Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Juni 2013)

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Auskunft über das Leihrecht in Israel und dem übrigen Alten Orient geben uns Rechtstexte (→ Recht), aber auch Erzählungen. Verliehen wurden 1) Tiere und alltägliche Gegenstände, 2) Naturalien und Geld (Gold etc.). Die beiden Letzteren konnten als Darlehen verliehen werden und dabei waren sehr hohe → Zinsen üblich, die zu sozialen Problemen führten. Das Alte Testament versucht, diesen mit einem Zinsverbot zu wehren sowie mit den Mahnungen der theologisierten → Weisheit entgegenzutreten. Die altorientalischen Parallelen kennen ein derartiges Zinsverbot nicht, jedoch zum einen königliche Erlasse, mit denen sie den Schuldenstand in ihrem Herrschaftsbereich gleichsam wieder auf Null stellten. Zum anderen wurden einzelne Gesetze erlassen, mit deren Hilfe riskante Darlehensgeschäfte oder Wucher größeren Stils verhindert werden sollten. Dem diente auch die Einführung fester Tarife für den Verleih von Geld oder Nahrungsmitteln.

Im Neuen Testament macht Jesus das Leihen ohne Sicherheiten zu einer Forderung, die gängiger Praxis widerspricht und Teil der Gerechtigkeit des Gottesreiches ist, sich damit jedoch auf einer anderen Ebene von Recht bewegt.

1. Begriffsbestimmung

Nach geltendem deutschen Recht kommt Leihe durch einen Vertrag oder als ein Gefälligkeitsverhältnis zustande, wodurch der Verleiher dem Entleiher den Gebrauch einer Sache unentgeltlich gestattet (ansonsten handelt es sich um Miete). Haftung entsteht vor allem für den Entleiher, der von der entliehenen Sache keinen vertragswidrigen Gebrauch machen, insbesondere sie ohne Zustimmung des Verleihers nicht weiter verleihen darf (→ Haftrecht). Nach Ablauf der vereinbarten Zeit muss der Entleiher die Sache zurückgeben; liegt kein Vertrag vor, kann der Verleiher sie jederzeit zurückfordern. Von der Leihe unterschieden wird das verzinsliche Darlehen.

2. Verleih von Tieren und Alltagsgegenständen

Ex 22,13-14 steht im Kontext des Depositenrechts Ex 22,6-12, näherhin der Tierhüte ab Ex 22,9. Während in Ex 22,9-12 jedoch von der Übergabe von Tieren zum Zweck der Überwachung die Rede ist, ist in Ex 22,13 von einem Leih- bzw. Mietverhältnis im eigentlichen Sinn die Rede. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass im Fall eines Tierschadens bei Abwesenheit des Eigentümers (erster Unterfall) einfacher Ersatz geleistet werden muss (unabhängig von den Umständen), während im Fall eines Depositums (Ex 22,10) ein assertorischer → Eid verlangt wurde. Bei Anwesenheit des Eigentümers (zweiter Unterfall) entsteht diese Haftung für die geliehenen bzw. gemieteten Tiere nicht, da dieser den Schaden ebenso wie der Mieter hätte verhindern können oder eine solche Schadensvermeidung auch ihm unmöglich war.

Schwierig ist die Übersetzung und rechtliche Interpretation von Ex 22,14b, der nicht als neuer Rechtsfall, sondern als dritter Unterfall (אִם ’im) gekennzeichnet ist und der An- bzw. Abwesenheit des Tierbesitzers gegenüber steht. Da שָׂכִיר śākîr mit „Lohnarbeiter“ zu übersetzen ist, wird es sich nicht um den Tierbesitzer handeln. Vielmehr bezieht sich V. 14b auf die Protasis und deren Subjekt אִישׁ ’îš in V.13 zurück („wenn jemand ausleiht …“). Das könnte bedeuten, dass der Entleiher / Mieter Lohnarbeiter ist, könnte aber auch heißen, dass hier kein Leihverhältnis mehr vorliegt, sondern ein Lohnarbeiter beauftragt ist, mit den Tieren eines anderen, der ihn gemietet hat, zu arbeiten. Im Schadensfall muss der Lohnarbeiter nicht den (wahrscheinlich höheren) Ersatz leisten, sondern nur mit seinem Lohn haften, so dass eine Schutzbestimmung für Lohnarbeiter vorläge.

In der Wundererzählung 2Kön 4,1-7 hilft → Elisa einer verschuldeten Witwe. Er fordert sie auf, sich aus der ganzen Nachbarschaft leere Gefäße zu leihen (שׁאל š’l; 2Kön 4,3), die bei der anschließenden „Ölvermehrung“ des Propheten das Öl auffangen, das die Frau verkaufen soll, um ihre Schuld zu begleichen. Aus sozialgeschichtlicher Perspektive ist hier interessant, dass der Hilfsbereitschaft Elisas und der Nachbarn die harte Haltung des Gläubigers gegenübersteht, der die beiden Söhne der Witwe als Schuldsklaven holen will. Nach dem Tod des Familienvaters sieht der Gläubiger die Rückzahlung des Darlehens in Gefahr und will sich mit den Söhnen deren Arbeitskraft aneignen, während für die Witwe die Ernährer entfallen würden. Die Erzählung muss jedoch nicht die Verletzung des Zinsverbots Ex 22,24 voraussetzen, sondern kann umgekehrt Zustände schildern, die in der Königszeit den Schutz der Armen durch das Zinsverbot nötig machten (wenn man das → Bundesbuch in die staatliche Zeit datiert).

In einer weiteren Wundererzählung bringt Elisa eine Axt, die einer seiner Jünger geliehen hatte, ihm jedoch in den Jordan gefallen war, zum Schwimmen (2Kön 6,1-7). Dass es sich um eine geliehene Axt handelt, für die der Jünger ersatzpflichtig ist, soll in der Erzählung seinen Schrecken und seine Notlage erklären.

Die soziale Krise im 9. Jh. wird auch durch jährliche Zinssätze bis zu 60% beleuchtet, die aus Dokumenten aus → Elephantine im 5. Jh. bekannt sind. Für das 8. Jh. deutet Spr 22,7 noch recht unbefangen den sozialen Konflikt an, der durch unbezahlbare Schulden, also ein nicht eingegrenztes Leihrecht und mangelnde Ursachenbekämpfung, entsteht. Die Vermehrung des Reichtums mittels נֶשֶׁךְ næšæk (ratenweiser Zinszahlung) und תַּרְבִּית tarbît (Rückzahlung der geliehenen Summe und der Zinsen auf einmal) wird in Spr 28,8 offenbar wertneutral als normaler Vorgang gesehen (Kolon A). Kolon B scheint dann in einem Perspektivenwechsel eine weitere Person ins Spiel zu bringen: „für den, der sich der Geringen erbarmt, sammelt er ihn (sc. den Reichtum).“ Doch wird man hier eine Identität der Personen annehmen müssen, die durch die beiden Partizipien genannt werden. Wer also sein Vermögen durch Zins und Aufschlag vergrößert, soll zugleich jemand sein, der sein Geld den Geringen spendet. Hier kommt offenbar wieder die sonst auch bekannte theologisierte Weisheit einer sozial eingestellten Oberschicht zur Sprache, die auf die soziale Krise und prophetische Kritik des 8. und 7. Jh.s reagiert. Wie Neh 5,1-5 belegt, setzt sich die Problematik unter persischer Herrschaft fort, die Zinsverbote haben also keine oder wenig Wirkung gezeigt.

3. Verleihen von Naturalien und Geld

3.1. Im Alten Orient

3.1.1. Aus dem Alten Orient sind uns Gesetze bekannt, die für den Verleih die Höhe der Zinsen und die Modalitäten der Rückgabe regeln.

Wohl um Wucher zu verhindern, verbietet § 20 des Kodex Eschnunna (Beginn des 2. Jt.s v. Chr., der Text ist schwer verständlich) Gläubigern, die Getreide verliehen haben, als Erstattung Silber zu verlangen. Das Getreide soll vielmehr in der nächsten Erntesaison mit einem Zins von einem Drittel zurückgegeben werden. Diese Bestimmung ist im Alten Orient einzigartig.

Die Absicht besteht wahrscheinlich darin, in Zeiten des Getreidemangels, in denen eine Leihe häufig vorkommt, mit hohen Preisen den Betrag zu fixieren. Der Kodex verbietet diesen „Fruchtwucher“ und verweist auf die nächste Erntesaison (eine Zeit niedriger Preise), in der der Gläubiger nur Getreide mit einem Zins von einem Drittel zurückerhält. Einen in etwa umgekehrten Fall findet man Kodex Hammurabi § 66A: wenn ein Schuldner sein Gelddarlehen nicht zurückzahlen kann, darf der Gläubiger einer Verrechnung in Naturalien (hier Datteln) nicht zustimmen; es kommt nur die Rückzahlung in Silber plus den Zinsen in Frage. § 75+eR kehrt die Dinge um, indem ein Gläubiger, der Silber oder Getreide geliehen hat, anderes Hab und Gut (bušu) des Schuldners annehmen muss, falls dieser nicht in Silber oder Getreide zurückzahlen kann.

Einer Schankwirtin, die ein pichum Bier (ca. 20 Liter) auf Kredit gibt, gesteht § 111 des Kodex Eschnunna zur Erntezeit 50 Liter Getreide als Rückerstattung zu.

3.1.2. Die Höhe der Zinsen führt leicht zur Verschuldung der Kreditnehmer und zur Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Um dem entgegenzuwirken, haben Herrscher – etwa bei Gelegenheit ihres Regierungsantritts – einen Schuldenerlass und die Befreiung aus der Schuldknechtschaft verfügt (Entemena von Lagasch um 2400 v. Chr, Urukagina von Lagasch um 2350 v. Chr., Ur-Nammu vor 2000, Lipit Eschtar von Isin im 19. vorchristlichen Jh., Ammi-Saduqa von Babylon in der Mitte des 17. Jh.s).

Es handelt sich hier um unregelmäßige Maßnahmen der Herrscher, die nicht mit den zumindest der Theorie nach regelmäßig wiederkehrenden → Erlassjahren des Alten Testaments zu vergleichen sind.

3.2. Im Alten Testament

In Ex 3,22; Ex 11,2; Ex 12,35-36 wird mit leichten Unterschieden (in 3,22 sollen nur die Frauen von ihren Nachbarinnen leihen; in 11,2; 12,35 sind es Männer und Frauen bzw. die „Kinder Israels“; in 11,2 werden goldene und silberne Gegenstände geliehen, in 3,22; 12,35 kommen noch Gewänder hinzu) die sog. „Plünderung“ der Ägypter geschildert. Jedes Mal wird hinzugefügt, dass JHWH die Ägypter günstig für die Israeliten stimmte, so dass sie ihnen die geforderten Gegenstände aushändigten.

Die Bedeutung „leihen“ für שׁאל š’l wurde für die drei genannten Stellen zuerst von M. Noth in die Diskussion eingebracht. Begründen lässt sich diese Übersetzung durch die Ahnungslosigkeit der Ägypter, die davon ausgehen konnten, ihre Leihgegenstände zurück zu erhalten, statt die Tötung der Erstgeburt und den Auszug der Israeliten erleben zu müssen. Durch dieses Nebenmotiv soll die Unnachgiebigkeit des Pharao nochmals hervorgehoben werden.

Diese merkwürdigen Notizen, die von der Beauftragung des → Mose durch JHWH bis zum Auszug durchgehalten werden, haben verschiedene Erklärungen gefunden (gute Übersichten bieten Childs, 176 und Houtman 1, 382-387). Da die genannten Objekte auch als Beutestücke genannt werden (Jos 22,8; Sach 14,14), wäre als Grund für ihre Nennung im Kontext des Auszugs denkbar, dass die Israeliten aus Ägypten Kriegsbeute mitführen, ohne dass ein Krieg stattgefunden hat, im Gegenteil: Die Unterdrückten rauben die Unterdrücker aus.

Stellt man noch in Rechnung, dass jedes Mal erwähnt wird, JHWH habe bewirkt, dass die Israeliten bei den Ägyptern Gunst finden und deshalb die erbetenen Wertgegenstände erhalten, dann ließe sich folgende Aussageabsicht wahrscheinlich machen: es handelt sich um redaktionelle Zusätze, die eine „sanfte“ Plünderung Ägyptens schildern und von Kriegsbeute sprechen wollen. Ermöglicht wird das allein durch JHWH, der „Krieg“ kann retrospektiv in den Plagen und prospektiv in der Vernichtung der ägyptischen Streitmacht am Schilfmeer gesehen werden; die drei Zusätze würden also diese schon fortgeschrittene Wachstumsstufe der Komposition voraussetzen. Ein anderes mögliches Motiv könnte auch darin gesehen werden, dass die entliehenen und nicht zurückgegebenen Wertgegenstände den Arbeitslohn der Israeliten darstellen, der ihnen in Ägypten vorenthalten worden war.

Möglich ist diese Erzählnotiz von der Plünderung der Ägypter nur auf der Basis eines allgemein geltenden Leihrechts, das die Rückgabe der entliehenen Sachen zwingend vorsieht.

3.3. Im Neuen Testament

Im Neuen Testament wird im Gleichnis vom bittenden Freund, der drei Brote leihen will (Lk 11,5-8), für „leihen“ das Verb κίχρημι kichrēmi benutzt (gemeint ist das zinslose Darlehen, δανείζω daneizō dagegen das Leihen mit Zinsen an Fremde). Die Hörer sollen sich mit dem Bittsteller identifizieren („Wer von euch wird wohl einen Freund haben und um Mitternacht zu ihm gehen und ihm sagen …“). Die Situation ist sowohl durch die Zeitangabe zugespitzt als auch durch die Pflicht zur Gastfreundschaft, der der Bittsteller unterliegt, da einer seiner Freunde gerade bei ihm zu Gast ist, weshalb er drei Brote braucht. Mit den fiktiven Einwänden des Angegangenen in Lk 11,7 ist das Gleichnis beendet, in Lk 11,8 folgt die Auflösung durch Jesus, dass der Angegangene, wenn schon nicht aus Freundschaft, so doch wegen der Aufdringlichkeit und wegen der Freundschaftspflichten des anderen, der seinerseits einen Gast beherbergt, die Bitte erfüllt. In Lk 11,9-10 folgt die Anwendung, zu bitten, zu suchen und anzuklopfen. Die theologischen Implikationen sind weit reichend: Der Mut zum Bitten, so ungelegen es auch sein mag, einerseits, Gottes mögliche „Bedenken“ und sein scheinbarer Schlaf andererseits, die jedoch durch die Unbeirrtheit der Bittenden überwunden werden können.

4. Metaphorischer und paränetischer Gebrauch

Beim metaphorischen und paränetischen Gebrauch von לוה lwh „leihen“ steht das Verb meistens absolut, d.h. ohne Objekt. In Ps 37,21 werden der Frevler und der Gerechte einander gegenübergestellt: Der Frevler leiht für sich und gibt nicht zurück, der Gerechte gibt voll Erbarmen (die Erwähnung einer Hungersnot in Ps 37,19 könnte ein Leihen-Müssen des Frevlers bedeuten, wahrscheinlicher ist jedoch ein betrügerisches Verhalten, das über eine schlechte Schuldnermoral hinausgeht).

Dagegen spricht Spr 19,17 gleichsam von „Gottes Schuldnermoral“: Das Erbarmen mit dem Geringen wird als ein Darlehen an Gott verstanden, der die gute Tat vergelten wird. Hier kann durchaus an das Bild einer Rückzahlung mit Zinsen gedacht werden; wir treffen hier auf die theologisierte Weisheit, die durch die soziale Krise des 8. und 7. Jh.s in Gang gesetzt wurde.

Dtn 28,12.44 thematisiert Israels Verhältnis zu anderen Völkern. Die spiegelbildliche Gegenüberstellung von → Segen und → Fluch steht im Kontext von reichen Ernten und Missernten. Dementsprechend kann Israel vielen Völkern leihen, ohne selber von ihnen leihen zu müssen, bzw. wird der Fremde in Israel aufsteigen und leihen, ohne selber sich von Israel etwas ausleihen zu müssen, was eine Umkehrung der Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur bedeutet.

1Sam 1,28 stellt einer Deutung einige Schwierigkeiten entgegen und wird oft als eine Art metaphorischer Leihvorgang gedeutet. In 1Sam 1,20 ist die Bedeutung von שׁאל š’l (dem Leitwort der Kindheitsgeschichte → Samuels mit einem Hinweis auf → Saul) noch recht deutlich, da מִן min + JHWH folgt, was dann heißt: „denn von JHWH habe ich ihn erbeten.“ Ähnliches gilt für 1Sam 1,27. Bei ל l + JHWH in V. 28 liegt dann die Opposition von „von“ und „für JHWH“ vor. Diese kommt aber nur dann zum Tragen, wenn שׁאל š’l dann nicht die Bedeutung wechselt und etwa „ausleihen“ heißt. Der H-Stamm bildet die Kausativ-Bedeutung „erbeten lassen“ bzw. „erbeten sein lassen“. Dann wäre 1Sam 1,28a-b zu übersetzen: „Und ich meinerseits lasse ihn für JHWH erbeten sein; alle Tage, die er lebt, soll er für JHWH erbeten sein.“ Es handelt sich hier also um den Gedanken der Rückerstattung und Weihe für die gewährte Bitte, nicht um Leihe.

Im Neuen Testament findet sich (aus der Spruchquelle Q) im Kontext der Bergpredigt Jesu in Mt 5,42 der Parallelismus: „Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will (δανείζω daneizō, auch hier liegt absoluter Gebrauch vor), den weise nicht ab.“ Es handelt sich um den Abschluss der fünften Antithese, die vom Gewaltverzicht handelt und deshalb mit der folgenden sechsten, der Feindesliebe, eng zusammengehört. Insofern wird innerhalb dieser fünften Antithese mit dem Bittsteller ein neues Thema angeschlagen. Der ganze V. 42, also das Gebot, zu geben, und der Prohibitiv, nicht abzuweisen, schließt asyndetisch an (ohne καί kai); dadurch werden im jetzigen Kontext die drei vorangehenden Konkretionen dafür, was es heißt, dem Bösen keinen Widerstand zu leisten, in einer weniger radikalen Weise resümiert; dennoch soll die eigene finanzielle Lage unberücksichtigt bleiben. Dabei hat V. 42 einen Bezug zur Pfändung in Mt 5,40, wobei dort der Schuldner, hier der Besitzende angesprochen wird.

In der lukanischen Feldrede steht in der Parallelstelle Lk 6,29-30 nichts vom Leihen, sondern nur vom Bitten und Geben, Wegnehmen und Nicht-Zurückfordern. Das Leihen erscheint erst in Lk 6,34 als letztes Glied einer Dreierkette, die nach dem Einschub Lk 6,29-31 das Thema der Feindesliebe fortsetzt. Gefordert wird das Leihen (δανείζω daneizō, wiederum absoluter Gebrauch), auch ohne Hoffnung auf Rückerstattung, weil darin das Besondere liegt, das über das Handeln der Sünder hinausgeht. Das Verbleiben in der berechnenden Gegenseitigkeit bringt keine χάρις charis mit sich. Die Bedeutung ist hier nicht „Gnade“, sondern „Lohn“ oder „Gegenleistung“, die jetzt allerdings als die Adoption durch Gott („Söhne des Höchsten“) konkretisiert wird. Dass die Sünder leihen, um „das Gleiche“ (ohne Aufschlag) zurückzuerhalten, kann der Intention geschuldet sein, die Gegenseitigkeit und vollständige Gegenleistung zum Ausdruck zu bringen. Die lukanische Fassung spricht eher von generellen Regeln, während im Matthäusevangelium eher an konkrete Situationen gedacht ist.

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