Lauge / Seife
(erstellt: Mai 2017)
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1. Begriff und Wortbestand
1.1. Mechanische und chemische Reinigungsverfahren
Der Mensch ist darauf angewiesen, dass er seiner Umwelt bestimmte Nährstoffe entnimmt, diese sich anverwandelt und die Überreste wieder an die Umwelt abgibt. In der Natur kommen die lebensnotwendigen Stoffe aber nur in Ausnahmefällen in gebrauchsfähiger Form vor; deswegen müssen sie von Beimischungen und Schmutz erst gereinigt werden. Auch der menschliche Körper selbst muss immer wieder gereinigt werden, soll er seine Funktionsfähigkeit behalten. In vielen Fällen reichen einfache mechanische Verfahren aus, um gebrauchsfähige Reinheitsgrade zu erreichen, oft erzielt man diese aber erst unter Einsatz chemischer Verfahren (→ Wasserverbrauch
1.2. Begriffe für chemische Reinigungsmittel
Im Alten Testament werden nur wenige Verfahren erwähnt, bei denen chemische Reinigungsmittel zum Einsatz kamen. Leider ist es nie die Intention der Texte, das jeweilige Reinigungsverfahren an sich darzustellen, vielmehr wird die Kenntnis des Verfahrens bei der Hörer- oder Leserschaft vorausgesetzt. Die heutige Leserschaft muss sich die Zusammensetzung, Herstellung und Anwendung der Reinigungsmittel also aus den biblischen Texten erschließen; hinzu kommen die Funde der Archäologie und die Kenntnis der Geschichte der Chemie.
Drei hebräische Worte bezeichnen sehr wahrscheinlich Substanzen, die für eine chemische Reinigung eingesetzt wurden. Da sich die Wirkungen der Substanzen stark ähneln, ist es schwierig, sie gegeneinander abzugrenzen, andererseits müssen die drei verschiedenen Wörter auch drei verschiedene Substanzen bezeichnen, sonst würde es nicht verschiedene Wörter geben. Die Übersetzungen, die die → Septuaginta
1.2.1. בֹּר bor „Pottasche“
Das Substantiv בֹּר bor, (mit kurzem „o“, zu unterscheiden von בּוֹר bōr mit langem „ō“, welches auch plene geschrieben wird und „Grube“ bedeutet) ist vom Verb ברר brr „absondern“ abgeleitet, was gut zum Vorgang der Reinigung oder zur Isolierung eines Bestandteils aus einer Mischung passt. Es kommt in Jes 1,25
In 2Sam 22,21.25
1.2.2. בֹּרִית borît „Seife“
Ebenfalls von der Wurzel ברר brr abgeleitet ist das Substantiv בֹּרִית borît, das in Mal 3,2
1.2.3. נֶתֶר nӕtӕr „Soda“
Das Wort נֶתֶר nӕtӕr ist sehr wahrscheinlich gar kein hebräisches Wort, obwohl die Wurzel נתר ntr als Verb im Hifil vorkommt und „losmachen“ bedeutet, sondern wurde aus dem Ägyptischen in viele Sprachen, darunter auch Griechisch νίτρον nitron und Deutsch „Natron“, übernommen (Maiberger, 726).
● In Jer 2,22
● In Spr 25,20
Die ägyptische Herkunft des Wortes spricht dafür, dass die bezeichnete Substanz aus Ägypten stammte und von dort importiert wurde. Als entsprechende Substanzen bieten sich zum einen Natron (chemisch Natriumhydrogencarbonat, NaHCO3; Dalman, Arbeit und Sitte V, 155) und zum anderen Soda (chemisch Natriumcarbonat, Na2CO3) an. Soda kam in Ägypten auf Grund des heißen und trockenen Klimas, z.B. in ausgetrockneten Salzseen, als Mineral rein vor (Meyerovich, 4) und wurde auch bei der Mumifizierung eingesetzt. Damit ist Soda so typisch für Ägypten, dass man nachvollziehen kann, warum das ägyptische Wort sich über die antike Welt verbreitete.
2. Reinigung der Haut (Jer 2,22; Hi 9,30)
Für die Reinigung der Haut hat man in der Antike normalerweise klares Wasser zusammen mit mechanischen Methoden (Reiben, Schaben u.a.) benutzt (Meyerovich, 3). Dieses Verfahren reichte auch aus, um wasserlösliche Stoffe, z.B. Salze, zu entfernen. In Jer 2,22
Am besten lässt Jes 1,15
Selbst wenn man, so dürfte der Duktus der Aussage in Jer 2,22
In Hi 9,30
3. Reinigung der Kleidung (Mal 3,2)
Für die Reinigung der Kleidung hat man in der Antike normalerweise klares Wasser zusammen mit mechanischen Methoden (Walken, Kneten, Schlagen, Wringen, Stampfen u.a.; hebr. כבס kbs „walken“, zu unterscheiden von hebr. חרץ ḥrṣ „waschen“ des Körpers) angewendet. Dalman (Arbeit und Sitte V) schildert den Waschvorgang in Syrien-Palästina um 1900 (146-150) und in der Antike (151-159). Für die chemische Reinigung verwendete man wohl die gleichen Mittel wie für die Haut.
In Mal 3,2
Das Reinigungsverfahren unter Einsatz des Mittels „borît der Walker“ wird, neben dem „Feuer des Schmelzers“, in Mal 3,2
4. Verbesserung der Metallgewinnung (Jes 1,25)
In Jes 1,25
Die metallurgische Metaphorik beginnt mit Jes 1,22
Die Aussage in Jes 1,25
Bei den drei Konsonanten Kaf-Bet-Resch könnte es sich um einen Schreibfehler handeln.
● Die erste Möglichkeit wäre, einen Fehler bei der Worttrennung anzunehmen und das Kaf als Suffix der 2. Pers. fem. an das Ende des vorhergehenden Wortes zu hängen (Duhm, 12), was die Bedeutung ergäbe: „und ich werde dich schmelzen (mit?) bor, (nämlich?) deine Schlacken“. Diese Konstruktion erscheint jedoch stilistisch als sehr holprig.
● Die zweite Möglichkeit wäre, eine Vertauschung der ersten beiden Konsonanten anzunehmen, so dass ursprünglich Bet-Kaf-Resch gestanden hätte, was „mit einem Schmelzofen“ (כוּר kûr) bedeuten würde (Gray, 35). Dies würde gut zu Ez 22,18-22
Belässt man das Wort bor im Text, so bleibt zu klären, was bor in diesem Kontext bedeuten kann. Es muss ja ein Mittel sein, das den Erfolg der Silbergewinnung verbessert. Am ehesten wird man an Zusätze zu denken haben, die den Schmelzpunkt senken (Moesta, 62).
Da davon auszugehen ist, dass bor in Jes 1,25
5. „Essig auf Soda“ in Spr 25,20
In Spr 25,20
Erstens könnte als Vorgang im Blick sein, dass Essig in eine durch Auflösung von Soda in Wasser entstandene Lauge eingebracht wird. Essig ist zwar auf Grund seines Säuregehaltes zu vielen Flüssigkeiten ein sinnvoller Zusatz, z.B. um Keime abzutöten, bringt man Essig aber in Lauge ein, so neutralisieren sich Säure und Lauge gegenseitig. Es fallen Acetate (Salze der Essigsäure) aus. Sowohl die Wirkung des Essigs als auch die reinigende Wirkung der Lauge sind damit verloren. Der Sinn des Vergleiches mit dem, der mit fröhlichen Liedern jemanden aufmuntern will, der völlig niedergeschlagen oder „missmutig“ (Zürcher Bibel) ist, wäre, dass die Lieder wirkungslos verpuffen oder sogar unerwünschte Effekte haben (Meinhold 1991, 429: „Lieder zur Unzeit richten nichts Hilfreiches aus“).
Zweitens könnte der Vorgang im Blick sein, dass viele Stoffe, auch Soda (Natriumcarbonat) und Natron (Natriumhydrogencarbonat), Kohlenstoffdioxid entwickeln und dadurch aufschäumen, wenn Essig aufgebracht wird (Dalman, Arbeit und Sitte V, 155; Maiberger, 726). Das Aufschäumen des Sodas würde dann metaphorisch einer Intensivierung der Gefühlslage des „schlechten Herzens“ entsprechen. Jemand der traurig ist, würde seine Trauer tiefer empfinden, wenn ein fröhlich gestimmter Sänger ihm etwas vorsingt.
6. Die Vorstellung vom Läuterungsgericht
Dass chemische Reinigungsmittel und die damit verbundenen Vorgänge für metaphorische Aussagen genutzt wurden, spricht dafür, dass die Leserschaft die Wirkweise solcher Mittel aus eigener Erfahrung gut kannte. Dies wiederum setzt voraus, dass man zumindest bei besonderen Gelegenheiten des Lebens eine gesteigerte Sauberkeit herstellte und genoss.
Die Erfahrung, sich nach einer gründlichen Reinigung des Körpers wie neugeboren zu fühlen, bereit für etwas Neues, war das Einfallstor für verschiedene Vorstellungen von einem „Läuterungsgericht“. In Jes 1,25
Johannes der Täufer und das Christentum haben diese Vorstellung dann mit dem Ritus der Taufe aufgegriffen. Die Gläubigen konnten für ihre Person das kommende Endgericht symbolisch vorwegnehmen und so schon in diesem Leben eine qualitativ neue Reinheit vor Gott erleben. Am Ende der Geschichte würden dann die Seligen die vollkommene Reinheit erlangen, die durch den Kreuzestod Jesu ermöglicht wird: „Allen solchen reinigenden Waschmitteln entspricht im Bilde bei den Kleidern der Seligen das Blut des Lammes (Offb. 7,14).“ (Dalman, Arbeit und Sitte V, 156).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Paulys Realencyclopädie, Stuttgart 1893-1978
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
- Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Wikipedia.de: Art., Kaliumcarbonat; Art. Natriumcarbonat; Art. Silber; Art. Seife
2. Weitere Literatur
- Dalman, Gustaf Hermann, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. V: Webstoff, Spinnen, Weben, Kleidung (Veröffentlichungen der Ideagora für Religionsgeschichte, Altertumswissenschaften & Theologie),1937 (= digitalisiert von Florian Lippke, 2013. URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-68828
). - Duhm, Bernhard, Das Buch Jesaia, Göttingen, 2. Aufl. 1902.
- Gray, George Buchanan, The Book of Isaiah (International Critical Commentary), New York 1912.
- Köhler, Ludwig, Sîg, sigim, = Bleiglätte, Theologische Zeitschrift 3 (1947), 232-234.
- Maiberger, Paul, Art. natar, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament 5, Stuttgart u.a. 1986, 723-726.
- Meyerovich, Alexander / Wittwer, Frank, Geschichte der Waschmittel. Industriearchäologie 38 (2014), 2-14.
- Meinhold, Arndt, Die Sprüche Teil 2, 16 - 31 (Zürcher Bibelkommentare 16,2), Zürich 1991.
- Meinhold, Arndt, Maleachi (Biblischer Kommentar Altes Testament 14,8), Neukirchen-Vluyn 2006.
- Moesta, Hasso / Franke, Peter Robert, Antike Metallurgie und Münzprägung ein Beitrag zur Technikgeschichte, Basel u.a. 1995.
- Plöger, Otto, Sprüche Salomos / Proverbia (Biblischer Kommentar Altes Testament 17), Neukirchen-Vluyn 1984.
- Schmauderer, Eberhard, Seifenähnliche Produkte im alten Orient, Technikgeschichte 34 (1967), 300-310.
- Singer, Karl Helmut, Die Metalle Gold, Silber, Bronze, Kupfer und Eisen im Alten Testament und ihre Symbolik (Forschung zur Bibel 43), Würzburg 1980.
- Wagner, Günter, Waschmittel. Chemie, Umwelt, Nachhaltigkeit, Weinheim 5. Aufl. 2017.
- Wildberger, Hans, Jesaja, 1. Teilband Jes 1-12 (Biblischer Kommentar Altes Testament 10,1), Neukirchen-Vluyn 1972.
3. Weitere Medien
- Video: ZDF Mediathek, Xperimentator: Die Seife der Sumerer, 6 min, Datum: 11.10.2016, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/xperimentator-die-seife-der-sumerer-102.html
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