Deutsche Bibelgesellschaft

Lauge / Seife

(erstellt: Mai 2017)

Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/24677/

1. Begriff und Wortbestand

1.1. Mechanische und chemische Reinigungsverfahren

Der Mensch ist darauf angewiesen, dass er seiner Umwelt bestimmte Nährstoffe entnimmt, diese sich anverwandelt und die Überreste wieder an die Umwelt abgibt. In der Natur kommen die lebensnotwendigen Stoffe aber nur in Ausnahmefällen in gebrauchsfähiger Form vor; deswegen müssen sie von Beimischungen und Schmutz erst gereinigt werden. Auch der menschliche Körper selbst muss immer wieder gereinigt werden, soll er seine Funktionsfähigkeit behalten. In vielen Fällen reichen einfache mechanische Verfahren aus, um gebrauchsfähige Reinheitsgrade zu erreichen, oft erzielt man diese aber erst unter Einsatz chemischer Verfahren (→ Wasserverbrauch).

1.2. Begriffe für chemische Reinigungsmittel

Im Alten Testament werden nur wenige Verfahren erwähnt, bei denen chemische Reinigungsmittel zum Einsatz kamen. Leider ist es nie die Intention der Texte, das jeweilige Reinigungsverfahren an sich darzustellen, vielmehr wird die Kenntnis des Verfahrens bei der Hörer- oder Leserschaft vorausgesetzt. Die heutige Leserschaft muss sich die Zusammensetzung, Herstellung und Anwendung der Reinigungsmittel also aus den biblischen Texten erschließen; hinzu kommen die Funde der Archäologie und die Kenntnis der Geschichte der Chemie.

Drei hebräische Worte bezeichnen sehr wahrscheinlich Substanzen, die für eine chemische Reinigung eingesetzt wurden. Da sich die Wirkungen der Substanzen stark ähneln, ist es schwierig, sie gegeneinander abzugrenzen, andererseits müssen die drei verschiedenen Wörter auch drei verschiedene Substanzen bezeichnen, sonst würde es nicht verschiedene Wörter geben. Die Übersetzungen, die die → Septuaginta wählt, lassen erkennen, dass die alten Übersetzer auch nicht an allen Stellen sicher waren, um welche Substanzen es sich jeweils handelte.

1.2.1. בֹּר bor „Pottasche“

Das Substantiv בֹּר bor, (mit kurzem „o“, zu unterscheiden von בּוֹר bōr mit langem „ō“, welches auch plene geschrieben wird und „Grube“ bedeutet) ist vom Verb ברר brr „absondern“ abgeleitet, was gut zum Vorgang der Reinigung oder zur Isolierung eines Bestandteils aus einer Mischung passt. Es kommt in Jes 1,25 als Mittel bei der Bearbeitung von Schlacke vor. Die Septuaginta hat für das Wort kein Äquivalent, sondern gibt das Ziel des Reinigungsprozesses an: „damit (du wieder) rein bist.“. In Hi 9,30 wird bor dagegen zur Reinigung der Hände eingesetzt. Als Bedeutung wird „Lauge“ (Lutherbibel) angenommen. Es dürfte sich genauer um „Pottasche“ handeln (Gesenius, 18. Aufl.). Pottasche (chemisch Kaliumcarbonat, Ka2CO3) löste man mit Hilfe von Wasser aus Pflanzenasche. → Dalman (1855-1941) berichtet in „Arbeit und Sitte in Palästina“ (VI, 273-277), wie sich die Verarbeitung um 1900 in Syrien-Palästina vollzog. Die in Wasser gelöste Pottasche ist alkalisch und hat eine, von der Konzentration abhängige, ätzende Wirkung. Das erleichtert die Trennung des Schmutzes von der Hautoberfläche.

In 2Sam 22,21.25 // Ps 18,21.25 bringt der Beter des Psalms zum Ausdruck, dass JHWH ihm nach dem „בֹּר bor seiner Hände“ vergilt. Gesenius nimmt an dieser Stelle eine eigenständige Bedeutung an, nämlich den Abstraktbegriff „Reinheit / Unschuld“ (so auch Lutherbibel). Damit folgt Gesenius der → Septuaginta, die bor an diesen Stellen mit καθαριότης kathariotēs „Reinheit“ übersetzt. Diese Bedeutung würde auch in Hi 22,30 passen, wo → Elifas von Teman seine Rede an → Hiob mit dem Hinweis abschließt, dass Hiob seine Hände rein („bor deiner Hände“) bewahren muss, um sich bei Gott erfolgreich für andere einsetzen zu können. Allerdings kann man diese Stellen auch mit der Stilfigur der Metonymie erklären: Das beim Waschen der Hände eingesetzte Reinigungsmittel steht für die Reinigungsprozedur als Ganze, deren Ergebnis ein Status vollkommener Sauberkeit ist. Dieser Sauberkeitsstatus kann dann auch metaphorisch auf den Zustand moralischer Integrität übertragen werden.

1.2.2. בֹּרִית borît „Seife“

Ebenfalls von der Wurzel ברר brr abgeleitet ist das Substantiv בֹּרִית borît, das in Mal 3,2 als Reinigungsmittel beim Walken und in Jer 2,22 als Mittel beim Reinigen der Haut vorkommt und ebenfalls mit „Laugensalz / Lauge“ (Gesenius) oder auch „Seife“ (Lutherbibel in Jer 2,22) übersetzt wird. Die Septuaginta übersetzt in beiden Fällen mit πόα poa „Kraut“ und denkt dabei vermutlich an sogenannte Seifenkräuter. Da das Wort borît mit derselben Wurzel brr gebildet ist wie bor, andererseits aber eine andere Substanz bezeichnen muss, legt es sich nahe, an wirkliche Seife, genauer an Schmierseife, zu denken, die durch Kochen von Pottaschelösung mit Öl oder Fett hergestellt werden konnte (chemisch: Vorgang der „Verseifung“). Dalman (Arbeit und Sitte IV, 277) bestreitet zwar, dass man im biblischen Palästina schon Seife kannte, andererseits ist die Herstellung technisch nicht schwierig und war schon den Sumerern bekannt. Spektakulär ist der Fund einer sumerischen Keilschrifttafel in Tello / Irak (zu datieren auf ca. 2500 v. Chr.), die eine Seifenrezeptur enthält (Wagner, 178, mit Abbildung der Tafel, 179 mit Abb. 8.2; Meyerovich, 3-4 mit Abb.; Schmauderer; siehe das Video „Die Seife der Sumerer“).

1.2.3. נֶתֶר nӕtӕr „Soda“

Das Wort נֶתֶר nӕtӕr ist sehr wahrscheinlich gar kein hebräisches Wort, obwohl die Wurzel נתר ntr als Verb im Hifil vorkommt und „losmachen“ bedeutet, sondern wurde aus dem Ägyptischen in viele Sprachen, darunter auch Griechisch νίτρον nitron und Deutsch „Natron“, übernommen (Maiberger, 726).

● In Jer 2,22 ist nӕtӕr in Parallele zu borît als Reinigungsmittel erwähnt und wird mit „Natron“ (Gesenius) oder „Lauge“ (Lutherbibel) übersetzt. Die Septuaginta wählt als Äquivalent νίτρον nitron, also das ins Griechische übernommene ägyptische Wort.

● In Spr 25,20 wird die chemische Reaktion, die einsetzt, wenn man Essig auf nӕtӕr bringt, als Vergleich benutzt. Die Septuaginta hat den Vers sehr frei übertragen, ein direktes Äquivalent zu nӕtӕr findet sich nicht.

Die ägyptische Herkunft des Wortes spricht dafür, dass die bezeichnete Substanz aus Ägypten stammte und von dort importiert wurde. Als entsprechende Substanzen bieten sich zum einen Natron (chemisch Natriumhydrogencarbonat, NaHCO3; Dalman, Arbeit und Sitte V, 155) und zum anderen Soda (chemisch Natriumcarbonat, Na2CO3) an. Soda kam in Ägypten auf Grund des heißen und trockenen Klimas, z.B. in ausgetrockneten Salzseen, als Mineral rein vor (Meyerovich, 4) und wurde auch bei der Mumifizierung eingesetzt. Damit ist Soda so typisch für Ägypten, dass man nachvollziehen kann, warum das ägyptische Wort sich über die antike Welt verbreitete.

2. Reinigung der Haut (Jer 2,22; Hi 9,30)

Für die Reinigung der Haut hat man in der Antike normalerweise klares Wasser zusammen mit mechanischen Methoden (Reiben, Schaben u.a.) benutzt (Meyerovich, 3). Dieses Verfahren reichte auch aus, um wasserlösliche Stoffe, z.B. Salze, zu entfernen. In Jer 2,22 werden aber gleich zwei Reinigungsmittel nebeneinander eingesetzt: nӕtӕr und borît. In dem Vers ist eine Frau angesprochen, vom Kontext her ist es Israel, die sich in verschiedener Weise gegenüber ihrem Ehemann als untreu erwiesen hat. Diese Untreue wird als eine Schuld verstanden, die sich nicht mehr tilgen lässt. Als Metapher wird die intensive Hautreinigung gewählt, womit die Schuld als eine Form der Verunreinigung begriffen wird.

Am besten lässt Jes 1,15 erkennen, warum moralische Schuld als Verunreinigung begriffen wird. Im Falle von schwerer Körperverletzung, bei der auch Blut fließt, werden insbesondere die Hände mit Blut verschmiert. Die Spuren der Gewalttat haften auf diese Weise sichtbar am Körper des Täters, überführen ihn seiner Tat und machen ihn kultisch unrein und vor Gott inakzeptabel. Auch in Ps 51,3-9 äußert der Beter die Bitte gegenüber Gott, körperlich gereinigt zu werden, wobei durch die Eröffnung des Psalms (Ps 51,3-6) impliziert ist, dass die Verunreinigung als Metapher für moralische Schuld steht.

Selbst wenn man, so dürfte der Duktus der Aussage in Jer 2,22 gemeint sein, die wirksamsten Reinigungsmethoden einsetzen würde, die es gibt, so würden auch diese die Spuren der Gewalttat nicht entfernen können. Der Logik des Parallelismus folgend, der im zweiten Glied immer die gesteigerte Aussage enthält, muss borît eine stärkere Waschwirkung haben als nӕtӕr. Die Septuaginta übersetzt nӕtӕr mit nitron, borît mit poa „(Seifen-)Kraut“. Im Falle von nӕtӕr bietet sich nitron im Griechischen als Äquivalent an, weil es ja ebenfalls aus der ägyptischen Sprache stammt. Dass das Äquivalent poa für borît auf der Kenntnis der wirklichen Bedeutung von borît beruht, ist unwahrscheinlich, es scheint sich eher der – misslungenen – Erschließung der Wortbedeutung aus dem Kontext zu verdanken.

In Hi 9,30 spricht Hiob vom Waschen der Hände mit bor „Pottasche“. Der Vers verweist auf die Erfahrung, dass auch der durch eine gründliche Reinigung erreichte Sauberkeitszustand nur kurze Zeit Bestand hat. Beim Gebrauch der Hände sind diese schnell erneut verschmutzt, und zwar auch dann, wenn man sie mit Hilfe eines Reinigungsmittels besonders gründlich reinigt. Der Einsatz eines Reinigungsmittels signalisiert ein das übliche Maß überschreitendes Bemühen um Sauberkeit. Dabei ist, wie vor allem der Verweis auf einen Rechtsstreit zwischen Gott und Hiob in Hi 9,32 nahelegt, bei der Reinigung wohl eher metaphorisch an eine Tilgung moralischer Vergehen gedacht als an die äußere Sauberkeit des Körpers.

3. Reinigung der Kleidung (Mal 3,2)

Für die Reinigung der Kleidung hat man in der Antike normalerweise klares Wasser zusammen mit mechanischen Methoden (Walken, Kneten, Schlagen, Wringen, Stampfen u.a.; hebr. כבס kbs „walken“, zu unterscheiden von hebr. חרץ ḥrṣ „waschen“ des Körpers) angewendet. Dalman (Arbeit und Sitte V) schildert den Waschvorgang in Syrien-Palästina um 1900 (146-150) und in der Antike (151-159). Für die chemische Reinigung verwendete man wohl die gleichen Mittel wie für die Haut.

In Mal 3,2 wird der Einsatz des Mittels borît beim Walken erwähnt. Welches Objekt auf diese Weise gereinigt wird, ist nicht gesagt. Da aber die Nennung „des Feuers des Schmelzers“ im vorausgehenden Parallelglied steht, wird nicht an die Reinigung der Haut gedacht sein. Dann legt sich am ehesten nahe, an die Reinigung von Kleidung zu denken. Das Wort borît würde dann die für diesen Vorgang nötige Seife bezeichnen. Da das Reinigungsmittel dezidiert als „borît der Walker“ bezeichnet wird, wobei „Walker“ eine Berufsbezeichnung darstellt, muss es sich um ein hochwirksames Mittel handeln, das im professionellen Walkerhandwerk eingesetzt wurde. Da Kleidung normalerweise im Haushalt von Frauen gereinigt wurde, werden professionelle Walker, für die außerhalb der Stadt ein eigenes Feldstück reserviert war („das Feld der Walker“, Jes 7,3; Jes 36,2 // 2Kön 18,17), vor allem Schafwolle und Leder gewalkt und dadurch gebrauchsfähig gemacht haben. Zu diesen Prozessen gibt es im Alten Testament zwar keine Angaben, sie müssen aber stattgefunden haben.

Das Reinigungsverfahren unter Einsatz des Mittels „borît der Walker“ wird, neben dem „Feuer des Schmelzers“, in Mal 3,2 als Vergleich für den „kommenden Tag“ genutzt, womit der eschatologische → „Tag JHWHs“ gemeint ist. An diesem Tag wird es zu einer endgültigen Reinigung kommen. Das Objekt der Reinigung (und Läuterung) sind nach Mal 3,3 die → Leviten, die in die Lage versetzt werden, JHWH in Zukunft wieder „eine Gabe der Gerechtigkeit“ darzubringen. Der Vergleich dürfte mehrere Dimensionen haben. Primär dürfte es darum gehen, dass die „Reinigung“ die Leviten wieder kultfähig macht, die im unreinen Zustand das Heiligtum nicht betreten dürfen. Als Konsequenz werden dann auch die Gaben der Leviten für JHWH wieder annehmbar sein. Sekundär dürfte der Verweis auf das hochwirksame Mittel den Adressaten die Hoffnung geben wollen, dass Gott dieselben Personen, die in der Gegenwart als unrein einzustufen sind, so wirksam verändern kann, dass mit ihnen ein neuer Anfang möglich wird, eine vollständige Verwerfung der Leviten also nicht nötig ist.

4. Verbesserung der Metallgewinnung (Jes 1,25)

In Jes 1,25 kündigt JHWH an: Ich „will meine Hand wider dich kehren und wie mit Lauge ausschmelzen, was Schlacke ist, und all dein Zinn ausscheiden.“ (Lutherbibel). Aus dem Kontext wird ungefähr klar, was mit dieser Metapher sachlich gemeint sein muss: Das von der Strafe getroffene Jerusalem wird von Gott wieder wertvoll und brauchbar gemacht, so dass die Hauptstadt ihrem Namen „Stadt der Gerechtigkeit“ wieder alle Ehre macht. Welcher metallurgische Vorgang allerdings der metaphorischen Verwendung zu Grunde liegt, ist weniger klar.

Die metallurgische Metaphorik beginnt mit Jes 1,22, wo der degenerierte Zustand Jerusalems unter anderem damit beschrieben wird, dass das Silber der Stadt „zu Schlacken (im Hebräischen steht der Plural) geworden ist“. Der Sinn dürfte sein, dass Jerusalems wertvoller Metallvorrat zu einem wertlosen Abfallprodukt verkommen ist (auch vorausgesetzt in Ez 22,19; Jer 6,27-30). Passt dazu aber der metallurgische Vorgang? Hat man Silber erst einmal gewonnen, so ist es als Edelmetall äußerst beständig. Wie kann es zu Schlacke(n) werden? Soll etwa gesagt werden, dass in Jerusalem etwas passiert ist, was sonst nie vorkommt? Das dürfte kaum der Sinn sein. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass es bei der sehr knappen Formulierung darum geht, dass bei der Gewinnung von Silber etwas schief gegangen ist (der gelingende Trennungsprozess ist in Spr 25,4 vorausgesetzt). So jedenfalls hat Köhler (1947) den Vorgang auf Grund eines Briefes gedeutet, in dem der Hallenser Chemiker Edmund von Lippmann (1857-1940) beschreibt, wie man „in alter Zeit“ Silber gewann (heute gibt es bessere Darstellungen, z.B. bei Moesta, 59-67; Meinhold 2006, 269; Abramski versucht die hebräische Begrifflichkeit den verschiedenen Stadien der Silbergewinnung noch genauer zuzuordnen). Silber kommt am häufigsten als Beimengung zu Bleiglanz (PbS) vor. Zuerst hat man das Blei samt Silber aus dem Erz herausgeschmolzen und im zweiten Arbeitsgang dann das Silber vom Blei getrennt, wobei man sich den Umstand zu Nutze machte, dass das Blei im Ofen oxidiert und zu Bleiglätte (chemisch Bleioxid, PbO) wird, wohingegen das Silber erhalten bleibt. Die Bleiglätte lässt sich dann abscheiden. Geht während des Verfahrens allerdings etwas schief, so bleibt das Silber in der entstehenden Schlacke.

Die Aussage in Jes 1,25 knüpft an diesen Zustand an, sie enthält nun aber die Ankündigung, dass Gott aus der entstandenen Schlacke doch noch das Silber herausschmelzen (צרף ṣrp „schmelzen“ – mit dem Ziel der Gewinnung von Metall) wird. Das setzt voraus, dass es technisch möglich war, die durch einen fehlerhaften oder unvollkommenen Schmelzprozess entstandene Schlacke erneut zu bearbeiten und das in der Schlacke verbliebene Silber zu gewinnen. In der Tat hat man Funde gemacht, die belegen, dass Schlacke in diesem Sinne erneut bearbeitet wurde (Funde im Laurion im Südosten Griechenlands, Moesta, 62). Die erneute Bearbeitung der Schlacke macht jedoch nur Sinn, wenn man über ein besseres Verfahren verfügt als dasjenige, das beim ersten Gewinnungsprozess eingesetzt wurde (Moesta, 62). Auf eine solche verbesserte Technik könnten im Masoretischen Text die Konsonanten Kaf-Bet-Resch verweisen. Diese Konsonanten bedeuten „wie bor“ oder, wenn man G-K §118d folgt, „wie mit bor“ (MT vokalisiert den Artikel „wie das bor“ bzw. „wie mit dem bor“), so dass die Ankündigung entsteht: „Ich werde schmelzen wie mit bor deine Schlacken“.

Bei den drei Konsonanten Kaf-Bet-Resch könnte es sich um einen Schreibfehler handeln.

● Die erste Möglichkeit wäre, einen Fehler bei der Worttrennung anzunehmen und das Kaf als Suffix der 2. Pers. fem. an das Ende des vorhergehenden Wortes zu hängen (Duhm, 12), was die Bedeutung ergäbe: „und ich werde dich schmelzen (mit?) bor, (nämlich?) deine Schlacken“. Diese Konstruktion erscheint jedoch stilistisch als sehr holprig.

● Die zweite Möglichkeit wäre, eine Vertauschung der ersten beiden Konsonanten anzunehmen, so dass ursprünglich Bet-Kaf-Resch gestanden hätte, was „mit einem Schmelzofen“ (כוּר kûr) bedeuten würde (Gray, 35). Dies würde gut zu Ez 22,18-22 passen, wo der Schmelzofen dreimal genannt wird. Da sich der Ezechiel-Text sprachlich eng an → Jesaja anschließt (Zimmerli, 515-516, versteht den Jesaja-Text sogar als direkte Vorlage für Ezechiel), könnte → Ezechiel auch den Begriff „Ofen“ aus Jesaja übernommen haben. Auch technisch würde das einen guten Sinn ergeben, weil man für die Metallschmelze sehr hohe Temperaturen erzeugen und deshalb einen sehr leistungsfähigen Spezial-Ofen einsetzen musste. Allerdings müsste man eine defektive Schreibung für kûr „Schmelzofen“ annehmen.

Belässt man das Wort bor im Text, so bleibt zu klären, was bor in diesem Kontext bedeuten kann. Es muss ja ein Mittel sein, das den Erfolg der Silbergewinnung verbessert. Am ehesten wird man an Zusätze zu denken haben, die den Schmelzpunkt senken (Moesta, 62).

Da davon auszugehen ist, dass bor in Jes 1,25 und in Hi 9,30 die gleiche Substanz bezeichnet, müsste das von bor bezeichnete Mittel sowohl in der Silberbearbeitung eingesetzt worden als auch für die Handreinigung geeignet gewesen sein. Das könnte auf Pottasche passen.

5. „Essig auf Soda“ in Spr 25,20

In Spr 25,20 heißt es: „Wie einer, der das Kleid ablegt an einem kalten Tag, wie Essig auf nӕtӕr, so ist einer, der Lieder singt, für ein schlechtes Herz.“ Das Kleid abzulegen, kann oft eine angebrachte Maßnahme sein, um dem Körper Erleichterung zu verschaffen, aber an einem kalten Tag ist sie völlig unpassend, weil der Körper auskühlt, was ihn anfällig macht. Eine ähnliche Aussage muss sich ergeben, wenn man Essig mit nӕtӕr zusammenbringt. Welcher Vorgang ist aber im Blick? Schon die Septuaginta hat den Vorgang vermutlich nicht mehr verstanden, denn sie übersetzt: „wie Essig unvorteilhaftes Befinden nach sich zieht“ (LXX.D). Sie hat vielleicht an die ätzende Wirkung der Essigsäure gedacht.

Erstens könnte als Vorgang im Blick sein, dass Essig in eine durch Auflösung von Soda in Wasser entstandene Lauge eingebracht wird. Essig ist zwar auf Grund seines Säuregehaltes zu vielen Flüssigkeiten ein sinnvoller Zusatz, z.B. um Keime abzutöten, bringt man Essig aber in Lauge ein, so neutralisieren sich Säure und Lauge gegenseitig. Es fallen Acetate (Salze der Essigsäure) aus. Sowohl die Wirkung des Essigs als auch die reinigende Wirkung der Lauge sind damit verloren. Der Sinn des Vergleiches mit dem, der mit fröhlichen Liedern jemanden aufmuntern will, der völlig niedergeschlagen oder „missmutig“ (Zürcher Bibel) ist, wäre, dass die Lieder wirkungslos verpuffen oder sogar unerwünschte Effekte haben (Meinhold 1991, 429: „Lieder zur Unzeit richten nichts Hilfreiches aus“).

Zweitens könnte der Vorgang im Blick sein, dass viele Stoffe, auch Soda (Natriumcarbonat) und Natron (Natriumhydrogencarbonat), Kohlenstoffdioxid entwickeln und dadurch aufschäumen, wenn Essig aufgebracht wird (Dalman, Arbeit und Sitte V, 155; Maiberger, 726). Das Aufschäumen des Sodas würde dann metaphorisch einer Intensivierung der Gefühlslage des „schlechten Herzens“ entsprechen. Jemand der traurig ist, würde seine Trauer tiefer empfinden, wenn ein fröhlich gestimmter Sänger ihm etwas vorsingt.

6. Die Vorstellung vom Läuterungsgericht

Dass chemische Reinigungsmittel und die damit verbundenen Vorgänge für metaphorische Aussagen genutzt wurden, spricht dafür, dass die Leserschaft die Wirkweise solcher Mittel aus eigener Erfahrung gut kannte. Dies wiederum setzt voraus, dass man zumindest bei besonderen Gelegenheiten des Lebens eine gesteigerte Sauberkeit herstellte und genoss.

Die Erfahrung, sich nach einer gründlichen Reinigung des Körpers wie neugeboren zu fühlen, bereit für etwas Neues, war das Einfallstor für verschiedene Vorstellungen von einem „Läuterungsgericht“. In Jes 1,25 ist die Hoffnung enthalten, dass Gott auch aus der wertlosen Schlacke noch das darin enthaltene Silber isolieren wird, sei der Silberanteil auch sehr gering und das Verfahren sehr aufwendig. In die gleiche Richtung zielt Mal 3,2 im Falle der Leviten: Mit dem professionellen Waschmittel und intensivem Walken wird Gott die Leviten gründlich reinigen können, so dass sie ihren Dienst am Tempel wieder im Einklang mit Gott verrichten können.

Johannes der Täufer und das Christentum haben diese Vorstellung dann mit dem Ritus der Taufe aufgegriffen. Die Gläubigen konnten für ihre Person das kommende Endgericht symbolisch vorwegnehmen und so schon in diesem Leben eine qualitativ neue Reinheit vor Gott erleben. Am Ende der Geschichte würden dann die Seligen die vollkommene Reinheit erlangen, die durch den Kreuzestod Jesu ermöglicht wird: „Allen solchen reinigenden Waschmitteln entspricht im Bilde bei den Kleidern der Seligen das Blut des Lammes (Offb. 7,14).“ (Dalman, Arbeit und Sitte V, 156).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Paulys Realencyclopädie, Stuttgart 1893-1978
  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Wikipedia.de: Art., Kaliumcarbonat; Art. Natriumcarbonat; Art. Silber; Art. Seife

2. Weitere Literatur

  • Dalman, Gustaf Hermann, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. V: Webstoff, Spinnen, Weben, Kleidung (Veröffentlichungen der Ideagora für Religionsgeschichte, Altertumswissenschaften & Theologie),1937 (= digitalisiert von Florian Lippke, 2013. URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-68828).
  • Duhm, Bernhard, Das Buch Jesaia, Göttingen, 2. Aufl. 1902.
  • Gray, George Buchanan, The Book of Isaiah (International Critical Commentary), New York 1912.
  • Köhler, Ludwig, Sîg, sigim, = Bleiglätte, Theologische Zeitschrift 3 (1947), 232-234.
  • Maiberger, Paul, Art. natar, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament 5, Stuttgart u.a. 1986, 723-726.
  • Meyerovich, Alexander / Wittwer, Frank, Geschichte der Waschmittel. Industriearchäologie 38 (2014), 2-14.
  • Meinhold, Arndt, Die Sprüche Teil 2, 16 - 31 (Zürcher Bibelkommentare 16,2), Zürich 1991.
  • Meinhold, Arndt, Maleachi (Biblischer Kommentar Altes Testament 14,8), Neukirchen-Vluyn 2006.
  • Moesta, Hasso / Franke, Peter Robert, Antike Metallurgie und Münzprägung ein Beitrag zur Technikgeschichte, Basel u.a. 1995.
  • Plöger, Otto, Sprüche Salomos / Proverbia (Biblischer Kommentar Altes Testament 17), Neukirchen-Vluyn 1984.
  • Schmauderer, Eberhard, Seifenähnliche Produkte im alten Orient, Technikgeschichte 34 (1967), 300-310.
  • Singer, Karl Helmut, Die Metalle Gold, Silber, Bronze, Kupfer und Eisen im Alten Testament und ihre Symbolik (Forschung zur Bibel 43), Würzburg 1980.
  • Wagner, Günter, Waschmittel. Chemie, Umwelt, Nachhaltigkeit, Weinheim 5. Aufl. 2017.
  • Wildberger, Hans, Jesaja, 1. Teilband Jes 1-12 (Biblischer Kommentar Altes Testament 10,1), Neukirchen-Vluyn 1972.

3. Weitere Medien

PDF-Archiv

Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:

Abbildungen

Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz) und ihrem Präsidenten Othmar Keel.

VG Wort Zählmarke
Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.3
Folgen Sie uns auf: