Leviticus
(erstellt: September 2006)
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1. Name
Das dritte Buch des Pentateuchs trägt im hebräisch-aramäischen Alten Testament den Namen wajjiqrā’ „und er rief“, da das Buch in Lev 1,1
In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments lautet der Name Λευιτικóς „Levitisch“ im Sinne von „(das) levitische (Priestertum)“ (vgl. Hebr 7,11
Da der → Pentateuch
2. Aufbau und Inhalt
Das Buch ist klar gegliedert.
1) Lev 1-7 enthalten Vorschriften über den Vollzug von verschiedenen Opferarten. Konkret werden behandelt:
Lev 1 Brandopfer (‘olāh);
Lev 2 Speisopfer (minchāh);
Lev 3 Gemeinschafts-Schlachtopfer (zäbach šəlāmîm);
Lev 4-5 Sündopfer (chaṭṭā’t) und Schuldopfer (’āšām); die Abgrenzung ist nicht mit letzter Sicherheit vorzunehmen.
In Kap. 6-7 finden sich ergänzende Bestimmungen zu den Opfern, allerdings in gegenüber Kap. 1-5 veränderter Reihenfolge:
Lev 6,1-6
Lev 6,7-11
Lev 6,17-23
Lev 7,1-10
Lev 7,11-21
Dazu finden sich in Lev 6,12-16
2) In Lev 8-10 findet sich die Fortsetzung der priesterschriftlichen Erzählung (womit noch keine Festlegung hinsichtlich der genauen literarischen Zuordnung getroffen wird), die nach der Fertigstellung des Zeltes der Begegnung Ex 35-40 durch die Opfergesetze Lev 1-7 unterbrochen wird, allerdings in höchst sinnvoller Weise. In Lev 8 findet sich JHWHs Befehl sowie der Vollzug der Priesterweihe Aarons und seiner Söhne; Lev 9 schildert Aarons erste Opfer, seinen Segen und die Erscheinung der Herrlichkeit JHWHs; Lev 10,1-7
3) Lev 11-15 überliefern Reinheitsgebote. Lev 11 enthält eine ausführliche Liste reiner und unreiner Tiere, Lev 12 ein kurzes Gesetz über Wöchnerinnen. Lev 13-14 regeln in großer Breite das Verhalten im Falle von Aussatz (Lepra), während Lev 15 detaillierte Regelungen in Bezug auf körperliche, insbes. geschlechtliche Ausflüsse erlässt.
4) Lev 16 ist als eigener Gliederungspunkt anzusprechen. Hier finden sich die Bestimmungen zum Versöhnungstag (jôm hakkippurîm).
5) In Lev 17-26 steht das → Heiligkeitsgesetz
A Lev 17 Kultort, rechter Gottesdienst
B Lev 18 Sexualität (Inzest)
C Lev 19 vermischte Gebote (V.18: Liebesgebot)
B* Lev 20 Sexualität (Inzest)
A* Lev 21-22 Priestergesetze
D Lev 23 heilige Zeiten
E Lev 24 Schaubrote; Talionisformel
D* Lev 25 heilige Zeiten
A** Lev 26 Verheißung und Sanktionsdrohung
6) In Lev 27 schließt das Buch mit einem Kapitel über die Auslösung von Gelübde- und Weihegaben.
3. Entstehung
Die Frage nach der Entstehung ist auf zwei Ebenen zu stellen: 1. hinsichtlich der Entstehung der unter 2. aufgeführten Abschnitte; 2. hinsichtlich der Entstehung bzw. des Werdens des Buches Leviticus.
3.1. Entstehung der Unterabschnitte des Buches Leviticus
3.1.1 Die Opfergesetze in Lev 1-7
Ein erster Hinweis auf die Entstehung der Opfergesetze ist die oben erwähnte Doppelung zwischen Kap. 1-5 und Kap. 6-7. Man hat also zu fragen, wie diese Doppelung zu erklären ist. Wenig wahrscheinlich ist die Entstehung der Kap. aus einer Hand in einem Zug. In diesem Falle wären die Bestimmungen aus Kap. 6-7 an die entsprechenden Abschnitte aus Kap. 1-5 angefügt worden. Eher wird man zu vermuten haben, dass entweder ein Redaktor insbes. unter der Perspektive der Priesterversorgung bzw. der Priesteranteile am Opfer Lev 6-7 formuliert hat, oder wir haben in diesen Kapiteln eine ursprünglich selbständige Parallelüberlieferung zu Kap. 1-5 aus der genannten Perspektive vor uns. Dass Lev 6-7 in der Reihenfolge der Opfer von Lev 1-5 abweichen, könnte für die zuletzt genannte Alternative sprechen.
Bei der Analyse von Lev 1-5 fällt auf, dass die Opferarten nach unterschiedlichen Gesichtspunkten benannt sind. Ist der leitende Gesichtspunkt bei den Opfern in Kap. 1-3 die Art des Opfers bzw. die Form des Verzehrs (verbrennen, essen, schlachten), so sind die Opfer in Kap. 4-5 nach ihrem Zweck zusammengestellt (Vergebung von Sünde und Schuld). Doch spricht dieser Unterschied nicht zwingend dafür, dass beiden Abschnitte von verschiedenen Verfassern stammen.
Sind die Opfergesetze auch spät gesammelt und literarisch fixiert worden, dürften sie doch vor ihrer Verschriftung eine längere Überlieferungsgeschichte durchlaufen haben.
3.1.2. Die erzählenden Partien in Lev 8-10
Die meistdiskutierte literarische Frage zu Lev 8-10 zielt auf die Zugehörigkeit von Teilen aus Lev 8-10 zur priesterschriftlichen Grundschrift PG (→ Priesterschrift
3.1.3. Die Reinheitsgebote in Lev 11-15
Die Reinheitsgebote haben ähnlich wie die Opfergesetze vermutlich eine längere Überlieferungsgeschichte. Dabei sind die einzelnen Überlieferungskomplexe je für sich zu nehmen. In Lev 11 (reine und unreine Tiere) sind zwei Vorlagen, von denen eine eng mit Dtn 14 verwandt ist, verarbeitet worden. Auch der große Komplex der Aussatztora Lev 13-14 ist aus verschiedenen Überlieferungen zusammengestellt und kontinuierlich erweitert worden. In Lev 12 (Wöchnerinnen) und 15 (Ausflüsse) dürften dagegen ältere Vorlagen sukzessive fortgeschrieben worden sein. Dass in den Reinheitsgesetzen – wie es bei den Opfervorschriften der Fall ist – eine einheitliche bzw. vereinheitlichende Redaktion tätig gewesen ist, ist nicht mehr festzustellen. Dagegen spricht die unterschiedliche Form, die noch recht gut die Eigenart der Texte erkennen lässt.
3.1.4. Der Versöhnungstag in Lev 16
Die Überlieferung vom Versöhnungstag Lev 16 knüpft erzählerisch an Lev 8-10 an, es finden sich darin aber mit großer Wahrscheinlichkeit keine Spuren der priesterlichen Geschichtserzählung PG.
3.1.5. Das Heiligkeitsgesetz in Lev 17-26
Zur Entstehung des → Heiligkeitsgesetzes
a) Auf der einen Seite wird vermutet, dass das Heiligkeitsgesetz ursprünglich ein eigenständiges Rechtscorpus gewesen ist, das in exilisch-nachexilischer Zeit die älteren Corpora, das → Bundesbuch
b) Auf der anderen Seite sieht man im Heiligkeitsgesetz einen integralen Bestandteil der Priesterschrift. Lev 17-26 haben zwar durchaus ein eigenes Gepräge, dies rechtfertige aber nicht, vom Heiligkeitsgesetz auch literarisch als einer eigenen Größe zu sprechen (Ruwe).
Die Diskussion neigt sich derzeit der letztgenannten Lösung zu, sie ist noch nicht abgeschlossen.
3.1.6. Das Gelübde in Lev 27
Die Grundschicht von Lev 27 gehört zu den jüngsten Bestandteilen des Leviticusbuches; sie ist in späterer Zeit noch fortgeschrieben worden.
3.2. Die Entstehung des Buches Leviticus
Das Leviticusbuch bildet zwischen Ex 35-40, wo die Herstellung des transportablen Heiligtums („Zelt der Begegnung“) erzählt wird, und Num 1-10, der Zählung des Volkes in der Wüste, eine relativ abgeschlossene Größe, in der vor allem Fragen des rechten Gottesdienstes abgehandelt werden. Dieses Thema verleiht den 27 Kapiteln eine gewisse Einheitlichkeit. Diese Einheitlichkeit lässt es wiederum als wahrscheinlich erscheinen, dass es Redaktionen gegeben hat, die insbesondere das Leviticusbuch einheitlich gestaltet haben.
Diese Redaktionen sind vor allem in den Rahmenversen der einzelnen Kapitel und Abschnitte zu greifen, in denen die vermutlich älteren Vorlagen der (fiktiven) historischen Situation am Sinai angepasst worden sind: Hier werden die unterschiedlichen Gesetze als Rede JHWHs an Mose (und Aaron) dargestellt und somit für ganz Israel als seit jeher verbindlich qualifiziert.
Auf den Redaktor dürfte auch die Anordnung der Gesetze im Leviticusbuch zurückgehen. Dabei wird es eine Rolle gespielt haben, dass nach der Fertigstellung des Gottesdienstortes Ex 35-40 vor dem ersten Opfer anlässlich der Priesterweihe (Lev 8-9) Gesetze erlassen werden, die den Vollzug von Opfern regeln. Und bevor das Heiligkeitsgesetz Lev 17-26 Gebote zur Reinheit und Heiligkeit des Volkes erlässt, ist in Lev 11-15 festgehalten, was unter Reinheit – jedenfalls in einer bestimmten Weise – zu verstehen ist. Der Ort des Gesetzes vom großen Versöhnungstag Lev 16 hängt vermutlich damit zusammen, dass sich in Lev 17 die grundlegenden Bestimmungen zum Umgang mit Blut und zum Verständnis von Sühne finden. Lev 27 ist als Überleitung zum Buch → Numeri
4. Theologische Motive
Auch wenn die folgenden Begriffe in diesem Lexikon gesondert behandelt werden, sollen doch im Sinne eines Gesamtverständnisses des Leviticusbuches die theologischen Dimensionen des Buches zumindest angedeutet werden.
4.1. Opfer
Standen die alttestamentlichen → Opfer
Zum anderen ist der Ritus der Handaufstemmung, der bes. in Lev 4-5 und Lev 16 eine große Rolle spielt, einer vertieften Deutung unterzogen worden. Heute versteht man ihn überwiegend im Sinne einer Identifikation des Opfernden mit dem Opfertier: Der Opfernde erkennt an, dass er für seine Schuld den Tod verdient hat, den das Opfertier stellvertretend stirbt.
Kurz gesagt: Verstand man in früherer Zeit die Opfer im Sinne des „do ut des“ – ich (Mensch) gebe dir (Gott) ein Opfer, damit du mir Gesundheit, Reichtum, Kinder usw. gibst, verstehen wir es heute im Sinne des „do quia dedisti“ – ich (Mensch) gebe dir (Gott), weil du mich reich beschenkt hast. Das Opfer ist Antwort des Menschen auf die Zuwendung des liebenden, gnädigen Gottes.
4.2. Priester
Von Priestern ist im Leviticusbuch in den Kap. 8-9 und in den Kap. 21-22 die Rede. Die Stellung der Priester ist in einer dialektischen Weise zu beschreiben: Zum einen haben sie eine herausgehobene Position. Sie werden gesalbt (wie sonst nur Könige) und erhalten den Auftrag, stellvertretend für das Volk den rituellen Verkehr mit JHWH und dem Heiligen zu pflegen. Zum anderen wird festgehalten, dass auch das Volk priesterliche Aufgaben übernimmt – z. B. die Scheidung von unreinen und reinen Tieren Lev 20,22ff
Priester unterliegen besonderen Reinheitsvorschriften, und sie müssen körperlich unversehrt sein. Dies verlangt ihre besondere Aufgabe des Verkehrs mit Gott.
4.3. Reinheit
Mit dem Begriffspaar rein / unrein wird ausgesagt, dass es zum einen bestimmte körperliche Verfassungen gibt, die einen Kontakt mit Gott und zum Teil auch anderen Menschen unmöglich machen. Zum anderen wird Reinheit / Unreinheit bestimmten Tieren zugeschrieben, wobei unreine Tiere als nicht opferfähig qualifiziert werden und auch nicht gegessen werden sollen. Eine rational nachvollziehbare Erklärung für alle diese Qualifikationen ist schwierig, vielleicht auch nicht möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass alte Tabuvorschriften nachwirken, und Tabuvorschriften entziehen sich rationaler Nachfrage. Als Hintergrund für die Unreinheit von Wöchnerinnen und menstruierenden Frauen kann immerhin angenommen werden, dass sie neues Leben und Fruchtbarkeit symbolisieren, die durch die Erklärung als unrein geschützt werden sollen.
4.4. Heiligkeit
Das Heiligkeitsgesetz bestimmt die Beziehung zwischen Gott, Volk und Land. JHWH ist der Gott des Volkes, weil er Israel durch die Herausführung aus Ägypten geheiligt hat (Lev 22,31-33
Wie die anderen Rechtscorpora hält auch das Heiligkeitsgesetz am Vorrang der Zusage gegenüber dem Gebot fest.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
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- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Kommentare
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3. Weitere Literatur (in Auswahl)
3.1. Allgemein
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- Fischer, Georg / Backhaus, Knut, Sühne und Versöhnung (NEB Themen 7), Würzburg 2000
- Janowski, Bernd, Sühne als Heilsgeschehen (WMANT 55), Neukirchen-Vluyn 1982
- Kiuchi, Nobuyoshi, The Purification Offering in the Priestly Literature (JSOT.S 56), Sheffield 1987
- Rendtorff, Rolf, Studien zur Geschichte des Opfers im Alten Israel (WMANT 24), Neukirchen-Vluyn 1967
- Schenker, Adrian (Hg.), Studien zu Opfer und Kult im Alten Testament (FAT 3), Tübingen 1992
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- Douglas, Mary, Reinheit und Gefährdung (stw 712), Frankfurt a. M. 1988
- Houston, Walter, Purity and Monotheism (JSOT.S 140), Sheffield 1993
- Seidl, Theodor, Tora für den Aussatz-Fall (ATS 18), St. Ottilien 1982
3.4. Heiligkeitsgesetz
- Cholewinski, Alfred, Heiligkeitsgesetz und Deuteronomium (AnBib 66), Rom 1976
- Grünwaldt, Klaus, Das Heiligkeitsgesetz Leviticus 17-26 (BZAW 271), Berlin / New York 1999
- Joosten, Jan, People and Land in the Holiness Code (VT.S 67), Leiden 1996
- Kilian, Rudolf, Literarkritische und formgeschichtliche Untersuchung des Heiligkeitsgesetzes (BBB 19), Bonn 1963
- Knohl, Israel, The Sanctuary of Silence, Minneapolis 1995
- Reventlow, Henning Graf, Das Heiligkeitsgesetz formgeschichtlich untersucht (WMANT 6), Neukirchen-Vluyn 1961
- Ruwe, Andreas, „Heiligkeitsgesetz“ und „Priesterschrift“ (FAT 26), Tübingen 1999
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