und zwar überwiegend aus bereits in Kanaan vorhandenen, Bevölkerungselementen, aber doch nicht ganz ohne von außen kommende Menschengruppen.
5. Theologische und hermeneutische Aspekte der Landnahme
5.1. Dass Israel von außen ins Land kam, dass das Land Kanaan schon den Erzeltern versprochen und dass das Land mit Hilfe Gottes eingenommen wurde, ist ein wesentlicher Teil des alttestamentlichen Geschichtsbildes (→ Geschichtsschreibung
5.2. In einem Teil der Landnahmeerzählungen wird gefordert, dass die kanaanäischen Vorbewohner des Landes nicht nur besiegt werden, sondern dass an ihnen der → Bann
5.3. Forschungsgeschichtlich fällt auf, dass die Landnahme – entsprechend den biblischen Berichten – immer ein Teil der alttestamentlichen Forschung war und auch ein wichtiger Impuls für archäologische Forschungen, dass sie aber von ca. 1950 bis ca. 1990 besonders intensiv diskutiert wurde. Dies hängt mit dem damals hohen Zutrauen in die Traditionsgeschichte der Überlieferungen zusammen, vermutlich aber auch mit der Zeitgeschichte, d.h. mit der Parallelisierung und Inanspruchnahme der Landnahmetexte für zeitgenössische Entwicklungen bzw. der Kritik daran.
5.4. Mit der Reduktion auf die archäologisch nachweisbaren Aspekte und der Absehung von den Texten hat sich das Thema der Landnahme auf die Siedlungsgeschichte Palästinas bzw. Kanaans in der Spätbronze- und Eisen-I-Zeit und im Wesentlichen auf eine „Landnahme“ im Bergland reduziert. Die beteiligten Bevölkerungsgruppen und ihre Herkunft sind mit archäologischen Mitteln kaum zu identifizieren. Dass Israel im Land, d.h. innerkanaanäisch, entstand, ist archäologisch sehr wahrscheinlich und auch angesichts einzelner Stammesnamen (s.o.) nicht zu bestreiten. Ob die beteiligte Bevölkerung nur autochthon war oder nicht doch auch zum Teil von außen kam, wird die zukünftige Diskussion zeigen müssen. Wesentlich dafür wird sein, ob es bei der Ausblendung bzw. pauschalen Spätdatierung der alttestamentlichen Texte bleiben kann, und auch die Frage, wie, d.h. mit welchen und wie großen Trägergruppen die aus dem Süden stammende Jahwe-Verehrung ins Land kommen und sich dort verbreiten konnte.
Literaturverzeichnis
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In vielen Lexika wird “Landnahme” oder “Conquest” als Teil des Artikels “Geschichte Israels” erörtert.
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Abbildungsverzeichnis
- Die in Ägypten auf Tell el-Amarna gefundene, aber in der Sprache Mesopotamiens geschriebene Briefkorrespondenz zwischen dem Pharao und lokalen Herrschern der Levante beleuchtet die Verhältnisse in Palästina im 14. Jh. v. Chr. Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 21.10.2019
- Die Stele des Merenptah enthält die älteste Erwähnung „Israels“. Aus: H. Greßmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 109
- Drei Kartuschen einer ägyptischen Inschrift aus der Mitte des 13. Jh.s. In der beschädigten rechten Kartusche steht möglicherweise „Israel“. Aus: Manfred Görg, Israel in Hieroglyphen, BN 106 (2001), 21-27, 24
- Tell es-Sulṭān, das antike Jericho. © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2015
- Das Areal des spätbronzezeitlichen Palastes von Hazor. © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2018
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